Inkontinenz – Definition, Formen & Ursachen
Inhaltsverzeichnis
Verwandte Artikel
Inkontinenz: Definition
Inkontinenz bezeichnet die fehlende oder mangelnde Fähigkeit des Körpers, Urin oder Stuhl zu halten und kontrolliert abzugeben. Folglich kommt es zu einem unwillkürlichen Urinverlust oder Stuhlabgang.
Scham, mangelnde Information sowie der Irrglaube, Inkontinenz sei eine unvermeidbare Krankheit im Alter, mit der sich Betroffene abzufinden haben, verhindern allzu oft eine erfolgreiche Behandlung. Dabei lässt sich in den meisten Fällen zumindest eine Besserung erzielen. Außerdem kann die Lebensqualität der Betroffenen durch geeignete Inkontinenz-Hilfsmittel entscheidend verbessert werden. Die Erfolgsaussichten sind umso höher, je früher die Inkontinenz behandelt wird. Darum sind Früherkennung und Beratung die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Prävention und zur Verbesserung der Symptome.
Inkontinenz-Symptome
Eine vermeintlich schwache Blase, weil eine Person öfters die Toilette besucht als eine andere, muss kein Anzeichen für eine Inkontinenz sein. Im Zuge einer Harninkontinenz verlieren Betroffene unwillkürlich Urin, zum Beispiel wenn sie husten oder schwer heben. In anderen Fällen verspüren Betroffene ganz plötzlich einen ausgeprägten Harndrang, sodass sie es nicht mehr bis zur Toilette schaffen. Andere entdecken flüssigen Stuhl in ihrer Unterwäsche, den sie nicht willentlich ausgeschieden haben. Dies könnte auf eine Stuhlinkontinenz hinweisen.
Grundsätzlich ist die Inkontinenz selbst eher als ein Symptom als eine Krankheit anzusehen. Denn häufig tritt Inkontinenz als Nebenerscheinung einer Krankheit auf.
Bei anderen: Erste Anzeichen von Inkontinenz erkennen
Inkontinenz kann zur sozialen Isolation führen und das Selbstwertgefühl mindern. Sollten Sie erste Hinweise bei einem Familienmitglied oder Freund entdecken, gilt es daher zu handeln.
Folgende Anzeichen können darauf hinweisen, dass Ihr Angehöriger inkontinent ist:
- Die Person riecht nach Urin.
- Der betroffene Angehörige möchte nichts mehr unternehmen und zieht sich zurück.
- Sie entdecken Flecken auf der Kleidung des Betroffenen.
- Die Person nutzt ungewöhnlicherweise Slipeinlagen oder Menstruationsbinden.
- Ihnen fällt auf, dass Ihr Angehöriger oft seine Kleidung wechselt und sehr wenig trinkt.
Falls solche Auffälligkeiten in Erscheinung treten, suchen Sie vorsichtig das Gespräch und machen Sie Ihrem Angehörigen Mut. Zwar handelt es sich um keine leichte Situation, allerdings kann ein Gespräch nicht nur Sie, sondern Ihren Angehörigen oder Ihren Freund entlasten und auf lange Sicht helfen. Womöglich hilft der Hinweis, dass Ihr Vertrauter mit dem Problem nicht allein dasteht.
Inkontinenz-Ursachen
Damit Menschen Stuhlgang sowie Harndrang kontrollieren können, müssen Zentren in ihrem Gehirn und Rückenmark, beteiligte Muskeln und Nerven intakt sein und sinnvoll zusammenarbeiten. Eine ganze Reihe von Ursachen können dieses fein aufeinander abgestimmte System stören.
Diese unterschiedlichen Ursachen können zugleich verschiedene Formen der Inkontinenz auslösen. Das gilt es, besonders im Hinblick auf die Behandlung, zu beachten.
Erhöhtes Risiko durch Krankheiten der Organe und Nerven
Häufig führen Beschwerden oder Krankheiten am unteren Urogenialtrakt zu einer Harninkontinenz. Der Urogenialtrakt umfasst alle Harnorgane sowie männliche und weibliche Geschlechtsorgane. Zu möglichen Erkrankungen an den Organen für die Urinausscheidung gehören beispielsweise Harnwegsentzündungen, Blasensteine oder Verengungen der Harnröhre. Bei Männern ist häufig eine vergrößerte Prostata Ursache einer Dranginkontinenz, bei der die Blase überaktiv ist.
Eine Inkontinenz kann aber auch auftreten, wenn Nervenimpulse zu schwach sind, sodass es Betroffenen nicht mehr gelingt, den Harn- oder Stuhldrang zu kontrollieren. Dies ist häufig der Fall bei Krankheiten wie Multipler Sklerose oder infolge einer Querschnittslähmung nach einem Unfall.
Inkontinenz im Alter
Laut der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die Inkontinenz vor allem bei älteren Menschen ein Thema. Anhand von Schätzungen seien etwa 40 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland inkontinent. Sie verlieren ungewollt Urin. Ein Grund dafür ist, dass die Elastizität des Gewebes im Laufe des Lebens nachlässt. Dadurch tritt der Beckenboden tiefer und die natürlichen Öffnungen (Harnröhre, Scheide, After) werden aufgedehnt. Das kann die Verschlussmechanismen von Blase und Darm beeinträchtigen. In der Folge leiden Betroffene an einer Harn- oder Stuhlinkontinenz.
Darüber hinaus gilt die Inkontinenz bei älteren Patienten nicht unbedingt als Symptom einer Erkrankung, die unmittelbar den Urogenitaltrakt betrifft wie etwa Nieren- oder Blasensteine. Vielmehr wird die Inkontinenz im Alter als Syndrom verstanden, welches durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren ausgelöst wird, die mit dem Älterwerden einhergehen. So können altersbedingte Mobilitätseinschränkungen, die Einnahme von mehreren Medikamenten gleichzeitig oder kognitive Störungen eine Inkontinenz auslösen. Demnach können sich die Behandlungsmethoden für ältere Inkontinenz-Patienten von denen für jüngere Betroffene unterscheiden.(2) (3)
Inkontinenz bei Demenz
Inkontinenz ist eine häufige Begleiterscheinung bei Demenz, denn die Demenzerkrankung kann zum einen die körperliche Mobilität beeinträchtigen. Zum anderen betrifft die Demenz unmittelbar das Nervensystem und Gehirn und kann dort verschiedene Störungen verursachen. Dazu zählen beispielsweise Störungen der Blasenentleerung, Orientierungsprobleme oder Gedächtnisverlust. So kann es im Zuge der Demenzerkrankung beispielsweise dazu kommen, dass der Betroffene vergisst, rechtzeitig zur Toilette zu gehen oder den Weg dorthin nicht findet. Infolge verliert der Demenzerkrankte ungewollt Urin oder Stuhl.
Folgende Tipps können Angehörigen beim Umgang mit ihrem demenzkranken Familienmitglied helfen:
- Erinnern Sie den Betroffenen höflich an den Toilettengang oder gewöhnen Sie ihn an feste Zeiten, das WC aufzusuchen.
- Räumen Sie Hindernisse zur Toilette aus dem Weg.
- Kennzeichnen Sie die Toilettentür und lassen Sie sie in der Nacht auf.
- Sorgen Sie für eine ausreichende Beleuchtung in der Toilette und für den Weg dorthin.
- Zeigen Sie dem Demenzerkrankten den Weg zur Toilette in ungewohnter Umgebung wie etwa beim Arzt.
- Achten Sie auf Signale wie etwa unruhiges Sitzen, die auf Harndrang hinweisen könnten und reagieren Sie entsprechend.
- Helfen Sie ihm beim Auskleiden, falls er Schwierigkeiten hat, den Harn so lange zu halten.
- Toilettenhilfen wie Haltegriffe oder eine Toilettensitzerhöhung geben dem Patienten Sicherheit.
Arzneimittel – Inkontinenz als ungewollte Nebenwirkung
Verschiedene Medikamente und Wirkstoffe können ebenso das Risiko erhöhen, inkontinent zu werden. Hierzu zählen zum Beispiel Arzneimittel wie Diuretika, die jede Form der Inkontinenz erzeugen können, da sie eine vermehrte Flüssigkeitsausscheidung fördern. Ebenso können Betarezeptorenblocker gegen hohen Blutdruck oder Cholinesterase-Hemmer, die bei Demenz angewendet werden, eine Dranginkontinenz begünstigen oder verstärken. Solche Präparate reizen die Blase. ACE-Hemmer, die häufig im Falle einer Herzschwäche zum Einsatz kommen, können beispielsweise eine Stressinkontinenz bewirken.(4)
Inkontinenz bei Frauen nach der Schwangerschaft
Frauen sind nach Geburten einem höheren Inkontinenz-Risiko ausgesetzt. So werden der Bauchraum sowie der Beckenbereich durch die Schwangerschaft und Entbindung stark beansprucht. Es ist möglich, dass die Beckenmuskulatur und das Bindegewebe beschädigt oder die Nerven während der Wehen und Entbindung verletzt werden. Epidemiologische Studien zeigen, dass die Anzahl der Geburten eine Rolle für die Entstehung einer Inkontinenz spielt. Je mehr Kinder die Frau bekommen hat, desto höher ist ihr Risiko, Inkontinenz-Symptome zu entwickeln. Nicht eindeutig ist, welche Rolle der Geburtsmodus (vaginal oder per Kaiserschnitt) spielt. In vielen Fällen stellt sich die Harninkontinenz, die unmittelbar nach der Entbindung eingetreten ist, innerhalb eines Jahres wieder ein.(4)
Inkontinenz bei Männern nach der Prostatektomie
Neben der Prostata, muss der Arzt auch Teile der Harnröhre und des Schließmuskels entfernen, welcher für das Öffnen und Schließen der Harnblase zuständig ist. Ist die Funktion des Harnblasenschließmuskels nicht mehr intakt, kann die Harnröhre möglicherweise nicht mehr richtig schließen. Folglich verliert der Mann ungewollt Urin und wird inkontinent.(5) In einem Großteil der Fälle bessert sich die Harninkontinenz innerhalb der ersten Wochen oder Monate nach der Prostata-Operation.
Psychische Ursachen
Psychosoziale Belastungen in Folge von beruflichem oder privatem Stress können ebenso das Risiko für eine Inkontinenz-Entstehung erhöhen. Alltagssorgen, emotionale Anspannung und Aufregung belasten das Nervensystem des Menschen.
Inkontinenz: Formen / Arten
Je nachdem, ob Urin oder Stuhl unkontrolliert austritt, unterscheiden Mediziner zwischen einer Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz. Unter einer Stuhlinkontinenz leiden insgesamt weniger Menschen in Deutschland. Nach dem Inkontinenz Selbsthilfe e. V. seien etwa fünf Prozent der Deutschen von einer leichten bis schweren Stuhlinkontinenz betroffen.(6)
Harninkontinenz
Harninkontinenz bezeichnet den ungewollten Verlust von Urin. Betroffene können in dem Fall nicht kontrollieren, wann die Blase geleert werden soll. Für Harninkontinenz haben sich im allgemeinen Sprachgebrauch auch die Begriffe Blasenschwäche oder schwache Blase etabliert. Jedoch ist nicht immer die Blase für die Entstehung einer Harninkontinenz verantwortlich. Die Ursachen reichen von einer schwachen Beckenbodenmuskulatur, über Störungen im Nervensystem bis hin zu ernsten Erkrankungen. Harninkontinenz kann in allen Altersstufen auftreten, auch in jungen Jahren. Das Risiko nimmt jedoch im Alter stark zu.
Eine Harninkontinenz lässt sich, je nach Ursache, noch weiter in folgende Arten unterteilen:
- Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz
- Dranginkontinenz
- Mischinkontinenz
- Reflexinkontinenz
- Überlaufinkontinenz
- Einnässen im Schlaf (Enuresis nocturna, kurz: Enuresis)
Die häufigsten Arten der Harninkontinenz sind Belastungsinkontinenz und Dranginkontinenz. An einer Belastungsinkontinenz leiden aufgrund ihrer Anatomie deutlich mehr Frauen als Männer.
Inkontinenz bei Kindern
Inkontinenz kann in jedem Alter auftreten und sogar bei Kindern ein Thema sein. Mediziner unterscheiden zwischen reinem Bettnässen (Enuresis) und kindlicher Inkontinenz:
Enuresis
Bettnässen ist die häufigste Form des Einnässens bei Kindern. Die sogenannte Enuresis liegt vor, wenn ein Kind nach seinem fünften Lebensjahr mindestens zwei Nächte im Monat im Schlaf Urin verliert, ohne dass es einen Harnwegsinfekt hat oder tagsüber in die Hose macht. Meist entwickelt sich bei den betroffenen Kindern die Blasenkontrolle ganz einfach langsamer als bei anderen Kindern. Dies ist überwiegend genetisch bedingt.
Kindliche Inkontinenz
Die Inkontinenz bei Kindern tritt seltener auf als die Enuresis. In diesen Fällen nässt das Kind nachts ein, hat aber auch tagsüber Schwierigkeiten mit dem Wasserlassen. Oftmals leiden die betroffenen Kinder unter einer anlagebedingten Dranginkontinenz. Manche Kinder wollen ihr Spiel nicht unterbrechen und schieben daher den Toilettengang auf. Einige wollen auch die Toilette in bestimmten Situationen nicht aufsuchen. Irgendwann können sie den Urin dann nicht mehr halten und entleeren die Blase schließlich ungewollt. Dann wird von einer Harninkontinenz bei Miktionsaufschub gesprochen.

Inkontinenz ist nicht bloß eine „kleine-Kinder-Krankheit“. Viele Betroffene schämen sich, dass sie inkontinent sind, scheuen den Besuch beim Arzt und distanzieren sich von ihrem sozialen Umfeld. So weit muss es gar nicht erst kommen. Wir sollten als Gesellschaft viel offener über das Thema Inkontinenz sprechen, weil es viele Menschen betrifft. Sich einem Arzt anzuvertrauen, ist durchaus sinnvoll. Er kann die Ursache der Inkontinenz ausfindig machen und diese gegebenenfalls behandeln. Damit Patienten dann das passende Material auf Rezept bekommen, berate ich tagtäglich zu Kontinenz. Betroffene brauchen sich übrigens nicht auf das Gespräch vorbereiten. Gemeinsam klären wir in lockerer Atmosphäre wichtige Fragen, die für das passende Material wichtig sind, wie zum Beispiel welche Inkontinenzart vorliegt und wie aktiv der Alltag des Patienten ist. Weitere häufig gestellte Fragen und Tipps lesen Sie im Interview Inkontinenz: Erfahrungsbericht aus der Beratung.
Stuhlinkontinenz
Stuhlinkontinenz ist der Begriff für den unwillkürlichen Verlust von Darminhalt. Wie bei der Harninkontinenz gibt es auch bei der Stuhlinkontinenz Fälle, bei denen der Betroffene zwar den Drang bemerkt, es aber nicht rechtzeitig zur Toilette schafft. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen der Betroffene gar keinen Drang verspürt und die Darmentleerung nicht bewusst steuern kann.
Das Risiko, unter einer Stuhlinkontinenz zu leiden, nimmt im Alter zu. Grund dafür ist die nachlassende Gewebeelastizität, vor allem im Bereich des Beckenbodens. Zu den häufigen Ursachen einer Stuhlinkontinenz gehören zudem Erkrankungen des Darmes oder Übergewicht.(9)
Darüber hinaus erleiden Frauen häufiger eine Stuhlinkontinenz als Männer. Das hat anatomische Ursachen und hängt vor allem mit dem Geburtsvorgang zusammen. Denn beim Durchtritt des kindlichen Kopfes kann der Schließmuskel verletzt werden, sodass er nicht mehr einwandfrei funktioniert. Das kann eine spätere Stuhlinkontinenz bei der Frau auslösen.
Diagnose / Test bei Inkontinenz
Harninkontinenz sowie Stuhlinkontinenz können verschiedene Ursachen haben und sich als leichte oder schwere Inkontinenz herausstellen. Um die Ursachen zu ermitteln und die Beschwerden zu lindern, bedarf es daher einer ärztlichen Inkontinenz-Behandlung. Betroffenen steht eine Vielzahl von wirksamen Heil- und Hilfsmitteln zur Verfügung, mit denen sich eine Inkontinenz in vielen Fällen erfolgreich behandeln lässt.
Anamnese
In einem Erstgespräch mit dem behandelnden Arzt, wird er dem Betroffenem detaillierte Fragen stellen. Hilfreich ist es, dass Menschen mit Inkontinenz-Beschwerden ihre Symptome genau beobachten und festhalten.
Körperliche Untersuchung
Um herauszufinden, warum der Betroffene inkontinent wurde, folgt auf die Anamnese in der Regel eine klinische Untersuchung. In dem Rahmen untersucht der Arzt den Bauch sowie äußere Geschlechtsorgane auf Auffälligkeiten wie Entzündungen, Hautirritationen oder Schleimhautveränderungen. Außerdem kann ein Hustentest Aufschluss geben. Damit überprüft der Arzt, ob der Betroffene bei mittlerer Blasenfüllung unter Belastung Urin verliert. Darüber hinaus ist eine Urin-Untersuchung sinnvoll, um Blutbeimengungen, Eiweiß und Bakterien im Urin nachzuweisen und den pH-Wert zu ermitteln.
Damit der Arzt gezielte Therapiemaßnahmen vorschlagen kann, ist es außerdem sinnvoll, die mentale sowie körperliche Leistungsfähigkeit zu überprüfen. So kann er besser einschätzen, inwieweit der Patient physiotherapeutische Maßnahmen (zum Beispiel Beckenbodentraining) umsetzen oder Änderungen an seinem Verhalten vornehmen kann.(3)
Inkontinenz-Folgen
Die Folgen von Inkontinenz können drastisch sein, vor allem für die Lebensqualität des Betroffenen. Aus Angst vor einem peinlichen Missgeschick neigen Inkontinenz-Patienten dazu, sich immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurückzuziehen. Weil sie inkontinent sind, verzichten sie beispielsweise auf ihr Hobby und treffen sich immer seltener mit Freunden. Der soziale Rückzug führt in vielen Fällen zu Vereinsamung. Die Folgen einer Inkontinenz reichen von Angstzuständen bis hin zu Depressionen.
Abgesehen von den Auswirkungen auf die Lebensqualität, kann eine Inkontinenz ebenso gesundheitliche Folgen haben. Unkontrollierter Urinverlust erhöht das Risiko für die Entstehung eines Dekubitus oder Hautentzündungen im Intimbereich. Häufig gehen Harnwegsinfektionen mit einer Inkontinenz einher, die Ursache einer Nierenbeckenentzündung sein können. Meist lassen sich diese Folgen durch gezielte Pflegemaßnahmen vermeiden.(4)
Therapie / Behandlung bei Inkontinenz
Es gibt keine pauschalen Therapie-Empfehlungen bei Inkontinenz. Die Behandlung muss individuell an die Inkontinenz-Ursache, die Art und das Ausmaß der Beschwerden angepasst werden.
Die Palette der Therapie bei Inkontinenz reicht von Beckenbodentraining, über Gewichtsabnahme und Verhaltensänderungen bis hin zu operativen Verfahren. In den meisten Fällen werden bei der Behandlung mehrere der genannten Therapiebausteine parallel zum Einsatz kommen.
Übungen / Training für einen starken Beckenboden
Insbesondere das sogenannte Beckenbodentraining hat sich als besonders wirksam für die Besserung oder Heilung einer Inkontinenz bewiesen, da die Beckenbodenmuskulatur eine wesentliche Rolle für die einwandfreie Blasen- und Darmfunktion spielt. Geeignete Übungen verhelfen dem Betroffenen dazu, seine Beckenbodenmuskulatur zu spüren und damit seinen Beckenboden langfristig zu stärken.
Verhaltenstherapie bei Inkontinenz
Eine Verhaltenstherapie umfasst Maßnahmen, die die inkontinente Person selbst steuern kann. Laut einer Studie aus den USA stellt sich eine Verhaltenstherapie, ob in Kombination mit anderen Maßnahmen oder ohne, als wirksamer heraus als manches Inkontinenz-Medikament.(10) Ziel der Verhaltenstherapie ist es, die Blase und den Darm besser kontrollieren zu können. Die Therapie beginnt bei den eigenen Gewohnheiten. Eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil können sich positiv auf eine gesunde Blasen- und Darmfunktion auswirken. Betroffene sollten daher auf folgende Punkte achten:
- Trinken Sie ausreichend.
- Verzichten Sie auf alkoholische, kohlensäurehaltige Getränke und Kaffee.
- Bewegen Sie sich regelmäßig.
- Trainieren Sie Ihre Blase.
- Verzichten Sie auf Nikotin.
Ergänzend dazu können Achtsamkeitsübungen dabei helfen, das Gefühl für den Drang zu verbessern und seine Blase sowie den Darm zu kontrollieren. Neben dem Beckenbodentraining, können sogenannte Biofeedback-Übungen Betroffene unterstützen, die Beckenbodenmuskulatur besser zu steuern.
Toilettentraining bei Inkontinenz
Das Toilettentraining kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden. So zählen beispielsweise feste Entleerungszeiten und Blasentraining zu möglichen Therapiemaßnahmen. Besonders für ältere Inkontinenz-Patienten können dafür geeignete Toiletten-Hilfsmittel (zum Beispiel Urinflasche oder Toilettenstuhl) zum Einsatz kommen. Der Vorteil des Toilettentrainings ist, dass es keine Geräte erfordert und in Krankenhäusern, Pflegeheimen und auch in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden kann.(3)
Medikamente gegen Inkontinenz
Grundsätzlich lassen sich alle Formen der Harninkontinenz mit dem Wirkstoff Desmopressin medikamentös behandeln. Das Medikament mindert übermäßigen Durst, Harndrang und häufiges Wasserlassen. Das Medikament ist sowohl in Tablettenform als auch als Nasenspray erhältlich.
Bei einer Dranginkontinenz können die sogenannten Anticholinergika wirksam sein, die Blasenfunktionsstörungen reduzieren sollen. Allerdings sollte das Medikament nur bedingt bei älteren Patienten eingesetzt werden. Denn manche Medikamente dieses Wirkstoffes können die Kognition beeinträchtigen und zu einem erhöhten Sturzrisiko führen. Zur medikamentösen Behandlung der Belastungsinkontinenz kommt vorrangig Duloxetin zum Einsatz. Duloxetin gilt als erstes speziell gegen Belastungsinkontinenz wirkendes Medikament. Es soll die Funktion des Harnröhren-Schließmuskels erhöhen.(3)
Chirurgische Therapie: Inkontinenz-Operation
In Einzelfällen, besonders bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch die Inkontinenz, können operative Eingriffe sinnvoll sein. Das operative Verfahren muss individuell auf den Patienten abgestimmt sein. Folgende Fragen müssen vorab geklärt und in die Planung des Eingriffs mit einbezogen werden:
- Wie sehr leidet der Patient unter der Inkontinenz?
- Wurde der Betroffene bereits einmal operiert?
- Unter welchen Vorerkrankungen leidet der inkontinente Patient?
Zu den chirurgischen Möglichkeiten zählt beispielsweise ein künstlicher Schließmuskel. Dieser künstliche, sogenannte Sphinkter besteht aus einer Verschlussmanschette, einer Pumpe und einem Reservoir, wo die Flüssigkeit gespeichert wird. Die Manschette wird kreisförmig um den Enddarm (bei Stuhlinkontinenz) oder um die Harnröhre (bei Harninkontinenz) gelegt.(3)
Inkontinenz-Hilfsmittel auf Rezept: Als Dauerverordnung
Um eine Inkontinenz bestmöglich zu versorgen und Folgeerkrankungen zu vermeiden, steht Betroffenen eine Reihe an speziellen Inkontinenzmitteln wie Vorlagen oder Inkontinenz-Pants zur Verfügung. Gemäß § 33 SGB V haben inkontinente Krankenversicherte einen Anspruch auf die Versorgung mit Inkontinenzhilfen, sofern die Produkte im Hilfsmittelverzeichnis und Hilfsmittelkatalog gelistet sind. Zudem benötigt der Versicherte zur Inkontinenzversorgung ein Rezept für Inkontinenzmaterial, um die Krankenkassenleistung zu erhalten. Müssen Betroffene auf längere Sicht mit Inkontinenz-Hilfsmitteln versorgt werden, empfiehlt es sich, dass sie sich eine Dauerverordnung für Inkontinenzmaterial ausstellen lassen.
Pflegemaßnahmen bei Inkontinenz
Harninkontinenz gilt als pflegerelevantes Thema. Da es zugleich ein sensibles Thema ist, weil es den Intimbereich betrifft, bedarf es im Hinblick auf die Pflegeplanung professionellem Handeln und einer Menge Einfühlungsvermögen der Pflegefachkraft. Dazu hat das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) einen Expertenstandard zum Thema Förderung der Kontinenz entwickelt, welcher Ziele und Pflegemaßnahmen festhält.(11)
Natürlich werden die Maßnahmen individuell und bedarfsgerecht auf den pflegebedürftigen Patienten abgestimmt. Dahingehend muss die Kontinenz-Situation des Betroffenen anhand folgender Kriterien eingeschätzt werden:
- Bestehen Risikofaktoren für eine Inkontinenz?
- Zeigt er Anzeichen, die auf eine Inkontinenz hinweisen?
Anhand dessen erstellt die Pflegefachkraft ein sogenanntes Kontinenz-Profil. Das Kontinenz-Profil ermittelt die Pflegefachkraft mithilfe von bestimmten Kennzeichen, die sich der folgenden Darstellung entnehmen lassen. Unterschieden wird zwischen einer unabhängigen und abhängigen sowie nicht kompensierten Inkontinenz.(12) Folgende Fragen müssen dazu geklärt werden:
- Kommt es zu unwillkürlichen Stuhl- oder Harnverlusten?
- Wendet die Person bereits Maßnahmen der Kontinenz-Förderung an?
- Benötigt die Person personelle Unterstützung?
Schließlich berät die Pflegefachkraft den Patienten und gegebenenfalls seine Angehörigen über pflegerische Maßnahmen zur Förderung seiner Kontinenz oder zum Umgang mit seiner Inkontinenz. Anschließend erstellt die Pflegefachkraft einen Maßnahmenplan und setzt diesen kontinuierlich um.
Inkontinenzprophylaxe: Hilfen und Maßnahmen
Die Inkontinenzprophylaxe hat zum Ziel, mit Hilfe verschiedener Maßnahmen, unkontrolliertem Stuhl- oder Harnverlust entgegenzuwirken. Ein Mittel ist beispielsweise das Beckenbodentraining. Denn Beckenbodentraining trägt nicht nur zur Heilung einer bestehenden Inkontinenz bei, sondern kann auch präventiv zum Einsatz kommen.
Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen, die einer Inkontinenz vorbeugen können:
- Blasentraining
- Übergewicht vermeiden
- Entspannungsübungen
Blasentraining
In einigen Fällen kann eine Inkontinenz auch durch das eigene Verhalten ausgelöst werden. Wer zu oft auf die Toilette geht, gewöhnt die Blase an kleine Urinmengen, sodass sie irgendwann nicht mehr fähig ist, auch größere Mengen zu halten. Wer zu selten zur Toilette geht, riskiert wiederum, dass die Blasenmuskulatur ständig überdehnt wird. Auch wer aus Angst vor Inkontinenz zu wenig trinkt, bewirkt das Gegenteil: Denn so werden die Nieren nicht mit ausreichend Flüssigkeit versorgt und produzieren einen hoch konzentrierten Urin. Hochkonzentrierter Urin reizt die Blase und verstärkt den Harndrang. Darum kann es sinnvoll sein, die Blase zu trainieren und gleichzeitig auf eine optimale Flüssigkeitszufuhr zu achten.
Übergewicht vermeiden
Übergewicht gehört zu den Risikofaktoren für die Entstehung einer Inkontinenz, vor allem für die Entstehung einer Belastungsinkontinenz. Das zusätzliche Körpergewicht erhöht den Druck im Bauchraum und auf die Organe und schwächt obendrein die Beckenbodenmuskulatur. Um eine Inkontinenz gar nicht erst entstehen zu lassen, ist eine Gewichtsreduktion sinnvoll, sofern der Patient übergewichtig ist. Leidet die Person schon an Inkontinenz, kann eine Gewichtsreduktion bei stark Übergewichtigen auch für die Inkontinenz-Therapie in Erwägung gezogen werden.(1)
Entspannungsübungen
Da psychosoziale Belastungen in Folge von beruflichem oder privatem Stress ebenfalls das Risiko für eine Inkontinenz erhöhen, können Betroffene Übungen zur Entspannung durchführen. Entspannungsübungen helfen inkontinenten Personen dabei, das vegetative Nervensystem zu entspannen und folglich Blase und Darm zu beruhigen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist Inkontinenz?
Unter einer Inkontinenz leiden Personen, die unkontrolliert Urin oder Stuhl verlieren. Im ersten Fall wird von einer Harninkontinenz oder auch Blasenschwäche gesprochen. Kann der Betroffene Stuhl nicht mehr zurückhalten, lautet der Begriff Stuhlinkontinenz. Stuhlinkontinenz tritt deutlich seltener aus als Harninkontinenz. Grundsätzlich können sowohl jüngere Menschen als auch Senioren unter einer Inkontinenz leiden. Dabei ist Inkontinenz weniger eine Krankheit, sondern vielmehr ein Symptom, welches auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein kann.
Je nach Ursache, kann eine Inkontinenz verschiedene Formen annehmen und Ausprägungen haben.
Welche Inkontinenzformen gibt es?
Insbesondere im Hinblick auf geeignete Therapiemaßnahmen, gilt es, die verschiedenen Inkontinenz-Formen zu kennen. Zunächst werden Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz voneinander unterschieden. Harninkontinenz bezeichnet den ungewollten Abgang von Urin, während Stuhlinkontinenz den unkontrollierbaren Verlust von flüssigem oder festem Stuhl meint. Harninkontinenz tritt deutlich häufiger auf und lässt sich noch weiter unterteilen. Am Verbreitesten sind die folgenden Arten der Inkontinenz:
- Belastungsinkontinenz / Stressinkontinenz: Unfreiwilliger Abgang bei körperlicher Belastung
- Dranginkontinenz: Urinverlust nach ausgeprägt starkem Harndrang
- Mischinkontinenz: Unkontrollierter Urinabgang bei körperlicher Belastung verbunden mit einem starken Harndrang
- Reflexinkontinenz: Harnverlust kann nicht vom Gehirn gesteuert werden und passiert reflexartig
- Überlaufinkontinenz: Blase entleert sich nicht vollständig und „läuft über“
Wie wird man inkontinent?
Wie Personen inkontinent werden, kann unterschiedliche Ursachen haben. Grundsätzlich nimmt das Risiko, Symptome einer Inkontinenz zu entwickeln, mit dem Alter zu. Darüber hinaus unterscheiden sich die Auslöser, je nach Inkontinenz-Form. Während bei einer Dranginkontinenz Nervenschäden infolge einer OP oder neurologische Erkrankungen Ursache sein können, wird eine Belastungsinkontinenz häufig durch eine schwache Beckenbodenmuskulatur ausgelöst. Eine Reflexinkontinenz ist häufig auf ein gestörtes Nervensystem zurückzuführen, welches zum Beispiel mit einer Querschnittslähmung oder neurologischen Erkrankung (Parkinson / Multiple Sklerose / Demenz) einhergeht.
Was verursacht Inkontinenz?
Die Ursachen einer Inkontinenz können sehr unterschiedlich sein. Inkontinenz-Ursachen reichen von einer geschwächten Beckenbodenmuskulatur bei der Belastungsinkontinenz bis hin zu einer vergrößerten Prostata (beim Mann) bei der Überlaufinkontinenz reichen. Daher sollten sich Betroffene vertrauensvoll an einen Arzt wenden, der die Ursache mittels geeigneter Diagnoseverfahren finden so verschiedene Therapiemöglichkeiten vorschlagen kann.
Was hilft wirklich bei Inkontinenz?
Viele Inkontinenz-Patienten tendieren dazu, sich zu verstecken oder mit ungeeigneten Hilfsmitteln wie Menstruationsbinden selbst zu helfen. Schamgefühl und Unsicherheit halten sie davon ab, mit dem Arzt zu sprechen. Dabei lassen sich die Beschwerden in einem Großteil der Fälle bessern. Die Maßnahmen müssen allerdings individuell auf die Inkontinenz-Form und Ursache abgestimmt sein. Daher ist es zuallererst wichtig, mit einem Arzt über die Symptome zu sprechen und gemeinsam geeignete Hilfen bei Inkontinenz zu besprechen.
Zu möglichen Hilfsmaßnahmen gehört beispielsweise das Beckenbodentraining bei Inkontinenz, da in einigen Fällen die geschwächte Beckenbodenmuskulatur Auslöser der Inkontinenz ist. Außerdem können Inkontinenz-Hilfsmittel zu mehr Lebensqualität beitragen. Je nach Schweregrad stehen der Person verschiedene aufsaugende oder ableitende Produkte zur Verfügung, die eine Inkontinenz möglichst diskret versorgen sollen.
Ein chirurgischer Eingriff sollte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn alle nicht-operativen Therapiemaßnahmen keine Erfolge erzielt haben.
Welcher Arzt hilft mir bei Inkontinenz?
Leiden Sie an Inkontinenz, wenden Sie sich bestenfalls an einen qualifizierten Facharzt wie den Urologen oder an das Personal eines Kontinenz-Zentrums. Ärzte mit folgenden Fachrichtungen können Ihnen helfen:
- Urologie
- Gynäkologie
- Proktologie
- Chirurgie
- Neurologie
- Geriatrie
Zertifizierte Kontinenz- und Beckenbodenzentren beschäftigen sich eingehend mit dem Thema Inkontinenz und ihren unterschiedlichen Ursachen. Um geeignete Therapiemaßnahmen für Ihre individuelle Erkrankung zu finden, arbeiten hier Ärzte verschiedener Fachrichtungen sowie spezialisierte Pflegekräfte und Physiotherapeuten zusammen.
Das Wichtigste ist: Suchen Sie aktiv Hilfe und verstecken Sie sich nicht. Nur so können sich Ihre Beschwerden bessern oder gar verschwinden.
Ist die Inkontinenz heilbar?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten und ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ob eine Inkontinenz heilbar ist, hängt beispielsweise davon ab, welche Form der Inkontinenz vorliegt, welche Erkrankung ihr zugrunde liegt und wie stark sie ausgeprägt ist. Durch eine gezielte Therapie lassen sich die Beschwerden aber in vielen Fällen deutlich verbessern oder sogar heilen.
Grundsätzlich muss ein Arzt die Behandlung individuell an den Patienten und seine Lebenssituation anpassen.
Welche Inkontinenz-Hilfsmittel gibt es?
Inkontinenz-Hilfsmittel sollen in erster Linie die Lebensqualität der Betroffenen verbessern und Folgeerkrankungen vermeiden. Dazu stehen Patienten verschiedene Inkontinenzhilfen zur Verfügung. Zu den beliebtesten zählen aufsaugende Inkontinenzartikel, die am Körper getragen werden, den Urin aufnehmen und vor Hautreizungen schützen. Dazu zählen beispielsweise:
- Inkontinenzeinlagen
- Inkontinenzvorlagen in Kombination mit Fixierhose
- Inkontinenzunterhosen (auch Inkontinenz-Pants genannt)
- Windeln mit Klebeverschluss
- Bettschutzeinlagen
Darüber hinaus gibt es funktionell-anatomische Hilfsmittel, die sich der jeweiligen Geschlechtsanatomie anpassen und die Blasenfunktion unterstützen sollen. Erhältlich sind folgende Produkte:
- Für Frauen: Inkontinenztampons, Ringpessare, Harnröhren-Plugs
- Für Männer: Penisklemme, Penisbändchen
Neben Toilettenhilfen wie Urinflaschen oder Toilettenstühlen eignen sich in vielen Fällen auch ableitende Hilfsmittel, die die Flüssigkeit aus den Harnwegen in einen Behälter transportieren. Grundsätzlich sollten inkontinente Personen mit ihrem Arzt besprechen, welche Inkontinenzprodukte in ihrem individuellen Fall die geeignetsten sind.