Schmerz: Definition
Schmerz ist ein „unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebsschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ So definieren die Experten der International Association for the Study of Pain (ISAP) den Schmerz (siehe Quelle 1).
Gerade ältere und pflegebedürftige Menschen leiden häufig unter chronischen Schmerzen, unglücklicherweise ohne angemessene Versorgung. Schmerzen zu erkennen, zu behandeln und möglichst zu lindern – das sind die Ziele des Schmerzmanagements und der Schmerztherapie. Die Behandlung richtet sich nach Stärke, Art und Lokalisation der Schmerzen.
Schmerzarten: Kurzer Überblick
Es brennt, es schneidet, es sticht – der Schmerz spricht viele Sprachen und alle erregen in der Regel sofort unsere Aufmerksamkeit. Schmerz signalisiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Die Hand auf der heißen Herdplatte sollte flugs entfernt werden. Dass sie sich gerade dort befindet, signalisiert das Nervensystem.
Muskeln, Knochen, Sehnen, innere Organe – Schmerz kann überall im Körper auftreten, aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Schmerzsymptomen. Die folgende Tabelle gibt eine kurze Übersicht:
Schmerz: akut oder chronisch
Die Hand auf der heißen Herdplatte führt zu einem akuten Schmerzerlebnis, d. h. es gibt einen konkreten Auslöser für den Schmerz. Anders ist das bei der zweiten Art von Schmerz, nämlich dem chronischen (also dauerhaften und bleibenden) Schmerz, der auch dann auftreten kann, wenn keine akute Schädigung mehr vorliegt.
Akuter oder chronischer Schmerz: die Unterschiede
Die nachfolgende Tabelle stellt für Sie die Unterschiede zwischen akuten und chronischen Schmerzen übersichtlich dar:
Schmerzmanagement: Definition & Ziele
Das Schmerzmanagement ist so etwas wie die „Verwaltung“ des Schmerzes. Die Ziele sind es, den Schmerz zu erkennen, Therapien einzuleiten und ihre Wirksamkeit zu beurteilen, um dann wieder nachzusteuern, wenn die Therapien nicht erfolgreich waren.
Schmerzmanagement in der häuslichen Pflege
Dank eines Schmerzmanagements sollen bereits erste Anzeichen von Schmerzen erkannt werden, damit eine geeignete Therapie beginnen kann. Dieses Schmerzmanagement liegt in den Händen von Pflegefachkräften und Medizinern. Für Pflegefachkräfte gibt es dafür spezielle Handlungsanweisungen:
- den Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen“
- den Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege bei chronischen Schmerzen“
Beide Standards verpflichten Pflegefachkräfte dazu, Schmerzen bei Pflegebedürftigen wahrzunehmen und Risikofaktoren für Schmerzen zu erkennen – vom ersten Moment des pflegerischen Auftrages an. Die genaue Therapie und deren Kontrolle ist dann wieder Sache des Arztes.
Ob Sie bereits einen ambulanten Dienst eingeschaltet haben oder Ihren pflegebedürftigen Angehörigen ganz allein versorgen – Sie können dazu beitragen, dass er unter keinen Schmerzen leidet oder diese zumindest gelindert werden. Alles, was Sie dafür brauchen, ist Achtsamkeit und Beobachtungsgabe.
So sollten Sie davon ausgehen, dass bei Ihrem Pflegebedürftigen evtl. akute oder chronische Schmerzen vorliegen, wenn er
- eine akute Verletzung etc. erlitten hat.
- an einem Geschwür (Dekubitus, Ulcus cruris, diabetischer Fuß) leidet.
- an Gelenk-, Muskel- oder anderen Erkrankungen (z. B. Arthritis) leidet.
- in der Vergangenheit oft Schmerzen hatte (z. B. Phantomschmerzen nach Amputation).
In all diesen Fällen sollten Sie mit einem Arzt sprechen. Nur er kann Schmerzen richtig diagnostizieren und eine entsprechende Therapie einleiten. Seien Sie dabei behutsam und arbeiten Sie mit dem Pflegebedürftigen, nicht gegen ihn.
Schmerzmanagement: 5 Tipps für pflegende Angehörige
- Zeit nehmen: Nehmen Sie sich Zeit für Ihren pflegebedürftigen Angehörigen, fragen Sie ihn nach Schmerzen und sorgen Sie auch dafür, dass er die Medikamente zur richtigen Zeit, in der richtigen Dosierung und der richtigen Applikationsart erhält – sofern Sie dafür zuständig sind.
- Ablenkung ermöglichen: Sprechen Sie über alternative Möglichkeiten, Schmerzen zu lindern. Bei leichten Schmerzen wirkt manchmal schon etwas Ablenkung (Handarbeit, Fernsehen, Vorlesen etc.) schmerzreduzierend.
- Angehörigen ernst nehmen: Seien Sie offen für Schmerzäußerungen und nehmen Sie sie ernst (informieren Sie die ambulanten Pflegekräfte bzw. den Hausarzt).
- Bestärken Sie den Pflegebedürftigen: Bleiben Sie gelassen, wenn starke schmerzstillende Medikamente verordnet werden – bestärken Sie Ihren Pflegebedürftigen darin, dass solche Medikamente notwendig sind und die Verordnung sorgfältig abgewogen wird.
- Schmerzskalen kennen: Machen Sie sich mit Schmerzskalen vertraut und wenden Sie sie an, wenn Ihr pflegebedürftiger Angehöriger sich nicht mehr äußern kann.
Als chronische Schmerzpatientin habe ich irgendwann damit begonnen, meine Schmerzen genauer zu erfassen. Mein Schmerz-Tagebuch hat mir dabei geholfen, bestimmte Muster zu erkennen und einzelne Auslöser für meine Schmerzen aufzudecken. Auch gibt es mir Hinweise darauf, wenn eine bestimmte Medikation nicht mehr ausreicht. Auffälligkeiten oder Veränderungen bespreche ich mit meinem behandelnden Arzt. In meinem Schmerz-Tagebuch dokumentiere ich folgende Punkte:
- Wo treten die Schmerzen auf?
- Wie oft sind die Schmerzen am stärksten?
- Wann sind die Schmerzen besonders stark? (Uhrzeit + Umstände)
- Welche Medikation nehme ich zurzeit ein? (Medikament + Dosis)

Schmerzmanagement: Schmerzerkennung & Schmerzbewertung
Es ist nicht einfach, Schmerzen zu erkennen, wenn Menschen sich nicht äußern können. Doch es gibt eine Reihe von Hilfsmitteln, sog. Schmerzskalen, die Ihnen und dem Betroffenen helfen auszudrücken, ob Schmerzen vorliegen und wie stark sie sind.
Assessmentinstrumente bei Schmerzen
Der englische Begriff Assessment bedeutet so viel wie „Bewertung oder Einschätzung“. Genau darum geht es auch, wenn Assessmentinstrumente bei Schmerzen eingesetzt werden. So ist ein sog. „Initiales Assessment“ eine erste Befragung des Pflegebedürftigen, ob er Schmerzen hat, wie oft diese auftreten, ob sie akut oder chronisch oder wie stark sie sind.
Zu den Schmerz-Assessmentinstrumenten gehören u. a. Formulare für die Befragung, aber auch einige Skalen, mit denen Vorhandensein und Stärke der Schmerzen gemessen werden.
Schmerzintensität: Schmerzskalen
Mit einfachen Skalen können Betroffene bzw. ihre Angehörigen Schmerzen erfragen, erkennen und hinsichtlich ihrer Stärke bewerten. Einige Skalen kann der Betroffene selbst anwenden (Selbsteinschätzung), andere kommen dann zur Anwendung, wenn der Betroffene nicht oder nicht mehr in der Lage ist, seine Schmerzen klar zu äußern und in ihrer Stärke zu beschreiben (Fremdeinschätzung).
Instrumente zur Selbsteinschätzung des Schmerzes
Verbale Rating Skala (VRS): Mit der verbalen Ratingskala wird der Schmerz mit Hilfe von Begrifflichkeiten ausgedrückt und so die Intensität eingestuft. Die Einstufung fällt den meisten Betroffenen leicht, da man die Stärke des Schmerzes sowieso oft verbal mit diesen Begriffen ausdrückt. Sie ist vor allem bei langfristiger Dokumentation wie bei Schmerztagebüchern nützlich (siehe Quelle 2 & 3).

Numerische Rating Skala (NRS): Die Numerische Rating Skala ist vergleichbar mit der Verbalen Rating Skala, jedoch werden bei ihr Zahlen anstatt Begriffe verwendet. Dabei ist die Zahl null gleichbedeutend mit keinem Schmerz und die Zahl zehn mit den stärksten vorstellbaren Schmerzen. Die Skala ermöglicht durch die Zahlenwerte eine noch detailliertere Abstufung der Schmerzintensität.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass sich diese Schmerzskalen weniger bei chronischen Schmerzpatienten eignen. Denn bei einem Menschen mit chronischen Schmerzen liegen die Schmerzen nie bei einer 1. An meinen „besseren Tagen“ würde ich meine Schmerzen mit einer 5 bis 6 bewerten – was für mich bereits ein Erfolg ist. Als chronische Schmerzpatientin habe ich eben gelernt, mit meinen Schmerzen im Alltag zu leben. Dann gibt es gute und schlechte Tage. Aber nie schmerzfreie Tage.

Visuelle Analog Skala (VAS): Die Visuelle Analog Skala erfasst die Schmerzintensität mit Hilfe eines Reglers. Patienten, die Schwierigkeiten haben, ihre Schmerzen in Zahlen auszudrücken, können dann ihren Schmerz im Verhältnis einordnen. Durch die Skala kann der Schmerz sehr differenziert und in kleinen Abstufungen angegeben werden. Viele der Visuellen Analog Skalen in Papierform haben auf der anderen Seite eine Numerische Rating Skala, womit der Schmerz anschließend quantifiziert werden kann.

Gesichter-Skala: Die Gesichter-Skala eignet sich vor allem zur Einschätzung von Schmerzen bei Kindern, denn ihre Schmerzintensität wird von außen oft missinterpretiert und zum Teil unterschätzt. Kindern ab vier Jahren können daher die Gesichter bzw. Smileys auf der Skala gezeigt werden. Anschließend sollen sie auf ein Gesicht, welches wiedergibt wie sehr ihnen etwas schmerzt, zeigen.

Instrumente zur Fremdeinschätzung – ein Beispiel
Manche Pflegebedürftige sind nicht in der Lage, Schmerzen zu äußern, z. B. weil sie etwa an einer schweren oder mittelgradigen Demenz leiden. Hier ist die Fremdeinschätzung wichtig. Sie als pflegender Angehöriger müssen sehr genau beobachten, ob am Verhalten des Pflegebedürftigen etwas auf Schmerzen hindeutet. Es gibt auch hier wissenschaftlich fundierte Skalen zur Schmerzeinschätzung, z. B. die „Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD)“.
Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD): Bei der BESD werden je nach Schmerzstärke Punktwerte zwischen 0 und 2 für insgesamt fünf Kriterien vergeben. Hierzu soll der Betroffene zunächst zwei Minuten beobachtet und anschließend eine Punktzahl für jedes Kriterium eingetragen werden.
Die maximale Schmerzstärke bzw. Punktzahl beträgt zehn Punkte. Dabei sind diese Werte jedoch nicht mit denen der numerischen Rating Skala gleichzusetzen, sondern müssen aufgrund des Krankheitsbildes differenziert beurteilt werden. Es kann beispielsweise nicht sichergestellt werden, dass bei einem Punktwert von null Schmerzfreiheit vorliegt, da der Betroffene seine Schmerzen eventuell einfach nicht zeigt (siehe Quelle 4).
Schmerztherapie: Definition
Mit dem Begriff „Schmerztherapie“ werden alle therapeutischen Maßnahmen bezeichnet, die der Schmerzlinderung dienen. Da zumeist mehrere Fachdisziplinen (Ärzte, Psychologen, Physiotherapeuten etc.) in der Schmerztherapie zusammenarbeiten, wird auch von „Schmerzmanagement“ gesprochen. Die Schmerztherapie ist sozusagen ein Teil des Schmerzmanagements.
Schmerztherapie: Schmerz-Stufenschema nach WHO
Ein anerkanntes Schema zur Behandlung von Schmerzen ist das der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Der Einsatz und die Verabreichung von Schmerzmedikamenten folgen stets einem festen Plan und sind u. a. abhängig davon, ob akute oder chronische Schmerzen bekämpft werden müssen.
- Schmerztherapie bei akuten Schmerzen: Bei akuten Schmerzen kommt es auf einen raschen Wirkbeginn an, der aber nur kurz anhält. Zumeist wird hier auch nur ein Medikament über einen kurzen Zeitraum (Stunden, Tage) gegeben.
- Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen: Bei chronischen Schmerzen erfolgt oft eine Gabe mehrerer Medikamente, die in regelmäßigen Abständen (über Wochen und sogar Jahre) gegeben werden. Sie wirken eher langsam und haben eine entsprechend lange Wirkungsdauer.
Der WHO-Stufenplan ist eine medikamentöse Schmerztherapie in drei Stufen: Sie beginnt mit Nicht-Opioiden, geht über schwach wirkende Opioide bis hin zu stark wirksamen Opioiden (z. B. Morphin).
Schmerzlinderung – es müssen nicht immer Medikamente sein
Ein und derselbe Schmerz wird nicht immer gleich wahrgenommen. Wenn wir abgelenkt sind, fallen uns Schmerzen manchmal weniger auf. Diese Erkenntnis aus vielen Studien können Sie auch als pflegender Angehöriger nutzen:
- Helfen Sie Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen durch eine verständnisvolle Haltung.
- Fragen Sie ihn, was ihm guttun könnte (Arzt rufen oder einfach die Hand halten?).
- Lassen Sie den Pflegebedürftigen nicht allein, wenn er Schmerzen hat.
- Führen Sie – in Absprache mit dem Arzt oder Therapeuten – Bewegungs- oder Atemübungen durch, wenn diese erfahrungsgemäß schmerzlindernd wirken.
- Suchen Sie gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen nach Beschäftigungen, die vom Schmerz ablenken.
Es gibt nicht DAS Allheilmittel gegen Schmerzen. Mir hat es geholfen, verschiedene Dinge auszuprobieren. Mein wirksamstes Mittel bei akuten, starken Schmerzen ist zum Beispiel ein warmes Vollbad. Jeder sollte für sich individuell herausfinden, was seine wirksamsten Sofort-Maßnahmen bei akuten Schmerzen sind und sich so seinen eigenen „Erste-Hilfe-Kit bei Schmerzen“ zusammenstellen.

All diese Maßnahmen können Schmerzen lindern und die Lebensqualität Ihres Angehörigen steigern. Die Voraussetzung ist allerdings, dass Art und Ursache der Schmerzen festgestellt und auch soweit wie möglich therapeutisch behandelt werden.
Multimodale Schmerztherapie: Die Kombination macht’s
Eine Therapie bei chronischen Schmerzen wird in manchen Fällen als multimodale Behandlung angeboten. Diese multimodale Therapie (Anwendung mehrerer Behandlungsmaßnahmen) kommt dann in Frage, wenn unimodale Therapien, also einzelne Therapiemaßnahmen, nicht das gewünschte Ziel der Schmerzlinderung erreicht haben und über einen Zeitraum von mindestens zwölf Wochen wirkungslos blieben. Zur Auswahl bzw. Kombination steht eine Vielzahl von therapeutischen Maßnahmen:
- Medikamente (z. B. gegen Schmerzen und Entzündungen oder Depressionen wie Altersdepressionen)
- Physikalische Therapie (z. B. Bewegungstherapie, Krankengymnastik, Sporttherapie, aber auch Massagen, Wärme-, Kälte- und Wasseranwendungen)
- Psychologisch-verhaltensmedizinische Therapie (z. B. Patientenschulungen, Entspannungsübungen)
- Invasive Verfahren (z. B. Injektionen zur örtlichen Betäubung)
- Komplementäre Verfahren (z. B. Akupunktur und Nervenstimulation)
Multimodale Therapie sinnvoll?
Eine multimodale Therapie ist sinnvoll, wenn der Patient mindestens drei der folgenden fünf Fragen mit Ja beantwortet:
- Beeinträchtigt der chronische Schmerz Ihre Lebensqualität?
- Sind einzelne Schmerztherapien (z. B. Medikamente oder physikalische Maßnahmen) wirkungslos geblieben?
- Leiden Sie unter einer Medikamentenabhängigkeit?
- Leiden Sie unter psychischen Begleiterkrankungen, die den Schmerz verstärken?
- Leiden Sie unter körperlichen Erkrankungen wie Diabetes, Herzerkrankungen, Lungenerkrankungen etc.?
Wenn der behandelnde Hausarzt die Antworten des Betroffenen bestätigt, sind die Voraussetzungen für eine multimodale Schmerztherapie erfüllt.