Definition: Enterale Ernährung
Die enterale Ernährung im engeren Sinne oder auch „Sondennahrung“ ist eine Form der künstlichen Nahrungsversorgung, bei der die Nahrungszufuhr über den Magen-Darm-Trakt verläuft, ohne dass der Mund-Rachen-Raum genutzt wird. Hierfür wird die Sondennahrung i. d. R. über eine sog. Ernährungssonde bzw. Magensonde in Form eines flexiblen Kunststoffröhrchens in den Magen befördert. Die Sonde verläuft entweder durch die Nase in den Magen (transnasal) oder wird operativ durch die Bauchdecke in den Magen gelegt (PEG-Sonde = perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie). Die Sondenkost wird mittels Schwerkraft oder mit Hilfe einer Ernährungspumpe durch Schlauchsystem und Sonde in den Magen-Darm-Trakt befördert.

Enterale Ernährung im weiteren Sinne beinhaltet aber auch Trinknahrung, wenn das Schlucken noch möglich ist. Bei Trinknahrung handelt es sich um eine nährstoffreiche Nahrung in flüssiger Form, durch die die Aufnahme fester Nahrung ergänzt oder ersetzt wird. Durch Trinknahrung wird die Aufnahme von Kalorien und Nährstoffen bei Kau- oder Schluckbeschwerden (Dysphagie) erleichtert, der Patient nutzt dabei weiterhin den Mund zur Nahrungsaufnahme.
Auch eine enterale Ernährung kann individuell gestaltet werden
Ich habe einem Patienten auch schon seine Kanne Kaffee sondiert, mit Milch und Zucker, weil er dies seit Jahr und Tag so gewohnt war. Seine Worte waren: „Auch wenn ich meinen Kaffee nicht mehr schmecken kann, ich kann ihn trotzdem riechen und das lass ich mir nicht nehmen.“ Achten Sie daher auch immer auf die besonderen Vorlieben Ihres zu pflegenden Angehörigen. Oft sind es kleine Dinge, die betroffenen Personen „ein Stück Normalität“ zurückgeben können.

Enterale Ernährung: Indikation und Ziele
Die enterale Ernährung ist immer dann notwendig, wenn ein Patient nicht mehr in der Lage ist, (feste) Nahrung in ausreichender Menge zu schlucken. Wenn er Flüssigkeit noch oral aufnehmen kann, kann Trinknahrung eine Alternative sein. Wird das Schlucken jedoch schmerzhaft oder unmöglich, ist die enterale Ernährung per Sonde notwendig. Häufig spielt das Thema bei Krankheiten im Alter eine Rolle.
Eine Indikation, d. h. der Grund für den Einsatz von enteraler Ernährung, können folgende Erkrankungen sein:
- Patienten können, dürfen oder wollen über einen längeren Zeitraum keine oder nicht genügend (feste) Nahrung auf dem oralen Wege aufnehmen.
- Es liegen Störungen in der Nahrungsverwertung vor.
- Es besteht ein erhöhter Nährstoffbedarf (z. B. bei einer Krebserkrankung oder starkem Gewichtsverlust).
- Patienten sind durch Traumata, Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinsstörungen beeinträchtigt (z. B. Schädel-Hirn-Trauma oder Verbrennungen).
- Es findet eine Operation im Bereich der Speiseröhre statt.
- Bei Patienten, häufig ältere Menschen, liegt eine Mangelernährung / Unterernährung vor.
- Es liegt eine chronische Bauchspeicheldrüsen-Entzündung (Pankreatitis) vor.
- Durch eine Operation wurde ein Teil des Dünndarms entfernt.
- Es liegt eine entzündliche Darmerkrankung (z. B. Morbus Crohn) vor.
- Die Patienten leiden unter einer Schluckstörung (Dysphagie).
Gegen eine Anwendung von enteraler Ernährung (sog. Kontraindikation) sprechen u. a. lebensbedrohliche Erkrankungen im Bauchraum, mechanischer Darmverschluss, ein entzündetes Bauchfell, innere Blutungen oder Störungen im Magen-Darm-Trakt. Aber auch ethische Aspekte können gegen die enterale Ernährung sprechen. Liegen medizinische Kontraindikatoren vor, erhalten Patienten statt einer enteralen Ernährung eine paraenterale Ernährung. Dabei werden die Nährstoffe intravenös zugeführt und damit wird auch der Magen-Darm-Trakt umgangen.
Ziele der enteralen Ernährung können – je nach Indikation – folgende sein:
- Die Gesundheit des Patienten soll erhalten oder wiederhergestellt werden.
- Körpersubstanz soll erhalten oder wiederhergestellt werden.
- Die Nahrungsaufnahme über den Mund soll möglichst wieder erreicht werden.
- Der Energiebedarf soll gedeckt werden.
- Mangel- und Fehlernährung sollen therapiert werden.
Vorteile enteraler Ernährung
Gegenüber der sog. parenteralen Ernährung, bei welcher der Verdauungstrakt vollständig umgangen und eine Nährstofflösung intravenös (=“innerhalb einer Vene gelegen”) über die Blutgefäße zugeführt wird, bietet die künstliche enterale Ernährung einige Vorteile:
- Es handelt sich um eine natürliche Zufuhr von Nährstoffen.
- Da der Magen-Darm-Trakt involviert ist, wird auch die Darmschleimhaut mit Nährstoffen versorgt.
- Die Anwendung ist vergleichsweise einfach.
- Die Funktionen des Magen-Darm-Trakts bleiben erhalten.
- Der Vorgang ist relativ risikoarm, das Infektionsrisiko vergleichsweise gering.
- Die Anwendung ist kostengünstig.
Vergleich zwischen enteraler Ernährung und parenteraler Ernährung auf einen Blick:
Enterale Ernährung: Komplikationen & Risiken
Zwar ist das Infektionsrisiko bei enteraler Ernährung im Vergleich zur parentalen Ernährung geringer, jedoch kann auch diese Ernährungsform zu Komplikationen führen. Sollte also auch die Ernährung durch Trinknahrung möglich sein, ziehen Ärzte diese häufig vor und versuchen Sondennahrung zu vermeiden. Folgende Komplikationen können bei einer enteralen Ernährung durch eine Sonde auftreten:
- Wird die Sondennahrung zu schnell verabreicht, ist Luft beigemengt oder die Nahrung zu kalt, können Schluckauf (Singultus), Erbrechen und/oder Durchfall (Diarrhoe) auftreten.
- Bei Verabreichung von süßen Speisen, Getränken oder schlecht löslichen Medikamenten kann die Sonde verstopfen.
- Besonders bei reduziertem Schluckreflex besteht die Gefahr, dass der Patient erbricht.
- Vom Magen kann Nahrung zurück in die Speiseröhre oder Atemwege fließen (Reflux).
Nach Beginn einer enteralen (oder oralen oder parenteralen) Ernährungstherapie kann es ggf. zu einem sogenannten „Refeeding Syndrom“ kommen, das durch die schnelle Zufuhr normaler Nahrungsmengen nach langer Zeit der Unterernährung hervorgerufen werden kann. Hierbei handelt es sich um eine starke Verschiebung des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushaltes einer Person. Diese Probleme sind i. d. R. verbunden mit Stoffwechsel-Abnormalitäten und Defiziten auf Mikronährstoff-Ebene. Wenn diese Personen zu viel oder zu schnell ernährt werden, kann dies folgende Auswirkungen haben:
- Hypophosphatämie (Atemstillstand)
- Hypokalzämie (Herzrhythmusstörungen)
- Hypokalämie (Herzrhythmusstörungen)
- Hypomagnesämie (Herzrhythmusstörungen)
Enterale Ernährung: Sondenkost
Sondennahrung oder Sondenkost ist flüssig und von geringer Viskosität (= Zähflüssigkeit), so dass sie über eine Ernährungssonde verabreicht werden kann. Bei Sondenkost spricht man von einer vollständig bilanzierten Diät, d. h. die Kost stellt die einzige Nahrungsquelle dar und deckt vollständig den Bedarf des menschlichen Organismus. Der Begriff „bilanziert“ (von ital./lat. bilancia = Waage) drückt aus, dass Ernährung und Anforderungen des Organismus im Gleichgewicht sind.
Sondenkost: Arten
Sondennahrung lässt sich – je nach Unterscheidungskriterium – in verschiedene Unterarten aufteilen.
1. Eine Unterteilung ist nach Art der Sonde möglich
- die transnasale Magensonde (durch die Nasengänge)
- die transorale Magensonde (über den Mund)
- die perkutane Ernährungssonde (durch die Haut) per Einstich bzw. kleinem Einschnitt
2. Darüber hinaus lässt sich auch eine Unterteilung der Sondenernährung nach Nahrungsumfang vornehmen:
- Vollkost: Die Ernährung deckt den Bedarf an Kalorien und Nährstoffen.
- Leichte Vollkost: Die Ernährung deckt den Bedarf an Kalorien und Nährstoffen, die gewählte Kost ist dabei aber leichter bekömmlich.
- Schonkost: Ist eine möglichst magenfreundliche Kost.
- Reduktionsdiät: Die Kalorienzufuhr ist geringer als der Kalorienbedarf; bei einseitiger Reduktionsdiät werden auf Dauer mitunter nicht genügend Nährstoffe aufgenommen.
3. Eine weitere Unterscheidung von Sondenkost findet nach Nahrungszusammensetzung statt:
- Standarddiäten nach Kaloriendichte
niederkalorische Diäten/ Sondenkost < 1,0 kcal/ml
normokalorische Diäten/ Sondenkost 1,0 – 1,2 kcal/ml
hochkalorische Diäten/ Sondenkost > 1,2 kcal/ml - Spezialdiäten
z. B. besonders proteinreiche Sondenkost
z. B. mit krankheits- oder stoffwechselspezifisch angepasster Nährstoffzusammensetzung - Hochmolekulare Kost:
Alle Standardnahrungen und viele krankheitsspezifische Nahrungen sind hochmolekular und enthalten intakte Proteine. Voraussetzung ist ein weitgehend funktionierender Magen-Darm-Trakt. Diese Kost kann bei der Mehrzahl der Patienten angewandt werden. - Niedermolekulare Kost:
eine chemisch definierte Sondenkost, bei der die Nährstoffe in leichter resorbierbarer (= aufnehmbarer) Form vorliegen. Eine niedermolekulare Kost ist gut geeignet für Personen mit stark gestörter Verdauung und sog. “Malabsorption” (= mangelhafte Aufnahme von Substraten aus der Nahrung).
Sondennahrung selbst herstellen?
Sondenkost kann theoretisch selbst hergestellt werden, jedoch besteht dabei ein hohes Risiko, dass Verunreinigungen entstehen und Unverträglichkeiten nicht berücksichtigt werden. Zudem ist es für Laien schwer einschätzbar, ob die vom Patienten benötigten Nährstoffe durch die selbst hergestellte Kost ausreichend gedeckt werden. Ein Arzt sollte deshalb unbedingt zuvor zu Rate gezogen werden. Die industriell hergestellten Produkte etablierter Hersteller haben den Vorteil, dass sie für eine Vielzahl unterschiedlicher Bedarfssituationen zur Verfügung stehen und einer strengen Prüfung unterzogen werden.
Techniken der enteralen Ernährung / Sondenernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) unterscheidet u. a. folgende Techniken der Sondenernährung:
Enterale Ernährung: Medizinische, rechtliche und ethische Aspekte
Wenn ein Mensch künstlich enteral ernährt werden soll, muss dafür ein medizinisch begründbares Behandlungsziel und das Einverständnis des Patienten vorliegen. Eine „Zwangsernährung“ gegen den Willen des Patienten ist, auch wenn diese medizinisch indiziert ist, unzulässig. Eine Ausnahme bildet § 101 StVollzG (Strafvollzugsgesetz): Er erlaubt die zwangsweise Ernährung nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit von Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen.
Ist ein Patient unfähig, seine Einwilligung zu geben, z. B. bei Bewusstlosigkeit, entscheidet dessen gesetzlicher Vertreter. Dabei muss der mutmaßliche Wille der behandelten Person beachtet bzw. dessen Willensbekundung vorweggenommen werden, und als Grundlage für eine Entscheidung dienen. Besonders die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht müssen nach einer Prüfung als eine solche Willensbekundung angesehen werden.
Bei der Entscheidung für oder gegen die Sondenernährung ist aus ethischen Erwägungen heraus stets die Lebensqualität des Patienten maßgeblich. Besonders bei schwersten Krankheitsverläufen und nicht mehr heilbaren Krankheiten im Alter ist abzuwägen, ob die Sicherung der Lebensdauer es rechtfertigt, die Lebensqualität eines Patienten zu mindern. Diese Debatte wurde durch mehrere Studien befeuert, die nahelegen, dass eine künstliche Ernährung über Sonden die Überlebenszeit nicht verlängert und nur in wenigen Fällen die Lebensqualität steigert. Vielmehr gehen mit der Sondenernährung vielfältige Risiken einher.
Besonders in der Sterbephase von Patienten ist deshalb eine künstliche Ernährung häufig nicht angezeigt, da eine verminderte oder auch ausbleibende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme natürlicher Teil des Sterbeprozesses ist. Grundsätzlich ist eine umfassende und individuelle Beurteilung der jeweiligen Situation, das Abwägen von Indikationen und Kontraindikationen sowie Behandlungsmöglichkeiten und das Festlegen eines Therapieziels Basis dafür, dass eine hochwertige patientengerechte Behandlung möglich ist.
Leitlinien für die enterale Ernährung liefert die Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM).
Wer kann eine enterale Ernährung durchführen?
Eine enterale Ernährung bedarf immer der Verordnung eines Arztes. Liegt diese vor, kann eine Sondenernährung auch zu Hause oder im Pflegeheim durch eine Pflegekraft oder einen ambulanten Pflegedienst erfolgen. Auch die pflegenden Angehörigen und der Patient selbst können die Sondenernährung durchführen. Was bei der Sondenernährung zu beachten ist und wie diese durchzuführen ist, sollte zuvor mit Ärzten oder klinischem Pflegepersonal abgestimmt werden. Sowohl professionelle Pflegepersonen als auch pflegende Angehörige können an einer Weiterbildung oder Fortbildung zur enteralen Ernährung (z. B. beim Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e.V. (VDD)) teilnehmen.