Frontotemporale Demenz / Morbus Pick: Definition
Eine Frontotemporale Demenz wird durch den Rückgang von Nervenzellen (Neurodegeneration) im Stirn- und Schläfenbereich (Fronto-Temporal-Lappen) des Gehirns verursacht. Dieses verliert dadurch fortwährend an Leistungskraft. In der Wissenschaft werden mehrere Unterformen unterschieden, die sich unter dem Begriff der Frontotemporalen Demenz sammeln lassen. Alle Unterformen gehen auf eine Neurodegeneration im Stirnhirn (Frontalhirn) und in den Schläfenlappen (Temporalhirn) zurück.
Gebräuchliche Bezeichnungen für eine Frontotemporale Demenz sind außerdem „Frontale Demenz“ oder „Frontallappendemenz“. Früher war auch der Begriff „Pick-Krankheit“ beziehungsweise „Morbus Pick“ (Morbus = Krankheit) gebräuchlich. Dieser wird heute jedoch nicht mehr oder nur noch sehr selten verwendet.
Frontotemporale Demenz: Unterformen
Die Frontotemporale Demenz lässt sich in folgende Unterformen aufteilen. Diese unterscheiden sich vor allem in ihren Symptomen:
- Die verhaltensbetonte, behaviorale Form: Sie äußert sich in Störungen von Verhalten und der Persönlichkeit, wie beispielsweise taktloses Sozialverhalten, Aggressivität oder maßloses Essverhalten.
- Die primär progressiven Aphasien (PPA): Diese Formen sind sprachbezogen. Betroffene haben Wortfindungsstörungen und vergessen die Bedeutung von Wörtern. Auch hier werden mehrere Unterformen unterschieden:
- Die Semantische Demenz/PPA: Bezeichnungen und Gegenstände können nicht mehr in Einklang gebracht werden.
- Die progrediente nicht-flüssige/agrammatische Aphasie: Stockende Sprache und eingeschränkter Sprachfluss.
- Logopenische PPA: Wortfindungsstörungen und dadurch auftretende Schwierigkeiten bei längeren Sätzen oder unbekannten Wörtern.(2)
Frontotemporal Dementia und FTD: Bedeutung
Alle genannten Unterformen gehören zu den Frontotemporalen lobären Degenerationen (oder auch Lobärdegeneration). Sie werden im allgemeinen Sprachgebrauch aber unter der „Frontotemporalen Demenz, kurz „FTD“, zusammengefasst (englisch: Frontotemporal Dementia).
Frontotemporale Demenz: Eine neurodegenerative Demenz
Die Frontotemporale Demenz beziehungsweise Morbus Pick gehört neben Alzheimer und der Lewy-Körperchen-Demenz zu den neurodegenerativen Demenzen.
Frontotemporale Demenz: Epidemiologie
Im Gegensatz zu anderen Demenzerkrankungen, wie beispielsweise Alzheimer, treten die Symptome einer Frontotemporalen Demenz früher auf. Die Alterspanne dieser Erkrankung ist mit 20 bis 85 Jahren außerdem sehr groß. Durchschnittlich erkranken Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren an einer Frontotemporalen Demenz. Während etwa 70 Prozent aller Demenzen durch die Alzheimer-Krankheit verursacht werden, leiden etwa drei bis neun Prozent aller Demenzerkrankten an einer Frontotemporalen Demenz. Bei Patienten unter 65 Jahren treten die beiden Demenzarten jedoch gleich häufig auf. Geschlechterunterschiede zeigen sich hierbei nicht.(1)
Frontotemporale Demenz: Symptome
Im Gegensatz zu einer Demenz von Typ Alzheimer, bei der Gedächtnislücken mit der Zeit immer auffälliger werden, äußert sich eine Frontotemporale Demenz vor allem in einer drastischen Veränderung der Persönlichkeit und des Verhaltens. Der Grund: Im Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns werden unter anderem die Emotionen und das Sozialverhalten gesteuert. Dabei können die Symptome bei den Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt sein und unterschiedlich schnell auftreten.
Die typischen Symptome für eine Frontotemporale Demenz treten in folgenden Bereichen auf:(1)
Verändertes Sozialverhalten bei Frontotemporaler Demenz
Patienten verhalten sich plötzlich aggressiv und zeigen eine erhöhte Reizbarkeit, obwohl sie ihr Leben lang sehr ruhige, freundliche Menschen waren. Der Umgang mit Demenzerkrankten kann herausfordern: Auch oberflächliches, unkonzentriertes, sorgloses oder unbedachtes Verhalten tritt häufig auf. Sie vernachlässigen ihre Pflichten im Beruf und der Familie. Erkrankte ziehen sich zurück und meiden den Kontakt zu anderen Menschen. Viele verlieren auch das Interesse an ihren Hobbys, werden teilnahmslos und apathisch.
Betroffene nehmen häufig weder Rücksicht auf gesellschaftliche oder soziale Normen noch auf ein freundliches Miteinander. Sie äußern dann hemmungslos ihre Meinung, oft in einer äußerst hartnäckigen, trotzigen und strengen Art und Sprache. Die Betroffenen entwickeln teilweise ungewöhnliche Rituale oder Verhaltensweisen, die sich ständig wiederholen. Bei einigen Betroffenen entsteht durch die Frontotemporale Demenz auch eine sexuelle Unbeherrschtheit.
Veränderter Lebensstil bei Frontotemporaler Demenz
Oftmals essen und trinken Erkrankte maßlos. Auf einmal scheint es kein Halten mehr zu geben. Häufig stellt sich ein Heißhunger, vor allem auf Süßigkeiten, oder eine besonders große Lust auf bestimmte Lebensmittel ein. Eine Frontotemporale Demenz kann auch Schlafstörungen auslösen. Dann schlafen Betroffene entweder sehr viel oder an manchen Tagen fast gar nicht mehr. Außerdem halten sich viele der Patienten für gesund und sehen nicht ein, dass sie an einer Krankheit leiden.
Körperliche Veränderungen bei Frontotemporaler Demenz
Bei manchen Patienten zeigen sich auch neurologische, körperliche Symptome, die man eher von Parkinson kennt: Sie verändern die Körperhaltung, entwickeln eine Gangstörung oder gehen nach vorne gebeugt. Betroffene bewegen sich langsamer und können eine Schluckstörung entwickeln.
Sprachstörungen treten bei den Unterformen der semantischen Demenz sowie der progredienten nicht-flüssigen Aphasie auf. Patienten haben dann starke Wortfindungsschwierigkeiten, sprechen Wörter falsch aus oder vergessen die Bedeutung der Wörter. Ebenfalls können die Betroffenen gänzlich verstummen.
Risikofaktoren & Ursachen der Frontotemporalen Demenz
Bei der Frontotemporalen Demenz sind bislang nur genetische Risikofaktoren bekannt, die die Krankheitsentstehung begünstigen können. Es gibt jedoch nachgewiesene Fälle, in denen die Krankheit durch verändertes Erbgut (Mutation) beziehungsweise Gendefekte hervorgerufen wurde.(4) Bis zu einem Viertel der Fälle sind erblich bedingt.(5) Auch Stoffwechselerkrankungen gelten als ein Risikofaktor für das Entstehen von Demenzen.(6) Klare Präventionsmaßnahmen gegen eine Frontotemporale Demenz gibt es nicht.
Diagnostik der Frontotemporalen Demenz

Die Diagnostik einer Frontotemporalen Demenz ist schwierig. Die ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten und Persönlichkeitsveränderungen lenken die Diagnose zu Beginn oft auf eine Reihe anderer Erkrankungen wie etwa eine Manie, Schizophrenie, Alkoholsucht, Depression oder Demenz-Erkrankungen wie Alzheimer.
Der Arzt wird zunächst eine Anamnese erstellen und einen Demenz-Test, zum Beispiel das Frontal Behavioral Inventory, durchführen. Dieser Test wurde eigens für die Diagnostik im Rahmen des Verdachts auf eine Frontotemporale Demenz entwickelt.(8)
Tests und bildgebende Verfahren helfen bei der Diagnose
Zu den weiteren Diagnostikinstrumenten zählen Tests des Gedächtnisses, der Sprache und des Denkvermögens. Dazu gehören zum Beispiel der Uhrentest, der Mini-Mental-Status-Test oder der DemTect-Test. Doch besonders Gespräche mit den Angehörigen können wichtige Informationen liefern. Falls es bereits in der Verwandtschaft Personen mit einer Frontotemporalen Demenz gibt, kann auch ein Gentest die Diagnose vereinfachen.
Atrophie: Wenn das Gehirn schrumpft
Bildgebende Verfahren wie eine Computertomografie (CT) oder Kernspintomografie (MRT) können verlässliche Beweise für eine Frontotemporale Demenz liefern. Weil Nervenzellen absterben, nimmt die Masse des Hirngewebes ab (sogenannte Hirninvolution). Durch beide Techniken wird im Krankheitsfall die Schrumpfung beziehungsweise der Gewebeschwund (Atrophie oder Hirnatrophie) der Stirn- und Schläfenlappen sichtbar.
Mit einer sogenannten Positronen-Emissions-Tomografie (PET) kann eine veränderte Stoffwechselaktivität im Stirn- und Schläfenbereich nachgewiesen werden. Diese tritt dann auf, da weniger Zellen im Gehirn auch weniger Energie beziehungsweise Zucker verbrauchen.
Um die Frontotemporale Demenz von der Alzheimer-Krankheit zu unterscheiden, kann die Untersuchung der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit auf darin enthaltene Eiweißstoffe hilfreich sein.
Frontotemporale Demenz: Verlauf & Stadien
Eine Frontotemporale Demenz beginnt relativ früh, typischerweise zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, kann aber auch schon bei jüngeren Patientengruppen und jungen Menschen im Alter von 20 Jahren auftreten.(1)
Frontotemporale Demenz im Anfangsstadium
Die ersten Symptome einer Frontotemporalen Demenz sind ein gestörtes Sozialverhalten, Teilnahmslosigkeit und Aggressivität. Viele Angehörige erkennen den Betroffenen nicht wieder, obwohl er ihnen seit vielen Jahren vertraut ist.
Nach und nach treten weitere Störungen auf, wie beispielsweise Sprachstörungen, die den Verdacht auf eine Frontotemporale Demenz bestätigen können. Betroffene kommen ebenfalls schwerer mit dem Alltag zurecht.
Frontotemporale Demenz im fortgeschrittenen Stadium
Im Gegensatz zu anderen Typen von Demenz, zum Beispiel Alzheimer, kommt es bei einer Frontotemporalen Demenz erst relativ spät zu Orientierungs- und Gedächtnisstörungen. Diese sind auch in ihrem Ausmaß nicht so stark ausgeprägt.
Im fortgeschrittenen Stadium erkennen Patienten oftmals dann auch vertraute Gesichter nicht mehr wieder. Das Gedächtnis und andere Fähigkeiten bleiben jedoch noch lange erhalten. Wie bei der verhaltensbetonten Form können zusätzlich noch Veränderungen bei Verhalten und der Persönlichkeit vorkommen.
Viele Patienten werden im fortgeschrittenen Stadium der Demenz inkontinent. Unabhängig davon kann es auch passieren, dass die körperliche Hygiene vernachlässigt wird. Im Endstadium der Krankheit werden viele Erkrankte bettlägerig und zu einem schweren Pflegefall.
Frontotemporale Demenz im Endstadium
Ist die Frontotemporale Demenz weit fortgeschritten, so ähnelt sie in den Symptomen vor allem der Alzheimer-Krankheit: Es kommt zum weitgehenden Verlust der Selbstständigkeit und teilweise auch der Sprache. Bettlägerigkeit und weitere körperliche Einschränkungen (zum Beispiel Schluckstörungen) können folgen. Im Endstadium von Morbus Pick bekommen Patienten oftmals eine Lungenentzündung, die dann zum Tode führt.
Wenn ein Mensch in seiner Selbstständigkeit eingeschränkt ist, braucht er meist Unterstützung im Alltag. In diesem Fall lohnt es sich immer, den möglichen Pflegebedarf zu prüfen. Gegebenenfalls stehen Betroffenen nämlich Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung zu.
Frontotemporale Demenz: Therapie
Es gibt noch keine gezielte Therapie zur Behandlung einer Frontotemporalen Demenz, weil die Ursachen dieses Demenztyps nicht bekannt beziehungsweise nicht beeinflussbar sind.(2) Den Ärzten bleibt nur die Möglichkeit, bei der Demenz Therapie auffällige Verhaltensweisen medikamentös zu mildern, also etwa Beruhigungsmittel oder Antidepressiva zu verschreiben, die für mehr Ausgeglichenheit sorgen sollen. Neuroleptika können gegen ausgeprägte Unruhe oder Aggressivität helfen.(9) Diese können aber wiederum Nebenwirkungen wie Muskelsteifheit oder Müdigkeit hervorrufen.(10)

Die nicht-medikamentöse Therapie zielt darauf ab, Aggressionen durch verstärkte Bewegung (zum Beispiel Wandern oder Sport) möglichst zu beruhigen. Massiven Rückzugstendenzen wird durch behutsame Aktivierung mild entgegen gesteuert. Bei Unruhe ist das Ziel, ruhige Impulse zu setzen, etwa durch Spaziergänge oder Entspannungsübungen. Eine Sprachtherapie kann bei Sprachproblemen von Hilfe sein.(9)
Jeder Patient reagiert anders, daher gilt es, ein paar unterschiedliche Methoden auszuprobieren. Während der eine durch Unternehmungen und Musik gut stimuliert werden kann, lassen sich andere auf der kreativen Ebene durch Kunst oder Tanzbewegungen eher mobilisieren.
Frontotemporale Demenz: Lebenserwartung
Experten gehen davon aus, dass die Erkrankungsdauer, also die Lebenserwartung, bei rund acht Jahren nach Diagnosestellung liegt.(1) Es sind jedoch auch Fälle bekannt, in denen die Lebensdauer geringer (rund sechs Jahre) oder deutlich höher (rund 16 Jahre) war.
Frontotemporale Demenz: Todesursache
Wie bei anderen Demenz-Formen auch, sind die Todesursachen meistens nicht die Demenzerkrankung selbst, sondern deren Folge wie beispielsweise eine Lungenentzündung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Kachexie (starker Gewichtsverlust und Mangelernährungszustand).(12)
Frontotemporale Demenz: Tipps für pflegende Angehörige
Das familiäre Umfeld kennt einen meist am besten. Angehörige merken also als erstes, wenn sich ihr vertrautes Familienmitglied drastisch verändert. Beobachten Sie das über eine längere Zeit, zögern Sie nicht und gehen Sie mit ihrem Angehörigen zum Arzt.
Das kann im Einzelfall sehr schwer für Sie sein, denn das taktlose, enthemmte und oft aggressive Auftreten des Erkrankten macht es unangenehm, sich in der Öffentlichkeit mit ihm zu bewegen oder im Warteraum eines Arztes zu sitzen. Doch führen Sie sich immer wieder vor Augen, dass die betroffene Person all dies nicht absichtlich tut. Wut und Aggressionen bei Demenz sind Auswirkungen der Krankheit.
Frontotemporale Demenz: Erfahrungen austauschen
Für Sie als Angehöriger ist vor allem wichtig, dass Sie auf Ihre Grenzen achten. Aggressives, taktloses und enthemmtes Verhalten verwandelt einen einst geliebten Menschen bis zur Unkenntlichkeit – aber nichts von diesem Verhalten zeigt er absichtlich oder gezielt. Er/sie ist nur einfach nicht mehr in der Lage, sich anders zu verhalten.
Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen – solch ein Austausch kann bei der Verarbeitung des Erlebten helfen. Im Internet finden Sie außerdem Erfahrungsberichte, Fallbeispiele oder Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige.
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Frontotemporale Demenz?
Die Frontotemporale Demenz ist eine seltene Form der Demenz und unterscheidet sich in ihrem Krankheitsbild stark von den meisten anderen Demenzformen. Sie äußert sich in einer drastischen Veränderung der Persönlichkeit und des Verhaltens des Betroffenen. Im Vergleich zu anderen Demenzarten kann sie schon in relativ jungem Alter (ab 20 bis 85 Jahren) beginnen. Eine Frontotemporale Demenz wird durch den Rückgang von Nervenzellen (Neurodegeneration) im Stirn- und Schläfenbereich (Fronto-Temporal-Lappen) des Gehirns verursacht.
Wie entsteht eine Frontotemporale Demenz?
Eine Frontotemporale Demenz wird durch den Rückgang von Nervenzellen des Gehirns verursacht. Dieses verliert dadurch fortwährend an Leistungskraft. Eine Frontotemporale Demenz vor allem in einer drastischen Veränderung der Persönlichkeit und des Verhaltens. Der Grund: Im Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns werden unter anderem Emotionen und das Sozialverhalten gesteuert. Bislang sind keine nicht-genetischen Risikofaktoren bekannt, die eine Frontotemporale Demenz begünstigen können.
Kann man einer Frontotemporalen Demenz vorbeugen?
Eine klare Prävention für eine Frontotemporale Demenz gibt es nicht. Dies liegt daran, dass sie ihren Ursprung meist im Erbgut hat. Formen wie der vaskulären Demenz oder sekundären Demenzen kann man jedoch mit diesen Tipps vorbeugen.
Ist eine Frontotemporale Demenz tödlich?
Ist die Frontotemporale Demenz weit fortgeschritten, kommt es meistens zum weitgehenden Verlust der Selbstständigkeit. Bettlägerigkeit und weitere körperliche Einschränkungen (zum Beispiel Schluckstörungen) können folgen. Im Endstadium bekommen Patienten oftmals eine Lungenentzündung, die dann zum Tode führt.