Themenwelt

Inkontinenz

Bei einer Inkontinenz können Personen aus unterschiedlichen Gründen ihren Harn oder Stuhl komplett oder teilweise nicht mehr halten. Da Inkontinenz für die meisten Menschen ein sehr intimes Thema ist, verschweigen viele Betroffene ihre Beschwerden – auch vor ihrem Arzt. Doch gerade ein Arztbesuch ist wichtig, um die Beschwerden abzuklären. Mit der Diagnose Inkontinenz sind Behandlungsmaßnahmen möglich, die die Lebensqualität von Betroffenen deutlich verbessern können. Wenn Sie bei sich oder einer Person aus Ihrem Umfeld eine Inkontinenz vermuten, möchten wir Sie dazu ermutigen: Gehen Sie das Thema an.

pflege.de klärt umfassend über Inkontinenz auf. Wir informieren Sie zu den Symptomen, Ursachen, zur Behandlung und den verschiedenen Formen einer Inkontinenz.

Inkontinenz: Formen, Ursachen & Therapie

Inhaltsverzeichnis

Inkontinenz: Definition

Inkontinenz bezeichnet die fehlende oder mangelnde Fähigkeit des Körpers, Urin oder Stuhl zu halten und kontrolliert abzugeben. Folglich kommt es zu einem ungewollten Urinverlust (Harninkontinenz) oder Stuhlabgang (Stuhlinkontinenz).(1)

Häufig tritt eine Inkontinenz als Nebenerscheinung einer Krankheit auf. In diesen Fällen gleicht die Inkontinenz eher einem Symptom als einer Krankheit.

Expertenmeinung

„Inkontinenz bringt dich nicht um, aber sie nimmt dir das Leben“ (J. Brown)

Dieses Zitat eines Betroffenen begleitet mich als Kontinenzfachkraft seit 15 Jahren. Vieles hat sich in den vergangenen Jahren verändert, nur das Thema Inkontinenz ist immer noch ein Tabu. Bei circa 9 bis 11 Millionen Betroffenen in Deutschland ist das erstaunlich. Wir alle müssen aufmerksam sein: hinschauen, hinhören, beobachten, erkennen, motivieren und helfen.

Angelika  Sonnenberg
Pflegetrainerin & Fachkraft zur Kontinenzförderung
Tipp
Inkontinenzmaterial auf Rezept – ein Service-Hinweis von pflege.de

Wussten Sie schon? Inkontinenzmaterial kann vom Arzt verordnet und über ein Rezept bezogen werden. Die Kosten übernimmt in der Regel die Krankenkasse – ein Antrag ist nicht nötig. Wichtig ist jedoch, dass die Produkte individuell auf den Bedarf abgestimmt sind. Hier finden Sie mehr Informationen zur Inkontinenzversorgung auf Rezept.

Anzeige
Abbildung
Sorgenfrei im Alltag mit Inkontinenz

Mit der Inkontinenzversorgung auf Rezept von HARTMANN gewinnen Sie ein Stück Freiheit zurück. Einfach telefonisch beraten lassen, Produkte testen und regelmäßig beliefert werden.

  • Bezahlt von der Krankenkasse
  • Qualitätsprodukte von HARTMANN
  • Kostenfreie & unverbindliche Produktberatung

Inkontinenz: Symptome

Nur, weil eine Person öfters die Toilette aufsucht, muss dies kein Anzeichen für eine Inkontinenz sein. Die Symptome bei einer Inkontinenz sind für Betroffene meistens sicht- und spürbar.

Bei einer Harninkontinenz verlieren Personen unwillkürlich Urin, zum Beispiel wenn sie lachen, husten, niesen oder schwer heben. In anderen Fällen verspüren Betroffene ganz plötzlich einen starken Harndrang und schaffen es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette.(1)

Andere entdecken Stuhlschmieren oder flüssigen Stuhl in ihrer Unterwäsche, den sie nicht willentlich ausgeschieden haben. Dies könnte auf eine Stuhlinkontinenz hinweisen.(1)

Erste Anzeichen von Inkontinenz erkennen

Viele Betroffene verschweigen ihre Inkontinenz-Beschwerden vor der Familie und dem Freundeskreis. Oft leidet darunter nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern auch das Sozialleben. Denn viele betroffene Personen ziehen sich immer mehr zurück und verbringen ihre Zeit überwiegend zuhause. Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Sie die Anzeichen von Inkontinenz kennen – und noch besser: erkennen.

Folgende Anzeichen können darauf hinweisen, dass eine Person inkontinent ist:

  • Die Person riecht nach Urin oder Stuhl und/oder in der Wohnung riecht es nach Urin oder Stuhl.
  • Die Person möchte nichts mehr unternehmen und zieht sich zurück.
  • Sie entdecken gelbliche oder braune Flecken auf der Kleidung oder Bettwäsche der Person.
  • Ihnen fällt auf, dass die Person oft ihre Kleidung wechselt und sehr wenig trinkt.
  • Ihnen fällt auf, dass die Person „prophylaktische“ Toilettengänge macht.
  • Sie beobachten im Badezimmer neuerdings oder vermehrt Slipeinlagen oder Menstruationsbinden.
Expertentipp

Falls solche Auffälligkeiten in Erscheinung treten, suchen Sie vorsichtig das Gespräch und machen Sie der Person Mut, mit einem Arzt darüber zu sprechen. Der respektvolle Umgang mit inkontinenten und pflegebedürftigen Menschen ist besonders wichtig. Begriffe aus der Kinder- und Säuglingspflege, wie etwa „Windeln“, sollten Sie vermeiden. Auch für Familie, Freunde und Vertrauenspersonen ist es schwer über die Inkontinenz zu sprechen. Aber der Hinweis auf kompetente Beratungsmöglichkeiten hilft den Betroffenen sehr. Es kann auch helfen, wenn Sie die betroffene Person darauf hinweisen, dass sie mit ihren Beschwerden nicht allein dasteht und es heutzutage eine Bandbreite an effektiven Möglichkeiten gibt, beispielsweise Vorlagen, Toilettentraining und Blasentraining.

Angelika  Sonnenberg
Pflegetrainerin & Fachkraft zur Kontinenzförderung
Bonus
Inkontinenz angehen – Leitfaden für Angehörige
  • Mehr Orientierung, weniger Scham
  • Tipps, Checklisten & praktische Hilfen für den Alltag
  • Diskrete Unterstützung – zuhause & unterwegs

Inkontinenz: Formen und Arten

Es gibt unterschiedliche Inkontinenzformen. Je nachdem, ob Urin oder Stuhl unkontrolliert austritt, unterscheidet die Medizin zwischen einer Harninkontinenz und einer Stuhlinkontinenz.

Harninkontinenz

Harninkontinenz bezeichnet jeden ungewollten Urinverlust. Eine Harninkontinenz lässt sich, je nach Ursache, noch in weitere Arten unterteilen.(2)

Die häufigsten Arten der Harninkontinenz sind die Stressinkontinenz (auch Belastungsinkontinenz) und die Dranginkontinenz. Worin unterscheiden sie sich?

Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz)

Bei einer Stressinkontinenz verliert die betroffene Person ungewollt Urin durch körperliche Anstrengung, zum Beispiel beim Heben, Husten, Treppensteigen oder Niesen. Dabei verspürt sie keinen Harndrang. An einer Stress- beziehungsweise Belastungsinkontinenz leiden Frauen aufgrund ihrer Anatomie deutlich häufiger als Männer.

Dranginkontinenz

Bei einer Dranginkontinenz verspürt die betroffene Person bei gering gefüllter Blase einen überfallartigen, unkontrollierbaren Harndrang. Dieser kommt so plötzlich, dass es die Person nicht mehr rechtzeitig zur Toilette schafft und ungewollt Urin ablässt.

Stuhlinkontinenz

Stuhlinkontinenz (auch Darminkontinenz) ist der medizinische Begriff für den unwillkürlichen Verlust von Darminhalt. Wie bei der Harninkontinenz gibt es auch bei dieser Inkontinenzform Fälle, bei denen Betroffene zwar den Stuhldrang bemerken, es aber nicht rechtzeitig zur Toilette schaffen.

Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen Betroffene gar keinen Stuhldrang verspüren und die Darmentleerung nicht bewusst steuern können. Nach dem Inkontinenz Selbsthilfe e. V. sind etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland von einer Stuhlinkontinenz betroffen.(4)

Inkontinenz: Ursachen und Risikofaktoren

Ein komplexes System in unserem Körper arbeitet zusammen, damit wir unsere Blasen- sowie unsere Darmentleerung kontrollieren können. Dazu müssen gewisse Zentren in unserem Gehirn und Rückenmark, beteiligte Muskeln sowie Nerven intakt sein.

Eine ganze Reihe von Ursachen kann dieses fein aufeinander abgestimmte System allerdings stören und dazu führen, dass wir die Kontrolle verlieren. Je nach Ursache liegt dann eine spezielle Inkontinenz-Form vor, die einer entsprechenden Behandlung bedarf. Nur ein Arzt kann die konkrete Ursache bestimmen.

Wir informieren Sie zu möglichen Ursachen und Risikofaktoren für eine Inkontinenz. Hierzu vorab ein schneller Überblick:

  • Inkontinenz durch Krankheiten der Organe und Nerven
  • Inkontinenz als ungewollte Nebenwirkung bei Arzneimitteln
  • Inkontinenz im Alter
  • Inkontinenz bei Frauen in der Schwangerschaft und nach einer Geburt
  • Inkontinenz bei Männern nach einer Prostatektomie
  • Inkontinenz durch psychische Ursachen
Info
Welcher Pflegegrad bei einer Inkontinenz?

Menschen mit einer Inkontinenz sind nicht automatisch pflegebedürftig. Ob und in welchem Ausmaß ein Mensch pflegebedürftig (nach SGB XI) ist, wird im Rahmen einer Pflegebegutachtung ermittelt. Es geht dabei vor allem darum, an welchen Stellen im Alltag die betroffene Person Unterstützung einer weiteren Person benötigt. Trägt die betroffene Person etwa Inkontinenzmaterial, das sie nicht allein wechseln kann und bekommt Unterstützung bei der Körperpflege, dann stehen die Chancen auf einen Pflegegrad sehr gut. Nutzen Sie gerne unseren kostenlosen Pflegegradrechner und ermitteln Sie den voraussichtlichen Pflegegrad.

Ein Service von pflege.de
Pflegegradrechner von pflege.de
Jetzt Pflegegrad berechnen!

Der Pflegegradrechner zeigt Ihnen auf Basis Ihrer Angaben eine erste Einschätzung des Pflegegrads auf.

  • Detaillierte Erfassung der Situation
  • Am Begutachtungsverfahren orientiert
  • Einfach & kostenlos

Inkontinenz durch Krankheiten der Organe und Nerven

Häufig führen Beschwerden oder Krankheiten am unteren Urogenitaltrakt zu einer Harninkontinenz. Der Urogenitaltrakt umfasst alle Harnorgane sowie männliche und weibliche Geschlechtsorgane. Zu möglichen Erkrankungen an den Organen für die Urinausscheidung gehören beispielsweise Harnwegsentzündungen, Blasensteine oder Verengungen der Harnröhre. Bei Männern ist häufig eine vergrößerte Prostata die Ursache einer Dranginkontinenz, bei der die Blase überaktiv ist.

Eine Inkontinenz kann aber auch auftreten, wenn Nervenimpulse zu schwach sind. In diesem Fall gelingt es Betroffenen nicht mehr, den Harn- oder Stuhldrang zu kontrollieren. Dies ist häufig der Fall bei Multipler Sklerose (MS), nach einem Schlaganfall, bei Diabetes mellitus, Parkinson oder infolge einer Querschnittslähmung – ob angeboren oder nach einem Unfall.(1)

Eine Stuhlinkontinenz kann aber auch durch starkes Übergewicht und Darmprobleme, beispielsweise eine chronische Verstopfung, das Reizdarm-Syndrom oder Durchfall auftreten.(1)

Info
Inkontinenz bei Demenz

Inkontinenz ist eine häufige Begleiterscheinung bei Demenz. Denn eine Demenzerkrankung betrifft unmittelbar das Nervensystem sowie das Gehirn und kann dort verschiedene Störungen verursachen. Dazu zählen beispielsweise Störungen der Blasen- und/oder Darmentleerung, Orientierungsprobleme oder Gedächtnisverlust. So kann es im Zuge einer Demenz etwa dazu kommen, dass die betroffene Person vergisst, rechtzeitig zur Toilette zu gehen oder den Weg dorthin nicht findet. Infolge verliert der demenzerkrankte Mensch ungewollt Urin oder Stuhl.

Inkontinenz als ungewollte Nebenwirkung bei Arzneimitteln

Verschiedene Medikamente und Wirkstoffe können das Risiko für eine Inkontinenz erhöhen. Hierzu zählen Arzneimittel, wie beispielsweise:(2)

  • Diuretika, die in der Behandlung von Bluthochdruck, Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und Wassereinlagerungen zum Einsatz kommen. Sie fördern die Flüssigkeitsausscheidung und können jede Form der Inkontinenz erzeugen.
  • ACE-Hemmer, die häufig bei einer Herzinsuffizienz eingenommen werden. Sie bewirken beispielsweise eine Stressinkontinenz (Unterform der Harninkontinenz).
  • Betarezeptorenblocker, die bei Bluthochdruck eingesetzt werden. Sie reizen die Blase und erhöhen somit das Risiko einer Dranginkontinenz (Unterform der Harninkontinenz).
  • Cholinesterase-Hemmer, die bei Demenz verabreicht werden. Auch sie reizen die Blase und erhöhen damit das Risiko einer Dranginkontinenz (Unterform der Harninkontinenz).
Tipp
Sprechen Sie über Ihre Beschwerden

Inkontinenz ist ein tabuisiertes Thema, über das viele Betroffene aus Sorge und Scham schweigen. Falls Sie dazu gehören, führen Sie sich vor Augen: Sie sind nicht allein und es gibt verschiedene Methoden, mit denen sich Ihre Beschwerden bessern oder sogar heilen lassen. Haben Sie keine Hemmungen und wenden Sie sich an eine vertrauensvolle Person, mit der Sie über Ihre Symptome sprechen können. Das kann beispielsweise ein Familienmitglied, eine Person aus Ihrem engen Freundeskreis oder ein Arzt sein. Gemeinsam mit einem Arzt können Sie geeignete Therapiemaßnahmen finden, sodass Sie Ihren Alltag aktiv und sorgenfrei leben können.

Bonus
Inkontinenz angehen – Leitfaden für Betroffene
  • Mehr Orientierung, weniger Scham
  • Tipps, Checklisten & praktische Hilfen für den Alltag
  • Diskrete Unterstützung – zuhause & unterwegs

Inkontinenz im Alter

Laut der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die Inkontinenz, insbesondere die Harninkontinenz, vor allem bei älteren Menschen ein Thema. Schätzungen nach sind etwa 40 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland harn-inkontinent.(5) Ein Grund dafür ist, dass unser Gewebe im Laufe des Lebens an Elastizität verliert. Dadurch senkt der Beckenboden ab und die natürlichen Öffnungen (Harnröhre, Vagina, After) werden aufgedehnt. Das kann die Verschlussmechanismen von Blase und Darm beeinträchtigen. In der Folge leiden Betroffene an einer Harn- oder Stuhlinkontinenz.(1)

Darüber hinaus gilt die Inkontinenz bei älteren Menschen weniger als Symptom einer Erkrankung, die unmittelbar den Urogenitaltrakt betrifft, wie etwa Nieren- oder Blasensteine. Vielmehr wird die Inkontinenz im Alter als Syndrom verstanden: ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren, das mit dem Älterwerden einhergeht. So können altersbedingte Mobilitätseinschränkungen, die Einnahme von mehreren Medikamenten gleichzeitig oder kognitive Störungen eine Inkontinenz auslösen. Aus diesem Grund können sich die Behandlungsmethoden für ältere Inkontinenz-Patienten von denen für jüngere Betroffene unterscheiden.(2)

Inkontinenz bei Frauen in der Schwangerschaft und nach einer Geburt

In der Schwangerschaft drückt die wachsende Gebärmutter zunehmend auf die Blase. Viele werdende Mütter verspüren dann häufig einen starken Harndrang, vor allem im ersten und letzten Trimester.

Eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur kann der Auslöser für eine Harn- und/oder Stuhlinkontinenz sein. Denn durch die Schwangerschaft und Entbindung werden der Bauchraum sowie der Beckenbereich stark beansprucht. Dabei kann eine Harninkontinenz durch Verletzungen der Beckenmuskulatur, des Bindegewebes oder einzelner Nerven entstehen. So haben Frauen auch noch nach einer Geburt ein erhöhtes Harninkontinenz-Risiko. In vielen Fällen stellt sich eine Harninkontinenz, die unmittelbar nach der Entbindung eingetreten ist, innerhalb eines Jahres wieder ein.

Darüber hinaus erleiden Frauen häufiger eine Stuhlinkontinenz als Männer. Auch dies ist vorwiegend Ursachen wie einer Geburt geschuldet. Denn beim Durchtritt des kindlichen Kopfes kann der Schließmuskel (Sphinkter) verletzt werden, sodass er nicht mehr einwandfrei funktioniert. Das kann eine spätere Stuhlinkontinenz bei der Frau auslösen.(6)

Info
Je mehr Geburten, desto höher ist das Inkontinenz-Risiko nach der Entbindung

Studien zeigen, dass die Anzahl der Geburten eine Rolle für die Entstehung einer Harninkontinenz spielt: Je mehr Kinder eine Frau bekommen hat, desto höher ist ihr Risiko, Inkontinenz-Symptome zu entwickeln. Nicht eindeutig ist, welche Rolle der Geburtsvorgang (vaginal oder Kaiserschnitt) spielt.

Inkontinenz bei Männern nach einer Prostatektomie

Eine Prostatektomie beschreibt die operative Entfernung der Prostata bei einer vergrößerten Prostata oder bei Prostatakrebs. Neben der Prostata muss der Arzt auch Teile der Harnröhre und des Schließmuskels entfernen.

Ist die Funktion des Harnblasenschließmuskels nicht mehr intakt, sollte der Harnröhrenschließmuskel mit einem angeleiteten Kontinenz-/Schließmuskeltraining trainiert werden.

Bei einem Großteil der Fälle bessert sich die Harninkontinenz innerhalb der ersten Wochen oder Monate nach der Prostata-Operation.(7)

Ein Angebot von pflege.de
curabox Pflege Teaser
Gratis Markenprodukte für die Pflege zuhause

Mit der curabox Pflege erhalten Sie benötigte Pflegehilfsmittel nach Hause – regelmäßig und kostenfrei!

  • Für alle Pflegegrade
  • Produkte im Wert von bis zu 42 € monatlich
  • Einmal beantragt, regelmäßig geliefert
  • Boxinhalt jederzeit anpassbar

Inkontinenz durch psychische Ursachen

Psychosoziale Belastungen in Folge von beruflichem oder privatem Stress können das Risiko für eine Harn- und Stuhlinkontinenz erhöhen. Denn Alltagssorgen, emotionale Anspannung sowie Aufregung belasten das Nervensystem des Menschen und können sich somit auf unsere Blasen- sowie Darmentleerung auswirken. Liegt eine Inkontinenz bereits vor, kann psychischer Stress diese auch verstärken.

Diagnose und Tests bei Inkontinenz

Eine Harninkontinenz sowie Stuhlinkontinenz können verschiedene Ursachen haben und sich als leichte oder schwere Inkontinenz herausstellen. Um die genauen Ursachen zu ermitteln und die Beschwerden zu lindern, braucht es ein ausführliches Arztgespräch (Anamnese) und körperliche Untersuchungen.

Daraufhin erwägt der Arzt die entsprechende Inkontinenz-Behandlung. Betroffenen steht eine Vielzahl von wirksamen Heil- und Hilfsmitteln zur Verfügung, mit denen sich eine Inkontinenz in vielen Fällen sogar erfolgreich behandeln lässt.

Info
Zu welchem Facharzt bei Inkontinenz-Beschwerden?

Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft unterstützt Sie bei der Expertensuche zum Thema Inkontinenz: Hier geben Sie Ihre Postleitzahl an und bekommen die medizinische Unterstützung in Ihrer Nähe angezeigt. Grundsätzlich sind Sie mit einer Inkontinenz bei Arztpraxen folgender Fachrichtungen an richtiger Stelle:

  • Urologie (Fachgebiet: Krankheiten der harnbildenden und -ableitenden Organe sowie des männlichen Geschlechtsorgans)
  • Gynäkologie (Fachgebiet: Frauenheilkunde und Geburtshilfe)
  • Proktologie (Fachgebiet: Erkrankungen des Enddarms)
  • Neurologie (Fachgebiet: Erkrankungen des Nervensystems und der Muskulatur)
  • Geriatrie (Fachgebiet: Altersheilkunde)

Anamnese bei Inkontinenz-Beschwerden

Eine ausführliche Anamnese ist der erste Schritt, wenn Inkontinenz-Beschwerden abgeklärt werden sollen. Unter folgenden Kriterien sollte die Anamnese bei einem Arzt beziehungsweise bei einer Ärztin oder einer Kontinenzfachkraft erfolgen:

  • Dauer der Beschwerden und mögliche Ursachen
  • Erscheinungsbild der Inkontinenz
  • (Eventuell) relevante, erfolgte Therapie
  • Aktuelle Medikation
  • Vorerkrankungen
  • Trinkverhalten beziehungsweise Trinkgewohnheiten
  • Stuhlgewohnheiten
  • Art und Einsatz von Hilfsmitteln
  • Erwartungen der Betroffenen an eine Therapie
  • Kognitive Einflüsse auf die Kontinenzsituation
  • Einflüsse durch Mobilität auf die Kontinenzsituation
  • Einflüsse der Umgebung (Licht, Farben, et cetera) auf die Kontinenzsituation
  • Leidensdruck und psychosoziale Faktoren
Expertentipp

Zur Einschätzung der Kontinenzsituation ist es hilfreich, wenn die betroffene Person ein sogenanntes Miktionsprotokoll (drei Tage bei Verdacht auf eine Harninkontinenz) beziehungsweise ein Stuhlprotokoll (mindestens eine Woche) führt. In diesen Dokumenten wird jede Urin- beziehungsweise Darmentleerung notiert.

Angelika  Sonnenberg
Pflegetrainerin & Fachkraft zur Kontinenzförderung
Bonus
Ihr persönliches Stuhlprotokoll
  • Zur einfachen Dokumentation des Stuhlgangs
  • Kostenloses PDF
  • Sparen Sie Zeit beim Arzt

 

Körperliche Untersuchungen bei Inkontinenz-Beschwerden

Um die genauen Ursachen einer Inkontinenz herauszufinden, folgt auf die Anamnese meist eine körperliche Untersuchung. Diese umfasst je nach Einzelfall verschiedene Maßnahmen:

  • Eine Hautinspektion, bei der der Bauch sowie äußere Geschlechtsorgane auf Auffälligkeiten wie Entzündungen, Hautirritationen oder Schleimhautveränderungen untersucht werden.
  • Einen Hustentest, der Aufschluss darüber gibt, ob die betroffene Person bei halb gefüllter Blase unter Belastung Urin verliert.
  • Eine Urin-Untersuchung, um eventuelle Blutbeimengungen, Eiweiß und Bakterien im Urin nachzuweisen und den pH-Wert zu ermitteln.
  • Eine sogenannte urodynamische Untersuchung, mit der der Blasendruck und die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur ermittelt wird. Mit den gemessenen Werten können Ärzte den Grad einer Inkontinenz und die erforderlichen Therapieoptionen genauer bestimmen. Leidet die betroffene Person an einer neurologischen Harninkontinenz, wird die Blasendruckmessung in regelmäßigen Abständen durchgeführt.
  • Eine Überprüfung der mentalen sowie körperlichen Leistungsfähigkeit. Mit diesen Informationen können Ärzte besser einschätzen, inwieweit die betroffene Person physiotherapeutische Maßnahmen (zum Beispiel Beckenbodentraining) umsetzen oder Verhaltensänderungen vornehmen kann.

Inkontinenz: Folgen

Die Folgen von Inkontinenz können die Lebensqualität der Betroffenen zunehmend verschlechtern. Aus Angst vor einem peinlichen Missgeschick oder genereller Schamgefühle neigen viele Inkontinenz-Patienten dazu, sich immer mehr aus ihrem sozialen Umfeld zurückzuziehen. Sie verzichten beispielsweise auf ihre Hobbies und treffen sich immer seltener mit Freunden.

Dieser soziale Rückzug kann in vielen Fällen zur Vereinsamung führen. Die psychischen Folgen einer Inkontinenz reichen von Angstzuständen bis hin zu Depressionen.(1)

Hautschäden durch Inkontinenz

Hautschäden im Intimbereich bei einer Inkontinenz entstehen meist an den Stellen, die in ständiger Berührung mit Urin beziehungsweise Stuhl sind. Denn hierdurch ist die Haut gereizt und angreifbar. Entsprechende Risikozonen sind meistens der Damm, der Bereich um den Anus herum sowie die Pobacken.(8)

  • Menschen mit einer Inkontinenz haben ein erhöhtes Risiko für Rötungen, Entzündungen sowie Hautschäden im Intimbereich. Diese Beschwerden werden in der Medizin unter dem Begriff Inkontinenz-assoziierte Dermatitis, kurz IAD, zusammengefasst.(8)
  • Unkontrollierter Urinverlust beziehungsweise Stuhlverlust erhöht außerdem das Risiko für Dekubitus (Wundliegen) im Genitalbereich, insbesondere bei bettlägerigen Personen.(1)
  • Eine geschädigte Haut ist anfällig für Infektionen. So können bei einer Inkontinenz durch Hautschäden im Intimbereich beispielsweise Pilzerkrankungen und bakterielle Entzündungen entstehen.(8)

Daher ist es besonders wichtig, dass Betroffene und Pflegende auf eine sorgfältige Intimhygiene achten und den Hautzustand genau beobachten.

Tipp
Tipps für den Hautschutz bei Inkontinenz

Im Interview mit pflege.de gibt Pflegetrainerin und Fachkraft zur Kontinenzförderung Angelika Sonnenberg Tipps für den Hautschutz bei Inkontinenz.

Harninfektionen und Inkontinenz

Häufig gehen auch Harnwegsinfektionen mit einer Inkontinenz einher, die Ursache einer Harnblasen- und/oder Nierenbeckenentzündung sein können. Hier ist eine fachärztliche Abklärung beim Urologen oder einer Gynäkologin erforderlich.(1)

Therapie / Behandlung bei Inkontinenz

Es gibt keine pauschalen Therapie-Empfehlungen bei Inkontinenz. Der Behandlungsplan muss individuell nach der jeweiligen Inkontinenz-Ursache, der Inkontinenz-Form und dem Ausmaß der Beschwerden ausgerichtet sein. Die Erfolgsaussichten sind umso höher, je früher die Inkontinenz behandelt wird. Darum sind Früherkennung und Beratung wichtige Wegbereiter zur Prävention und Symptomkontrolle bei einer Inkontinenz.

Hier ein erster Überblick über mögliche Behandlungsmethoden bei einer Inkontinenz:

  • Verhaltenstherapie
  • Spezielle Trainings (Blasentraining, Toilettentraining, Beckenbodentraining)
  • Bestimmte Hilfsmittel
  • Medikamente
  • Operation (nur, wenn konservative Maßnahmen keine Besserung bewirken)
Tipp
Wenden Sie sich an Inkontinenz-Spezialisten

Der wichtigste Schritt kommt von Ihnen selbst: Suchen Sie sich aktiv Hilfe und verstecken Sie sich nicht. Nur so können sich Ihre Beschwerden bessern oder gar verschwinden. Eine gute Anlaufstelle sind zertifizierte Kontinenz- und Beckenbodenzentren. Denn diese beschäftigen sich eingehend mit dem Thema Inkontinenz und ihren unterschiedlichen Ursachen. Um geeignete Therapiemaßnahmen für Ihre individuelle Erkrankung zu finden, arbeiten hier Ärzte verschiedener Fachrichtungen sowie spezialisierte Kontinenzfachkräfte und Physiotherapeuten zusammen.

Verhaltenstherapie bei Inkontinenz

Eine Verhaltenstherapie umfasst Maßnahmen, die die Betroffenen selbst steuern können. Ziel dabei ist es, die Blase und den Darm besser zu kontrollieren. Eine ausgewogene Ernährung und ein gesunder Lebensstil können sich positiv auf eine gesunde Blasen- und Darmfunktion auswirken. Aus diesem Grund setzt die Verhaltenstherapie bei einer Inkontinenz bei den eigenen Gewohnheiten an.

Betroffene sollten dabei auf folgende Punkte achten:

  • Trinken Sie ausreichend Wasser über den Tag.
  • Verzichten Sie auf alkoholische, kohlensäurehaltige und koffeinhaltige Getränke.
  • Verzichten Sie auf Nikotin.
  • Bewegen Sie sich regelmäßig. Bauen Sie 30 Minuten Bewegung fünfmal die Woche ein, beispielsweise ein Spaziergang im Wald.
  • Trainieren Sie Ihre Blase mit unseren nachfolgenden Tipps.

Ergänzend dazu können Achtsamkeitsübungen Ihnen dabei helfen, ein besseres Gefühl für den Drang zu entwickeln und die Blase sowie den Darm kontrollieren zu können.

Blasentraining bei Harninkontinenz

Wussten Sie, dass Sie eine Harninkontinenz auch durch Ihr eigenes Verhalten auslösen können? Nämlich, wenn Sie zu oft oder zu selten zur Toilette gehen. Die goldene Mitte dazwischen ist der gesündere Weg.

  • Gehen Sie zu oft zur Toilette kann sich Ihre Blase an die kleineren Urinmengen gewöhnen, sodass sie irgendwann nicht mehr so gut fähig ist, größere Mengen zu halten.
  • Gehen Sie zu selten zur Toilette, riskieren Sie wiederum, dass Ihre Blasenmuskulatur ständig überdehnt wird. In bestimmten Berufen ist dies häufig der Fall, beispielsweise bei langen LKW-Fahrten, im Verkauf oder Lehramt. Hier hilft ein Ausscheidungsplan: Ausreichend trinken und alle zwei bis drei Stunden Wasser lassen.

Wie Sie Ihren Blasenmuskel trainieren können, lesen Sie im pflege.de-Ratgeber Blasentraining.

Expertenmeinung

Mit diesen Strategien können Sie den ersten Harndrang unterdrücken und somit zu häufige Toilettengänge unterbinden:

  • Zählen Sie rückwärts.
  • Telefonieren Sie.
  • Atmen Sie tief ein und aus.
  • Sprechen Sie Gedichte laut aus.
  • Trainieren Sie Ihren Beckenboden. Durch die zusammengezogenen Muskeln (auch Kontraktion) können Sie Ihren Harndrang unterdrücken.
Angelika  Sonnenberg
Pflegetrainerin & Fachkraft zur Kontinenzförderung

Ausreichend trinken bei Blasentraining

Auch, wenn Sie aus Angst vor einem Malheur vorsorglich weniger trinken, bewirkt dies eher das Gegenteil: Denn so werden Ihre Nieren unzureichend mit Flüssigkeit versorgt und produzieren einen hoch konzentrierten Urin, der Ihre Blase reizt und den Harndrang nur umso verstärkt. Darum kann es sinnvoll sein, die Blase zu trainieren und gleichzeitig auf eine optimale Flüssigkeitszufuhr zu achten.

Zusammenfassend bedeutet das also: Gehen Sie weder „nochmal vorsorglich“ zur Toilette noch bewusst seltener und trinken Sie am Tag mindestens 1,5 bis 2 Liter Wasser.

Info
Wie viel Wasser am Tag trinken?

Je nach Alter liegt die Empfehlung bei 30 Milliliter Flüssigkeit pro Kilogramm Körpergewicht. So benötigt eine Person mit einem Gewicht von 70 Kilogramm 2,1 Liter Flüssigkeit am Tag – bevorzugt Wasser. Bei Hitze oder Sport ist der Bedarf höher.

Bonus
Ihr Miktions- und Trinkprotokoll
  • Das kostenlose 7-Tage-Protokoll
  • Praktische Grundlage für Diagnose und Therapie
  • Ausfüllen und Zeit beim Facharzt sparen

Toilettentraining bei Inkontinenz

Das sogenannte Toilettentraining kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden. So zählen beispielsweise feste Entleerungszeiten und Blasentraining zu möglichen Therapiemaßnahmen. Je nach Pflegesituation können Pflegefachkräfte und/oder pflegende Angehörige das Toilettentraining unterstützen.

Hierzu ein paar Beispiele:

  • Gemeinsam erstellen Sie einen Ausscheidungsplan, anhand dem die betroffene Person selbstständig zur Toilette geht.
  • Die Pflegeperson erinnert regelmäßig an den Toilettengang und die betroffene Person geht selbstständig zum WC.
  • Die Pflegeperson initiiert und begleitet den Toilettengang. Eventuell unterstützt sie die betroffene Person beim Weg zur Toilette und Lösen der Kleidung.
Info
Toiletten-Hilfsmittel für Senioren mit Inkontinenz-Beschwerden

Besonders für ältere Menschen mit Inkontinenz können bei einem Toilettentraining spezielle Toiletten-Hilfsmittel zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel eine Toilettensitzerhöhung, Urinflasche, Urinschiffchen oder ein Toilettenstuhl. Der Vorteil des Toilettentrainings ist, dass Sie es in Krankenhäusern, Pflegeheimen und in Ihrer häuslichen Umgebung durchführen können.

Beckenbodentraining: Übungen für einen starken Beckenboden

Insbesondere das Beckenbodentraining hat sich als besonders wirksam für die Besserung oder Heilung einer Inkontinenz bewiesen. Der Grund: Die Beckenbodenmuskulatur spielt eine essenzielle Rolle für die einwandfreie Blasen- und Darmfunktion. Geeignete Übungen verhelfen Betroffenen dazu, ihre Beckenbodenmuskulatur zu spüren und damit ihren Beckenboden langfristig zu stärken.

Neben dem Beckenbodentraining, können sogenannte Biofeedback-Übungen Betroffene unterstützen, ihre Beckenbodenmuskulatur besser zu steuern. Dabei führen ausgebildete Therapeuten eine Sonde in die Vagina oder den Darm, die elektrische Reize abgibt. Durch diese Reize sollen die betroffenen Personen ihren Beckenboden besser spüren.

Tipp
Einfache Beckenbodenübungen für zuhause

Wir haben Ihnen einfache Beckenbodenübungen zusammengestellt, die Sie sich gerne ausdrucken können. Bevor Sie damit starten, können Sie sich von einem Physiotherapeuten mit einer speziellen Weiterbildung anleiten lassen. Eine Übersicht zu möglichen Physiotherapeuten in Ihrer Nähe bekommen Sie hier.

Bonus
5 einfache Übungen für Ihren Beckenboden
  • Zuhause ohne Geräte direkt durchführbar
  • Bilder und Anleitungen zum einfachen Nachmachen
  • Kostenlos herunterladen und direkt starten

Medikamente gegen Inkontinenz

Grundsätzlich lassen sich alle Formen der Harninkontinenz mit dem Wirkstoff Desmopressin medikamentös behandeln. Das Medikament mindert übermäßigen Durst, Harndrang und häufiges Wasserlassen. Das Medikament ist sowohl in Tablettenform als auch als Nasenspray erhältlich.

Bei einer Dranginkontinenz können sogenannte Anticholinergika wirksam sein, die Blasenfunktionsstörungen reduzieren sollen. Allerdings sollte das Medikament nur bedingt bei älteren Patienten eingesetzt werden. Denn manche Medikamente dieses Wirkstoffes können die Wahrnehmung beeinträchtigen und das Sturzrisiko erhöhen.

Zur medikamentösen Behandlung der Belastungsinkontinenz kommt vorrangig Duloxetin zum Einsatz. Duloxetin gilt als erstes speziell gegen die Belastungsinkontinenz wirkendes Medikament. Es soll die Funktion des Harnröhren-Schließmuskels stärken.

Liegt eine Stuhlinkontinenz vor, können Ärzte Medikamente mit dem Arzneistoff Loperamid verschreiben. Loperamid drosselt die Bewegung der Darmmuskulatur und dickt den Stuhl ein, wodurch sich die Kontinenz verbessern kann.

Bonus
Ihr kostenloser Medikamentenplan
  • Dokumentation leicht gemacht
  • Unverzichtbar in der täglichen Pflege
  • Übersichtlich und selbsterklärend

Chirurgische Therapie: Inkontinenz-Operation

In Einzelfällen, besonders bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch die Inkontinenz, können operative Eingriffe sinnvoll sein. Zu den chirurgischen Möglichkeiten zählt beispielsweise ein künstlicher Schließmuskel. Dieser besteht aus einer Verschlussmanschette, einer Pumpe und einem Reservoir, wo die Flüssigkeit gespeichert wird. Die Manschette wird kreisförmig um den Enddarm (bei Stuhlinkontinenz) oder um die Harnröhre (bei Harninkontinenz) gelegt.

Info
Die Operation bei einer Inkontinenz verläuft immer nach Einzelfall

Eine „Inkontinenz-Operation“ muss immer individuell auf die jeweilige Person abgestimmt sein. Medizinische Fachkräfte müssen vorab folgende Fragen klären, die in die Planung des Eingriffs mit einbezogen werden:

  • Wie sehr leidet die Person unter der Inkontinenz?
  • Wurde die Person bereits operiert?
  • Liegen Vorerkrankungen vor?

Inkontinenz-Hilfsmittel auf Rezept: Als Dauerverordnung

Wenn eine Inkontinenz bei Ihnen oder Angehörigen vorliegt, können spezielle Inkontinenzmittel helfen. Diese sollen Inkontinenzpatienten bestmöglich versorgen, Folgeerkrankungen vermeiden und die Lebensqualität verbessern. Je nach Bedarf können krankenversicherte Personen das Inkontinenzmaterial wählen, das ihrem Bedarf entspricht.

Hier finden Sie eine kurze Übersicht zu den besonders beliebten aufsaugenden Hilfsmitteln:

Gemäß Paragraf 33 SGB V haben Krankenversicherte mit einer Inkontinenz Anspruch auf die Versorgung mit Inkontinenzhilfen, sofern die Produkte im Hilfsmittelverzeichnis beziehungsweise Hilfsmittelkatalog gelistet sind. Um das Inkontinenzmaterial als Krankenkassenleistung zu erhalten, benötigt die versicherte Person ein Rezept für Inkontinenzmaterial. Dieses verschreibt ein Arzt, nachdem die Diagnose Inkontinenz vorliegt.

Müssen Betroffene auf längere Sicht mit Inkontinenzprodukten versorgt werden, empfiehlt es sich, dass sie sich eine Dauerverordnung für Inkontinenzmaterial ausstellen lassen.

Anzeige
Abbildung
Sorgenfrei im Alltag mit Inkontinenz

Mit der Inkontinenzversorgung auf Rezept von HARTMANN gewinnen Sie ein Stück Freiheit zurück. Einfach telefonisch beraten lassen, Produkte testen und regelmäßig beliefert werden.

  • Bezahlt von der Krankenkasse
  • Qualitätsprodukte von HARTMANN
  • Kostenfreie & unverbindliche Produktberatung

Professionelle Pflegeplanung: Maßnahmen bei Inkontinenz

Harn- und Stuhlinkontinenz sind in der Pflege wichtige Themen. Besonders, weil es den Intimbereich betrifft, müssen Pflegepersonen ein hohes Maß an Professionalität sowie Einfühlungsvermögen mitbringen. Dazu hat das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) einen Expertenstandard zum Thema Kontinenzförderung in der Pflege entwickelt, welcher Ziele und Pflegemaßnahmen festhält.(9)

Natürlich werden die Maßnahmen individuell und bedarfsgerecht auf den pflegebedürftigen Patienten abgestimmt. Dahingehend muss die jeweilige Kontinenz-Situation anhand folgender Kriterien eingeschätzt werden:

  • Bestehen Risikofaktoren für eine Inkontinenz?
  • Zeigt die Person Anzeichen, die auf eine Inkontinenz hinweisen?

Anhand dieser Informationen erstellt die Pflegefachkraft ein sogenanntes Kontinenz-Profil.

Kontinenz-Profile im Überblick

Das Kontinenz-Profil ermittelt die Pflegefachkraft mithilfe von bestimmten Kennzeichen, die in der folgenden Tabelle gelistet sind. Unterschieden wird zwischen einer unabhängigen, einer abhängigen sowie einer nicht kompensierten Inkontinenz.(10)

Folgende Fragen müssen dazu geklärt werden:

  • Kommt es zu unwillkürlichen Stuhl- oder Harnverlusten?
  • Wendet die Person bereits Maßnahmen der Kontinenzförderung an?
  • Benötigt die Person personelle Unterstützung?
Kontinenz-Profil  Kennzeichen
Unabhängige kompensierte Inkontinenz
  • Unfreiwilliger Stuhl- oder Harnverlust
  • Keine personelle Unterstützung bei der Versorgung mit Inkontinenz-Hilfsmitteln
Abhängige kompensierte Inkontinenz
  • Unfreiwilliger Stuhl- oder Harnverlust
  • Personelle Unterstützung bei der Inkontinenzversorgung ist notwendig
Nicht kompensierte Inkontinenz
  • Unfreiwilliger Stuhl- oder Harnverlust
  • Unversorgte Inkontinenz

Schließlich berät die Pflegefachkraft den Patienten und gegebenenfalls seine pflegenden Angehörigen zu geeigneten Maßnahmen zur Kontinenzförderung oder zum Umgang mit der Inkontinenz. Anschließend erstellt die Pflegefachkraft einen Maßnahmenplan und setzt diesen im Rahmen der ambulanten oder stationären Pflege kontinuierlich um.

Anzeige
Abbildung
Pflege bei Inkontinenz – kostenfrei online lernen

Lernen Sie, wie Sie bei Inkontinenz richtig pflegen – in Ihrem Tempo und wann es Ihnen passt. Mit dem kostenfreien Online-Pflegekurs von curendo®.

  • Inhalte frei kombinierbar, passend zu Ihrer Pflegesituation
  • Online-Kurs jederzeit und von überall abrufbar
  • Kostenfrei dank Übernahme durch Ihre Pflegekasse

Inkontinenzprophylaxe: Hilfen und Maßnahmen

Ziel der sogenannten Inkontinenzprophylaxe ist es, unkontrolliertem Stuhl- oder Harnverlust gezielt entgegenzuwirken. Eine geeignete Maßnahme hierbei ist beispielsweise das Beckenbodentraining. Denn dieses lindert nicht nur die Beschwerden einer bestehenden Inkontinenz, sondern kann auch vorbeugend wirken.

Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen, die einer Inkontinenz vorbeugen können:

Tipp
Eine kurze und einfache Atemübung

Entspannungsübungen können Menschen mit Inkontinenz dabei helfen, Blase sowie Darm zu beruhigen. Die einfachste Entspannungstechnik ist die Bauchatmung. Im hektischen Alltag atmen viele in die Lungen und nicht in den Bauch hinein. Versuchen Sie, bewusst drei Minuten über die Nase in den Bauch langsam einzuatmen. So aktivieren Sie ebenfalls das vegetative Nervensystem und können zur Ruhe kommen.

Häufig gestellte Fragen

Was ist Inkontinenz?

Inkontinenz steht für einen ungewollten Urin- oder Stuhlverlust. Verliert die betroffene Person ungewollt Urin, liegt eventuell eine Harninkontinenz vor. Entleert sie ungewollt ihren Darm und verliert dabei Stuhl, liegt unter Umständen eine Stuhlinkontinenz vor. Je nach Ursache, kann eine Inkontinenz verschiedene Formen annehmen und Ausprägungen haben.

Was bedeutet Inkontinenz für die Betroffenen?

Aus Sorge und Scham verschweigen Menschen mit einer Inkontinenz ihre Beschwerden häufig über einen längeren Zeitraum. Oft ziehen sie sich zunehmend zurück und verbringen die meiste Zeit zuhause – in direkter Badezimmernähe. Darunter leidet auf Dauer nicht nur das soziale Leben, sondern auch der eigene Selbstwert. Das offene Gespräch über die Inkontinenz-Beschwerden ist der erste wichtige Schritt, damit beim Arzt die genauen Ursachen abgeklärt und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten eingeleitet werden können.

Welche Inkontinenzformen gibt es?

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Inkontinenzformen: die Harninkontinenz und die Stuhlinkontinenz. Harninkontinenz bezeichnet den ungewollten Urinverlust, während Stuhlinkontinenz den ungewollten Verlust von flüssigem oder festem Stuhl meint.

Harninkontinenz tritt deutlich häufiger auf und lässt sich noch weiter unterteilen:

  • Belastungsinkontinenz / Stressinkontinenz: Unfreiwilliger Abgang bei körperlicher Belastung
  • Dranginkontinenz: Urinverlust nach ausgeprägt starkem Harndrang
  • Mischinkontinenz: Unkontrollierter Urinabgang bei körperlicher Belastung verbunden mit einem starken Harndrang
  • Reflexinkontinenz: Harnverlust kann nicht vom Gehirn gesteuert werden und passiert reflexartig
  • Überlaufinkontinenz: Blase entleert sich nicht vollständig und „läuft über“

Wie wird man inkontinent?

Eine Inkontinenz kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Grundsätzlich nimmt das Risiko für eine Inkontinenz mit dem Alter zu. In diesem Ratgeber informieren wir Sie zu möglichen Inkontinenz-Ursachen & Risikofaktoren. Hierzu vorab eine schnelle Übersicht:

  • Inkontinenz durch Krankheiten der Organe und Nerven
  • Inkontinenz als ungewollte Nebenwirkung bei Arzneimitteln
  • Inkontinenz im Alter
  • Inkontinenz bei Frauen in der Schwangerschaft und nach einer Geburt
  • Inkontinenz bei Männern nach einer Prostatektomie
  • Inkontinenz durch psychische Ursachen

Was tun bei einer Inkontinenz?

Der wichtigste Schritt bei Inkontinenz-Beschwerden: Sprechen Sie offen darüber und suchen Sie aktiv nach Beratung und Unterstützung. Wenden Sie sich beispielsweise an Ihren Arzt des Vertrauens oder direkt an spezialisierte Kontinenz-Zentren.

Welcher Arzt hilft mir bei Inkontinenz?

Leiden Sie an Inkontinenz, wenden Sie sich bestenfalls an einen qualifizierten Facharzt wie den Urologen oder an das Personal eines Kontinenz-Zentrums. Ärzte mit folgenden Fachrichtungen können Ihnen helfen:

  • Urologie
  • Gynäkologie
  • Proktologie
  • Neurologie
  • Geriatrie

Was hilft wirklich bei Inkontinenz?

Die Maßnahmen in der Therapie einer Inkontinenz müssen individuell auf die Inkontinenz-Form und Ursache abgestimmt sein. Daher ist es wichtig, mit einem Arzt über die Symptome zu sprechen und gemeinsam geeignete Hilfen bei Inkontinenz zu besprechen.

Zu möglichen Hilfsmaßnahmen gehört beispielsweise das Beckenbodentraining bei Inkontinenz. Je nach Schweregrad steht der Person unterschiedliches Inkontinenzmaterial (aufsaugende oder ableitende Produkte) zur Verfügung, das eine Inkontinenz möglichst diskret versorgen soll.

Ein chirurgischer Eingriff sollte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn alle nicht-operativen Therapiemaßnahmen erfolglos waren.

Was hilft gegen Harndrang?

Unsere Inkontinenz-Expertin Angelika Sonnenberg empfiehlt Ihnen folgende Strategien, um den ersten Harndrang zu unterdrücken:

  • Zählen Sie rückwärts.
  • Telefonieren Sie.
  • Atmen Sie tief ein und aus.
  • Sprechen Sie Gedichte laut aus.
  • Trainieren Sie Ihren Beckenboden. Durch die zusammengezogenen Muskeln (auch Kontraktion) können Sie Ihren Harndrang unterdrücken.

Ist eine Inkontinenz heilbar?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten und ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ob eine Inkontinenz heilbar ist, hängt beispielsweise davon ab, welche Form der Inkontinenz vorliegt, welche Erkrankung ihr zugrunde liegt und wie stark sie ausgeprägt ist. Durch eine gezielte Therapie lassen sich die Beschwerden aber in vielen Fällen deutlich verbessern oder sogar heilen.

Grundsätzlich muss ein Arzt die Behandlung individuell an den Patienten und seine Lebenssituation anpassen.

Welche Inkontinenz-Hilfsmittel gibt es?

Inkontinenz-Hilfsmittel sollen in erster Linie die Lebensqualität der Betroffenen verbessern und Folgeerkrankungen vermeiden. Dazu stehen Patienten verschiedene Inkontinenzhilfen zur Verfügung. Zu den beliebtesten zählen aufsaugende Inkontinenzartikel, die am Körper getragen werden, den Urin aufnehmen und vor Hautreizungen schützen. Dazu zählen beispielsweise:

  • Inkontinenzeinlagen
  • Inkontinenzvorlagen in Kombination mit Fixierhose
  • Inkontinenzunterhosen (auch Inkontinenz-Pants genannt)
  • Inkontinenzslip mit wieder verschließbaren Klebebändern (umgangssprachlich auch Inkontinenzwindeln)
  • Bettschutzeinlagen

Darüber hinaus gibt es funktionell-anatomische Hilfsmittel, die sich der jeweiligen Geschlechtsanatomie anpassen und die Blasenfunktion unterstützen sollen. Erhältlich sind folgende Produkte:

  • Für Frauen: Inkontinenztampons, Ringpessare, Harnröhren-Plugs
  • Für Männer: Penisklemme, Penisbändchen

Neben Toilettenhilfen wie Urinflaschen oder Toilettenstühlen eignen sich in vielen Fällen auch ableitende Hilfsmittel, die die Flüssigkeit aus den Harnwegen in einen Behälter transportieren. Grundsätzlich sollten inkontinente Personen mit ihrem Arzt besprechen, welche Inkontinenzprodukte in ihrem individuellen Fall die geeignetsten sind.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

/ 5 Bewertungen

Sie haben bereits bewertet.
Vielen Dank!
Wir haben Ihre Bewertung erhalten.
Vielen Dank für Ihre Anmerkungen!
Haben Sie noch Anmerkungen oder Verbesserungsvorschläge?



Erstelldatum: 6102.70.62|Zuletzt geändert: 5202.70.41
(1)
Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) (2021): Inkontinenz. Praxistipps für den Pflegealltag
www.zqp.de/wp-content/uploads/ZQP-Ratgeber-Inkontinenz.pdf (letzter Abruf am 28.11.2022)
(2)
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V. (2019): S2e-Leitlinie Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten, Diagnostik und Therapie
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/084-001 (letzter Abruf am 28.11.2022)
(3)
Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) (2021): Einnässen (Enuresis), Inkontinenz
www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/einnaessen-enuresis-inkontinenz/was-ist-enuresis-inkontinenz/ (letzter Abruf am 28.11.2022)
(4)
Inkontinenz Selbsthilfe e.V. (2021): Stuhlinkontinenz - Rat & Info
www.inkontinenz-selbsthilfe.com/stuhlinkontinenz (letzter Abruf am 28.11.2022)
(5)
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) (2019): Aktualisierte DGG-Leitlinie zu Harninkontinenz veröffentlicht
www.dggeriatrie.de/ueber-uns/aktuelle-meldungen/1635-aktualisierte-dgg-leitlinie-zu-harninkontinenz-veroeffentlicht (letzter Abruf am 28.11.2022)
(6)
AOK (2022): Inkontinenz nach Geburt: Das können Sie tun
www.aok.de/pk/magazin/familie/geburt/inkontinenz-nach-geburt-das-koennen-sie-tun/ (letzter Abruf am 28.11.2022)
(7)
Prostata Hilfe e.V. (2022): Inkontinenz bei Prostatakrebs
www.prostata-hilfe-deutschland.de/wissen/inkontinenz-prostatakrebs-behandlung (letzter Abruf am 28.11.2022)
(8)
BibliomedPflege, Autorin: E. Kuno (2016): Hautschutz bei Inkontinenz: Sauer hält gesund
www.bibliomed-pflege.de/news/29603-hautschutz-bei-inkontinenz-sauer-haelt-gesund (letzter Abruf am 15.12.2022)
(9)
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (2014): Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege
www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/Foerderung_der_Harnkontinenz_in_der_Pflege/Kontinenz_Akt_Auszug.pdf (letzter Abruf am 28.11.2022)
(10)
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (ohne Jahr): Anwendung der Kontinenzprofile und ihre Bedeutung für die Kontinenzförderung (Workshop 1, Prof. Dr. Katja Boguth)
www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Veranstaltungen/16WS_AG1_Boguth.pdf (letzter Abruf am 28.11.2022)
(11)
Bildquelle
© Naeblys / Fotolia.com
Körper- und Hautpflege
Ratgeber
Hautpflege und Körperpflege in der häuslichen Pflege
Ein Angebot von pflege.de
curabox Pflege Teaser
curabox Pflege: Markenprodukte gratis für die Pflege zuhause
Symbolbild Pflegegrade
Ratgeber
Pflegegrade 1 bis 5: Der große Überblick
Alterskrankheiten & Krankheiten mit Pflegebezug
Ratgeber
Alterskrankheiten & Krankheiten mit Pflegebezug: A bis Z
Anzeige
Pflegeberatung Paragraph 37.3
Kostenlose Pflegeberatung - Pflicht bei Pflegegeld-Bezug!
Dekubitusprophylaxe
Ratgeber
Dekubitusprophylaxe: Maßnahmen & Ziele nach Expertenstandard
Gesundheit im Alter
Ratgeber
Gesund alt werden: Tipps zur Gesundheitsvorsorge
Seniorensport
Ratgeber
Seniorensport: Gymnastik & Fitness für ältere Menschen
Inkontinenzmaterial Teaser
Interview
Inkontinenzmaterial auf Rezept: So geht's
Miktionsprotokoll und Trinkprotokoll
Ratgeber
Miktionstagebuch » Miktionsprotokoll & Trinkprotokoll
Interview

Zwischen Tabu und Therapie: Geriater über Inkontinenz im Alter

Dr. med. Klaus Friedrich Becher
Im Interview
Dr. med. Klaus Friedrich Becher
Geriater

Dr. Becher ist Chefarzt für Allgemeine und Geriatrische Rehabilitation an der Klinik Wartenberg Professor Dr. Selmair GmbH & Co. KG. Er ist Facharzt für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung „Klinische Geriatrie“ und verfügt über spezielle Expertise im Bereich geriatrische Urologie, die er unter anderem als Mitglied im Expertenrat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V. einbringt.

Blasenschwäche und Harninkontinenz sind im Alter keine Seltenheit – und trotzdem wird darüber oft geschwiegen. Dabei gibt es längst gute Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dr. med. Klaus Friedrich Becher, Experte für geriatrische Urologie, begleitet täglich ältere Patientinnen und Patienten mit Harninkontinenz.

Im Interview mit pflege.de erklärt er, worauf es bei der Diagnostik und Behandlung ankommt, wie pflegende Angehörige sinnvoll unterstützen können – und warum es höchste Zeit ist, das Thema aus der Tabuzone zu holen.

Guten Tag Herr Dr. Becher, bevor wir ins Thema einsteigen: Können Sie unseren Leserinnen und Lesern kurz erklären, was Ihre Aufgabe als Geriater ist?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Geriatrie heißt übersetzt Altersmedizin. Ich beschäftige mich mit der Diagnostik und Behandlung älterer Menschen – meist über 70 Jahre –, die mehrere chronische Erkrankungen haben und in ihrem Alltag eingeschränkt sind.

Das Besondere an der Altersmedizin ist der ganzheitliche Blick: Wir berücksichtigen viele unterschiedliche Erkrankungen, die im Alltag stark miteinander verflochten sind – man spricht hier auch von Multimorbidität.

Unser Alltagswerkzeug ist dabei neben technischen Hilfsmitteln das sogenannte Geriatrische Assessment – hiermit überprüfen wir, wie sich Krankheitsbilder und Symptome auf den Funktionszustand auswirken.

Worin unterscheidet sich Ihr Fachgebiet der geriatrischen Urologie von anderen Bereichen der Urologie?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Im Bereich der geriatrischen Urologie kümmere ich mich speziell um ältere und hochbetagte Menschen mit Beschwerden des unteren Harntrakts, insbesondere mit Harninkontinenz.

Zu meinen täglichen Aufgaben gehört die Diagnostik, Beratung und Aufklärung über Therapiemöglichkeiten – was im klassischen urologischen Alltag häufig zu kurz kommt. Dabei ist es wichtig, auch Begleiterkrankungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten zu berücksichtigen.

Außerdem trage ich zur Aufklärung der Bevölkerung bei, auch der Wissensaustausch unter Kollegen liegt mir sehr am Herzen. Und das aus gutem Grund: Mit dem demografischen Wandel wird dieses Thema immer wichtiger – schon jetzt sind rund 70 Prozent der urologischen Patienten älter als 70 Jahre und mehr als die Hälfte davon lebt mit weiteren Erkrankungen oder Beschwerden.

Umso wichtiger ist es, fachübergreifend zusammenzuarbeiten, damit diese Patienten heute wie zukünftig bestmöglich versorgt sind.

Anzeige
Abbildung
Sorgenfrei im Alltag mit Inkontinenz

Mit der Inkontinenzversorgung auf Rezept von HARTMANN gewinnen Sie ein Stück Freiheit zurück. Einfach telefonisch beraten lassen, Produkte testen und regelmäßig beliefert werden.

  • Bezahlt von der Krankenkasse
  • Qualitätsprodukte von HARTMANN
  • Kostenfreie & unverbindliche Produktberatung
Zum Gratis-Musterpaket

Wie oft begegnet Ihnen das Thema Inkontinenz im Praxisalltag und in welchem Zusammenhang tritt es bei älteren Menschen besonders häufig auf?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Das Thema begegnet mir täglich. Die Patienten in unserer geriatrischen Fachklinik sind im Schnitt 83 Jahre alt und leiden an mehreren akuten und chronischen Erkrankungen gleichzeitig. Harninkontinenz ist dabei ein sehr häufiges Symptom – rund die Hälfte unserer Patienten sind zumindest bei Aufnahme in unsere Klinik betroffen.

Was viele nicht wissen: Harninkontinenz ist keine eigene Krankheit, sondern ein Symptom mit vielen Ursachen.

Es gibt zwei Altersgipfel, wenn man die kindliche Harninkontinenz im Säuglings- und Kleinkindalter ausnimmt: Wir sehen einen Gipfel bei Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 25 bis 35 Jahre und einen zweiten, deutlich stärkeren Anstieg ab etwa 70 Jahren.

Warum ist Inkontinenz im Alter oft ein Tabuthema?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Harninkontinenz ist noch immer mit Scham besetzt. Ich denke, viele meiden dieses Thema aus Angst vor sozialer Ausgrenzung.

Wir behandeln Patienten, die noch in den Kriegs- und Nachkriegsjahren aufgewachsen sind, wo man über solche Themen schlicht nicht gesprochen hat. Und das macht sich eben auch noch heute bemerkbar.
Dr. med. Klaus Friedrich Becher

Andererseits ist aber auch das moderne Menschenbild in den Medien von Idealen geprägt, die zu einer gewissen Ausgrenzung führen. Diese Entwicklung beobachte ich leider ebenfalls zunehmend in gesellschaftspolitischen Diskussionen.

Aber auch in der ambulanten Versorgung bei Hausärzten wird das Thema zu wenig aktiv angesprochen.

Wie gelingt es Ihnen, mit Ihren Patienten ins offene Gespräch über das Thema Inkontinenz zu kommen?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Im Klinikalltag schaffen wir zunächst den Zugang über das Geriatrische Assessment, das unsere Pflegekräfte bei der Aufnahme in die Klinik durchführen.

Auch im weiteren ärztlichen Gespräch fragen wir aktiv nach Miktion und Stuhlgang. So entsteht ein geschützter Rahmen, in dem sich Betroffene öffnen können. Ergeben sich an dieser Stelle erste Hinweise auf eine Inkontinenz, folgt eine weitere Frage nach der Belastung im Alltag aufgrund der Beschwerden.

Wichtig für mich ist es dabei, die Betroffenheit meines Gegenübers mit einer gewissen Empathie zu begegnen und damit zu spiegeln, dass man die Beschwerden nicht als selbstverständlich aufnimmt und sich mit Offenheit nähert.

Sollte dies im ersten Gespräch nicht möglich sein, weil das Haupt-Gesundheitsproblem auf einem ganz anderen Gebiet liegt oder im hektischen Klinikalltag keine Zeit bleibt, dann biete ich immer auch einen weiteren Gesprächstermin an, um genauere Informationen zur bestehenden Inkontinenz zu erhalten.

Wie wird Inkontinenz bei Ihnen diagnostiziert? Welche Verfahren haben sich bewährt?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Grundlage ist immer eine systematische Anamnese, ergänzt durch das Geriatrische Assessment und eine körperliche Untersuchung. In den letzten Jahren hat sich für den ersten Zugang der Einsatz eines standardisierten Fragebogens in seiner Kurzform („ICIQ-UI-SF“ ) bewährt. Dieser Fragenbogen wird auch im aktualisierten Expertenstandard zur Kontinenzförderung in der Pflege von 2024 empfohlen.

Wir fragen gezielt nach Trink- und Stuhlgewohnheiten, Mobilität, Medikamenten und auch der kognitiven Leistungsfähigkeit. Ein Urin-Test und bei Bedarf eine Urinkultur gehören ebenso dazu wie eine Restharnmessung.

Hilfreich ist außerdem ein Miktionsprotokoll über 48 Stunden, das auch mit Unterstützung von Angehörigen geführt werden kann.

Bonus
Ihr Miktions- und Trinkprotokoll
  • Das kostenlose 7-Tage-Protokoll
  • Praktische Grundlage für Diagnose und Therapie
  • Ausfüllen und Zeit beim Facharzt sparen

Was ist bei der Behandlung von älteren Menschen mit Inkontinenz zu beachten?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Viele unserer Patienten sind mehrfach erkrankt und nehmen zahlreiche Medikamente ein. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben, die wiederum in der Diagnostik und Therapieplanung zu beachten sind.

Typische Risikofaktoren für eine Inkontinenz sind etwa Diuretika, Schmerz- und Beruhigungsmittel.

Auch funktionelle Einschränkungen, wie eine Bewegungseinschränkung bei Parkinson-Erkrankung, einer Hemiparese oder nach einem Oberschenkelhalsbruch können eine Rolle spielen.

Demenzerkrankungen können sich ebenfalls auf die Blasenkontrolle auswirken – viele Patienten verlieren im fortgeschrittenen Krankheitsstadium die Fähigkeit ihrer Harnkontrolle.

Das höhere Alter und dessen Komplexität muss in der Therapie individuell berücksichtigt werden.
Dr. med. Klaus Friedrich Becher

Welche Behandlungsmethoden haben sich in der geriatrischen Urologie zuletzt bewährt? Gibt es neue Therapie-Ansätze?

Dr. med. Klaus Friedrich Becher: Am wirkungsvollsten und mit den wenigsten Nebenwirkungen haben sich konservative Behandlungsverfahren bewährt.

Dazu zählen die Verbesserung der Mobilität, Beckenbodentraining, angepasstes Trinkverhalten, Toilettentraining und die regelmäßige Stuhlkontrolle. Auch die Schulung im Umgang beziehungsweise der Wahrnehmung des Harndrangs kann viel bewirken. Hier erlernen Patienten Ausgleichsstrategien, die zum Einsatz kommen sollen, wenn es mal besonders drängt.

Neue Erkenntnisse beziehungsweise Belege für die Wirksamkeit finden sich in der Forschung zu Methoden wie Biofeedback, indem man durch Lichtsignale lernt, seinen Beckenboden richtig zu trainieren.

Auch das Verfahren der sogenannten perkutanen Stimulation des Nervus Tibialis – einem Nerv am Schienbein – kann nachweislich zur Symptomlinderung bei Dranginkontinenz beitragen.

Ratgeber
Inkontinenzprophylaxe » Kontinenz erhalten & fördern
Erstelldatum: 5202.60.62|Zuletzt geändert: 5202.80.91
(1)
Bildquellen
© Presseabteilung der Klinik Wartenberg Professor Dr. Selmair GmbH & Co. KG
Interview

"Inkontinenz ist kein kleines Problem" – Urologe über Inkontinenz bei Nervenerkrankungen

Dr. med. Fabian Queißert
Im Interview
Dr. med. Fabian Queißert
Oberarzt Urologie

Dr. Queißert leitet den Bereich Kontinenz und Neuro-Urologie am Universitätsklinikum Münster und ist Koordinator des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums Münster-Coesfeld. Seine Fach-Expertise bringt er unter anderem als Mitglied im Expertenrat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e. V. ein.

Probleme beim Wasserlassen, ständiger Harndrang oder ungewollter Urinverlust – für den Urologen Dr. med. Fabian Queißert gehört all das zum Berufsalltag. In seinem Fachgebiet der neurologischen Urologie dreht sich alles um die Funktion der Blase – vor allem, wenn sie durch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder eine Querschnittslähmung gestört ist.

Im Interview mit pflege.de berichtet Dr. med. Fabian Queißert, welche Warnzeichen ernst genommen werden sollten, welche modernen Behandlungsmöglichkeiten es gibt – und warum das offene Gespräch über Inkontinenz der erste Schritt zu mehr Lebensqualität sein kann.

Erstelldatum: 5202.60.62|Zuletzt geändert: 5202.80.91
(1)
Bildquelle
© Dr. med. Fabian Queißert
Interview

Inkontinenz bei Männern

Joachim Slota
Im Interview
Joachim Slota
Fachberater für Kontinenz

Joachim Slota ist examinierter Krankenpfleger und Fachberater für Kontinenz. Seit 2008 ist er für den Hersteller Attends tätig, sein Spezialgebiet ist die Inkontinenzversorgung bei Männern.

Eine Inkontinenz bei Männern ist – wie bei Frauen auch – ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft. Doch während Frauen zumindest an den Umgang mit Hygieneprodukten von ihrer Monatsblutung gewöhnt sind, tauchen dadurch bei Männern zusätzliche Herausforderungen, Unsicherheiten und Scham auf: Wie entsorge ich mein Inkontinenzmaterial auf öffentlichen Toiletten, wo es keine Mülleimer gibt? Wo transportiere ich meine Inkontinenzeinlagen, wenn ich unterwegs bin, aber keine Handtasche bei mir trage?

Dies und mehr klärt der Experte Joachim Slota im Interview mit pflege.de. Er gibt spannende Einblicke und verrät Tipps für einen offenen Umgang einer Inkontinenz bei Männern.

Herr Slota, meine erste Frage: Was unterscheidet eine Inkontinenz bei Männern grundlegend von einer Inkontinenz bei Frauen?

Joachim Slota: Grundsätzlich muss man erst einmal sagen: Inkontinenz ist eine Blasenschwäche. Man spürt nicht mehr, wenn man Harn verliert. Eine Inkontinenz bei Frauen und Männern ist daher erst einmal gleich in der Ausprägung, aber es gibt unterschiedliche Ursachen.

Bei Männern ist eine Inkontinenz am häufigsten durch die Prostatavergrößerung im Alter bedingt, bei Frauen eher durch eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur.

Studien besagen „Jeder 4. Mann macht Erfahrungen mit Blasenschwäche, kaum einer redet darüber.“ Stimmt das?

Joachim Slota: Ja, ich würde sogar sagen, dass es noch mehr Männer betrifft als „nur“ jeden vierten. Gerade Männer in jungen Jahren haben häufiger das Problem, dass es mal „nachtröpfelt“ – erste Zeichen einer leichten Inkontinenz. Dass niemand darüber redet, liegt daran, dass Inkontinenz in der Gesellschaft einfach ein Tabuthema ist – bei Frauen wie bei Männern.

Gerade Männer in jungen Jahren haben häufiger das Problem, dass es mal „nachtröpfelt“ – erste Zeichen einer leichten Inkontinenz.
Joachim Slota

Lassen Sie uns noch einmal über die Ursachen für eine Inkontinenz bei Männern sprechen: Die wesentliche Ursache ist also eine Vergrößerung der Prostata?

Joachim Slota: Genau. Die Prostata ist ja die sogenannte Vorsteherdrüse und befindet sich unterhalb der Blase. Mit zunehmendem Alter vergrößert sie sich. Meistens tauchen die ersten Symptome einer Inkontinenz bei Männern im Alter von 55 bis 60 Jahren auf. Wobei ganz klar auch jüngere Männer betroffen sein können. Man kann schon ab 30 Jahren erste Veränderungen der Prostata beobachten, was aber nicht heißt, dass es gleich zu einer Inkontinenz kommen muss.

Gibt es weitere Ursachen für eine Inkontinenz bei Männern?

Joachim Slota: Ja. Eine Prostatavergrößerung muss häufig operiert werden. Durch diese OP kann sich der Schließmuskel der Blase absenken und das führt wiederum zu einer sogenannten Belastungsinkontinenz. Die kennt man sonst häufiger bei Frauen und zeichnet sich durch den Harnverlust bei Husten, Niesen und so weiter aus.

Weitere Ursachen für eine Inkontinenz sind unvorhergesehene Ereignisse wie zum Beispiel ein Verkehrsunfall oder ein Schlaganfall, wo Nervenbahnen betroffen sind. Dadurch kann man auch in sehr jungem Alter mit einer Inkontinenz konfrontiert werden.

Welcher Arzt ist der richtige Ansprechpartner und die erste Anlaufstelle, wenn ich als Mann erste Anzeichen einer Inkontinenz erkenne?

Joachim Slota: Wenn Sie eine enge Bindung zu Ihrem Hausarzt haben und er Sie seit Jahren kennt, ist es sinnvoll, ihn als erstes zu kontaktieren. Er kennt Ihre Erkrankungen und weiß, welcher Typ Sie sind. Der Hausarzt überweist Sie dann an einen Psychologen, Urologen oder Internisten.

Wenn Sie keinen vertrauten Hausarzt haben, ist der Urologe als erste Anlaufstelle am sinnvollsten.

In den Medien wird oft thematisiert, dass die Scham einer Inkontinenz bei Männern viel größer ist als bei Frauen mit Inkontinenz. Warum soll das so sein?

Joachim Slota: Das ist leider in der Natur begründet. Die Frau hat die monatliche Regel und ist daher mit dem Gang, sich Einlagen zu kaufen und diese zu verwenden, vertraut. Frauen kennen das über einen längeren Zeitraum und gehen daher anders damit um.

Eine Inkontinenz wird nun mal immer noch als Schwäche wahrgenommen und daher fällt es Männern so schwer, damit umzugehen und darüber zu sprechen.
Joachim Slota

Aber auch die Medien spielen eine Rolle: Es gibt ganz viel Werbung für Hygieneprodukte zur Versorgung der Monatsblutung bei Frauen. Aber Männer sind halt logischerweise nicht mit dem Problem konfrontiert. Zudem sind sie vom Wesen her stolz und geben Schwächen ungerne zu. Eine Inkontinenz wird nun mal immer noch als Schwäche wahrgenommen und daher fällt es Männern so schwer, damit umzugehen und darüber zu sprechen.

Haben Männer auch ein anderes Schamgefühl als Frauen? Wird die Erkrankung bei Männern eher tabuisiert, da sie oft als „Frauenkrankheit“ abgestempelt wird?

Joachim Slota: Ja natürlich. Dadurch ist das Schamgefühl größer. Ich habe bei meinem Hausarzt aber letztens gesehen, dass in der Männertoilette Plakate hängen, dass man mit Inkontinenz nicht alleine ist.

Die Toilette ist ja ein Ort, an dem man für sich ist. Dort können solche Plakate durchaus ermutigen, dass man sie beim Arzt im Sprechzimmer direkt anspricht. Das finde ich schon mal eine gute Sache.

Wie schätzen Sie als Mann diese Problematik um das Schamgefühl ein? Was glauben Sie, welche Gefühle Sie hätten, wenn Sie durch einen Unfall, eine Krankheit oder im Alter inkontinent werden?

Joachim Slota: Ja, wie gesagt. Man sieht es einfach als Schwäche an, es ist einem unangenehm, es ist etwas, wo man sich halt schwach fühlt.

Man will mit diesem Problem einfach nicht heraus und da spricht man einfach nicht gerne darüber. Weder mit Freunden noch Bekannten und vor allem haben viele auch Probleme, mit dem Partner darüber zu sprechen.

Welche speziellen Produkte zur Versorgung einer Inkontinenz gibt es für Männer? Die Anatomie des Mannes macht die Inkontinenzversorgung an sich ja schon einmal schwieriger.

Joachim Slota: Es gibt spezielle Männervorlagen für die unterschiedlichen Formen und Stärken einer Inkontinenz. Bei uns, bei der Firma Attends, sind die Produkte in die Saugstärken 0 („Nachtröpfeln“) bis 10 (sehr schwere Inkontinenz) eingeteilt. Alle Produkte haben eine aktive Geruchsbindung, die den Urin in Gel verwandeln und damit die Oberfläche trocken halten. Das verhindert auch Hautirritationen.

Inkontinenzmaterial für Männer ist anatomisch so geformt, dass man es gut in die Unterhose kleben kann. Es ist nach vorne hin auch etwas breiter und dennoch dünn und diskret.

Für schwerere Formen der Inkontinenz gibt es neben Inkontinenzeinlagen, die man in eine gut sitzende Unterhose klebt, auch Pants und Pull-ons. Das sind richtige Hosen, die man einfach rauf- und runterziehen kann.

Inkontinenzmaterial für Männer ist anatomisch so geformt, dass man es gut in die Unterhose kleben kann. Es ist nach vorne hin auch etwas breiter und dennoch dünn und diskret.
Joachim Slota

Und wer kann zum ideal passenden Inkontinenzprodukt beraten? Das heißt: Wohin können Männer gehen, um herauszufinden, welches Produkt für die individuelle Form der Inkontinenz am besten geeignet ist?

Joachim Slota: Für ein erstes „Nachtröpfeln“ kann man zunächst normale Hygieneprodukte zum Beispiel aus der Drogerie kaufen. Ab einer leichten Inkontinenz bekommt man vom Arzt ein sogenanntes Inkontinenzrezept ausgestellt und erhält damit Inkontinenzprodukte auf Rezept kostenlos.

Mit diesem Rezept kann man entweder zu einem Leistungserbringer, der Apotheke vor Ort oder zum Sanitätshaus gehen und sich beraten lassen.

Anzeige
Abbildung
Sorgenfrei im Alltag mit Inkontinenz

Mit der Inkontinenzversorgung auf Rezept von HARTMANN gewinnen Sie ein Stück Freiheit zurück. Einfach telefonisch beraten lassen, Produkte testen und regelmäßig beliefert werden.

  • Bezahlt von der Krankenkasse
  • Qualitätsprodukte von HARTMANN
  • Kostenfreie & unverbindliche Produktberatung
Zum Gratis-Musterpaket

Sie beraten selbst viele Männer. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Sorgen, die Männer haben? Geht es dabei vor allem um Fragen, wie man das richtige Inkontinenzprodukt für sich findet oder auch um Fragen, wie man sich im Alltag mit einer Inkontinenz organisiert?

Joachim Slota: Ich werde häufig gefragt „Haben Sie Produkte, die diskret sind?“ oder „Riecht das auch, wenn man unterwegs ist?“

Ich kann dann beruhigen und aufklären, dass es Produkte gibt, mit denen man unterwegs sicher ist und wo niemand sofort riecht, dass man harninkontinent ist.

Wie organisiert man sich als Mann unterwegs? Männer haben ja im Vergleich zu Frauen meist keine Handtasche dabei, in der sie Inkontinenzmaterial transportieren können.

Joachim Slota: Das ist natürlich so, dass Frauen ihre kleine Handtasche dabei haben, die weniger auffällt. Aber auch als Mann nehme ich ja häufig eine Tasche oder einen Rucksack mit oder ich hab durchaus eine Jacke an, wo ich meine Produkte in der Innentasche transportieren kann, so dass es keinem auffällt.

Wie ist das auf öffentlichen Herrentoiletten mit der Entsorgung von gebrauchten Einlagen? Während bei Frauen für Hygieneartikel bereits kleine Mülleimer in der Toilettenkabine stehen, dürfte das bei Männern ja eine weitere Problematik hervorrufen.

Joachim Slota: Das stimmt. Das ist bei Männern entsprechend schwieriger. Daher empfehle ich, dass man sich so kleine Müllbeutel mitnimmt, die nicht durchsichtig sind. So kann man diese Einlage in den Müllbeutel packen und kann den auch unterwegs zum Beispiel auf einer Autobahnraststätte in einem Restmüllbehälter entsorgen. So muss man die benutzte Vorlage nicht unbedingt mit nach Hause nehmen.

Inzwischen hat der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe eine Initiative für mehr Hygienebehälter in Herrentoiletten gestartet. Kennen Sie noch mehr Projekte, die sich für die Inkontinenz bei Männern stark machen?

Joachim Slota: Von diesem Projekt habe ich auch gehört. Das bedeutet für mich, dass dieses Problem auch erkannt wird. Genauso wie immer mehr Selbsthilfegruppen entstehen. Mögliche Anlaufstellen findet man etwa bei der Kontinenz Gesellschaft und beim Inkontinenz Selbsthilfe e.V..

Aber grundsätzlich sehen Sie auch noch Bedarf, das Thema Inkontinenz bei Männern in der Öffentlichkeit noch stärker zu thematisieren? Sei es durch TV-Werbung, durch Plakate bei Ärzten und so weiter.

Joachim Slota: Auf jeden Fall! Das wäre wichtig. Dass man auch einfach erwähnt, dass es entsprechende angenehme und diskrete Produkte gibt, die auch ganz besonders auf den Mann zugeschnitten sind. Da sollte in der Öffentlichkeit noch mehr Arbeit geleistet werden.

Von Apothekern haben wir schon ein paar mal gehört, dass häufig Frauen das Inkontinenzmaterial für ihre Männer kaufen, weil die sich so sehr schämen. Männer gehen in der Drogerie höchstens mit Inkontinenzmaterial für Frauen an die Kasse.

Joachim Slota: Ja, das habe ich auch schon häufiger beobachtet. Man muss ja nicht zwingend in die Apotheke, sondern kann sich auch telefonisch beraten lassen, zum Beispiel bei Leistungserbringern wie Attends. Das Telefongespräch läuft dann anonym und man trifft – anders als in der Apotheke oder im Supermarkt – keine Bekannte, Nachbarn oder ähnliches.

Es ist wirklich wichtig, sich als Mann mit Inkontinenz selbst zu äußern und es nicht durch die eigene Ehefrau organisieren zu lassen. Sie kann das Problem nicht schildern, sie weiß auch nicht, wie man sich als Mann fühlt und wie ausgeprägt die Inkontinenz ist. Dies alles ist nötig, um das richtige Produkt zu finden.

Gibt es auch die Möglichkeit, sich die Inkontinenzprodukte in einem diskreten Karton nach Hause schicken zu lassen?

Joachim Slota: Ja, man kann die Inkontinenzprodukte online bestellen und erhält sie diskret in einem Paket nach Hause gesendet. Dem Paket sieht man von außen nicht an, was drin ist. Wenn man sein Rezept einlösen möchte, sollte man sich zuerst an seinen Inkontinenzversorger wenden.

Noch eine Frage zu den Hilfsangeboten speziell für Männer. Gibt es separate Angebote für betroffene Männer wie Foren oder Selbsthilfegruppen?

Joachim Slota: Angebote speziell für Männer sind leider sehr selten. Das ist durchaus so, dass man sich auch mal beim Urologen erkundigen kann, ob er regionale Angebote kennt.

Ansonsten gibt es viele Foren im Internet, wo man sich anonym mit anderen Betroffenen austauschen kann. Ich empfehle diese Foren auch durchaus. Die haben ja den weiteren Vorteil, dass man zu jeder Zeit schreiben kann und auch ortsunabhängig jeder darauf Zugriff hat.

Bonus
Inkontinenz angehen – Leitfaden für Betroffene
  • Mehr Orientierung, weniger Scham
  • Tipps, Checklisten & praktische Hilfen für den Alltag
  • Diskrete Unterstützung – zuhause & unterwegs

Und welchen Tipp geben Sie unseren männlichen Lesern zum Umgang mit ihrer Inkontinenz?

Joachim Slota: Warten Sie nicht zu lange, bis Sie mit einem Arzt und Ihrem Partner über Ihre Inkontinenz sprechen!

Es lohnt sich wirklich, direkt zum Hausarzt oder zum Urologen zu gehen, weil es viele verschiedene Therapiemöglichkeiten gibt. Das kann einmal medikamentös sein, es kann auch durch Inkontinenzeinlagen sein. Es ist wichtig, sich anzuvertrauen und dieses Problem offen anzusprechen, damit entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können.

Info
Keine medizinische Beratung

Wir machen darauf aufmerksam, dass die Aussagen des Interviews Hilfestellungen und Aufklärung bieten, jedoch keine medizinische Beratung beim Arzt ersetzen sollen.

mehr

Mehr zum Thema Inkontinenz im pflege.de-Magazin:

Interview
Beratungspraxis: Fragen & Tipps rund um Inkontinenz
Erstelldatum: 8102.11.61|Zuletzt geändert: 5202.80.91
(1)
Bildquelle
Bild 1: © Hunor Kristo / Fotolia.com, Bild 2: © Joachim Slota, privat
Interview

Schamgefühle bei Inkontinenz

Angelika Sonnenberg
Im Interview
Angelika Sonnenberg
Pflegetrainerin & Kontinenzfachkraft

Angelika Sonnenberg ist Kontinenzfachkraft und Pflegetrainerin. Sie hält Vorträge und Fortbildungen zum Thema Kontinenzförderung und leitet eine Kontinenz-Selbsthilfegruppe.

Wie kann ich meinen Angehörigen sensibel auf seine Inkontinenz ansprechen? Was erwartet mich in einer Kontinenz-Selbsthilfegruppe? Was sind wichtige Tipps für Betroffene, die sich auch unterwegs sicher fühlen wollen? „Inkontinenzvorlagen sollte man einmal längs in der Mitte knicken, damit sie wie ein Bötchen funktionieren. Auch sollte man sie nicht zu dicht am Körper tragen. Da muss immer ein wenig Platz sein, damit sich auch ein Schwung Urin verteilen kann“, meint Kontinenzberaterin Angelika Sonnenberg. Im Interview mit pflege.de verrät sie exklusive Praxistipps zur Versorgung einer Inkontinenz und berichtet über ihre Erfahrungen als Leiterin einer Kontinenz-Selbsthilfegruppe.

Frau Sonnenberg, Sie sind Fachkraft für Kontinenzförderung. Was bedeutet das und wie kann man sich Ihren Berufsalltag vorstellen?

Angelika Sonnenberg: Als Fachkraft zur Kontinenzförderung habe ich eine Weiterbildung zu Harn- und Stuhlinkontinenz und Stomaversorgung absolviert. Seitdem biete ich jeden Mittwoch einen sogenannten Kontinenztag an. Dabei berate ich Betroffene von „draußen“ sowie Patienten der Klinik über das Thema Inkontinenz. Außerdem berate ich Pflegefachkräfte auf den Stationen und biete Fortbildungen zu Inkontinenzhilfsmitteln und Inkontinenzformen für alle Mitarbeiter unseres Krankenhauses an.

Sie leiten zudem eine Kontinenz-Selbsthilfegruppe. Wie kam es dazu, dass Sie diese Selbsthilfegruppe für Betroffene ins Leben gerufen haben?

Angelika Sonnenberg: Die Selbsthilfegruppe wurde schon vor meiner Zeit ins Leben gerufen. Eine inkontinente Dame hat die Gruppe mit Unterstützung des paritätischen Wohlfahrtsverbandes gegründet. Dann hat sie jedoch aufgehört und mich gefragt, ob ich diese betreuen möchte. Ich bin damals noch in der urologischen Ambulanz beschäftigt gewesen, aber da sich die Gruppe sonst aufgelöst hätte, habe ich mich sozusagen breitschlagen lassen (lacht). Da ich als junge Frau nach der Schwangerschaft selbst über lange Zeit inkontinent war und mein Herzblut an dem Thema Kontinenzförderung hängt, mache ich das mittlerweile seit neun Jahren.

Inkontinenz ist in der Gesellschaft immer noch weitestgehend ein Tabuthema. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Angelika Sonnenberg: Inkontinent zu sein bedeutet einen Verlust der Autonomie, einen Kontrollverlust. Inkontinente Personen haben Probleme, ihren Urin oder Stuhl zu halten. Inkontinente Personen haben das Gefühl, dass sie unangenehm riechen. Und dann ist die Scham so groß, dass man nicht über die Erkrankung spricht. Daher sollten Personen mit einer Inkontinenz unbedingt den Mut haben und mit einem Arzt sprechen. Nur so kann eine Inkontinenz behandelt und können Symptome wie zum Beispiel eine Geruchsbildung gemindert werden.

Inkontinente Personen haben das Gefühl, dass sie unangenehm riechen. Und dann ist die Scham so groß, dass man nicht über die Erkrankung spricht.
Angelika Sonnenberg

Ich bin froh, dass man jetzt schonmal in den Auslagen von Schaufenstern oder auf Rasthöfen Urinalkondome oder Vorlagen sieht und begonnen wird, Werbung für diese Produkte zu machen. Aber viele Betroffene und sogar auch Urologen wissen nicht, dass es eine Hilfsmittelverordnung für Inkontinenzmaterialien gibt und sie sich entsprechende Hilfsmittel verschreiben lassen können. Das zeigt, dass Inkontinenz immer noch ein Tabuthema ist und es auch bleiben wird bis die Erkrankung im Bewusstsein der Öffentlichkeit ankommt. Ich höre immer noch häufig von Fällen, bei denen Betroffene in der Innenstadt verzweifelt eine Toilette suchen. Dann fragen sie in Geschäften nach und werden dort einfach abgewiesen. Da kann man froh sein, wenn man in einer Stadt ist, die das Projekt „Die nette Toilette“ unterstützt.

Was genau ist das Projekt „Die nette Toilette“?

Angelika Sonnenberg: Bei diesem Projekt werden Bürgerinnen und Bürger mit Hilfe eines Flyers darüber informiert, wo sich die nächste Toilette befindet. Dort muss man weder bitten noch betteln, sondern kann die Toilette einfach nutzen. Das ist eine große Entlastung für Betroffene mit einer Inkontinenz. Viele Städte engagieren sich bereits in diesem Projekt, andere, wie auch die Stadt Köln, leider immer noch nicht. Ich frage mich, warum nicht einfach in jeder Stadt im Informationszentrum für Touristen ein Flyer zu den nutzbaren Toiletten ausliegt. Das wäre mal eine Idee! Dann wären inkontinente Personen automatisch unabhängiger und müssten sich nicht die Blöße geben und erst nach einer Toilette fragen. Und das würde wiederum fördern, dass sie aus dem Haus gehen und soziale Kontakte pflegen.

Hat sich das Ansehen der Inkontinenz in den letzten Jahren verändert? Ist das Thema noch tabubehafteter oder eher gesellschaftstauglicher geworden?

Angelika Sonnenberg: Ich bin seit 38 Jahren in der Pflege tätig und habe mich viel mit der Urologie, also mit harnbildenden und harnableitenden Organen, beschäftigt. Es hat sich insgesamt schon vieles verbessert, aber von gut sind wir leider immer noch weit entfernt. In Gesprächen stellt man fest, dass die Inkontinenz einfach nicht wahrgenommen wird. Immer wieder werde ich gefragt „Warum machst du überhaupt Kontinenzberatung? Gibt es überhaupt genug Kunden?“. Wenn man dann zu erzählen anfängt, fällt vielen ein, dass sie beim Lachen, Husten oder Niesen auch schon einmal Urin verloren haben. Das kommt zum Beispiel nach den Wechseljahren oder durch Übergewicht oder auch nach einer Schwangerschaft und Geburt vor. Daher habe ich auch schon häufiger kleine Vorträge bei verschiedensten Personengruppe gehalten. Anfangs sitzen die Teilnehmer dort oft teilnahmslos und hinterher entsteht dann doch ein reges Geplauder.

Aufgrund der Tabuisierung der Erkrankung schämen sich Betroffene oftmals für ihre Inkontinenz. Haben Sie einen Tipp, wie man als Angehöriger seine Mutter / seinen Vater sensibel auf das Thema ansprechen kann?

Angelika Sonnenberg: Gerade als Angehöriger muss man da ganz vorsichtig sein. Oft ist es anfangs leichter, über Fachliches und ganz konstruktive Dinge zu sprechen. Der Einstieg funktioniert oft gut mit einer Frage: „Wie kommst du mit der Toilette zurecht?“ oder „Braucht du vielleicht eine Toilettensitzerhöhung?“ oder auch „Soll ich dich zum Urologen begleiten?“. Angehörige können aber auch zum Beispiel sagen: „Du, ich war heute schon den ganzen Tag hier und mir ist aufgefallen, dass du gar nicht auf Toilette warst. Wie ist es denn bei dir mit dem Wasserlassen?“. Also ruhig konkret fragen, aber sensibel für die Gefühle des Anderen sein und freundlich bleiben. Ich gehe mit dem Thema sehr offen, aber behutsam um und das kann ich Angehörigen auch nur empfehlen. Es gibt aber auch einfach Betroffene, die wollen mit ihren Kindern oder ihrem Partner nicht über ihre Ausscheidung sprechen. Dann sollten sie direkt selbst zum Arzt gehen.

Aufklärung, Schulung und Beratung sind ganz wichtig!
Angelika Sonnenberg

Man muss aber auch berücksichtigen, dass sich nicht nur inkontinente Menschen für ihre Erkrankung schämen, sondern oft auch ihre Angehörigen. Daher sind Aufklärung, Schulung und Beratung ganz wichtig. Ich denke, dass jeder für sich überlegen sollte: Was würde ich denn zulassen? Wie würde ich auf eine Inkontinenz angesprochen werden wollen? Ich bin zum Beispiel 58 Jahre alt und mein Sohn ist 30. Ich würde es auch befremdlich finden, wenn er mir jetzt die Inkontinenzvorlagen wechseln würde – das würde ich schon noch selber machen wollen.

Bonus
Inkontinenz angehen – Leitfaden für Angehörige
  • Mehr Orientierung, weniger Scham
  • Tipps, Checklisten & praktische Hilfen für den Alltag
  • Diskrete Unterstützung – zuhause & unterwegs

Betroffene leiden oft unter der Angst, dass ihre Krankheit „enttarnt“ wird. Welche Tipps haben Sie für Menschen mit Inkontinenz, damit sie sich auch unterwegs sicher fühlen?

Angelika Sonnenberg: Man sollte sich vom Arzt passendes Inkontinenzmaterial wie zum Beispiel Vorlagen, Einlagen oder Pants verordnen lassen. Aber die Verordnung allein reicht nicht aus. Wichtig ist, dass Betroffene den Umgang mit diesen Hilfsmitteln lernen. Vorlagen sollte man beispielsweise einmal längs in der Mitte kurz knicken, damit sie wie ein Bötchen funktionieren. Auch sollte man Vorlagen nicht zu dicht am Körper tragen. Da muss immer ein wenig Platz sein, damit sich auch ein Schwung Urin verteilen kann. Außerdem würde ich nur ausgewiesene Vorlagen empfehlen, die dafür ausgelegt sind, Flüssigkeit aufzunehmen und einen Absorber beinhalten, der die Flüssigkeit nach unten wegsaugt.  Durch den Kontakt mit Urin bildet sich ein Gel und die Haut bleibt trocken. Solche praktischen Tipps sind sehr wichtig und werden von Ärzten aus Zeitgründen oft nicht gegeben. Dann ist es hilfreich eine Kontinenzberatung oder eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen.

Gibt es inzwischen praktische Hilfsmittel oder digitale Helfer, die den Umgang mit einer Inkontinenz erleichtern?

Angelika Sonnenberg: Es gibt bereits mehrere Apps für das Smartphone. Ich persönlich kann die kostenlose „WC-Finder-Deutschland“-App für Android sehr empfehlen. Mit dieser können sich inkontinente Menschen oder auch alle Interessierten den Weg zur nächsten Toilette anzeigen lassen. Das hilft auch in fremden Städten oder auf Reisen. Leider wird dieser Service von der älteren Generation um die 80 Jahre eher noch weniger in Anspruch genommen, da diese nicht alle ein Smartphone besitzen.

Kommen wir jetzt zu der Kontinenz-Selbsthilfegruppe, die Sie betreuen. Oft ist es als Betroffener hilfreich, sich mit anderen über die eigene Erkrankung auszutauschen. Können Sie uns kurz beschreiben, welche Personen Ihre Selbsthilfegruppe aufsuchen?

Angelika Sonnenberg: In unserer Kontinenz-Selbsthilfegruppe sind die Teilnehmer wirklich sehr gemischt. Es wird mir von anderen Gruppen berichtet, dass bei ihnen nur Frauen teilnehmen, aber ich habe in meiner Gruppe auch sehr viele Männer. Manche von denen kommen nur bis ihr Problem gelöst ist und sind dann wieder weg, andere kommen aber bereits seit zehn Jahren. Die Alterspanne reicht von 40 bis hin zu 80 Jahren. Man muss allerdings auch der Typ für eine Selbsthilfegruppe sein. Es gibt auch Menschen, die sich in einer Gruppe nicht richtig öffnen können oder outen wollen. Aber manchmal hilft es zu sehen, dass man nicht alleine mit seinem Problem dasteht. Man kann beim ersten Mal sonst auch einen Freund oder Angehörigen zur Verstärkung mitbringen.

Welche Themen besprechen Sie in Ihrer Kontinenz-Selbsthilfegruppe und wie kann man sich den groben Ablauf eines solchen Treffens vorstellen?

Angelika Sonnenberg: Wir treffen uns einmal im Monat für etwa eine bis anderthalb Stunden. Wenn dann nur acht Leute da sind, ist das schon wenig. Meist sind wir 17 bis 20 Teilnehmer. In der Regel gibt es anfangs immer etwas Organisatorisches zu besprechen. Letztes Mal habe ich beispielsweise über einen Tag der offenen Tür in einer Klinik gesprochen, an dem wir teilnehmen. Der Schwerpunkt des Treffens liegt jedoch immer auf einem Thema, das einer der Teilnehmer mitbringt. Zum Beispiel: „Sollen wir nicht noch einmal einen Brief an die Stadt schreiben, damit auch Köln das Projekt „Die nette Toilette“ umsetzt?“. Oder Mitglieder berichten über ihre Erfahrungen in einem Krankenhaus. Und jeder hat natürlich auch seine individuellen Probleme, von denen er berichtet. Dann erhält er von den anderen Mitgliedern, aber auch von mir als Fachkraft, Feedback.

Was sind die häufigsten Ängste und Fragen der Teilnehmer in der Selbsthilfegruppe?

Angelika Sonnenberg: Viele kommen mit Problemen mit der Krankenkasse. Zum Beispiel musste ein Herr ein Jahr lang kämpfen, um die richtigen Inkontinenzmaterialien zu erhalten. Wenn man nicht der Otto-Normalverbraucher mit der Standardvorlage ist, sondern größere oder andere Vorlagen benötigt, kann das schon zu Problemen führen. An sich bekommt jeder die Versorgung, die er braucht, aber manchmal muss man eben kämpfen. Dann heißt es dranbleiben und sich mit der Kasse zusammensetzen. Von diesen Erfahrungsberichten in unserer Gruppe haben sicher auch viele andere profitiert.

Von den Erfahrungsberichten in unserer Gruppe profitieren alle Teilnehmer.
Angelika Sonnenberg

Ein anderes Problem ist häufig die Aufklärung durch die behandelnden Ärzte. Viele nehmen sich dem Thema Inkontinenz leider nicht an, sodass die Patienten anschließend zu uns in die Gruppe kommen. Die Erkrankung ist ja sehr komplex. Man muss sich mit dem Trink- und Ausscheidungsverhalten auseinandersetzen und die Vorerkrankungen sowie Medikamente berücksichtigen. Da ist es für mich wichtig, die Betroffenen zu ermutigen, auch mal den Urologen zu wechseln. Sicherlich ist es dann auch hilfreich, das Problem in einer Gruppe offen besprechen zu können. Wenn einem dann zehn Leute den Rücken stärken und sagen „Komm! Mach dich nochmal auf den Weg und vertrau dich einem weiteren Arzt an!“ motiviert das ungemein.

Anzeige
Qualitätsprodukte auf Rezept » Sorgenfrei trotz Inkontinenz

Was war Ihr schönstes oder beeindruckendstes Erlebnis in der Kontinenz-Selbsthilfegruppe?

Angelika Sonnenberg: Sehr beeindruckt hat mich die Geschichte einer Dame, die ihr Haus aufgrund einer Stuhlinkontinenz drei Jahre lang nicht verlassen hat. Ihr behandelnder Arzt hatte leider keine Idee, wie man ihr helfen könnte und hat ihr auch keinen Lösungsweg, wie eine Beratung, aufgezeigt. Dann hat der Sohn der Betroffenen mich aufgrund der Selbsthilfegruppe und meiner Beratungstätigkeit gefunden und kontaktiert. Am Ende ließ sich das Problem relativ einfach durch eine Änderung der Ernährung in den Griff bekommen. Das war für die Dame natürlich erstmal eine große Umstellung, ermöglichte es ihr aber, wieder am Leben teilzunehmen. Einen großen Anteil hatte da sicher auch die Rückenstärkung durch die Gruppe.

Wo finde ich Selbsthilfegruppen in meiner Nähe? Sind diese Gruppen kostenlos oder muss ich sie bezahlen?

Angelika Sonnenberg: Am besten lassen sich diese Gruppen im Internet finden, wenn man einfach nach Selbsthilfegruppen zu Inkontinenz in der jeweiligen Stadt sucht. Falls man nicht über das Internet suchen möchte, kann man auch bei den paritätischen Wohlfahrtsverbänden nachfragen. Die haben meist einen Katalog, in dem alle Gruppen aufgelistet sind. Selbsthilfegruppen sind immer kostenlos. Wir sammeln Spenden und gehen dann meist einmal im Jahr ins Museum und trinken zusammen Kaffee.

Machen Sie sich auf den Weg! Es gibt Hilfe, die darf man suchen und die sollte man in Anspruch nehmen.
Angelika Sonnenberg

Haben Sie abschließend noch einen Tipp für unsere pflege.de-Leser?

Angelika Sonnenberg: Machen Sie sich unbedingt auf den Weg und gehen Sie raus! Sei es zu einer Beratungsstelle, zu einer Selbsthilfegruppe oder zu einem Arzt. Sie sollten sich nicht zuhause verstecken und mit Ihrer Inkontinenz alleine bleiben. Denn es wird keiner bei Ihnen klingeln und Sie rausholen. Machen Sie sich auf den Weg! Es gibt Hilfe, die darf man suchen und die sollte man in Anspruch nehmen.

 

Mehr zum Thema Inkontinenz im pflege.de-Magazin:

Interview
Expertentipps: Inkontinenzversorgung & Kontinenztraining
Erstelldatum: 8102.60.72|Zuletzt geändert: 5202.80.91
(1)
Bildquelle
Bild 1: ©istock.com/NADOFOTOS, Bild 2: © Angelika Sonnenberg
Das könnte Sie auch interessieren
Harninkontinenz
Harninkontinenz
Harninkontinenz / Blasenschwäche » Überblick
Inkontinenz assoziierte Dermatitis
Hautschäden
Hautschäden durch Inkontinenz: Was tun?
Stuhlinkontinenz
Stuhlinkontinenz
Stuhlinkontinenz » Ursachen & Behandlung
Aktionswoche 2025 Inkontinenz hat viele Gesichter
Aktionswoche 2025
Inkontinenz-Aktionswoche 2025
Abbildung
Nykturie
Nykturie: Was Sie dagegen tun können
Inkontinenzprophylaxe
Kontinenzförderung
Inkontinenzprophylaxe » Kontinenz fördern