Pflegewissen für pflegende Angehörige
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Praxiswissen für die Pflege: von Körperpflege, Lagerung und Sturzvermeidung
Viele Ehepartner, Kinder oder Enkelkinder holen sich bei einem akuten Pflegefall in der Familie zunächst Hilfe bei Pflegekräften und Ärzten. Dennoch möchten sich viele nach der notwendigen Erstversorgung langfristig selbst um ihre Angehörigen kümmern und das in den meisten Fällen in der Häuslichkeit. Millionen pflegende Angehörige kümmern sich in Deutschland und auf der ganzen Welt tagtäglich um ihre bedürftigen Angehörigen und ermöglichen die persönliche ambulante Pflege zuhause statt die Betroffenen in einer Einrichtung wie einem Pflegeheim versorgen zu lassen.
Wenn Pflegebedürftigkeit eintritt, ob langsam wie bei einer Demenz oder überraschend wie nach einem Schlaganfall, übernehmen häufig Angehörige die Pflege. Den meisten davon geht es so wie Ihnen vielleicht auch: Sie übernehmen eine Fülle von pflegerischen Aufgaben, ohne dafür professionell ausgebildet zu sein – und nicht selten steht man nach einem plötzlichen Pflegefall von heute auf morgen vor dieser verantwortungsvollen Aufgabe. Im Pflegealltag kommen dann oft folgende Aufgaben auf Pflegende zu:
- Sie benötigen möglicherweise Wissen über unterschiedliche Krankheiten im Alter und müssen deren Prophylaxen durchführen, z. B. Dekubitus, Soor, Kontrakturen oder Intertrigo (Wundsein, Hautwolf).
- Sie müssen körperlich anstrengende pflegerische Maßnahmen wie Hebe- und Lagerungstechniken (u. a. bei Dekubitus) beherrschen.
- Sie müssen häufig intime Tätigkeiten wie Körperpflege, Intimpflege und Mundpflege verrichten.
- Sie müssen anspruchsvolle Aufgaben wie Mobilitätsförderung oder Sturzvermeidung durchführen, die ohne Hintergrundwissen kaum zu bewältigen sind.
- Sie brauchen Spezialwissen in Sachen Hygienemaßnahmen.
- Sie müssen große Herausforderungen bestehen, z. B. den Umgang mit der Bettlägerigkeit eines Pflegebedürftigen.
- Sie müssen sich mit der Medikamentengabe auskennen und diese auf verschiedenste Arten verabreichen können.
- Genauso müssen Sie sich bei Bedarf mit der Handhabung unterschiedlicher Medizinprodukte auseinandersetzen wie z. B. Dauerkatheter, Suprapubischer Katheter (ein besonderer Blasenkatheter), PEG-Ernährungssonde (bei enteraler Ernährung) oder die Stoma-Versorgung.
Tatsächlich ist auch die Pflege, die Sie als Angehörige leisten, keine Tätigkeit, die Sie mal eben so, quasi „mit links“, erledigen. Aber, und das sollte Sie beruhigen, es gibt viele Informationen, die Sie bei der Pflege unterstützen können – speziell für Sie als pflegende Angehörige.
Pflege: Wissen, was hilft
Wenn Sie sich noch einmal die Aufgaben anschauen, die Ihnen bei der Pflege eines Angehörigen begegnen können, so werden Sie schnell entdecken, wie dringend Sie konkretes Pflegewissen benötigen:
- Bei Hebe- und Lagerungstechniken gibt es technische Hilfen (z. B. Hebehilfen und Aufstehhilfen), die Sie kennen sollten. Darüber hinaus schonen Techniken wie z. B. Kinästhetik Ihre Kräfte und machen Transfers für beide Seiten leichter und angenehmer.
- Für eine gute Körperpflege sind nicht nur Wasser und Seife wichtig, sondern die Wahl der richtigen Utensilien, der konkrete Ablauf sowie praktische Hilfsmittel für das Badezimmer und die Toilette.
- Eine gute Mundpflege verhindert Entzündungen, die den Pflegebedürftigen gefährden können.
- Mobilitätsförderung und Sturzvermeidung verlangt Wissen und Techniken (z. B. Kinästhetik), die Ihren eigenen Körper schonen, damit Sie selbst gesund bleiben.
- Eine gute Hygiene bedeutet nicht unbedingt, dass Sie nun antibakterielle Reinigungsmittel in rauen Mengen verbrauchen müssen. Die wichtigste Hygiene ist immer noch die Händehygiene.
- Der Umgang mit Bettlägerigkeit erfordert spezielles Wissen, z. B. über die Umgebungsgestaltung oder erforderliche Aktivierungsmaßnahmen.
- Die Verabreichung von Medikamenten ist oft sehr anspruchsvoll – und Sie sind es auch, die auf Neben- und Wechselwirkungen achten müssen.
- Eine richtige und ausführliche Krankenbeobachtung ist wichtig, damit keine Erkrankungen oder gar Schmerzen beim Pflegebedürftigen übersehen werden.
Oft vernachlässigt: Selbstpflege für pflegende Angehörige
Wenn es Sie, den pflegenden Angehörigen, nicht gäbe, dann wäre der beliebte Ansatz der Politik „ambulant vor stationär“ gar nicht umsetzbar. Sie – und all die anderen pflegenden Angehörigen – sind das Rückgrat der Pflege, die in Deutschland tagtäglich geleistet werden muss. Umso wichtiger ist es, dass Sie auch auf sich selbst achten. Dass die Selbstpflege und der Ausgleich zur Pflege (im ambulanten wie stationären Bereich) häufig vernachlässigt werden, zeigen die zahlreichen Beispiele für Gewalt in der Pflege.
Viele pflegende Angehörige leiden oft mehr unter der alltäglichen Pflegearbeit als sie glauben. Der kleine pflege.de-Selbsttest kann Ihnen zeigen, ob Sie selbst gefährdet und überlastet sind. Lesen Sie einmal die folgenden Fragen – wie viele Fragen müssen Sie mit „Ja“ beantworten?
- Haben Sie oft Rückenschmerzen?
- Haben Sie Knieschmerzen?
- Haben Sie Herz-Kreislauf-Beschwerden?
- Sind Sie oft gereizt oder fühlen sich überfordert?
- Leiden Sie unter depressiven Störungen?
- Haben Sie oft Magenbeschwerden?
- Schlafen Sie schlechter als früher?
Sie haben mehrere Fragen mit „Ja“ beantwortet? Hand aufs Herz: Das ist zu viel und ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Pflege Ihres Angehörigen eine Belastung für Sie ist. Tatsächlich überschätzen viele pflegende Angehörige ihre Belastbarkeit, auch wenn sie sich gerne um ihre Angehörigen kümmern. Im täglichen Stress, um eine gute Pflege und Betreuung zu gewährleisten, vernachlässigen sie nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse, sondern oft auch ihre Gesundheit. Auch Franz Müntefering aus dem obigen Beispiel sagte – nach dem Tod seiner Frau – in einem Interview: „Sich aufzuopfern hilft nicht, man muss selbst überleben können.“
Daher sollten Sie sich regelmäßig eine Auszeit nehmen – entweder in Form stundenweiser Betreuung durch die Verhinderungspflege, als Kur oder Reha für Sie ganz alleine oder als gemeinsamer Urlaub mit dem Pflegebedürftigen in einem speziellen Pflegehotel. Nutzen Sie Ihre Rechte und die Leistungen, die auch Ihnen als Pflegebedürftiger zustehen.
Weitere Unterstützungsleistungen, Rechte und finanzielle Ansprüche erfahren Sie in den Beiträgen „Pflege, Beruf und Familie vereinbaren“, „Pflegezeitgesetz“, „Familienpflegezeitgesetz“ sowie „Pflegeunterstützungsgeld“.