Inkontinenzmaterial: Artikel & Produkte zur Inkontinenzversorgung
Inhaltsverzeichnis
WICHTIGER HINWEIS: Bedenken Sie bitte, dass Inkontinenzhilfsmittel eine Behandlung nur ergänzen und niemals ersetzen sollten.
Das richtige Hilfsmittel für jeden Zweck
Trotz vielfältiger Therapien dauert es bei manchen Menschen etwas länger, die Inkontinenz zu behandeln – und für diese Behandlungsphase brauchen sie das richtige Inkontinenzmaterial. Für jede Form und jede Ursache von Inkontinenz gibt es die passenden Inkontinenzartikel, die dafür sorgen, dass die Betroffenen ihr Leben unbeschwert genießen können und auf gesellschaftliche Ereignisse nicht verzichten müssen.
Dabei sollte sich nicht der Betroffene in seinem Tagesablauf an der Leistungsfähigkeit eines Inkontinenzprodukts orientieren, sondern er sollte ein Hilfsmittel wählen, das am besten zu seinen Aktivitäten im Alltag passt.
Welche Inkontinenzhilfsmittel sich am besten eignen, hängt von folgenden Faktoren ab:
- Wie viel Sicherheit wünscht sich der Betroffene?
- Welche Art der Inkontinenz liegt vor: Harninkontinenz und/oder Stuhlinkontinenz?
- Wieviel Harn wird unkontrolliert ausgeschieden?
- Wann tritt die Inkontinenz auf (z. B. nur nachts)?
- Ist der Betroffene noch mobil und beweglich?
- Kann der Betroffene aufgrund seiner geistigen und körperlichen Verfassung die Inkontinenzversorgung selbst vornehmen?
- Wie empfindlich sind die umliegenden Hautpartien (Hautreizungen, Wunden, Druckstellen)?
Hilfsmittel bei Inkontinenz im Überblick
Manche Personen kommen mit funktionell-anatomischen Inkontinenz-Hilfsmitteln gut zurecht, die das natürliche Haltevermögen des Harn- und Geschlechtstrakts verbessern, andere wiederum profitieren von Toilettenhilfen wie Toilettensitzen oder Urinflaschen, wenn sie für konventionelle Toiletten nicht mehr beweglich genug sind und nur deswegen etwas daneben geht. Betroffene, die keine Kontrolle mehr über ihre Harnfunktion haben, sind eventuell mit ableitenden Hilfsmitteln, wie einem Katheterverfahren, besser bedient.
Folgende Anforderungen sollten Inkontinenzprodukte erfüllen:
- Inkontinenzprodukte dürfen nicht rutschen.
- Inkontinenz-Hilfsmittel sollten gut hautverträglich sein.
- Inkontinenzprodukte sollten die Selbstständigkeit des Betroffenen erhalten und eine einfache Handhabung erlauben.
- Hilfsmittel sollten keine Geräusche wie etwas ein Rascheln erzeugen.
- Inkontinenzartikel sollten sich nicht unter der Kleidung abzeichnen und Gerüche sicher verschließen.
Grundsätzlich kann man zwischen folgenden Inkontinenz-Hilfsmitteln unterscheiden:
- Aufsaugende Hilfsmittel
- Funktionell-anatomische Hilfsmittel
- Toilettenhilfen
- Ableitende Hilfsmittel
1. Aufsaugende Hilfsmittel bei Inkontinenz
Am weit verbreitetsten sind aufsaugende Hilfsmittel. Dazu gehören:
- Inkontinenzhosen, auch Pants und Slips genannt,
- Windeln oder
- Inkontinenzeinlagen.

Aufsaugende Hilfsmittel: Windelhosen, Windeln und Inkontinenzeinlagen
Man unterteilt diese Produkte außerdem in einteilige Systeme, also Inkontinenzschutzhosen oder -slips, und zweiteilige Systeme, bestehend aus Vorlage und Netzhose. Außerdem kann zwischen Einweg- oder Mehrwegprodukten gewählt werden. All diese Hilfsmittel saugen dank moderner Inkontinenzmaterialien nicht nur Feuchtigkeit auf, sondern verhindern auch unangenehme Gerüche und Hautreizungen. Als weitere Unterstützung zur Versorgung einer Inkontinenz können neben Windeln, Einlagen und Vorlagen nachts Inkontinenzauflagen für die Matratze eine hilfreiche Ergänzung sein.
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Aufbau von aufsaugenden Hilfsmitteln bei Inkontinenz
Alle aufsaugenden Inkontinenzhilfsmittel sind ähnlich aufgebaut und bieten Hilfe bei Inkontinenz:
Auf der körperabgewandten Seite besitzen sie in der Regel eine Außenfolie, zum Beispiel aus Polyethylen, die Wäsche und Kleidung vor Verschmutzung schützt. Auf der körperzugewandten Seite sorgt ein weiches Oberflächenvlies für ein angenehmes Hautgefühl und leitet die Flüssigkeit rasch an den Saugkern weiter. Dieser besteht aus einem Gemisch aus Zellstoff und einem speziellen Flüssigkeitsbinder, dem Superabsorber. Ihm ist es zu verdanken, dass Windeln seit Anfang der 80iger Jahre um mehr als die Hälfte dünner und leichter wurden. Denn der Superabsorber, der den Urin in Gel verwandelt, kann ein Vielfaches seines eigenen Volumens an Flüssigkeit binden und gibt sie auch bei Druck nicht wieder ab. Eltern werden das Wirkprinzip von Babywindeln kennen. Bei Inkontinenzslips oder -hosen verhindern zusätzlich elastische und nässeabweisende Bündchen an Bein- und Hüftabschluss das Auslaufen.
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Aufsaugende Hilfsmittel richtig einsetzen: das richtige Produkt für den richtigen Zweck
Oft reichen schon dünne Einlagen aus. In anderen Fällen empfehlen sich saugstärkere Produkte bis hin zu den dickeren und größeren Inkontinenzvorlagen mit Netzhosen / Fixierhosen sowie spezielle Slips und Inkontinenzhosen je nach Schweregrad der Inkontinenz. Die Windelhosen sind für die Nacht sowie für bettlägerige oder besonders unruhige Patienten, etwa bei Demenz, ideal. Speziell an den Männerkörper angepasst sind zum Beispiel verschiedene Penistaschen oder V-förmige Einlagen.
Bei Stuhlinkontinenz eignen sich die größeren Inkontinenzprodukte und vor allem die umschließenden Systeme wie Windeln oder Pants.
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Wichtiger Hinweis: Monatsbinden sind keine Alternative zu Inkontinenzartikeln
Manche Frauen versuchen, ihr Inkontinenzproblem mithilfe von Monatsbinden in den Griff zu bekommen. Obwohl Artikel zur Menstruationshygiene grundsätzlich ähnlich aufgebaut sind wie Inkontinenzprodukte, sollten Sie von dieser Lösung Abstand nehmen. Denn Monatsbinden sind für die Aufnahme von wenigen Millilitern Blut optimiert. Für Urin ist ihre Saugleistung daher zu gering. Damit sind sie keine verlässliche Hilfe bei Inkontinenz.

2. Funktionell-anatomische Hilfsmittel bei Inkontinenz
Manche Betroffene spüren ihren Harndrang zwar noch selbst, können den Urin aber nicht mehr zuverlässig einhalten. Als möglicher Grund hierfür kommt zum Beispiel eine schwache Beckenbodenmuskulatur, bei Frauen auch eine durch Schwangerschaft abgesenkte Gebärmutter in Frage. Auch bestimmte Krankheiten oder Operationen im Unterleib können dazu führen, dass Blasenschließmuskel oder Harnröhre nicht mehr optimal funktionieren. Für diese Fälle stehen verschiedene funktionell-anatomische Hilfsmittel zur Verfügung, welche die normale Blasenfunktion unterstützen.
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Für Frauen mit Belastungsinkontinenz

Für Frauen mit Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz werden neben Inkontinenztampons aus speziellem Kunststoffschaum auch Ringpessare aus Silikon angeboten, welche unter dem Blasenhals liegen. Diese können maximal 29 Tage getragen, anschließend gereinigt und erneut verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit bieten Harnröhren-Plugs („Harnröhrenstöpsel“). Bei diesem Einwegartikel wird ein individuell angepasster Schlauch aus Silikon mit einer Einführhilfe in die Harnröhre eingebracht. An seinem Ende befindet sich ein Ballon, der sich über die Einführhilfe entfalten lässt, um die Entleerung der Blase zu verhindern.
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Für Männer mit leichter bis mittelschwerer Inkontinenz
Betroffenen Männern hilft ein Penisbändchen gegen ungewollten Harnverlust. Es besteht aus einem schmalen Klettband, welches durch einen kleinen Ballon leichten Druck auf die Harnröhre ausübt und diese dadurch verschließt. Zum Wasserlassen wird der Ballon vorsichtig entleert um den Druck wieder abzubauen.
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Für Männer mit milder bis moderater Inkontinenz
Das Inkontinenzprodukt Penisklemme ist speziell für Männer mit leichter bis moderater Inkontinenz entwickelt. Dabei wird ungewollter Harnverlust verhindert ohne jedoch die Durchblutung im Penis zu beeinträchtigen. Die Penisklemme besteht aus einem flexiblen Kunststoffring, der ein elastisches Klettband in Position hält und auf die Harnröhre drückt.
3. Toilettenhilfen bei Inkontinenz
Nicht alle Patienten mit Inkontinenz sind noch so mobil, dass sie alleine eine gewöhnliche Toilette aufsuchen können. In diesem Fall kann eine Toilettenhilfe von Vorteil sein, für die Betroffene meist die Unterstützung ihrer Angehörigen brauchen.
Je nachdem, ob die Betroffenen noch in der Lage sind, das Bett zu verlassen und ihren Harndrang zu spüren oder zu kontrollieren, können hierbei Hilfsmittel wie Toilettenstühle, Urinflaschen, Steckbecken oder eine einfache Toilettensitzerhöhung zum Einsatz kommen.
4. Ableitende Hilfsmittel bei Inkontinenz
Wenn Betroffene die Kontrolle über ihren Harndrang vollständig verloren haben, bieten Toilettenhilfen oder funktionell-anatomische Hilfsmittel keine Entlastung mehr. Wenn zudem saugende Hilfsmittel nicht ausreichen oder aus anderen Gründen nicht infrage kommen, sind harnableitende Hilfsmittel eine mögliche Alternative. Es gibt invasive Systeme, die in den Körper eingeführt werden müssen, aber auch nicht-invasive Hilfsmittel, die von außen am Körper getragen werden. Beliebt sind insbesondere Katheter, denn sie stellen sicher, dass die Blase vollständig entleert wird. Mit einer leeren Blase trauen sich viele Menschen endlich wieder aus dem Haus, weil sie nicht Gefahr laufen, dass unterwegs etwas schiefgeht.
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Katheter
Katheter gibt es sowohl als Einmal- wie auch als Dauerkatheter, der längerfristig in der Harnröhre und -blase verbleibt oder durch die Bauchdecke den Harn ableitet. Letzterer kann bei pflegebedürftigen und bettlägerigen Menschen mit Inkontinenz zum Einsatz kommen, deren Blasenentleerung dauerhaft von außen gesteuert werden soll. Wegen der Infektionsgefahr eignen sich Dauerkatheter allerdings nur für den zeitlich begrenzten Einsatz und sind bei Inkontinenz nur dann sinnvoll, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
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Kondomurinal
Das Kondomurinal stellt eine nicht-invasive Option für Männer mit Inkontinenz ohne Kontrolle über ihren Harndrang dar. Hierbei wird ein kondomartiger Überzieher über den Penis gestreift und mit einem hautfreundlichen Kleber fixiert. Das Kondomurinal ist am Ende mit einem Schlauch versehen, welcher den ablaufenden Urin in einen Beutel leitet. Moderne Produkte können bis zu 48 Stunden getragen werden, ohne Hautirritationen zu verursachen.
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Urinbeutel
Er dient als Auffangbehältnis, wenn bei der Anwendung eines Katheters oder eines Kondomurinals der Urin nicht in die Toilette abgeleitet wird. Der Urinbeutel wird meist mit einer Manschette um den Oberschenkel oder an der Hüfte unter der Kleidung getragen. Es gibt aber auch Bettbeutel mit Tropfkammer für Bettlägerige. Je nach Produkt sind unterschiedliche maximale Tragezeiten zu beachten (24 Stunden bis 14 Tage).
Kosten und Kostenübernahme von Inkontinenzmaterial
Kostenträger von Inkontinenzmaterial: Krankenkasse statt Pflegekasse
Für die Kostenübernahme von Inkontinenzmaterial ist nicht die Pflegekasse, sondern die Krankenkasse zuständig.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse:
Versicherte mit Inkontinenz können einen Zuschuss Ihrer Krankenkasse für Inkontinenzmaterial erhalten. Dazu benötigen sie ein ärztliches Attest mit folgenden Informationen:
- Die Diagnose einer mindestens mittleren Harn- und/oder Stuhlinkontinenz. Dabei muss die Inkontinenz Folge einer anderen Erkrankung (wie z. B. Schlaganfall oder Demenz) oder Folge einer Operation sein. Eine Inkontinenz alleine ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann (z. B. Krankheit oder Folgeschäden einer Operation).
- Der monatliche Bedarf an Inkontinenzmaterial.
- Die Art der Inkontinenzartikel. Diese müssen im Hilfsmittelverzeichnis & Hilfsmittelkatalog gelistet sein.
- Der voraussichtliche Behandlungszeitraum mit Inkontinenzmaterial.
- Die medizinische Notwendigkeit der Verwendung von Inkontinenzhilfen.
Kostenübernahme durch die Krankenkasse – So funktioniert‘s
- Der behandelnde Arzt verordnet in einem Rezept die Versorgung mit aufsaugenden Hilfsmitteln. Darauf müssen wie oben beschrieben Art und Schweregrad der Inkontinenz, der voraussichtliche Behandlungszeitraum, der monatliche Bedarf sowie die Art des Inkontinenzmaterials vermerkt sein.
- Versicherte reichen das Rezept in der Apotheke, einem Sanitätshaus oder einem Vertragspartner ihrer Krankenkasse ein. Fragen Sie vorab unbedingt bei Ihrer Krankenkasse nach, ob es Vertragspartner gibt, bei denen das Rezept eingelöst werden muss. Andernfalls kann die Kasse den Zuschuss verweigern.
- Versicherte erhalten das Inkontinenzmaterial entweder direkt in Apotheke oder Sanitätshaus oder bekommen es nach Bestellung nach Hause geliefert. Dabei leistet der Versicherte seine gesetzliche Zuzahlung direkt an den Versorger, den Rest der Kosten übernimmt die Krankenkasse.

Mein Praxistipp
Inkontinenz ist leider immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Wenn sich Betroffene einem Arzt anvertrauen, können sie sich ein Rezept für Inkontinenzmaterial ausstellen lassen. Die Materialkosten übernimmt die Krankenkasse, wodurch Betroffene finanziell entlastet werden. Gegebenenfalls fällt dann lediglich die gesetzliche Zuzahlung an. Wenn ein komfortableres Produkt gewünscht wird, muss der Patient aufzahlen. Es wissen relativ wenige Betroffene von der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung, weil sie auch nicht mit ihren Familien oder einem Arzt über ihre Inkontinenz sprechen.
Die Kontinenzberaterin Franziska Baur hat im Interview mit pflege.de über Inkontinenzmaterial auf Rezept gesprochen.
Zuzahlung
- Inkontinenzartikel zählen zu den sog. Verbrauchshilfsmitteln. Daher erhalten Versicherte medizinisch erforderliche Inkontinenzhilfen grundsätzlich von der Krankenkasse erstattet.
- Versicherte ab 18 Jahren müssen jedoch eine gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung leisten. Das bedeutet: Versicherte müssen zehn Prozent der Kosten für Inkontinenzmaterialien selbst tragen, jedoch maximal 10 Euro pro Monat.
- Bei einer Bestellung über das notwendige Maß hinaus (ob aufgrund einer größeren Menge oder besseren Qualität als verordnet) tragen Versicherte die entsprechenden Mehrkosten selbst.
Zuzahlungsbefreiung
- Grundsätzlich müssen alle Versicherte ab 18 Jahren diese Zuzahlung leisten. Kinder und Jugendliche sind von der Zuzahlung befreit.
- Für Erwachsene gibt es die Möglichkeit, im laufenden Jahr von der Zuzahlung befreit zu werden, sofern sie ihre persönliche Belastungsgrenze überschritten haben.
Diese Belastungsgrenze liegt bei zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens abzüglich der Freibeträge für Kinder und Ehe- oder Lebenspartner. Für Patienten mit einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung liegt die Belastungsgrenze bei einem Prozent. - Eine Befreiung von gesetzlichen Zuzahlungen muss schriftlich bei der Krankenkasse beantragt werden. In der Regel sind dazu Belege der bisher geleisteten Zuzahlungen, Kopien der Einkommensnachweise sowie eine Bescheinigung des Arztes über eine chronische Erkrankung erforderlich. Details erhalten Sie auf Nachfrage bei Ihrer Krankenkasse.