Parenterale Ernährung: Definition
Bei der parenteralen Ernährung wird der Mund-Rachen-Raum und der Magen-Darm-Trakt umgangen, indem alle notwendigen Nährstoffe in Form von Nährstofflösungen bzw. Emulsionen mittels Katheter in die Blutbahn geleitet werden. Die Nährstofflösungen oder Infusionslösungen werden hierbei direkt in die Vene („intravenös“) gespeist, weshalb die parenterale Verabreichung auch „intravenöse Ernährung“ genannt wird.
Parenterale Ernährung kann sowohl in der Klinik, in stationärer Betreuung im Pflegeheim als auch im häuslichen Umfeld erfolgen. Der Begriff „parenteral“ entspringt dem Griechischen und bedeutet so viel wie “am Darm vorbei” (para = neben; enteron = der Darm).
Parenterale Ernährung: Indikation und Ziele
Ärzte verordnen eine parenterale Ernährung gemeinhin nur, wenn keine andere Ernährungsform möglich ist – also weder die normale Nahrungsaufnahme über den Mund (oral) noch die enterale Ernährung, bei der die Nahrung mittels einer Sonde in den Magen-Darm-Trakt gelangt, der Mund-Rachen-Raum jedoch umgangen wird. Grund ist, dass die parenterale Gabe ein erhöhtes Risiko für Komplikationen und Folgeerkrankungen birgt. Für die Verordnung und Anwendung von parenteraler Ernährung gibt es zudem Leitlilien, die sog. ESPEN-Leitlinien, an denen sich Mediziner orientieren.
Ziele der parenteralen Ernährung
Ziel der parenteralen Ernährung ist, den Gesundheitszustand des Patienten so zu verbessern, dass entweder eine enterale Ernährung oder idealerweise eine natürliche Ernährung über den Mund („per os“ oder „oral“) und Magen-Darm-Trakt möglich wird. Durch die parenterale Ernährungstherapie werden geschwächte Körper- und Widerstandskräfte stabilisiert bzw. verlorene Kräfte wiederaufgebaut und ein (weiterer) Gewichtsverlust reduziert oder verhindert. Auf diese Weise soll die Lebensqualität des betroffenen Menschen erhalten oder verbessert werden.
Gründe & Indikation der parenteralen Ernährung
Die parenterale Ernährung findet Anwendung, wenn ein Patient nicht essen will, kann oder darf, eine enterale Ernährung nicht möglich ist und der Nährstoffbedarf der Person folglich nur parenteral („unter Umgehung des Darms“) gedeckt werden kann. Auslöser für eine parenterale Ernährung können z. B. folgende Krankheiten und Behandlungen sein:
- Verlust von Gewicht und Körperzellmasse
- starke Durchfallerkrankungen
- entzündliche Erkrankungen des Dünndarms
- unstillbares Erbrechen
- starkes Trauma
- Verbrennungen hohen Grades
- Krebserkrankungen wie etwa Magenkrebs
- Kurzdarmsyndrom
- Stoffwechselstörungen im Magen-Darm-Trakt
- Strahlen- und Chemotherapie

Auf der anderen Seite gibt es Gründe, die eine parenterale Ernährung ausschließen (= Kontraindikationen). Dies ist z. B. der Fall, wenn eine bedarfsdeckende Ernährung über den Mund möglich ist, sich akute Entgleisungen des Stoffwechsels abzeichnen, der Köper des Betroffenen stark übersäuert ist oder ethische Aspekte gegen die künstliche, intravenöse Ernährung sprechen.
Vergleich: Parenterale und enterale Ernährung
Die enterale und die parenterale Ernährung schließen einander nicht aus, sondern können sich ergänzen: etwa, wenn eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen auf dem enteralen Wege nicht möglich ist, obwohl der Magen-Darm-Trakt noch „arbeitsfähig“ ist. Dann stellen die Ärzte ggf. auf eine parenterale Ernährung um, bei der der Patient gleichzeitig eine minimale enterale Ernährung, die sog. “Zottenernährung” erhält, so dass der Magen-Darm-Trakt weiterhin beschäftigt wird. Dies ist wichtig, weil der Darm eine wichtige Rolle für ein funktionierendes Immunsystem spielt.
Parenterale und enterale Ernährung unterschieden sich in verschiedenen Dimensionen. Ein Überblick:
Parenterale Ernährung: Risiken & Nebenwirkungen
Die meisten Komplikationen bzw. Nebenwirkungen bei der parenteralen Ernährung treten aufgrund von Infektionen durch Mikroorganismen auf. So stellen z. B. bestimmte Viren, Bakterien oder Pilze eine Gefahr für den Körper dar, wenn diese über die Öffnungen des Katheters in die Blutbahn gelangen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Hygienerichtlinien und etablierte Pflege-Standards eingehalten werden. Wenn Angehörige die parenterale Ernährung verantworten, sollten die notwendigen Techniken und Routinen im Rahmen einer Weiterbildung gelernt werden.
Weitere Komplikationen können eintreten, wenn die parenterale Ernährungstherapie fehlerhaft eingestellt bzw. nicht optimal an die Bedürfnisse einer Person angepasst ist. Dies kann eine Mangelernährung und mögliche Schäden auf Organebene nach sich ziehen.
Darüber hinaus ist die generelle Belastung des Körpers, insbesondere der Venen, durch parenterale Ernährung nicht zu unterschätzen. So kann es z. B. zu starken Venenreizungen und Venenthrombosen kommen.
Parenterale Ernährung: Arten
Die Art der parenteralen Ernährung kann in verschiedenen Dimensionen unterschieden werden: ob sie ausschließlich oder durch andere Ernährungsformen ergänzt durchgeführt wird, ob sie zuhause oder auf der Intensivstation durchgeführt wird oder welche Art von Katheter genutzt wird.
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Parenterale Ernährung: total oder supplementierend
Bei der totalen parenteralen Ernährung (TPE) werden alle Nährstoffe über den parenteralen Weg, also intravenös, zugeführt. Die enterale Ernährung via Ernährungssonde, Trinknahrung oder der natürliche (orale) Nahrungsweg über den Mund sind also ausgeschlossen.
Bei der supplementierenden parenteralen Ernährung (SPE) wird die Ernährung einer Person intravenös ergänzt. Dies findet i. d. R. Anwendung, wenn die betroffene Person zwar auf natürliche (orale) Weise oder via Ernährungssonde ernährt werden kann, darüber jedoch nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden kann.
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Parenterale Nahrung: Unterschiedliche Zugangswege
Die parenterale Ernährung kann über unterschiedliche Zugangswege bzw. Katheter erfolgen, die für verschiedene Situationen geeignet sind. Entscheidender Aspekt bei der Entscheidung für einen bestimmten Zugangsweg / Katheter ist die voraussichtliche Dauer der künstlichen Ernährung. So bieten sich einige Methoden lediglich für eine Ernährung von wenigen Tagen (z. B. periphere Verweilkanüle) an, während andere eine wochenlange Ernährung (z. B. Portkatheter) ermöglichen.
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Parenterale Ernährung auf der Intensivstation
Bei Personen auf der Intensivstation geht es vordergründig darum, diese aus dem kritischen Zustand in einen stabilen Zustand zu bringen. Daher stehen lebenserhaltende Basismaßnahmen zunächst im Fokus. Eine gut eingestellte parenterale Ernährungstherapie ist hierbei tragend und beeinflusst den Gesundheitszustand eines kritisch Kranken maßgeblich. Der rechtzeitige Start der parenteralen Ernährung und die korrekte Beurteilung des individuellen Bedarfs hinsichtlich Menge sowie Nährstoffzusammensetzung können die Beatmungszeit und Liegedauer verkürzen. Damit werden Komplikationen potentiell unwahrscheinlicher und der Krankheitsverlauf wird positiv beeinflusst.
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Heimparenterale Ernährung (HPE) / Parenterale Ernährung zu Hause
Die heimparenterale Ernährung, auch „ambulante parenterale Ernährung“ genannt, meint die intravenöse Ernährung zu Hause. Wenn die fachmännische Ernährung zu Hause sichergestellt werden kann, dürfen Patienten das Krankenhaus oft schon eher verlassen. Zu Hause kann die Versorgung sowohl ein Betroffener selbst, ein pflegender Angehöriger, ein ambulanter Pflegedienst oder ein sog. Homecare-Unternehmen (wenn die Krankenkasse die Kosten trägt) übernehmen. Patienten, die sich zu Hause selbst versorgen, und private Pflegeperson benötigen i. d. R. zuvor eine Schulung, um die Versorgung so sicher wie möglich zu gestalten.
Wie die parenterale Versorgung zu Hause erfolgt, wird noch während des Krankenhausaufenthalts vor der Entlassung geklärt. Ein Krankenhausmitarbeiter stellt dazu einen Plan auf, wer sich um die parenterale Ernährung kümmert – ob Pflegedienst oder Privatperson –, welche Materialen wie Spritzen, Kanülen, Infusionsständer und -pumpe benötigt werden und welche Apotheke die Nährlösungen liefert. Jeder Schritt der Ernährungstherapie wird dokumentiert, damit jederzeit alle an der Pflege Beteiligten einen Überblick über den Zustand des Patienten behalten. Idealerweise steht den Patienten ein sog. Case-Manager zur Seite, der für die parenterale Ernährungstherapie speziell ausgebildet wurde. Er regelt den Übergang vom Krankenhaus ins eigene Zuhause, dokumentiert alle Vorgänge und unterstützt per 24-stündiger Rufbereitschaft jederzeit.
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Heimparenterale Ernährung: Hygienemaßnahmen
Die größte gesundheitliche Gefahr für parenteral ernährte Patienten stellt eine Infektion durch Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Viren dar, die in die Blutbahn gelangen können. Folgende Hygiene-Regeln gilt es bei der parenteralen Ernährung zu Hause zu beachten:
- Die Infusion sollten nur geschulte Personen vornehmen: Pflegedienst, Homecare-Unternehmen oder geschulte Patienten und pflegende Angehörige.
- Patienten und Angehörige lernen in einer Schulung zur heimparenteralen Ernährung gewisse Pflegestandards kennen, die sie beim Verbandswechsel und An- und Abschluss der Nährlösungen unbedingt einhalten sollten. Wichtiger Bestandteil sind Hygienemaßnahmen für die Häuslichkeit.
- Patienten und Angehörige sollten für die Vorbereitung und die Versorgung bei der parenteralen Ernährung einen festen Platz nutzen, der immer beibehalten wird.
- In der Umgebung des Patienten und am Vor- und Zubereitungsplatz sollten keine Blumen oder Topfpflanzen stehen und auch Tiere keinen Zugang haben.
- Wenn Betroffene, Angehörige oder der Pflegedienst mit Katheter und parenteraler Nährlösung hantieren bzw. diese verabreicht wird, sollten Türen und Fenster geschlossen sein, damit durch den Luftzug kein Staub und keine Mikroorganismen hereingewirbelt werden.
- Auch eine gründliche Körperhygiene des Patienten und der Pflegeperson ist wichtig: Die Austrittstelle des Katheters und dessen Ende sollten nicht feucht werden. Beim Duschen oder Baden sollten Katheter und Austrittstelle mit einem wasserabweisenden Folienverband abgedichtet sein. Anschließend kann ein Verbandwechsel vorgenommen werden.
Wenn Betroffene und Pflegepersonen für diese Hygienemaßnahmen vor, während und nach den Infusionen Sorge tragen, ist mit einem weitgehend problemlosen Verlauf der parenteralen Ernährung zu Hause zu rechnen.
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Parenterale Ernährung zu Hause: Verlaufskontrolle
Um über den Verlauf der Ernährungstherapie zu Hause stets im Bilde zu sein und auf eventuelle Probleme reagieren zu können, sollten Betroffene und Pflegepersonen dem behandelnden Arzt einige Informationen zur Verfügung stellen:
- Das Gewicht des Patienten sollte regelmäßig kontrolliert und notiert werden. Die Entwicklung des Gewichts gibt Aufschluss darüber, ob die Ernährung für den Patienten optimal zusammengestellt ist oder die Zusammensetzung angepasst werden muss.
- Idealerweise findet die Gewichtskontrolle einmal täglich, zur gleichen Zeit und unter den gleichen Bedingungen statt.
- Aber auch subjektive Informationen sind für Ärzte hilfreich: Wie sich der Patient während der Therapie fühlt, ob sie nach Einschätzung des Patienten reibungslos verläuft oder ob ihm etwas unangenehm ist.
Parenterale Ernährung: Kosten
Die Kosten für parenterale Ernährung variieren stark. Als ein Richtwert können ca. 150 Euro pro Tag für eine komplette parenterale Ernährungslösung (exklusive der benötigten Hilfsmittel) herangezogen werden. Die Krankenkasse beteiligt sich finanziell an den Kosten, wenn der Arzt eine sog. „Notwendigkeitsbescheinigung“ der Behandlung attestiert. Hierbei variiert die Höhe der Bezuschussung je nach Fall und Kasse. In der Regel gehört die parenterale Ernährung zur Behandlungspflege und gehört damit zu Leistungskatalog der Krankenversicherung (SGB V). Mit einem Urteil vom 08.10.2014 entschied das Bundessozialgericht (Az.: B 3 P 4/13 R) jedoch, dass die parenterale Ernährung zur Grundpflege gehören kann und ggf. durch die Pflegekasse finanziert werden muss. Entsprechend muss der Zeitaufwand von pflegenden Angehörigen für die parenterale Ernährung bei der Ermittlung des Pflegegrads berücksichtigt werden.
Welche Kasse zuständig ist, muss jedoch im Einzelfall entschieden werden. So betonte das Gericht auch, dass die parenterale Ernährung nicht generell der Grundpflege und damit den Pflegekassen zuzuordnen sei. Wenn etwa keine Pflegeperson vorhanden ist, die zuverlässig die Grundpflege übernehmen kann, kann die parenterale Ernährung auch der Behandlungspflege und damit der Krankenkasse zugerechnet werden.
Parenterale Ernährung: Berechnung des Energiebedarfs
Grundsätzlich errechnen die Ärzte bzw. das medizinische Fachpersonal den Energiebedarf und den entsprechenden Nährstoffbedarf eines Patienten.
Die Energiemenge, die der menschliche Körper am Tag verbraucht, der sog. Gesamtumsatz, lässt sich in Grund- und Leistungsumsatz aufschlüsseln. Bei der Berechnung des sog. Grundumsatzes einer Person spielt zunächst das Alter eine wichtige Rolle. Folgende Richtwerte finden hierbei Anwendung, wobei Geschlecht sowie Körpergröße in dieser vereinfachten Berechnung vernachlässigt werden:
- 20-30 Jahre: 25 kcal je kg Körpergewicht und Tag
- 30-70 Jahre: 22,5 kcal je kg Körpergewicht und Tag
- über 70 Jahre: 20 kcal je kg Körpergewicht und Tag
In einem weiteren Schritt lässt sich der Gesamtumsatz berechnen, indem der ermittelte Wert mit einem individuellen sog. „Stress- bzw. Aktivitätsfaktor“ multipliziert wird. Hier variieren die Skalen und Konzepte, es haben sich jedoch Faktoren von 1,2 bis 2,0 etabliert. Einer jungen Person wird meist höherer Stressfaktor zugeordnet als einer alten Person, da das Leben im Alter oft mit weniger Aktivität einhergeht. Eine Person, die beispielsweise 27 Jahre alt ist, 70 Kilo wiegt und in höchstem Maße gestresst bzw. außerordentlich aktiv ist, hat nach dieser Berechnung einen (ungefähren) täglichen Kalorienbedarf von 3.500 kcal. Da der Gesamtumsatz in Kilojoule (kJ) ausgedrückt wird, müsste dann noch eine abschließende Umrechnung stattfinden. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Person hat einen täglichen Gesamtumsatz von 14.653,8 kJ (denn 1 kcal = 4,1868 kJ).
Parenterale Ernährung: Recht und Ethik
Recht und Ethik spielen bei der künstlichen Ernährung eine wichtige Rolle. Es gibt viele Regularien, die sicherstellen sollen, dass der Patientenwille zu jedem Zeitpunkt berücksichtigt wird, ohne dabei die medizinische bzw. pflegerische Versorgung zu vernachlässigen.
Eine umfassende und individuelle Beurteilung der jeweiligen Situation, das Abwägen von Indikationen und Kontraindikationen sowie Behandlungsmöglichkeiten und das Festlegen eines Therapieziels stellen die Basis dar, um eine hochwertige Behandlung sicherzustellen. Gleichzeitig gilt es, die Inhalte und Aussagen aus vorliegenden Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten zu kennen und strengstens zu berücksichtigen.