Demenzforschung: Was wird erforscht?
In der Demenzforschung liegt der Fokus vor allem auf der Alzheimer-Krankheit, da sie mit 60 bis 70 Prozent aller Demenz-Fälle die häufigste Demenzform darstellt. Somit ergeben sich zwei zentrale Forschungsschwerpunkte im Bereich der Demenz:
- Alzheimer-Diagnose: Früherkennung und einfache Diagnose der Krankheit
- Alzheimer-Behandlung: Die Heilung der Krankheit mit Medikamenten oder zumindest die Bekämpfung der Symptome.
Im Bereich der Diagnoseforschung geht es laut dem wissenschaftlichen Beirat der Alzheimer Forschungsinitiative, Prof. Dr. Thomas Arendt, hauptsächlich darum, körperliche Merkmale zu finden, anhand derer die Krankheit Alzheimer nachgewiesen werden kann. Diese Merkmale nennen sich Biomarker.
Ein Biomarker kann zum Beispiel ein bestimmter Bestandteil im Blut sein. Wenn dieser bei einer Analyse des Blutes festgestellt wird, kann man die Alzheimer-Diagnose stellen.(1)
Alzheimer-Forschung: Aussicht auf Heilung?
Über 100 Jahre sind seit der Entdeckung der Alzheimer-Krankheit vergangen. Seitdem ist die Forschung damit beschäftigt, die Krankheit zu verstehen. Zwar ist Alzheimer derzeit noch nicht heilbar, aber es konnten wichtige Meilensteine in der Forschung verbucht werden.
Wichtige Meilensteine der Alzheimer-Forschung:
- Entdeckung krankmachender Ablagerungen durch bestimmte Proteine im Gehirn (unter anderem Beta-Amyloid-Plaques).
- Verbesserte bildgebende Verfahren, die die krankhaften Veränderungen im Gehirn sichtbar machen (PET-Positronen-Tomografie).
- Durch die Untersuchung des Genmaterials konnten zudem bestimmte genetische Anfälligkeiten festgestellt werden und somit das individuelle Risikoprofil geschärft werden.
- In der jüngsten Vergangenheit wurden Medikamente entwickelt, die das Fortschreiten der Krankheit verzögern sollen.
Kurz gesagt: Die wissenschaftliche „Feinbeobachtung“ findet aus vielen Blickwinkeln statt. Das ist gut, denn erst, wenn die Mechanismen der Krankheit verstanden wurden, können sie gezielt bekämpft werden.
Das kurzfristige Forschungsziel ist es nicht, die Krankheit durch die Erfindung einer „Wunderpille“ zu heilen. Das Etappenziel lautet vielmehr: Alzheimer früher erkennen und besser behandeln.
Erblichkeit und Genetik bei Alzheimer
Ein besonderes Augenmerk wird in der Demenzforschung auf den Einfluss unserer Gene und deren Mutationen gelegt. Bestimmte Gene, so der aktuelle Forschungsstand (2021), begünstigen die Entstehung von Alzheimer.
Tatsächlich vermuten Forschende, dass das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, höher ist, wenn ein Verwandter ersten Grades erkrankt ist.
Experten gehen davon aus, dass es bei rund 30 Prozent der Alzheimer-Patienten weitere Betroffene in der engeren Verwandtschaft gibt. Genetische Faktoren sind jedoch nur in drei Prozent der Fälle der alleinige Auslöser.(2)
- Für Verwandte ersten Grades (zum Beispiel Kinder oder Geschwister) besteht eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent, später an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken.
- Für Verwandte zweiten Grades (zum Beispiel Neffen oder Nichten) liegt die Erkrankungs-Wahrscheinlichkeit bei zehn Prozent. Zum Vergleich: In der übrigen Bevölkerung liegt die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, bei fünf Prozent.
Risiko bei Familiärer Alzheimer-Krankheit (FAD) bei 50 Prozent
Eine Form der Alzheimer-Krankheit ist die Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD), die allerdings nur etwa 5 Prozent aller Fälle umfasst. Inzwischen sind zumindest drei Gene identifiziert worden, die dazu führen können, dass Menschen bereits im jüngeren Alter (unter 60 Jahren) an Alzheimer erkranken. Bei einer vererbbaren Alzheimer-Demenz weisen diese Gene bestimmte Veränderungen (Mutationen) auf.(3)
Angehörige ersten Grades haben eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die Mutation ebenfalls zu tragen und an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken.(4)
Welche anderen Demenzformen sind vererbbar?
Demenzielle Veränderungen haben sehr viele unterschiedliche Ursachen. Es gibt viele Demenzformen. Oft liegen auch Mischformen vor. Dies erschwert die Diagnose und Behandlung. Durch die Erforschung der spezifischen Krankheitsformen können zum Teil sicherere Aussagen zur Wahrscheinlichkeit des Erblichkeitsrisikos gemacht werden.
Frontotemporale Demenz: Vererbungsrisiko gegeben
Bei etwa 15 Prozent aller Demenzformen handelt es sich um eine Frontotemporale Demenz (FTD). Diese Demenzform ist auch als Picksche Krankheit bekannt. Das Institut für Humangenetik der Universität Bonn schätzt, dass etwas zehn bis 15 Prozent der FTD vererbbar sind. In diesen Fällen wird oft beobachtet, dass mehrere Mitglieder der Familie von der Erkrankung betroffen sind. Die Symptome einer FTD treten typischerweise im Lebensabschnitt zwischen 50 und 60 Jahren auf.(4)
Vaskuläre Demenz: Prinzipiell nicht vererbbar
Eine vaskuläre Demenz ist die Folge von Beschädigungen an Blutgefäßen im Gehirn. Ursächlich dafür ist in vielen Fällen ein Schlaganfall, Bluthochdruck oder andere Grunderkrankungen wie Diabetes und Herzerkrankungen. Diese können genetische Gründe haben oder die Folge von Umwelteinflüssen wie ungesunder Ernährung oder Rauchen sein.
Es gibt eine genetische Mutation, die das Risiko für eine vaskuläre Demenz stark erhöht. Träger dieser Mutation erkranken mit einer 50 prozentigen Wahrscheinlichkeit an CADASIL, einer erblichen (also genetischen) Störung der Blutgefäße im Gehirn, die zu Schlaganfällen und dem Verlust von Nervenzellen im Gehirn führt.(5)
Lewy-Body-Demenz: Geringes Risiko einer Vererbung
Bislang sind keine Risikofaktoren für eine Lewy-Body-Demenz bekannt. In wenigen Familien wird die Lewy-Body-Demenz allerdings infolge von Veränderungen im Erbgut hervorgerufen. Dabei sind die gleichen Gene betroffen, deren Veränderungen (also Mutationen) auch zur Parkinson-Krankheit führen.(6)
Bewegung ist ein wesentlicher Faktor, um das Risiko für eine Demenz zu verringern. Man kann damit sogar eine erblich bedingte Veranlagung ausgleichen.

Bluttests auf Alzheimer
Während das Risiko für eine Familiäre Alzheimer Krankheit (FAD) recht einfach feststellbar ist, sieht es bei der „gängigen“ Alzheimer-Krankheit bislang anders aus. Das Problem: Alzheimer wird oft erst diagnostiziert, wenn die Symptome bereits fortgeschritten sind. Eine Behandlung, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Krankheit abbremsen soll, kommt dann erst spät.
Die jüngste Alzheimer-Forschung für den Diagnose-Bereich konnte nennenswerte Erfolge verbuchen: Zwei Bluttests zur Alzheimer-Diagnose sind auf dem Weg zur Marktreife beziehungsweise stehen kurz davor.
Precivity AD-Bloodtest
Im Jahr 2021 kam in den USA ein Bluttest zur Diagnosestellung von Alzheimer auf den Markt. Der Precivity AD-Bloodtest erfasst unter Berücksichtigung des Alters und einer genetischen Komponente das Verhältnis zweier Proteinvarianten von Amyloid-Beta. Das Amyloid-Beta ist ein giftiges Protein, das sich bei Alzheimer-Patienten im Gehirn ablagert und dort zu Schäden führt.
Der Bluttest gilt als sehr zuverlässig und übertrifft in seiner Genauigkeit Diagnosetechniken wie bildgebende Verfahren („Bilder vom Gehirn“), die die Krankheit oft erst spät erkennen. Der Test wird in Europa zunächst lediglich im Rahmen von Studien verwendet.
Erster Früh-Test zur Alzheimer-Diagnose
Ein deutsch-niederländisches Forscherteam hat einen Bluttest entwickelt, der die Fehlfaltung des Amyloid-Beta Proteins erkennt. Diese Fehlfaltung des Proteins ist für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch. Besonders wichtig: Sie kann schon bis zu zehn Jahre vor Krankheitsausbruch festgestellt werden.
Was bringt ein Frühtest, wenn Alzheimer nicht heilbar ist?
Der Früh-Test des Forscherteams sei mit einer Sensitivität von mindestens 90 Prozent sehr aussagekräftig. Die Sensitivität gibt an, zu wie viel Prozent ein Test bei tatsächlich Erkrankten die Krankheit tatsächlich erkennt. In diesem Fall also: Von 100 Erkrankten kann der Test 90 Erkrankte sicher identifizieren.
Von Vorteil könne das frühe Erkennen von Alzheimer bei der Medikamentengabe sein, die entsprechend früher passiert. „Unsere Ergebnisse zeigen eindeutig, dass in den klinischen Studien heutzutage die Alzheimer-Medikamente zu spät gegeben werden“, betont Studienleiter Prof. Klaus Gerwert. Ebenso sicher könne denjenigen eine Entwarnung gegeben werden, die nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit haben, in den nächsten Jahren an Alzheimer zu erkranken.(7)
Forschung zur Alzheimer-Behandlung
Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen. Dazu zählen zum Beispiel Gedächtnistraining, die Förderung von sozialen Aktivitäten, die demenzgerechte Raumgestaltung oder Kunsttherapie.
Es stehen aber in bestimmten Fällen auch Medikamente zur Verfügung, ganz besonders für die Spätphase der Demenz.
Neues Medikament gegen Alzheimer im Frühstadium
Am 15.04.2025 wurde das neue „Alzheimer-Medikament“ Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab in Deutschland zugelassen. Das Medikament gilt als Hoffnungsschimmer, da es den Krankheitsverlauf im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit verlangsamen kann.
Leqembi kommt nur unter bestimmten Voraussetzungen bei Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder im Frühstadium der Alzheimer-Demenz in Frage.(8)
Impfstoffe gegen Alzheimer
In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Allerdings bislang ohne durchschlagenden Erfolg: Einen wirksamen Impfstoff gegen Alzheimer oder andere Formen von Demenz gibt es bislang nicht.
Wirkstoff Protollin
Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen. Eine erste Humanstudie, das heißt Tests an Menschen, läuft seit 2021 in den USA. Die Studie hat allerdings nur 16 Teilnehmer. Auf dem Weg zur Zulassung kann sie deshalb nur eine von vielen Studien sein.(9)
Wirkstoff AADvac1
Etwas weiter ist die Forschung beim Wirkstoff AADvac1. Dieser Wirkstoff greift bestimmte Proteine im Gehirn an und verhindert deren Verklumpung. So soll die Abnahme der geistigen Fähigkeiten verhindert werden. Zu diesem Wirkstoff gibt es bereits mehrere Studien, die die prinzipielle Wirksamkeit in Bezug auf die Proteine und deren Verklumpung belegen. Allerdings zeigen sich kaum Auswirkungen auf die Symptome der Testpersonen.(10)
Epigenetik und Alzheimer
In der sogenannten Epigenetik wird untersucht, wie Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen weitervererbt werden können. Man weiß bereits, dass Umwelteinflüsse unser Erbgut verändern und Einfluss auf das Risiko von Erkrankungen haben.
So können Ernährungsgewohnheiten oder traumatische Ereignisse an die Kinder- oder Enkelgeneration weitergegeben werden. Prof: Arendt von der Forschungsinitiative Alzheimer erwartet sich auf diesem Gebiet in den kommenden Jahren große Erkenntnisgewinne.(1)
Häufig gestellte Fragen
Ist Demenz vererbbar?
Grundsätzlich ist das größte Risiko an einer Demenz zu erkranken das Alter. Genetische Faktoren können die Entwicklung von Demenz jedoch begünstigen. Sind Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) betroffen, erhöht sich das Risiko. Es gibt einige seltene Demenzformen wie die familiäre Alzheimer-Demenz, bei der das Erkrankungsrisiko hoch ist.
Ist Alzheimer heilbar?
Alzheimer ist derzeit nicht heilbar. Da die Erkrankung immer häufiger vorkommt und eine erhebliche Belastung des Gesundheitssektors zu erwarten ist, wird die Krankheit weltweit ambitioniert erforscht. Viele Forschungsinitiativen haben sich die Heilung der Krankheit als Ziel gesetzt.
Gibt es ein Medikament gegen Demenz?
Demenz ist derzeit nicht heilbar. Medikamente wie Antidementiva und nicht-medikamentöse Therapien wie Ergotherapie können das Fortschreiten der Krankheit jedoch verzögern. Es werden weltweit zahlreiche neue Wirkstoffe und Medikamente gegen Demenz in klinischen Studien erprobt.
Ist Leqembi als Medikament gegen Alzheimer zugelassen?
Ja, Leqembi wurde in Deutschland am 15.04.2025 zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen.