Vaskuläre Demenz: Definition
Der Begriff „vaskulär“ bedeutet so viel wie „die Blutgefäße betreffend“. Daher sind „vaskuläre Demenzen“ der Überbegriff für alle Demenzformen, die durch Störungen der Blutversorgung im Gehirn verursacht werden. Aus unterschiedlichen Gründen wie Ablagerungen, Verengungen oder Verstopfungen können die Blutgefäße ihrem Auftrag, Blut zu transportieren, nicht mehr ausreichend nachkommen. Die Folge: Nervenzellen werden beschädigt oder sterben sogar ab. Ein Bluthochdruck ist häufig die zugrundeliegende Ursache, wobei auch Übergewicht oder Rauchen eine vaskuläre Demenz begünstigen können.
Die vaskulären Demenzen machen rund 15 % aller Demenzerkrankungen aus und sind demzufolge nach Alzheimer die häufigste Demenzform.

Vaskuläre Demenzen: Multi-Infarkt-Demenz, Morbus Binswanger, SAE
Unter den vaskulären Demenzen sind Morbus Binswanger und die Multi-Infarkt-Demenz die häufigsten Klassifizierungen. Wie sie insgesamt in alle Demenzformen eingeordnet werden, erkennen Sie an der folgenden Infografik:

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Multi-Infarkt-Demenz
Bei jeder vaskulären Demenz ist die Durchblutung des Gehirns gestört. Manchmal ist ein einzelner, schwerer Schlaganfall dafür verantwortlich, oft aber sind es mehrere, sog. Multi-Infarkte.
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Morbus Binswanger bzw. SAE-Krankheit
Bei der häufigsten Form der vaskulären Demenz sind Wandverdickungen in kleinen Blutgefäßen des Gehirns (Arteriosklerose) die Ursache. Diese sog. „subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE-Krankheit)“, auch Morbus Binswanger genannt, wurde zuerst von dem deutschen Nervenarzt Otto Ludwig Binswanger (1852-1929) beschrieben. Manchmal wird auch der Begriff „subkortikale Demenz“ oder „subkortikale vaskuläre Demenz“ verwendet. Betroffen von diesem Krankheitsbild sind häufig Menschen, die schon lange Jahre an Bluthochdruck oder anderen Gefäßerkrankungen leiden.
Vaskuläre Demenz: Symptome
Eine vaskuläre Demenz kann sich schleichend oder abrupt und heftig entwickeln. Ausschlaggebend für den Verlauf sind die Anzahl und Stärke der Schlaganfälle. Damit zeigen sich auch die Symptome unterschiedlich schnell, je nachdem, wo sich die Schlaganfälle im Gehirn ereignen.
Zu den typischen Symptomen einer vaskulären Demenz zählen:
- Gedächtnisstörungen
Beispiel: Auf einmal kann sich der Betroffene nicht mehr an Ereignisse erinnern, die erst kurze Zeit zurückliegen. - Denkstörungen
Beispiel: Von einem Tag auf den anderen kann der Demenzkranke seinen Rasenmäher nicht mehr bedienen, obwohl er das sein Leben lang hervorragend beherrschte. - Orientierungsschwierigkeiten
Beispiel: Plötzlich findet sich der Betroffene nicht mehr in seiner eigenen Wohnung zurecht. - Sprachstörungen
Beispiel: Ganz unversehens finden Betroffene nicht mehr die richtigen Worte. Die sonst so unterhaltsamen Erzähler werden immer einsilbiger. - Bewegungsstörungen
Beispiel: Der eben noch sportbegeisterte Senior geht plötzlich schwerfälliger, in kleinen Schritten; gewohnte Bewegungsabläufe wirken verlangsamt, unbeholfen und nicht ausbalanciert. Auch Stürze und Lähmungen können auftreten. - Seh- und Blasenstörungen (bis zur Inkontinenz)
- Stimmungsauffälligkeiten
Beispiel: Die immer gut gelaunte Person beginnt plötzlich, unkontrolliert zu lachen oder zu weinen (Affektlabilität).
All diese Symptome können selbstverständlich auch andere Ursachen haben wie z. B. Vitamin- oder Flüssigkeitsmangel, Stoffwechselstörungen, Erkrankungen wie Parkinson oder Infektionen. Sollten Sie jedoch einige Auffälligkeiten bei Angehörigen oder Bekannten beobachten, so sollten Sie schnellstmöglich einen Arzt konsultieren und den Betroffenen zu einer Untersuchung bewegen. Das große Problem einer vaskulären Demenz ist, dass die Schlaganfälle überall im Gehirn auftreten können. Mal beeinflussen sie das Sprach-, mal das Bewegungszentrum. Mal sind sie heftig und verursachen starke Symptome, mal sind sie nur leicht und es kommt kaum oder zu gar keinen Symptomen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vaskuläre Demenzen sind nach Alzheimer die zweithäufigste Form der Demenz.
- Ursache für vaskuläre Demenzen sind Schlaganfälle, die die Durchblutung stören, wodurch das Gehirn unterversorgt und zerstört wird.
- Symptome: Gedächtnis-, Sprach-, Denk- und Bewegungsstörungen, Orientierungsschwierigkeiten, Stimmungsauffälligkeiten
- Der Verlauf der Krankheit hängt von der Anzahl und Stärke der Schlaganfälle ab.
Vaskuläre Demenz: Risikofaktoren
Eine vaskuläre Demenz ist zwar nicht heilbar, jedoch gibt es gute Chancen, gegen ihre Ursache, die Durchblutungsstörungen, vorzugehen. Wichtig ist, dass die Demenz möglichst früh erkannt und behandelt wird.
Risikofaktoren für vaskuläre Demenzen sind:
- Bluthochdruck
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- Hohe LDL-Cholesterinwerte
- Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen
All diesen Risikofaktoren ist eines gemeinsam: Sie können zu Schädigungen der Blutgefäße, zu Ablagerungen (Arteriosklerose), zu schlechter Durchblutung und zu Schlaganfällen führen. Sollte keiner der Risikofaktoren zutreffen, so können auch familiäre Krankengeschichten eine vaskuläre Demenz begünstigen. Demnach besteht ein erhöhtes Risiko einer vaskulären Demenz, wenn Vorfahren, Eltern oder nahe Verwandte häufiger Schlaganfälle erlitten haben und wenn Familienmitglieder zu Bluthochdruck neigen.
Diagnostik: Vaskuläre Demenz
Ähnlich wie bei einer Demenz vom Typ Alzheimer wird ein Arzt kognitive Screening-Tests einsetzen, z. B. den Mini-Mental-Status-Test (MMST). Das ist ein einfacher Fragebogen („Welcher Tag ist heute?“), der dem Arzt dabei hilft, die kognitiven Fähigkeiten eines Patienten einzuschätzen. Neben dem MMST gibt es weitere Demenz-Tests wie den Uhrentest und DemTect-Test. Hinzu kommen körperliche Untersuchungen wie etwa Computer- oder Magnetresonanztomografie. Selbstverständlich gehören zur Untersuchung auch eine ganze Reihe von Laborwerten, die der Arzt erheben muss. Ein EKG ist ebenso notwendig wie eine Doppler-Sonografie der Hals- und Hirngefäße. Diese schmerzfreie Ultraschalluntersuchung kann einem Arzt erste Hinweise auf den Zustand der Blutgefäße geben.
Vaskuläre Demenz: Verlauf / Stadien
Im Gegensatz zu einer Demenz vom Typ Alzheimer, die normalerweise langsam beginnt und sich kontinuierlich verschlechtert, kann eine vaskuläre Demenz ganz plötzlich auftreten, sich abrupt verschlechtern, zum Stillstand kommen oder sich sogar leicht bessern.
Sie kann auch dazu führen, dass die Betroffenen ihren Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen können, sie bettlägerig werden und eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung benötigen. Eine weit fortgeschrittene vaskuläre Demenz unterscheidet sich in ihrem Verlauf nicht mehr von einer Demenz vom Typ Alzheimer.
Therapie der vaskulären Demenz
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar, aber sie lässt sich unter Umständen günstig beeinflussen.
- Auf Nikotin verzichten und Gewicht abnehmen
Übergewicht kann eine vaskuläre Demenz begünstigen. - Blutverdünnende Medikamente einnehmen
Wer schon einmal einen Schlaganfall erlitten hat oder zur Risikogruppe zählt, sollte seinen Arzt auf blutverdünnende Medikamente ansprechen. So kann man einen Schlaganfall bzw. weitere Schlaganfälle möglicherweise verhindern. - Therapiemaßnahmen ergreifen
Wer schon einmal einen Schlaganfall erlitten hat, kann die Folgen im Gehirn therapieren: zum Beispiel durch Physio- oder Ergotherapie, durch Logopädie oder Gedächtnistraining. - Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen behandeln
Wer zugrundeliegende Erkrankungen wie Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen behandeln lässt, kann damit das Risiko eines Schlaganfalls senken.
Vaskuläre Demenz: Lebenserwartung
Eine vaskuläre Demenz verkürzt das Leben. Der Grund für die geringere Lebenserwartung bei Menschen mit einer vaskulären Demenz liegt zum einen in der Gefahr eines weiteren Schlaganfalls oder auch Herzinfarktes und zum anderen daran, dass eine Demenz immer Komplikationen verursacht (z. B. Lungenentzündungen durch Verschlucken oder Druckgeschwüre durch Bettlägerigkeit). Umso wichtiger sind eine gute und wertschätzende Pflege, Betreuung und Aktivierung, die den Betroffenen dabei helfen, so lange als möglich selbstbestimmt am Leben teilzunehmen, unter Menschen zu sein, an Aktivitäten teilzunehmen und auch Neues kennenzulernen.