Soziale Pflegeversicherung
Inhaltsverzeichnis
Pflegeversicherung: Definition
Als fünfte Säule im deutschen Sozialversicherungssystem wurde 1995 die für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitslosen und Rentner verpflichtende soziale Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch Elf, SGB XI) eingeführt, um das kostspielige Pflegerisiko der Bevölkerung besser abzusichern als zuvor. Da alle abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen und Rentner unabhängig von ihrem Alter und ihrem persönlichen Pflegerisiko bis zur Pflichtversicherungsgrenze in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen müssen und mit ihren Beiträgen die Pflegerisiken aller Versicherten gemeinsam tragen, spricht man von der sozialen Pflegeversicherung.
Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung deckt die Pflegeversicherung als eine Art Teilkasko-Versicherung nicht alle Leistungskosten ihrer Versicherten ab. Diese Deckungslücke können Versicherte mit privaten Pflegezusatzversicherungen schließen.
Deutschen Sozialversicherung: Die fünf Säulen
Im Gegensatz zu anderen Ländern bietet Deutschland seinen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von deren Einkommen, Gesundheit und Alter ein engmaschig geknüpftes soziales Netz mit langer Tradition. Schon im 19. Jahrhundert legte Reichskanzler Otto von Bismarck erste Grundsteine für den Aufbau des deutschen, weltweit vorbildlichen staatlichen Sozialversicherungssystems. Bereits 1883 entstand die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 eine gesetzliche Rentenversicherung, die zunächst nur Arbeitern zu begrenzten Leistungen verhalfen.
Heute sichert der deutsche Sozialstaat mit fünf Pflichtversicherungen alle abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Rentner und ihre Familienangehörigen gegen die Lebensrisiken Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Altersarmut und Unfälle ab. Zuletzt wurde 1995 die soziale Pflegeversicherung geschaffen, um die aufgrund verbesserter Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie des medizinischen Fortschritts immer größere Zahl der Älteren besser gegen das kostenintensive Pflegerisiko insbesondere im Alter abzusichern.
Die sogenannten „fünf Säulen“ der deutschen Sozialversicherung sind:
- Gesetzliche Krankenversicherung
(Fünftes Sozialgesetzbuch, SGB V; Träger: Gesetzliche und private Krankenkassen) - Soziale Pflegeversicherung
(Elftes Sozialgesetzbuch, SGB XI; Träger: Gesetzliche und private Pflegekassen; angeschlossen an die Krankenkassen) - Gesetzliche Rentenversicherung
(Sechstes Sozialgesetzbuch, SGB VI; Träger: Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) - Gesetzliche Arbeitslosenversicherung
(Drittes Sozialgesetzbuch, SGB III; Träger: Bundesagentur für Arbeit) - Gesetzliche Unfallversicherung
(Siebtes Sozialgesetzbuch, SGB VII; Träger: Gewerbliche Berufsgenossenschaften, Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft und die Versicherungsträger der öffentlichen Hand wie Unfallkassen, Landesunfallkassen, Gemeindeunfallversicherungsverbände).
Solidarische Finanzierung der Versicherungen:
Während die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern „solidarisch“ finanziert werden, zahlen die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung allein die Unternehmen für ihre Mitarbeitenden je nach beruflichem Unfallrisiko.
Das Wichtigste in Kürze:
- Träger der Pflegeversicherung:
Gesetzliche Pflegekassen, die den gesetzlichen Krankenkassen angeschlossen sind. - Pflichtversicherung:
Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitslose, Rentner und ihre Familienangehörigen, nicht aber Selbstständige, Freiberufler und Beamte besteht die Pflegeversicherungs-Pflicht. Das heißt: Alle müssen sich bis zur Pflichtversicherungsgrenze in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichern. - Pflichtversicherungsgrenze:
Aktuell liegt die Pflichtversicherungsgrenze bei einem regelmäßigen Monatseinkommen von 5.362,50 Euro oder 64.350,00 Euro Jahreseinkommen (inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld).(3) (Stand: 2021) Das heißt: Bis zu diesem Lohn oder Gehalt müssen Arbeitnehmer Versicherte gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherungen bleiben. Nur wenn ihr Einkommen ein Jahr über der Pflichtversicherungsgrenze liegt, dürfen sie die gesetzlichen Kassen verlassen und sich privat versichern. - Beitragsfreie Familienversicherung:
Kinder bis zum Alter von 18 Jahren sowie gering verdienende Ehegatten oder Lebenspartner von pflichtversicherten abhängig Beschäftigten können beitragsfrei in der gesetzlichen Pflege- und Krankenversicherung mitversichert werden. Das heißt: Es besteht auch automatisch eine Pflegeversicherung für Kinder.
Gesetzliche Pflegeversicherungen
In der Regel müssen sich alle Berufstätigen, Arbeitslosen und Rentner, deren Einkommen unterhalb der für 2021 geltenden Pflichtversicherungsgrenze von 5.362,50 Euro Brutto im Monat oder 64.350 Euro im Jahr (inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld) liegt, bei einer gesetzlichen Pflegekasse versichern.(3) Die Träger der Pflegeversicherung sind die gesetzlichen Pflegekassen, die der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse der Versicherten angeschlossen sind.
Nur wer über ein Jahr mehr verdient als (Stand: 2021(3)) 64.350 Euro brutto darf in eine private Pflegeversicherung und in eine private Krankenversicherung wechseln. Die Pflichtversicherungsgrenzen werden für jedes Jahr gesetzlich neu festgelegt.
Der Wechsel von einer gesetzlichen Pflegekasse in eine private Pflegekasse gilt unter Fachleuten als unproblematischer als der Wechsel von einer privaten in eine gesetzliche Krankenkasse. Denn die Aufnahmebedingungen, Versichertenbeiträge und Leistungen von gesetzlichen und privaten Pflegekassen unterscheiden sich nicht voneinander. Näheres zu den Hürden beim Wechsel von der gesetzlichen in eine private Krankenkasse finden Sie unten im Kapitel zu den „Gesetzlichen Krankenkassen“.
Private Pflegeversicherungen
Besserverdienende abhängig Beschäftigte mit einem Jahreseinkommen oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze (2021: 64.350 Euro(3)), Selbstständige, Freiberufler und Beamte können einer privaten Pflegeversicherung beitreten. Während sich Arbeitnehmer und Beihilfeberechtigte wie Beamte die Versichertenbeiträge mit ihren Arbeitgebern teilen, müssen Selbstständige und Freiberufler die Beiträge alleine tragen.
Grundsätzlich zahlen privat Pflegeversicherte die gleichen Beiträge für ihre Pflegeversicherung wie gesetzlich Pflegeversicherte. Im Unterschied dazu fallen für privat Krankenversicherte höhere Monatsbeiträge an als für gesetzlich Krankenversicherte, wenn sie nach Einschätzung ihrer privaten Krankenversicherung aufgrund ihres Gesundheitszustands, ihres Alters oder ihres Geschlechts höhere Ausgaben als gesunde Versicherte erwarten lassen.
Private Pflegezusatzversicherungen
Wer seine Pflegekosten im Alter oder bei Krankheit besser finanziell absichern will, kann freiwillig eine private Pflegezusatzversicherung abschließen.
Nur für Pflegetagegeld-Versicherungen gibt es auch einen Zuschuss vom Staat, den sogenannten „Pflege-Bahr“, und zwar monatlich fünf Euro, wenn der Versicherte selbst zehn Euro monatlich dafür zahlt. Damit die staatliche Förderung fließt, müssen die Pflegetagegeld-Versicherungen der privaten Versicherungsunternehmen einige Bedingungen erfüllen: Sie dürfen zum Beispiel keinen Versicherten aufgrund einer Gesundheitsprüfung ablehnen und müssen bestimmte Mindestleistungen garantieren.
Außerdem gibt es weitere Arten von privaten Pflegezusatzversicherungen, um sich gegen die hohen Kosten der Pflege im Alter abzusichern:
- Pflegerentenversicherung: Als eine Lebensversicherung wird diese Zusatzversicherung beim Eintreten der Pflegebedürftigkeit als monatliche Rente ausbezahlt und zwar abhängig vom jeweiligen Hilfsumfang.
- Pflegekostenversicherung: Diese Zusatzversicherung übernimmt entweder Teile oder die gesamten Restpflegekosten, die nicht von der Pflegeversicherung gedeckt werden – je nach Wahl.
Leistungen der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung
Die Leistungen für Mitglieder der gesetzlichen oder der privaten Pflegekassen sind nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) prinzipiell gleich. Die wichtigsten Pflegeleistungen, die Versicherten mit anerkanntem Pflegegrad zustehen, finden Sie im Folgenden:
- Ambulante Pflege: Pflegegeld bei Versorgung durch Angehörige oder Freunde oder Pflegesachleistungen bei Versorgung durch einen professionellen ambulanten Pflegedienst. Bei Bedarf ist auch eine Kombinationsleistung aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen möglich.
- Tages- oder Nachtpflege: Für die stundenweise professionelle Pflege von zu Hause lebenden Pflegebedürftigen in einer Tages- oder Nachtpflege-Einrichtung gewähren die Pflegekassen Pflegesachleistungen zusätzlich zum Pflegegeld für die Pflege durch Angehörige oder zu den Pflegesachleistungen für die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst.
- Stationäre Pflege: Wer stationäre Pflege in einem Alten- oder Pflegeheim benötigt, erhält von seiner Pflegekasse je nach Pflegegrad spezielle Leistungen.
- Weitere Leistungen: Die Pflegeversicherung gewährt unter anderem auch Zuschüsse für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel, zu Pflegehilfsmitteln wie Lagerungsmatratzen, Zuschüsse zum Hausnotruf, zur Gründung einer ambulant betreuten Wohngruppe oder Wohngemeinschaft sowie zur altersgerechten Wohnraumanpassung.
MDK & MEDICPROOF begutachten Versicherte
Der Medizinische Dienst (kurz: MD, früher bekannt als MDK) oder andere geeignete Prüfdienste begutachten jeden persönlich, der bei seiner gesetzlichen Pflegekasse einen Antrag auf einen Pflegegrad gestellt hat, und empfiehlt einen der fünf Pflegegrade (Pflegegrad 1, Pflegegrad 2, Pflegegrad 3, Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5) mit entsprechenden Leistungen für ihn, wenn er alle Voraussetzungen erfüllt. Letztlich entscheidet die Pflegekasse des Betroffenen, ob sie der Empfehlung des MD folgt, und sodann einen Pflegegrad und die dazugehörigen Leistungen genehmigt.
Gutachter der MEDICPROOF GmbH begutachten im Auftrag der privaten Pflegekassen die bei ihnen versicherten Antragsteller auf Pflegeleistungen. Das Prüf- und Entscheidungsverfahren bis zur Genehmigung eines Pflegegrads und Leistungen unterscheidet sich dabei nicht vom Begutachtungsverfahren der gesetzlichen Pflegekassen und dem Medizinischen Dienst.
Beitragssätze zur Pflegeversicherung
Gesetzliche Krankenkassen
Angestellte Berufstätige, Arbeitslose und Rentner mit einem Einkommen unterhalb der Pflichtversicherungsgrenze (2021: 64.350 Euro Bruttoeinkommen im Jahr oder 5.362,50 Euro im Monat(3)) müssen in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein.
Nur wer ein Jahr mehr verdient als die Pflichtversicherungsgrenze in Höhe von 64.350 Euro brutto (Stand: 2021, (3)), darf in eine private Krankenversicherung wechseln. Doch dieser Schritt will genau überlegt sein, denn der Wechsel kann auch Nachteile mit sich bringen:
- Eine spätere freiwillige Rückkehr von Besserverdienenden in die gesetzliche Krankenversicherung ist erschwert.
- Private Krankenkassen kalkulieren ihre Versichertenbeiträge nach dem individuellen Gesundheitsrisiko jedes Versicherten aufgrund von ärztlichen Befunden, Gutachten oder einer Gesundheitsprüfung, so dass zum Beispiel chronisch kranke Ältere weit höhere Beiträge zahlen als gesunde Privatversicherte.
- Die bei gesetzlichen Krankenkassen mögliche kostenlose Mitversicherung von Ehegatten oder Kindern eines Arbeitnehmers durch die „beitragsfreie Familienversicherung“ gibt es bei privaten Krankenkassen nicht. Dort müssen alle Familienmitglieder extra versichert werden.
Freiwillige gesetzliche Versicherung für Selbstständige: Bei der Berechnung des Krankenkassenbeitrags für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung wird das tatsächlich erzielte Einkommen zugrundegelegt. Der Beitragssatz beläuft sich aktuell auf 14,0 Prozent plus Zusatzbeitrag.(7)(Stand 2021) Es ist nicht möglich, als Einkommen einen beliebig niedrigen Wert anzugeben. Selbst wer wenig oder gar nichts verdient, muss für ein fiktives Mindesteinkommen von 1.096,67 Euro Beiträge an die Krankenkasse zahlen.(7) Der Beitragssatz kann von Jahr zu Jahr angepasst werden, daher sollten sich Betroffene bei Ihrer Krankenkasse über den aktuellen Satz informieren.