Vaskuläre Demenz: Morbus Binswanger (SAE), Multi-Infarkt-Demenz und Co.

Vaskuläre Demenz

Wenn vertraute Wege plötzlich fremd wirken oder Gespräche ins Stocken geraten, ist das oft beunruhigend – für Betroffene, wie für Angehörige. Die vaskuläre Demenz ist nach Alzheimer die häufigste Demenzform. Häufige Unterformen sind Morbus Binswanger und die Multi-Infarkt-Demenz. Leider sind vaskuläre Demenzen bislang nicht heilbar – doch durch gezielte Maßnahmen lässt sich der Verlauf oft verlangsamen.

In diesem Ratgeber informiert Sie pflege.de über Ursachen, typische Symptome, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten bei vaskulärer Demenz.

Inhaltsverzeichnis

Vaskuläre Demenz: Definition

Vaskulär bedeutet so viel wie „die Blutgefäße betreffend“. Daher sind vaskuläre Demenzen der Überbegriff für alle Demenzformen, die durch Störungen der Blutversorgung im Gehirn verursacht werden.

Die vaskulären Demenzen machen rund 15 bis 20 Prozent aller Demenzerkrankungen aus und sind somit nach Alzheimer die häufigste Demenzform. In Deutschland leben schätzungsweise 250.000 Menschen mit einer vaskulären Demenz.(1)(2)(3)

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Wenn Sie oder Ihr Angehöriger im Alltag zunehmend auf Unterstützung angewiesen sind, haben Sie möglicherweise Anspruch auf einen Pflegegrad. Damit verbunden sind verschiedene Leistungen der Pflegekasse, die den Alltag erleichtern können. Mit dem kostenlosen Pflegegradrechner von pflege.de ermitteln Sie schnell, welcher Pflegegrad in Ihrem Fall wahrscheinlich ist.

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Vaskuläre Demenz: Symptome und Anzeichen

Die Symptome bei einer vaskulären Demenz können schleichend oder plötzlich auftreten – je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist.

Häufige Anzeichen sind:(4)(5)

  • Denkstörungen – alltägliche Aufgaben fallen schwerer
  • Orientierungsprobleme – bekannte Wege oder Orte werden nicht mehr erkannt
  • Gedächtnisstörungen – Ereignisse, die erst kurze Zeit zurückliegen, werden vergessen
  • Sprachstörungen – passende Worte fehlen oder Gespräche werden einsilbig
  • Gangunsicherheit und Schwindel – der Gang wird langsamer und unsicherer, es besteht erhöhte Sturzgefahr
  • Sehstörungen – Gegenstände oder Gesichter werden nicht erkannt
  • Blasenprobleme – starker Harndrang bis hin zu Harninkontinenz
  • Stimmungsschwankungen – plötzliche Heiterkeit oder Traurigkeit, teils Aggressionen
  • Müdigkeit – vermehrtes Schlafen am Tag

All diese Symptome können selbstverständlich auch andere Ursachen haben, wie zum Beispiel Vitamin- oder Flüssigkeitsmangel, Stoffwechselstörungen, Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit oder Infektionen.

Daher ist es wichtig, dass Sie Auffälligkeiten oder anhaltende Beschwerden frühzeitig bei Ihrem Hausarzt abklären.

Info
Symptome treten unterschiedlich auf

Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz können die Symptome bei einer vaskulären Demenz ganz plötzlich auftreten – je nachdem wo sich ein Blutgefäß im Gehirn verschlossen hat. Gerade die Multi-Infarkt-Demenz verläuft über lange Phasen nahezu unauffällig. Mal ist der Betroffene stark eingeschränkt, dann ist er wieder klar. Daher gilt: Auch kurzweilige Auffälligkeiten sollten Sie ernst nehmen.

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Vaskuläre Demenz: Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für vaskuläre Demenzen können vielfältig sein. Aus unterschiedlichen Gründen wie Ablagerungen (Arteriosklerose), Verengungen oder Verstopfungen können die Blutgefäße ihrem Auftrag, Blut zu transportieren, nicht mehr ausreichend nachkommen.(5)

Die Folge: Hirnzellen werden beschädigt oder sterben sogar ab. Die Durchblutungsstörungen können überall im Gehirn auftreten und damit verschiedene Symptome hervorrufen.(4)

Zwar sind vaskuläre Demenzen bislang nicht heilbar, es gibt aber gute Chancen, gegen ihre Ursache – die Durchblutungsstörungen – vorzugehen. Daher ist es wichtig, die Faktoren zu kennen, die das Risiko für Durchblutungsstörungen erhöhen.(6)

Risikofaktoren für vaskuläre Demenzen sind:(5)

  • Hohes Lebensalter
  • Bluthochdruck
  • Rauchen
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
  • Hohe Cholesterinwerte (Blutfettwerte)
  • Arteriosklerose
  • Übergewicht
  • Bewegungsmangel
  • Herzschwäche
  • Herzrhythmusstörungen
  • Übermäßiger Alkoholkonsum
  • Familiäre Vorbelastung, zum Beispiel Schlaganfälle in der Familie

So können Sie das Risiko für eine vaskuläre Demenz senken

Das Risiko, an einer vaskulären Demenz zu erkranken, lässt sich nicht völlig ausschließen. Dennoch können Sie durch gezielte Anpassungen Ihres Lebensstils versuchen, das Risiko zu senken:(7)

  1. Achten Sie auf einen normalen oder gut eingestellten Blutdruck.
  2. Verzichten Sie auf Nikotin.
  3. Ernähren Sie sich ausgewogen.
  4. Bewegen Sie sich regelmäßig.
  5. Prüfen Sie Ihre Blutfett- und Blutzuckerwerte.
  6. Bleiben Sie weiterhin in Kontakt mit anderen und nehmen aktiv am Leben teil.
  7. Verzichten Sie auf Alkohol.
  8. Vermeiden Sie Übergewicht beziehungsweise reduzieren Sie, wenn nötig, Ihr Gewicht.
Tipp
Demenz vorbeugen

Weitere Infos und Tipps rund ums Thema Demenzprävention finden Sie in unserem Ratgeber Demenz vorbeugen.

Vaskuläre Demenz: Diagnostik und Tests

Bevor die Diagnose „vaskuläre Demenz“ feststeht, sind meist verschiedene Untersuchungen nötig. pflege.de zeigt Ihnen, welche Methoden dabei zum Einsatz kommen:(8)(5)

  • Anamnese: In einem Arztgespräch werden die Beschwerden, die Krankengeschichte und mögliche Risikofaktoren besprochen.
  • Tests: Bei Verdacht auf eine Demenzerkrankung werden spezielle Demenz-Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) durchgeführt.
  • Bildgebende Verfahren: Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) zeigen Veränderungen im Gehirn.
  • Laborwerte: Blutuntersuchungen klären mögliche andere Ursachen.
  • Gefäßuntersuchungen: Die Doppler-Sonografie ist eine spezielle Ultraschalluntersuchung, die die Durchblutung in Gefäßen misst. Bei einem Elektrokardiogramm (EKG) werden Herzrhythmusstörungen erkannt. Bei einer Echokardiographie (Herzultraschall) wird die Herzfunktion überprüft.

Wann welche Methode zum Einsatz kommt, richtet sich immer nach dem Einzelfall.

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Info
MRT macht Veränderungen in Kopf und Gehirn sichtbar

Veränderungen im Gehirn können durch eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT) festgestellt werden – wobei die MRT die Hirnstruktur und Veränderungen im Kopf detaillierter darstellen kann.

Experten-Info

Je nachdem, welche Hirnregion betroffen ist, können ganz unterschiedliche funktionelle Störungen auftreten. Häufig äußern sich diese über die typischen Symptome bei vaskulärer Demenz. Ist beispielsweise das Wernicke-Areal betroffen, also das Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte, haben die Betroffenen Schwierigkeiten mit der Wortfindung und mit dem Verstehen der Wörter.

Dr. med. Christian  Saß
Facharzt für Neurologie

Verschiedene Arten der vaskulären Demenz

Unter den vaskulären Demenzen sind SAE und die Multi-Infarkt-Demenz die häufigsten Formen.(9)

SAE (Morbus Binswanger)

SAE steht für „Subkortikale Arteriosklerotische Enzephalopathie“. Hier sind Wandverdickungen in kleinen Blutgefäßen des Gehirns (Arteriosklerose) die Ursache, und Bluthochdruck der bedeutendste Risikofaktor.(6)

Weitere Begriffe für diese Form der vaskulären Demenz sind „Morbus Binswanger“ – nach dem Neurologen und Entdecker Otto Ludwig Binswanger, oder auch „subkortikale Demenz“.

Tipp
Blutdruckkontrolle bei SAE

Den Blutdruck regelmäßig zu prüfen, ist bei SAE mit einer der wichtigsten Maßnahmen. Nutzen Sie gerne das kostenlose Blutdruck-Tagebuch von pflege.de und notieren Sie darin die gemessenen Werte. So behalten Sie den Überblick und können Auffälligkeiten schnell erkennen beziehungsweise mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.

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Multi-Infarkt-Demenz

Eine weitere Form der vaskulären Demenz ist die sogenannte Multi-Infarkt-Demenz.

Manchmal ist ein einzelner, schwerer Schlaganfall dafür verantwortlich, oft aber sind es mehrere, sogenannte Multi-Infarkte im Gehirn.(6)

Tipp
Schlaganfall vorbeugen

Jeder einzelne Hirninfarkt zerstört Gehirngewebe und kann so auf kurz oder lang zu einer vaskulären Demenz führen. Was die Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind und wie Sie einem Schlaganfall vorbeugen können, lesen Sie in unserem Ratgeber Schlaganfall: Ursachen & Risikofaktoren vorbeugen.

Mischform aus vaskulärer Demenz und Alzheimer

Es ist auch möglich, dass Menschen an einer Mischform aus Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz erkranken. Gerade bei älteren Menschen sind solche Mischformen häufig.(1)

Vaskuläre Demenz: Verlauf, Stadien und Dauer

Vaskuläre Demenzen können schubweise oder stetig fortschreiten. Manche Menschen erleben Phasen ohne Verschlechterung, gefolgt von plötzlichen Einschränkungen.

Beginnende vaskuläre Demenz

Oft beginnt eine vaskuläre Demenz mit verlangsamten Denkprozessen, Problemen beim Verstehen komplexer Zusammenhänge und mit Gangunsicherheiten.

Manche Menschen können ihre Beeinträchtigungen länger kompensieren und finden Strategien, den Alltag gut zu bewältigen, wohingegen andere Menschen rasch Auffälligkeiten zeigen und früh Hilfe im Alltag benötigen.(2)

Den genauen Zeitpunkt beziehungsweise Beginn einer vaskulären Demenz festzulegen, ist in den meisten Fällen allerdings nicht mehr möglich.

Tipp
Informieren Sie sich über das Krankheitsbild

Es kann hilfreich sein, sich nach der Diagnose über die Demenzerkrankung, mögliche Verläufe und Unterstützungsangebote zu informieren. So behalten Sie die Möglichkeit, bewusst zu planen, selbstbestimmt zu handeln und sich Schritt für Schritt auf kommende Herausforderungen vorzubereiten.

Schübe bei vaskulärer Demenz

Typisch für die vaskuläre Demenz ist, dass sie in Schüben auftreten kann – das bedeutet auch, dass sich die Symptome stufenartig verschlechtern können. Solche Schübe können sehr belastend sein, da mit jedem Rückschritt weitere Fähigkeiten verloren gehen.(2)

Gerade deshalb ist es wichtig, Unterstützung und verfügbare Leistungen frühzeitig anzunehmen – sei es durch medizinische Betreuung, Alltagshilfen oder soziale Angebote. Damit lassen sich oft wichtige Freiräume erhalten und der Alltag bestmöglich gestalten.

Ein Pflegegrad bildet dabei die Grundlage für viele Leistungen der Pflegekasse. Mit dem kostenlosen Pflegegradrechner von pflege.de können Sie einschätzen, welcher Pflegegrad in Ihrem Fall infrage kommt.

 

Was bestimmt den Verlauf einer vaskulären Demenz?

Im Gegensatz zu einer Demenz vom Typ Alzheimer, die normalerweise langsam beginnt und sich kontinuierlich verschlechtert, kann sich eine vaskuläre Demenz relativ rasch entwickeln, sich abrupt verschlechtern, zum Stillstand kommen oder sich sogar leicht bessern.

Die „Dauer der Erkrankung“ gestaltet sich sehr unterschiedlich und hängt damit zusammen, in welchem Alter die Erkrankung auftritt. Auch die Anzahl und Schwere der Gefäßverschlüsse und/oder Hirnblutungen sind ausschlaggebend für den Verlauf.

Damit zeigen sich auch Symptome unterschiedlich rasch verlaufend und ausgeprägt – je nachdem, an welchen Stellen des Gehirns sich die Durchblutungsstörungen ereignen.(5)

Fortgeschrittene vaskuläre Demenz

Im fortgeschrittenen Stadium der vaskulären Demenz sind viele Alltagsfähigkeiten stark eingeschränkt. Die Betroffenen können häufig nicht mehr selbstständig für sich sorgen und benötigen umfassende Unterstützung, beispielsweise beim Ankleiden, bei der Körperpflege oder bei der Orientierung.

In manchen Fällen kommt es bereits zu längeren Phasen der Bettlägerigkeit, doch oft ist noch eine eingeschränkte Mobilität vorhanden. Auch die sprachliche Kommunikation ist zu diesem Zeitpunkt meist reduziert, jedoch nicht vollständig erloschen.

Eine weit fortgeschrittene vaskuläre Demenz ähnelt im Verlauf zunehmend der Alzheimer-Demenz. Mischformen zwischen beiden Demenzformen sind möglich.

Tipp
Aktivierende Pflege nach dem Bobath-Prinzip

Bei vaskulärer Demenz ist es wichtig, die noch vorhandenen kognitiven Fähigkeiten durch gezielte Aktivierung zu fördern. Regelmäßige geistige Stimulation, strukturierte Tagesabläufe und die Einbindung in alltägliche Tätigkeiten können helfen, die Selbstständigkeit länger zu erhalten. Das Bobath-Prinzip setzt auf ein ganzheitliches, aktivierendes Pflegekonzept.

Bonus
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Vaskuläre Demenz im Endstadium

Im Endstadium einer vaskulären Demenz unterscheidet sich das Krankheitsbild kaum noch von anderen schweren Demenzformen.

Die Betroffenen sind in der Regel dauerhaft bettlägerig, können sich kaum noch selbst bewegen und sind vollständig auf Hilfe angewiesen – auch bei grundlegenden Funktionen wie Essen und Trinken. Sinnvolle Gespräche sind in den meisten Fällen nicht mehr möglich.

Wichtig zu wissen ist, dass eine Demenz im Endstadium mit Komplikationen einhergehen kann. Dazu zählen beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte sowie Folgeerkrankungen wie Lungenentzündungen durch Verschlucken oder Dekubitus (Wundliegen) infolge längerer Bettlägerigkeit. Achten Sie daher auf einen sorgfältigen Infektionsschutz.(5)

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Palliativpflege im Endstadium bei vaskulärer Demenz

Im Endstadium der vaskulären Demenz steht die professionelle palliative Betreuung im Vordergrund. Das Ziel der Palliativpflege ist es, Beschwerden zu lindern, Würde zu bewahren und eine möglichst hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Spezialisierte Unterstützung kann durch Palliativpflegeteams, spezialisierte Pflegeheime oder Hospize erfolgen.

Gerade weil das Endstadium so umfassende Pflege erfordert, kann es entlastend sein, wichtige Entscheidungen bereits frühzeitig zu treffen – etwa durch Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen oder organisatorische Absprachen mit Angehörigen.

Tipp
Darum ist eine Patientenverfügung bei einer vaskulären Demenz sehr wichtig

Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und Sie selbstbestimmt bleiben. Sie greift in Situationen, in denen Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sich selbst auszudrücken. Dieses Dokument entlastet zudem Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen. Nutzen Sie hierfür gerne die kostenlose Vorlage von pflege.de.

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Wie hoch ist die Lebenserwartung mit vaskulärer Demenz?

Die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz kann sehr unterschiedlich sein – sie hängt unter anderem von der allgemeinen Gesundheit, dem Krankheitsverlauf und der Unterstützung im Alltag ab.

Viele Betroffene können noch über mehrere Jahre ein erfülltes Leben führen, besonders wenn sie liebevoll gepflegt, medizinisch gut betreut und aktiv eingebunden werden.(5)

Gemeinsame Aktivitäten, Beschäftigung und Spiele, soziale Kontakte und kleine neue Erfahrungen tragen dazu bei, Freude und Selbstbestimmung so lange wie möglich zu bewahren.

Umso wichtiger sind eine gute und wertschätzende Pflege, Betreuung und Aktivierung, die den Betroffenen dabei helfen, so lange wie möglich am Leben teilzunehmen, unter Menschen zu sein, an Aktivitäten teilzunehmen und auch Neues kennenzulernen.

Vaskuläre Demenz: Behandlung/Therapie

Leider ist eine Heilung bei vaskulären Demenzen bislang ausgeschlossen – aber mit gezielten Maßnahmen können Sie den Verlauf positiv beeinflussen und geistige Fähigkeiten fördern.

Zudem kann es sinnvoll sein, die Risikofaktoren für vaskuläre Demenzen zu kennen und ihnen gezielt vorzubeugen, um das Risiko für weitere Durchblutungsstörungen zu senken.

Nicht-medikamentöse Therapien können vorhandene Fähigkeiten stärken:

  • Ergotherapie kann alltägliche Fertigkeiten trainieren
  • Musik- und Tanztherapie können die Sinne fördern und Lebensfreude erhalten
  • Regelmäßiges Gehtraining kann die Mobilität verbessern

Medikamentöse Therapien richten sich nach der Ursache. Bisher gibt es keine speziellen Medikamente gegen vaskuläre Demenz selbst, aber es können andere Medikamente zum Einsatz kommen:

  • Gerinnungshemmer und Blutdrucksenker wirken weiteren Gefäßschäden entgegen
  • Psychopharmaka können Begleitsymptome wie Angst, Depression oder Schlafstörungen lindern

Gemeinsam mit Ihrem Arzt können Sie besprechen, welche Therapie-Methoden in Ihrem Fall geeignet sind.(5)

Tipp
Therapien bei Demenz im Überblick

Weitere Infos rund ums Thema Demenz-Therapie finden Sie in unserem Ratgeber Demenz behandeln.

Tipps für pflegende Angehörige

Der „richtige“ Umgang mit Demenz ist gerade für Angehörige nicht immer leicht. Nicht nur, dass sich einige Verhaltensweisen ihres vertrauten Familienmitglieds ändern können, im späteren Verlauf kann sich auch die Persönlichkeit eines Menschen völlig verwandeln. War beispielsweise die Person bisher immer geduldig und ausgeglichen, kann sie plötzlich sehr ungeduldig und fordernd werden.

Gerade emotionale Ausbrüche, wie etwa Wut und Aggressionen bei Demenz, können den Pflegealltag für alle Beteiligten erschweren. Wenn Sie ein Familienmitglied mit Demenz pflegen, machen Sie sich immer wieder bewusst: Hinter dieser Erkrankung steckt immer noch derselbe Mensch mit einer Lebensgeschichte und eigenem Willen.

So schwer es Ihnen teilweise auch fallen kann, versuchen Sie möglichst einfühlsam zu sein. Ein fürsorglicher Umgang gibt demenzerkrankten Menschen ein sicheres Gefühl und kann Stresssituationen entgegenwirken.

In Pflegekursen können Sie sich wertvolles Wissen und praktische Techniken aneignen, die Sie im Alltag mit vaskulärer Demenz unterstützen. Diese Angebote sind für Sie kostenfrei und werden von der Pflegekasse bezahlt.

Tipp
Hilfe für Angehörige von Demenzerkrankten

In unserem Ratgeber Demenz: Hilfe für Angehörige geben wir Ihnen einen Überblick über mögliche Angebote und Anlaufstellen, an die Sie sich wenden können.

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Vaskuläre Demenz: Erfahrungsbericht einer Angehörigen

Am Anfang waren es nur merkwürdige Worte. Jahre später folgte die Diagnose „Vaskuläre Demenz“. Im Interview mit pflege.de erzählt Kirstin, wie sie die ersten Anzeichen bei ihrem Ehemann bemerkte, was sich seit der Diagnose verändert hat und wie sie den Alltag heute gemeinsam meistern.

Häufig gestellte Fragen

Was ist vaskuläre Demenz?

Vaskuläre Demenzen sind der Überbegriff für alle Demenzformen, die durch Störungen der Blutversorgung im Gehirn verursacht werden. Sie machen rund 15 Prozent aller Demenzerkrankungen aus und sind somit nach Alzheimer die häufigste Demenzform.

Was bedeutet SAE?

SAE ist die Abkürzung für „Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie“ und ist die häufigste Unterform der vaskulären Demenzen. SAE wird auch als „Morbus Binswanger“ oder „subkortikale Demenz“ bezeichnet.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei vaskulärer Demenz?

Wie lange ein Mensch mit einer vaskulären Demenz leben wird, hängt von der körperlichen Verfassung, dem Krankheitsstadium und der medizinischen Betreuung ab. Viele Betroffene können noch über mehrere Jahre ein erfülltes Leben führen.

Wie entsteht eine vaskuläre Demenz?

Vaskuläre Demenzen entstehen durch Durchblutungsstörungen im Gehirn. Hirnzellen erhalten zu wenig Sauerstoff und sterben ab. Häufige Ursachen sind: Schlaganfälle, Blutgerinnsel in Hirngefäßen, Arterienverkalkung (Arteriosklerose) und Blutungen im Gehirn.

Wie äußert sich eine vaskuläre Demenz?

Vaskuläre Demenz beginnt oft mit verlangsamten Denkprozessen, Problemen beim Verstehen komplexer Zusammenhänge und mit Gangunsicherheiten. Typische Symptome sind: Denkstörungen, Orientierungsprobleme, Gedächtnisstörungen, Sprachstörungen, Gangunsicherheit und Schwindel, Sehstörungen, Blasenprobleme, Stimmungsschwankungen und Müdigkeit.

Wie verläuft eine vaskuläre Demenz?

Typisch für einen Verlauf der vaskulären Demenz sind die Schübe, die stufenweise eine Verschlechterung bewirken. Verantwortlich dafür sind kleine oder größere Hirninfarkte, die Teile des Gehirns zerstören.

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Erstelldatum: 6102.11.61|Zuletzt geändert: 5202.90.32
(1)
C. Kluckert & M. Hüll (2021): Vaskuläre Demenz
www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1220-4197 (letzter Abruf am 18.08.2025)
(2)
Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) (2025): Vaskuläre Demenz verstehen: Neue Broschüre gibt Orientierung
www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/neue-broschuere-vaskulaere-demenz/ (letzter Abruf am 18.08.2025)
(3)
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2024): Vaskuläre Demenz
https://gesund.bund.de/vaskulaere-demenz (letzter Abruf am 18.08.2025)
(4)
Demenz Forschung Schweiz - Stiftung Synapsis (ohne Jahr): Vaskuläre Demenz
www.demenz-forschung.ch/de/vaskulaere-demenz/ (letzter Abruf am 18.08.2025)
(5)
Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) (ohne Jahr): Vaskuläre Demenz
www.alzheimer-forschung.de/demenz/formen/vaskulaere-demenz/ (letzter Abruf am 18.08.2025)
(6)
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. - Selbsthilfe Demenz (2025): Andere Demenzformen
www.deutsche-alzheimer.de/demenz-wissen/andere-demenzformen (letzter Abruf am 18.08.2025)
(7)
Fachstelle für Demenz und Pflege Bayern (2025): Vaskuläre Demenz
www.demenz-pflege-bayern.de/demenz/basisinformationen/erscheinungsformen-einer-demenz/vaskulaere-demenz (letzter Abruf am 18.08.2025)
(8)
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) & Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) (2025): S3-Leitlinie Demenzen
https://register.awmf.org/assets/guidelines/038-013l_S3_Demenzen_2025-07.pdf (letzter Abruf am 18.08.2025)
(9)
J. Huang (2025): Vaskuläre Demenz
www.msdmanuals.com/de/heim/st%C3%B6rungen-der-hirn-r%C3%BCckenmarks-und-nervenfunktion/delirium-und-demenz/vaskul%C3%A4re-demenz (letzter Abruf am 18.08.2025)
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Interview

Vaskuläre Demenz – Erfahrungen einer Angehörigen

Kirstin Puchner
Im Interview
Kirstin Puchner
Pflegende Angehörige

Erfahrungen als pflegende Angehörige sammelt Kirstin Puchner seit 1986. Als sie sich zeitgleich um zwei Familienangehörige kümmerte, gab sie ihren Beruf 2014 für die Pflege auf. Heute pflegt Kirstin ihren Ehemann. Sie selbst leidet an Fibromyalgie.

Was mit unpassenden Worten anfing, wurde Jahre später über einige Umwege als vaskuläre Demenz diagnostiziert. Seit 2018 wissen Kirstin und ihr Mann, dass er an vaskulärer Demenz leidet – einer Demenzform, die meist ausgelöst wird durch kleine Durchblutungsstörungen im Gehirn. Als er die Diagnose erhält, ist Kirstins Mann 61 Jahre alt. Im Interview erzählt Kirstin Puchner, welche Anzeichen sie stutzig werden ließen, was sich verändert hat und wie sie heute den gemeinsamen Umgang mit der Erkrankung ihres Mannes meistern.

Hallo Kirstin, Sie sind Mitglied im Netzwerk Pflege zuhause von pflege.de. Wir wissen daher, dass Sie langjährige Erfahrung als pflegende Angehörige haben. Zuerst haben Sie Ihren Vater gepflegt, dann Ihre Mutter und Schwiegermutter und jetzt Ihren Ehemann. Mit vaskulärer Demenz hatten Sie zuvor noch keine Berührungspunkte. Was waren Ihre ersten Verdachtsmomente, dass Ihr Mann von einer Demenz betroffen sein könnte?

Kirstin Puchner: Angefangen hat es eigentlich damit, dass mein Mann unpassende Worte beim Sprechen benutzt hat. Wenn ich gesagt habe, „bringe bitte den Brotkorb mit“, dann war seine Reaktion darauf zum Beispiel „Brottüte“. Zu Beginn waren es noch verwandte Wörter, die nicht ganz treffend waren. Zuerst dachte ich, er wäre einfach erschöpft von der Arbeit. Als LKW-Fahrer musste er sich den ganzen Tag konzentrieren. Auch in Gesprächen hat er immer häufiger nach Worten gesucht, was die Unterhaltung ins Stocken geraten ließ. Das kam in der Vergangenheit natürlich schon mal vor und geht sicherlich jedem mal so, aber bei ihm wurde es über die Zeit immer häufiger. Das hat mich dann stutzig gemacht.

Wann und wie wurde die Diagnose „Vaskuläre Demenz“ bei Ihrem Mann gestellt?

Kirstin Puchner: Der Weg zur Demenz-Diagnose war recht lang und nicht gerade unbeschwerlich. Von den ersten Anzeichen bis zur Diagnose hat es gut drei Jahre gedauert. Außerdem wollte mein Mann nicht direkt zum Arzt – da musste ich schon einiges an Tricks anwenden, damit er sich untersuchen lässt. Als wir beim Arzt waren, wurden erst einmal Herz-Rhythmus-Störungen festgestellt. Da waren die Wortfindungsstörungen fürs Erste vergessen.

Als dann seine rechte Hand zu zittern anfing, haben wir einen Neurologen aufgesucht. Der erste Verdacht, er könnte an Parkinson erkrankt sein, wurde von weiteren Tests widerlegt. Beim Neurologen wollten wir dann auch die Wortfindungsstörungen abklären lassen. Der Arzt hat uns zu Beginn aber nicht ernst genommen. Er habe die Wortfindungsstörungen während der Untersuchung nicht als so schlimm empfunden. Ich habe ihm klar gemacht, dass er nur einen Ausschnitt von meinem Mann sieht, einen kurzen Moment, in dem er sich stark konzentriert. Ich hingegen sah das Gesamtbild meines Mannes, das sich verändert hat. Im Anschluss wurden Demenz-Tests gemacht, die auch nicht sonderlich auffällig waren. Allerdings bestand ich darauf, dass eine MRT (Anmerkung der Redaktion: Magnetresonanztomographie, bildgebendes Verfahren) vom Kopf gemacht wird. Der Radiologe hat uns im Befundgespräch darauf aufmerksam gemacht, dass bereits Veränderungen im Gehirn sichtbar sind, die durch Durchblutungsstörungen ausgelöst wurden. Nach dem Ausschlussverfahren wurde also eine vaskuläre Demenz festgestellt.

Wie hat Ihr Mann die Diagnose aufgenommen? Und wie sind Sie vor allem zu Beginn mit der neuen Situation umgegangen?

Kirstin Puchner: In der ersten Zeit war es schon schwierig. Dazu haben viele Dinge beigetragen: Nach einem Schlaganfall konnte er von heute auf morgen nicht mehr arbeiten, hatte einen Pflegegrad und bekam aufgrund seiner Beeinträchtigungen einen Schwerbehindertenausweis. Darüber hat er sich anfänglich schon aufgeregt und geschimpft. Ich habe versucht, ihm daraufhin zwei wesentliche Dinge klarzumachen. Erstens, er bleibt weiterhin derselbe Mensch. Und zweitens, es ist doch erleichternd, einen Nachteilsausgleich in der Gesellschaft zu bekommen. Nach und nach haben sich diese positiven Gedanken gefestigt.

Der Umgang hat sich verbessert, als er gelernt hat, die Erkrankung zu akzeptieren und wir haben uns im neuen Alltag eingespielt. Und natürlich helfen auch die Maßnahmen wie Ergotherapie, eine Ernährungsumstellung und viel mehr Bewegung. Mit diesen Maßnahmen haben wir die Erkrankung aktuell gut im Griff.

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Zu einer neuen Situation kann ja auch gehören, Außenstehende zu informieren. Wie haben Sie die Diagnose im Freundes- und Bekanntenkreis kommuniziert?

Kirstin Puchner: Für mich war das zu Beginn schwierig. Ich war darauf bedacht, ihn nicht bloßzustellen. Bei einigen Freunden habe ich am Telefon erklärt, wie er sich verhält und was es mit der Diagnose auf sich hat. Ich finde es nämlich wichtig, die Berührungsängste vor der Erkrankung zu nehmen.

Inzwischen gehen wir beide damit lockerer um, sind ein eingespieltes Team. Jetzt frage ich ihn zum Beispiel am Tisch, ob ich es Freunden, die wir lange nicht gesehen haben, vor ihm sagen darf. Dabei kommt es aber immer auf die Leute und die Situation an.

Sie ziehen schon einen Vergleich von früher zu heute. Haben sich die Symptome heute verschlimmert?

Kirstin Puchner: Selbst mit vielen Übungen sind eine vaskuläre Demenz und ihre Folgen nicht rückgängig zu machen. Ja, die Erstanzeichen haben sich mit der Zeit verstärkt: Heute kann er Gesprächen mit tieferem Inhalt nicht mehr weit folgen. Werden die Zusammenhänge zu komplex, schaltet er ab und zieht sich dann in sich zurück, ohne Ankündigung. Oder er macht im Gespräch Anmerkungen, die in der Situation nicht so richtig passen.

Wenn wir irgendwo eingeladen sind, wo mehrere Leute sind, beteiligt er sich von sich aus nicht mehr an Gesprächen. Er muss dann explizit angesprochen werden.

Wie hat sich Ihr Alltag mit vaskulärer Demenz mittlerweile eingependelt?

Kirstin Puchner: Wir haben inzwischen eine feste Tagesstruktur – für ihn und für mich. Für meinen Mann sind die gewohnten Abläufe besonders wichtig, weil er sich daran orientieren kann – und das gibt ihm ein sicheres Gefühl. Aber auch mir erleichtert der feste Tagesablauf beispielsweise die Planung von Arztterminen.

Möchten Sie einen Einblick in euren Alltag geben? Haben Sie beispielsweise auch besondere Rituale, die Sie anderen betroffenen Familien empfehlen können?

Kirstin Puchner: Ja, sehr gerne. Menschen, die an vaskulärer Demenz leiden, sollen sich viel bewegen. Jeden Morgen steht mein Mann vor mir auf und geht mit dem Hund eine Stunde lang Gassi. Vielleicht könnte ich eher sagen, dass der Hund sein Herrchen Gassi führt, denn unser Hund hat seinen Weg, den er morgens immer läuft. In der Zwischenzeit bereite ich das Frühstück vor. Wenn er zurück ist, folgt eine liebevolle Begrüßung, mit der ich ihm zeige, dass er mir wichtig ist und ich für ihn da bin. Nach dem gemeinsamen Frühstück setzt er sich in seinen Sessel und liest Zeitung.

Wir beide haben die Ernährung umgestellt, um die vaskuläre Demenz im Zaum zu halten, sage ich mal. Viel Obst und Gemüse, viel weniger Fleisch als früher.

Ich binde meinen Mann beim Kochen ein, indem er bei den Vorbereitungen hilft: Er putzt Gemüse, schneidet Zutaten und deckt den Tisch. Ich muss ihm auch nicht sagen, wie viele Teller wir brauchen, weil es so routiniert ist.
Kirstin Puchner

Nach dem Essen machen wir Mittagspause. Dann hat mein Mann seine Serien, die er schaut. Wenn er dem nicht mehr folgen kann, begibt er sich in eine andere Situation und nimmt sich zum Beispiel eine Zeitung. Ob er sie dann wirklich liest oder nur so tut, kann ich nicht sagen.

Nach der Pause machen wir gemeinsam den Abwasch in der Küche. Er hilft mir bei allem bereitwillig. Ich bin für ihn da und er für mich. Nachmittags können wir gemeinsam etwas unternehmen. Meist gehen wir mit dem Hund raus und fahren zum Spazieren zum See oder beschäftigen uns mit unseren Enkelkindern. Oder mein Mann macht zuhause seine Ergotherapie-Übungen. Abends gehen wir nochmal gemeinsam eine Stunde mit dem Hund raus – auch bei Wind und Wetter, denn die Bewegung tut uns allen gut. Im Anschluss bereiten wir gemeinsam das Abendessen vor.

Wegen seiner Medikamente ist er abends früh müde. Zwischen 20:00 und 20:30 Uhr verabschiedet er sich ins Bett und dann habe ich meine freie Zeit, in der ich mir meinen Ausgleich schaffe.

Welche Vorkehrungen treffen Sie, um diesen Alltag so zu ermöglichen?

Kirstin Puchner: Wenn mein Mann morgens mit dem Hund unterwegs ist, hat er sein Handy immer dabei. Es ist alles so eingestellt, dass er nicht viel klicken muss. Im Portemonnaie hat er eine Karte, auf der seine Erkrankungen gelistet sind mit Hinweisen, was im Notfall zu beachten ist. Also zum Beispiel wer zu informieren ist, welche lebensnotwendigen Medikamente er nimmt. Wenn er das Handy anschaltet, kommt ein Hinweis darauf.

Zuhause haben wir einen Kalender mit einer Markierung an der Tür, die zeigt, welcher Tag ist. Es hat sich routiniert, dass er nach dem Aufstehen erst einmal darauf schaut. So kann er sich zeitlich orientieren.

Ich würde sagen, eine wichtige Vorkehrung kann sein, frühzeitig demenzgerechte Routinen im Alltag zu schaffen, die zu Automatismen werden. Damit erleichtern wir uns den Alltag.

Sie haben erzählt, dass Ihr Mann verschiedene Medikamente nehmen muss. Wie läuft die Medikamentengabe bei Ihnen ab?

Kirstin Puchner: Mein Mann nimmt am Tag 10 Tabletten. Ich bereite seine Medikamente einmal in der Woche vor und lege sie in Medikamentendosen, auf denen „morgens, mittags, abends, nachts“ steht. Die Tabletten für den Tag liegen eigentlich immer auf dem Esstisch und er weiß, dass er sie nehmen muss. Das läuft ganz unkompliziert. Ich glaube, auch das ist eine Sache der Routine.

Wenn man zu Beginn der Erkrankung damit anfängt, Wiederkehrendes im Alltag zu schaffen, erleichtert man sich dadurch einiges. Zumindest kann ich das für unseren Alltag so sagen.
Kirstin Puchner

Wenn die Medikamente nicht auf dem Tisch liegen, merkt mein Mann auch, dass etwas fehlt. Er benennt dann nicht, was es ist, aber er merkt eben, dass etwas anders ist. Abends kontrolliere ich dann aber schon noch einmal, ob er die Tabletten genommen hat und erinnere ihn unter Umständen noch einmal daran.

Was ich außerdem noch wichtig finde, ist, das Vertrauensverhältnis und die Wertschätzung aufrechtzuerhalten. Wenn er ein neues Medikament bekommt, sage ich ihm das. Außerdem bedanke ich mich bei ihm, dass er so gut mitmacht. Ich zeige ihm, dass ich ihn noch genauso liebe wie vorher.

Das klingt alles sehr harmonisch und liebevoll. Gibt es aber auch Momente, in denen es mal nicht so gut läuft?

Kirstin Puchner: So gut der gemeinsame Alltag mit der Erkrankung auch funktioniert – natürlich gibt es auch herausfordernde Momente. Ich bin selbst krank. Wenn ich Schübe habe, Medikamente nehme und versuche, den Anforderungen Stand zu halten, verliere ich manchmal die Geduld. Wenn meinem Mann in dieser Phase zum Beispiel etwas einfällt, das er zusammenhangslos und unverständlich erzählt. Das, was ihm gerade in den Kopf kommt und ich ihm dann nicht folgen kann – ja, da passiert es manchmal, dass ich ungeduldig und etwas lauter werde. Im nächsten Augenblick merke ich sofort, dass ich das nicht hätte machen sollen und ich spüre, wie er sich zurückzieht. Das tut mir dann sehr leid, weil ich es zu schätzen weiß, wenn er sich selbst darum bemüht, ein Gespräch mit mir anzufangen. Mit meiner Reaktion unterbinde ich dann diesen Versuch. Wir mussten am Anfang aber auch erst einmal lernen, damit umzugehen. Ich entschuldige mich dann direkt bei ihm, suche dann körperlichen Kontakt und nehme ihn in den Arm. Danach ist es auch wieder gut.

Was hat sich durch die vaskuläre Demenz verändert?

Kirstin Puchner: Durch die Erkrankung riecht und schmeckt mein Mann nichts mehr. Wenn er im Keller mit Verdünnung hantiert und ich das durch das Treppenhaus rieche, dann muss ich da manchmal auch rennen. Ich muss den ganzen Tag um ihn herum sein. Das war früher nicht so.

Während er früher nicht auf Hilfe angewiesen sein wollte und den starken Mann gemimt hat, steht er heute dazu und gibt mir Bescheid, wenn ich ihn unterstützen soll. Dass er sich mir jetzt unter diesen Bedingungen so öffnet, ist ein Puzzlestück von vielen gewesen. Es passiert nicht in einem langen Gespräch, dass man die gesamte Situation reflektiert und von jetzt auf gleich alles akzeptiert. Es ist vielmehr ein großes Puzzle mit vielen Teilen, das sich nach und nach zusammenfügt. Heute sind wir beide an einem Punkt, an dem wir gut damit leben können. Ich übernehme die Verantwortung für ihn und er lässt das zu. Er wehrt sich nicht mehr gegen die Diagnose, sondern versucht, das Beste daraus zu machen.

Wird es mit der Zeit also leichter, mit der Diagnose zu leben und umzugehen?

Kirstin Puchner: Ich würde sagen, wenn man sich mit der Erkrankung beschäftigt, wird es leichter. Es ist wichtig, nicht die Augen zu verschließen oder die Erkrankung zu fürchten.

Mein Mann und ich haben ein großes Vertrauensverhältnis. Er weiß, dass ich immer den Menschen im Blick habe, den Respekt bewahre und ihn nicht vor anderen lächerlich mache, weil er sich verändert. Dadurch kann ich ihn sehr gut leiten und lenken, was uns die Situation ungemein erleichtert.

Inwiefern hat sich Ihre Ehe mit der Erkrankung verändert?

Kirstin Puchner: Ich würde sagen, alles in allem hat uns die Erkrankung näher zusammengebracht. Im Gegensatz zu früher koordiniere ich heute seinen Alltag – und ich bin jetzt seine Begleitperson, die nahezu überall mit dabei ist. Aber ich weiß, dass er noch derselbe Mensch ist. Wir haben uns die Zärtlichkeit bewahrt, auch wenn Sexualität wegen der vielen Medikamente jetzt keine Rolle mehr spielt. Wir sind ein starkes Team und führen eine harmonische Ehe. Wenn ich mich in meinem Freundeskreis unter den Paaren umschaue, die gesund sind, bin ich trotzdem glücklich, wie die Ehe mit meinem kranken Mann verläuft. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Natürlich weiß ich nicht, wie schlimm es irgendwann noch einmal wird. Momentan befinden wir uns auf einer guten Basis.

Erhalten Sie in der Pflege Ihres Mannes auch Unterstützung?

Kirstin Puchner: Mein Mann hat Pflegegrad 3. Die Höhe des Pflegegrads hängt aber nicht nur mit der vaskulären Demenz zusammen. Darüber beziehen wir das Pflegegeld der Pflegeversicherung. Ich bin nicht mehr berufstätig und kann mich darauf konzentrieren, meinen Mann zu pflegen. Wenn es mir aufgrund meiner eigenen Erkrankung nicht gut geht, unterstützt uns unsere Tochter, die im selben Haus wohnt.

Welche Tipps haben Sie für Betroffene und ihre Angehörigen, die Ihren Erfahrungsbericht lesen?

Kirstin Puchner: Betroffenen und Angehörigen möchte ich raten, erste Anzeichen ernst zu nehmen. Wenn Ärzte euch abwimmeln, ohne Antworten zu liefern, bleibt dran. Es geht um eure Gesundheit. Pflegende und Gepflegte müssen lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Das Wichtigste dabei ist, sich gut zu informieren und zu handeln. Betroffene sollten sich nicht in die Opferrolle drängen.

Angehörigen möchte ich gern an die Hand geben, dass sie Betroffenen trotz Erkrankung weiterhin zeigen, dass sie noch genauso viel Wert sind wie vorher. Über die Erkrankung zu reden, was sie mit sich bringt, worin Ängste liegen, kann helfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Gespräche nach und nach stattfinden, die sich wie Puzzleteile zusammenfügen und eine Basis von Vertrauen und Verständnis schaffen. Auch der Austausch im Familien- und Freundeskreis kann wichtig sein, um Berührungsängste zu nehmen.

Pflegende Angehörige sollten auch auf sich achten und einen Ausgleich schaffen. Es gibt außerdem Hilfsangebote, die über Pflegeleistungen finanziert werden können. Es gibt Hilfe durch ambulante Dienste, stundenweise Demenzbetreuung und vieles mehr. Es ist wichtig, sich zu informieren und die Hilfe anzunehmen, die benötigt wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Interview
So kommunizieren Sie mit Demenzerkrankten
Erstelldatum: 2202.10.42|Zuletzt geändert: 5202.90.11
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Bildquellen
Bild 1: ©ytemha34 - stock.adobe.com, Bild 2: © Kirstin Puchner
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