Was ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz?
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) möchte der Gesetzgeber das Pflegepersonal entlasten und gegen die Unterbesetzung in der Pflege vorgehen. Dafür beschloss er mit dem „Sofortprogramm Pflege“ die Schaffung von insgesamt 13.000 neuen Pflegestellen in stationären Pflegeeinrichtungen. Außerdem sollen auch Pflegebedürftige und pflegende Angehörige von der Reform profitieren und zukünftig leichter stationäre Rehabilitationen und Taxifahrten zum Arzt in Anspruch nehmen können.
Das Wichtigste in Kürze: Was ändert sich durch das PpSG?
- Genehmigungsfreie Krankenfahrten für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 und 5 sowie für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 3 und erheblichen Mobilitätseinschränkungen
- Inanspruchnahme von stationären statt ambulanten Rehabilitationsaufenthalten für pflegende Angehörige sowie Betreuung des Pflegebedürftigen in der Rehabilitationseinrichtung des pflegenden Angehörigen mit der Genehmigung der Krankenkasse
- Schaffung von 13.000 zusätzlichen Stellen für Pflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen
- Einführung eines neuen Bewertungssystems für stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste
- Weiterentwicklung und Einführung von Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Abteilungen im Krankenhaus
- Einführung einer krankenhausindividuellen, unabhängigen Personalkostenvergütung
Das ändert sich durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz im Detail
Folgende Änderungen sollen mit dem PpSG in Kraft treten:
- Genehmigungsfreie Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung
- Erleichterung der stationären Rehabilitation für pflegende Angehörige
- Einstellung von mehr Pflegekräften in vollstationären Pflegeeinrichtungen
- Neues Bewertungssystem von Altenpflegeeinrichtungen
- Personaluntergrenzen für das Pflegepersonal im Krankenhaus
- Neue Vergütungsart von Pflegekräften in Krankenhäusern
Diese Änderungen werden nachfolgend im Detail erläutert.
1. Genehmigungsfreie Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung
Derzeit müssen Pflegebedürftige vor der Fahrt zum Arzt, zur Physiotherapie oder zum Podologen einen Antrag auf Kostenübernahme der Fahrt bei ihrer Krankenversicherung stellen. Erst mit der Genehmigung ihrer Kasse können sie dann sichergehen, die Kosten für die Krankenfahrt erstattet zu bekommen. Mit der Einführung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes wird dieser Vorgang wesentlich leichter und unbürokratischer: Mit Inkrafttreten des PpSG reicht die ärztliche Verordnung bzw. der Status als Pflegebedürftiger als solcher aus, um die Krankenfahrt anzutreten. Folgende Personen profitieren seit dem 01.01.2019 von genehmigungsfreien Krankenfahrten:
- Pflegebedürftige mit Pflegegrad 3 und einer dauerhaft beeinträchtigten Mobilität, die den Bedarf zur Beförderung bedingt
- Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 oder Pflegegrad 5
- Blinde Personen (Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „Bl“)
- Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „aG“)
- Menschen mit Schwerbehindertenausweis und dem Merkzeichen „H“
2. Erleichterung der stationären Rehabilitation für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige sind oftmals 24 Stunden am Tag für ihren Verwandten da und psychisch sowie physisch sehr belastet. Umso wichtiger ist es, dass sie Entlastungsangebote wie Kurzzeitpflege, stundenweise Seniorenbetreuung oder Verhinderungspflege nutzen. Manchmal reichen diese kurzzeitigen Angebote jedoch nicht aus, um für eine langfristige Erholung zu sorgen. In diesem Fall ist eine Rehabilitationsmaßnahme für den pflegenden Angehörigen die richtige Wahl. Doch wie und vor allem von wem soll der Pflegebedürftige in dieser Zeit versorgt werden? Eine Frage, die sich viele pflegende Angehörige in der Vergangenheit gestellt haben und die sie daran gehindert hat, ihren Anspruch auf Rehabilitation geltend zu machen.
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz verspricht nun erhebliche Erleichterungen für pflegende Angehörige. Sie können, auch wenn dies nicht zwingend medizinisch erforderlich ist, eine stationäre statt eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch nehmen. Zudem können sie mit der Genehmigung ihrer Krankenkasse ihren pflegebedürftigen Verwandten in derselben Einrichtung betreuen lassen, in der auch sie untergebracht sind. Sollte dies für die Einrichtung aufgrund des pflegerischen Mehraufwands nicht leistbar sein, sind Pflege- und Krankenversicherung dazu verpflichtet, gemeinsam eine Lösung für die Unterbringung des Pflegebedürftigen zu finden.
3. Einstellung von mehr Pflegekräften in vollstationären Pflegeeinrichtungen
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz soll maßgeblich dazu beitragen, die belastende Situation der Pflegekräfte und somit auch die Versorgung der Pflegebedürftigen zu verbessern. Mit dem Sofortprogramm Pflege werden 13.000 neue Pflegestellen in stationären Pflegeeinrichtungen geschaffen. Je nach Anzahl der untergebrachten Bewohner sind Pflegeheime dazu verpflichtet, neue Stellen für Pflegekräfte zu schaffen.
- Bis zu 40 Bewohner: 0,5 neue Pflegestelle
- 41 bis 80 Bewohner: 1 neue Pflegestelle
- 81 bis 120 Bewohner: 1,5 neue Pflegestellen
- Mehr als 120 Bewohner: 2 neue Pflegestellen
4. Neues Bewertungssystem von Altenpflegeeinrichtungen
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) beurteilt in Zusammenarbeit mit dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. regelmäßig stationäre Pflegeeinrichtungen sowie ambulante Pflegedienste. Die Benotung soll Pflegebedürftigen sowie deren Angehörigen dabei helfen, einen passenden Leistungserbringer auszuwählen. Doch das System der Pflegenoten ist bereits seit einiger Zeit in Verruf, da die Ergebnisse mit einem Bundesdurchschnitt der Note 1,2 nicht die relevanten Leistungen einer Einrichtung oder eines Dienstes widerspiegeln.
Mit der Einführung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wurde nun final beschlossen, ab November 2019 eine neue indikatorengestützte Qualitätsprüfung einzuführen. Diese sieht vor, den Fokus der Bewertung nicht auf die Dokumentation der erbrachten Leistungen zu legen, sondern die Bewohner zu befragen, ob ihre individuellen Bedürfnisse erfüllt werden.
5. Personaluntergrenzen für das Pflegepersonal im Krankenhaus
Mit dem Sofortprogramm Pflege wurde die Weiterentwicklung und Ausweitung der bereits bestehenden Personaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus beschlossen. Neue Untergrenzen werden in der sogenannten Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) aufgeführt.(1) Durch die Reform wird sichergestellt, dass Pflegekräfte in Abteilungen mit hohem Pflegeaufwand mehr Zeit für die Versorgung der Patientenbedürfnisse haben. Im gleichen Zuge soll dadurch die Belastung des Personals minimiert werden. Sollte ein Krankenhaus die vorgeschriebenen Personaluntergrenzen nicht einhalten, droht ihm eine Kürzung der finanziellen Mittel.
6. Neue Vergütungsart von Pflegekräften in Krankenhäusern
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz soll Krankenhäuser dazu animieren, neue Pflegekräfte einzustellen. Hierzu werden ab dem Jahr 2020 die Kosten für die Pflege eines Patienten von den regulären medizinischen Behandlungskosten im Krankenhaus getrennt. Bisher werden Pflegekräfte im Krankenhaus über sogenannte Fallpauschalen, welche die Krankenversicherung für die Behandlung ihres Versicherten an das Krankenhaus zahlt, mitvergütet. Da sich die Fallpauschalen jedoch nur an der Erkrankung des Patienten orientieren und den eigentlichen Aufwand für die pflegerische Versorgung nur teilweise widerspiegeln, wird eine krankenhausindividuelle, unabhängige Personalkostenvergütung eingeführt.
Kritik am Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) verspricht einige Verbesserungen für die Pflege, wird jedoch ebenso scharf diskutiert. Kritische Stimmen gehen davon aus, dass die festgelegten Reformen keinen wirklichen Umbruch für die pflegerische Versorgung bedeuten. Die Finanzierung von 13.000 neuen Stellen sei nur dann erfolgreich, wenn es auch Personen gäbe, die in der Pflege arbeiten möchten.
Zudem wird diskutiert, ob es durch die Einführung von Personaluntergrenzen zu Nachteilen für die Patienten kommen kann. Einerseits stellen die festgelegten Untergrenzen eine erhebliche Entlastung für das Pflegepersonal dar. Andererseits könnten diese langfristig gesehen zu einer Reduzierung der Krankenhausbetten führen. Wenn eine Pflegekraft zukünftig auf einer Intensivstation beispielsweise nur noch drei statt vorher vier oder fünf Patienten betreut, können bei gleichbleibender Personalanzahl nur noch weniger Patienten versorgt werden.
Dem widerspricht jedoch, dass Krankenhäuser aus wirtschaftlichen Gründen daran interessiert sind, eine hohe Bettenauslastung zu haben. Diese ist jedoch aufgrund des Personalmangels in der Pflege nur schwer realisierbar. Daher befürchten Pflegeheime, dass das dortige Pflegepersonal einen Wechsel ins Krankenhaus in Betracht ziehen könnte, da in diesen Einrichtungen der Lohn der Pflegekräfte höher ist. In diesem Fall hätte das neue Gesetz eine langfristige Verschlechterung für stationäre Pflegeeinrichtungen zur Folge.