Rechtliche Grundlagen der häuslichen Pflege
Die Pflegeversicherung ist als Pflichtversicherung die Basis des deutschen Pflegesystems. Doch wann hat man eigentlich Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung? Für welche Kosten kommt die Versicherung auf? Und welche Rechte haben Pflegebedürftige und Pflegende sonst noch?
Antworten auf diese und weitere Fragen gibt das Pflegerecht – wenn man weiß, wo man suchen muss. Hier möchten wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Regelungen geben. Und Ihnen so einen Einstieg in die Themen ermöglichen, die Ihnen gerade besonders am Herzen liegen.
Rechtliche Eckpunkte der häuslichen Pflege:
- Die Sozialgesetzbücher: SGB V, IX, XI und XII: Hier finden sich die meisten Regelungen zur Pflegeversicherung und zur Krankenversicherung.
- Vollmachten & Verfügungen in der Pflege: Fragen zur Selbstbestimmung und zu Entscheidungsbefugnissen haben oft mit rechtlichen Vorsorgedokumenten zu tun.
- Rechte zum Thema Behinderung: Pflegebedürftigkeit und Behinderung können Hand in Hand gehen, deshalb lohnt sich ein Blick in diesen Bereich.
- Pflegezeitgesetz & Familienpflegezeitgesetz: Zwei zentrale Gesetzeswerke für die Vereinbarkeit von Beruf & Pflege bei pflegenden Angehörigen.
- Rechtliches zu Gesundheit & Finanzen: E-Rezept, ePA, Patientenrechte, Gesetzliche Betreuung und Elternunterhalt.
- Die wichtigsten Reformen für die Pflege: Ein Überblick über die wichtigsten Pflegereformen der letzten Jahre.
Die Sozialgesetzbücher: SGB V, IX, XI und XII
Die meisten deutschen Gesetze zu sozialen Fragen und Leistungen für Hilfsbedürftige im weitesten Sinne sind in den 13 Sozialgesetzbüchern (SGB) zusammengefasst. Einige davon sind für die Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen besonders relevant.
Die wichtigsten Sozialgesetzbücher im Bereich Pflege:
• Fünftes Buch (SGB V): Gesetzliche Krankenversicherung (1)
• Neuntes Buch (SGB IX): Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (2)
• Elftes Buch (SGB XI): Soziale Pflegeversicherung (3)
• Zwölftes Buch (SGB XII): Sozialhilfe (4)
Vollmachten & Verfügungen in der Pflege
Mit den richtigen Vorsorgedokumenten sind Sie für den Ernstfall abgesichert. Doch welche Dokumente gibt es, was gehört rein und wie erstellt man sie? Das und mehr erfahren Sie in der Themenwelt Vollmachten & Verfügungen.
Zu den wichtigsten Dokumenten gehören:
Rechte zum Thema Behinderung
Wer pflegebedürftig wird, hat mit dem Pflegegrad, Leistungsanträgen und der praktischen Versorgung erst einmal mehr als genug zu tun. Deshalb wird oft vergessen, dass in bestimmten Fällen zusätzliche Ansprüche aufgrund einer Behinderung bestehen können.
Wird eine Behinderung offiziell anerkannt, erhält man einen offiziellen Grad der Behinderung (GdB). Damit sind bereits einige Nachteilsausgleiche verbunden, wie etwa Steuervorteile. Bestimmte Behinderungen rechtfertigen außerdem eine Ermäßigung oder Befreiung vom Rundfunkbeitrag.
Deutlich mehr Nachteilsausgleiche erhalten schwerbehinderte Personen. Dafür ist ein GdB von mindestens 50 notwendig. Als Nachweis kann dann ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden.
Pflegezeitgesetz & Familienpflegezeitgesetz
Die Pflege eines Angehörigen beansprucht viel Zeit. So wird es oft schwierig, Beruf und Pflege gut miteinander zu vereinbaren. Wichtige Hilfen wurden hier mit dem Pflegezeitgesetz und später dem Familienpflegezeitgesetz geschaffen.
Die wichtigsten Ansprüche für Beruf & Pflege:
- Pflegeunterstützungsgeld: In akuten Situationen bei der häuslichen Pflege können Pflegende kurzfristig für bis zu 10 Arbeitstage freigestellt werden. Sie erhalten in dieser Zeit das Pflegeunterstützungsgeld, eine Lohnersatzleistung der Pflegeversicherung.
- Pflegezeit: Berufstätige Pflegende können sich bis zu sechs Monate ganz oder teilweise freistellen lassen. Als Lohnersatz können sie ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen. Außerdem besteht Anspruch auf weitere drei Monate für die Sterbebegleitung.
- Familienpflegezeit: Damit ist es möglich, die eigene Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre stark zu reduzieren, um Zeit für die Pflege zu haben. Zusätzlich zu dem Einkommen aus der Beschäftigung in Teilzeit besteht Anspruch auf ein zinsloses Darlehen.
Rechtliches zu Gesundheit & Finanzen
Die Themen Gesundheit und Finanzierung sind wie zwei ständige Begleiter in den meisten Pflegesituationen: Wie gehe ich mit Erkrankungen um? Wie entwickelt sich der Gesundheitszustand weiter? Und wie finanziere ich die Kosten für Pflege und Betreuung?
Besonders wichtige Rechtsthemen aus diesen Bereichen:
- E-Rezept & Elektronische Patientenakte
- Patientenrechte
- Gesetzliche Betreuung
- Elternunterhalt
E-Rezept & elektronische Patientenakte
Die Digitalisierung soll auch im Gesundheitssystem vieles vereinfachen und verbessern. Ein wichtiges Beispiel ist das E-Rezept, das nach und nach fast alle Papierrezepte ablösen soll. In unserem Ratgeber finden Sie Tipps und Hinweise, was Sie beim E-Rezept im Pflegealltag beachten sollten.
Die elektronische Patientenakte (ePA) macht es möglich, dass behandelnde Ärzte und Therapeuten schnell und einfach auf Diagnosen und wichtige medizinische Dokumente zugreifen können. Als Patient behalten Sie dabei immer die volle Kontrolle über Ihre Gesundheitsdaten.
Patientenrechte
Als Patient haben Sie ganz klare Rechte, die Ihre Einbindung in therapeutische Prozesse und Ihre Selbstbestimmung gewährleisten. Auch bei Behandlungsfehlern ist klar festgelegt, welche Ansprüche Sie haben und was Sie einfordern können. Mehr dazu im pflege.de Ratgeber Patientenrechte.
Gesetzliche Betreuung
Was passiert eigentlich, wenn eine Person nicht mehr in der Lage ist, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern und Entscheidungen zu treffen? In diesen Fällen kann zum Beispiel eine Vorsorgevollmacht wirksam werden, in der festgelegt ist, wer die Vertretung übernehmen soll.
Liegen keine entsprechenden Vorsorgedokumente vor, wird vom zuständigen Amtsgericht eine gesetzliche Betreuung eingesetzt. Der Betreuer hat dann das Recht und die Pflicht, für die Angelegenheiten der Person zu sorgen und Entscheidung zu treffen.
Elternunterhalt
Unter bestimmten Voraussetzungen müssen Kinder für Ihre Eltern Unterhalt zahlen, wenn diese die eigenen Pflegekosten nicht mehr selbst zahlen können. Deshalb schwingt bei vielen pflegenden Angehörigen die Sorge mit, die Pflege könnte die ganze Familie finanziell ruinieren.
Deshalb eines vorweg: Für den Elternunterhalt gilt eine Einkommensgrenze von 100.000 Euro. Wer nicht so viel verdient, hat keine gesetzliche Pflicht, Kosten für die Eltern zu übernehmen. Weitere Infos und Hintergründe zum Elternhalt bietet der pflege.de Ratgeber Elternunterhalt.
Die wichtigsten Reformen für die häuslichen Pflege
Beinahe jährlich nimmt die Politik kleine und große Veränderungen am deutschen Pflegesystem vor. Mal sind es große Pflegereformen, mal sind es kleine Änderungen, versteckt in Gesetzen, die dem Namen nach gar nicht viel mit Pflege zu tun haben.
Wir haben für Sie genau hingeschaut und die wichtigsten Reformen der letzten Jahre gesammelt, die den größten Einfluss auf die Situation der Pflegebedürftigen und Pflegenden Angehörigen haben. Auch wenn es scheinbar oft nur um Digitalisierung oder Themen der Medizin geht.
Ein Überblick, beginnend mit der jüngsten Reform:
- Digital-Gesetz (DigiG)
- Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG)
- Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG)
- Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG)
- Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)
- Präventionsgesetz (PrävG)
- Hospiz- und Palliativgesetz (HPG)
- Pflegestärkungsgesetze (PSG I, PSG II, PSG III)
Digital-Gesetz (DigiG)
Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) soll seit 2024 ärztliche Behandlungen vereinfachen und verbessern. Im Mittelpunkt stehen dabei die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept.
Weitere Themen sind die digitale Medikationsübersicht, eine Stärkung der Telemedizin, die Erweiterung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und der Aufbau des Digitalbeirats der gematik. Die gematik ist für die digitale Infrastruktur im Gesundheitssystem zuständig.
Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG)
Das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) von ist eine groß angelegte Pflegereform, die in Teilen 2023, 2024 und 2025 in Kraft getreten ist. Das Gesetz sollte gezielt die Pflege zuhause stärken, die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften verbessern und die Digitalisierung weiter vorantreiben.
Die relevantesten Änderungen durch das PUEG:
- Erhöhung aller Pflegeleistungen und Einführung einer regelmäßigen Anpassung (Dynamisierung)
- Einführung des gemeinsamen Jahresbetrags für Kurzzeit- und Verhinderungspflege
- Erhöhung der Zuschläge für Pflegekosten in der stationären Pflege
- Erweiterung der Grundlagen bei der digitalen Infrastruktur
- Vereinfachter Zugang zu technischen Pflegehilfsmitteln
- Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung
Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG)
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) sollten ab 2022 pflegebedürftige Menschen finanziell entlastet werden. Ein weiteres Ziel war es, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten, um dauerhaft mehr Fachkräfte zu gewinnen.
Die relevantesten Änderungen durch das GVWG:
- Erhöhung von Leistungen wie zum Beispiel Pflegesachleistungen und Kurzzeitpflege
- Einführung von gestaffelten Zuschüssen für die stationäre Pflege nach Aufenthaltsdauer
- Verbesserung von Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte
Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG)
Damit die Pflege zukünftig von der Digitalisierung stärker profitieren kann, wurde 2021 das Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) geschaffen. Darin wird unter anderem festgelegt, dass digitale Anwendungen für die Pflege und Gesundheit (DiPA, DiGA) stärker gefördert werden und erstattungsfähig sein sollen.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist der Ausbau der Telemedizin und der sogenannten Telematik-Infrastruktur. Diese ist die technische Grundlage für die ebenfalls im DVPMG beschlossene Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes.
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)
Das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (PpSG), wozu auch das „Sofortprogramm Pflege“ gehörte, trat 2019 in Kraft. Im Fokus standen Verbesserungen für professionelle Pflegekräfte, aber es wurden auch Erleichterungen für Pflegebedürftige sowie deren Angehörige geschaffen.
Die relevantesten Änderungen durch das PpSG:
- 13.000 neue Stellen für Pflegekräfte in stationären Einrichtungen
- Einführung von Personaluntergrenzen in der pflegerischen Versorgung
- Genehmigungsfreie Krankenfahrten zum Arzt
- Betreuung des Pflegebedürftigen in der Rehaeinrichtung des pflegenden Angehörigen
Präventionsgesetz (PrävG)
Seit Jahresbeginn 2016 greift das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (PrävG). Das Ziel ist die verstärkte Unterstützung der Vorbeugung von Krankheiten, insbesondere in Kindergärten, Schulen, am Arbeitsplatz und in Pflegeheimen.
Zum Beispiel wurden die Kranken- und Pflegekassen dazu verpflichtet, jedes Jahr einen Mindestbetrag für Vorsorge- und Präventivmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Aber es wurden auch konkrete Maßnahmen für einen besseren Impfschutz und mehr Früherkennung festgelegt.
Hospiz- und Palliativgesetz (HPG)
Seit 2016 sorgt das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland (HPG) für bessere finanzielle Unterstützung in der Betreuung sterbenskranker Menschen durch geschulte Palliativ-Pflegekräfte, vor allem in Hospizen und stationären Pflegeeinrichtungen.
Dafür wurde an verschiedenen Stellen die Finanzierung der stationären Palliativpflege aber auch der ambulanten Palliativversorgung verbessert. Ganz entscheidend ist außerdem, dass Versicherte einen klaren Rechtsanspruch auf eine palliative Versorgung erhalten haben.
Pflegestärkungsgesetze (PSG I, PSG II, PSG III)
Mit den Pflegestärkungsgesetzen (PSG) hat der Gesetzgeber in den Jahren 2014 bis 2016 wichtige Weichen für die Pflege und Betreuung der zunehmenden Zahl von Pflege- und Betreuungsbedürftigen in Deutschland gestellt. Zusammen sind die Pflegestärkungsgesetze die bislang größte Pflegereform.
Wichtige Punkte der Pflegestärkungsgesetze:
- Einführung von Pflegegraden, Ablösung der Pflegestufen
- Neues Begutachtungsverfahren und ein neuer Begriff von Pflegebedürftigkeit
- Gleichstellung von geistigen und psychischen mit körperlichen Einschränkungen
- Einführung oder Verbesserung wichtiger Leistungen wie zum Beispiel wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege oder Tages- & Nachtpflege.
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Pflegereform?
Eine Pflegereform ist eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen im Bereich der Pflege. Dafür verabschiedet der Bundestag ein Gesetz, mit dem Änderungen an bestimmten Regelungen veranlasst werden.
Was sind die wichtigsten Gesetze in der Pflege?
Die wichtigste gesetzliche Grundlage für die Pflege in Deutschland ist das Elfte Sozialgesetzbuch (SGB XI). Darüber hinaus finden sich jedoch viele relevante Regelungen in anderen Büchern des SGB oder in anderen Gesetzeswerken.
Wer ist in Deutschland für Pflegegesetze zuständig?
Zuständig für Pflegegerecht und Pflegereformen ist vor allem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Die zentralen Gesetze finden sich im Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI). Darüber hinaus sind aber auch viele andere Gesetze für die Pflege relevant.