Stressinkontinenz / Belastungsinkontinenz: Definition
Eine Stressinkontinenz zeichnet sich dadurch aus, dass Betroffene unwillkürlich Harn lassen, sobald sie sich körperlich anstrengen. Oft reicht hierfür bereits Husten, Lachen oder schweres Heben aus. Denn all dies übt auf den Bauchraum Druck aus und führt bei einer Stressinkontinenz zum ungewollten Urinverlust. Aus diesem Grund wird diese Form der Harninkontinenz auch Belastungsinkontinenz genannt.
Stressinkontinenz: Symptome
Immer dann, wenn Druck auf den Bauchraum wirkt, können Betroffene mit einer Belastungsinkontinenz den Urin nicht mehr sicher halten. Dieser Druck auf den Bauchraum entsteht bei körperlicher Belastung.
Körperliche Belastung muss dabei nicht unbedingt Sport wie etwa Joggen bedeuten. Schon bei natürlichen Reflexen, wie etwa beim Husten oder beim Niesen, verlieren Betroffene mit einer Stressinkontinenz ungewollt Urin.
In vielen Fällen verspüren sie vorher keinerlei Harndrang. Die einen verlieren nur ein paar Tröpfchen Urin, andere lassen mehr Blaseninhalt.
Körperliche Belastung als Auslöser einer Stressinkontinenz
Inkontinenzmaterial bei Stressinkontinenz
Ungewollter Urinverlust kündigt sich nicht direkt an. Allerdings können Betroffene einer Stressinkontinenz davon ausgehen, dass sie beim nächsten Mal Husten, Niesen oder Heben ungewollt Harn verlieren. Das Wissen darüber stimmt sie unsicher, weshalb viele ihre Aktivitäten herunterfahren. Doch das muss nicht sein.
Gehen Sie im ersten Schritt zum Arzt und klären Sie Ihre Beschwerden ab. Informieren Sie sich bei Ihrem Arzt auch zum sogenannten Inkontinenzmaterial. Dieses gibt es in verschiedenen Ausführungen, je nach individuellem Bedarf.
Grade der Belastungsinkontinenz
Eine Stressinkontinenz wird nach drei Graden eingeteilt, je nachdem welches Maß an körperlicher Belastung bereits ausreicht bis der Urin beziehungsweise Harn ungewollt austritt.
Je höher der Grad, desto schwerer die Belastungsinkontinenz:
- Grad 1: Person verliert ungewollt Urin beim Husten, Niesen, Lachen, Heben oder Tragen schwerer Dinge
- Grad 2: Person verliert ungewollt Urin beim Gehen, Aufstehen oder Treppensteigen
- Grad 3: Person verliert bereits im Liegen ungewollt Urin
Stressinkontinenz: Ursachen
Die Ursache einer Stresinkontinenz ist in den meisten Fällen ein geschwächter Beckenboden. Die Beckenbodenmuskulatur umschließt die Körperöffnungen im Unterleib und hält die Organe des Beckens wie eine Art Schale in der vorgesehenen Position zusammen.
Ist die Muskulatur geschwächt oder geschädigt, verlieren Betroffene einer Stressinkontinenz ungewollt Urin, sobald der Druck im Bauchraum erhöht ist – etwa bei körperlicher Anstrengung.
Weitere geschlechtsunspezifische Ursachen einer Belastungsinkontinenz sind unter anderem:(1)
- Schwere körperliche Arbeit
- Starkes Übergewicht oder Adipositas
- Chronischer Husten
- Chronische Verstopfung
- Ein gelähmter Harnröhrenschließmuskel (etwa nach in Folge einer Rückenmarksverletzung)
Ursachen der Belastungsinkontinenz beim Mann
Bei Männern wird die Beckenbodenmuskulatur zusätzlich von der Prostata unterstützt. Daher sind Männer im Vergleich zu Frauen deutlich seltener von einer Belastungsinkontinenz betroffen.
Liegt eine Stressinkontinenz beim Mann vor, ist die Ursache häufig eine geschwächte oder geschädigte Blasenschließmuskulatur, etwa nach einer Operation oder einem Unfall. In vielen Fällen kommt es zu einer Belastungsinkontinenz beim Mann nach einem chirurgischen Eingriff an der Prostata, zum Beispiel nach einer operativen Behandlung bei Prostatakrebs.
Ursachen der Belastungsinkontinenz bei einer Frau
Frauen haben nur den Beckenboden, der die Bauchorgane tragen muss. Zudem ist der Beckenboden von Frauen durch Schwangerschaften und (vaginale) Geburten zeitweise enorm belastet, sodass deutlich mehr Frauen unter einer Belastungsinkontinenz leiden als Männer.
Ist der Beckenboden durch Geburten oder Schwangerschaften einmal geschwächt, kann der Blasenschließmuskel bei Anstrengung absinken und nachgeben. Deshalb können etwa nach mehreren Geburten – zumindest zeitweise – schon junge Frauen im Alter von 30 von einer Belastungsinkontinenz betroffen sein.(2)
Daneben können aber auch hormonelle Veränderungen nach den Wechseljahren oder Operationen am Unterleib den Beckenboden schwächen.
Belastungsinkontinenz: Therapien im Überblick
Die Behandlung ist immer abhängig von den Ursachen, die die Stressinkontinenz-Symptome ausgelöst haben. Da hier meist mehrere Risikofaktoren zusammenspielen, müssen die Therapiemaßnahmen an die individuellen Befunde angepasst werden.
Konservative Therapien bei Stressinkontinenz
Bei leichteren Formen der Belastungsinkontinenz (Grad 1 und Grad 2) können konservative Methoden bereits gute Ergebnisse oder gar eine Heilung der Belastungsinkontinenz bewirken.
Eine konservative Therapie sollte immer einer operativen Behandlung vorgezogen werden. Weil in vielen Fällen ein geschwächter Beckenboden der Auslöser ist, zielt ein Großteil der Therapiemaßnahmen darauf ab, die Beckenbodenmuskulatur wieder nachhaltig zu stärken.
Dafür kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage:
- Gewichtsreduktion
- Beckenbodentraining
Diese Maßnahmen gehören auch zur sogenannten Kontinenzförderung.(1)
Gewichtsreduktion bei Belastungsinkontinenz
Übergewicht stellt einen Risikofaktor für Belastungsinkontinenz dar, da das zusätzliche Körpergewicht den Beckenboden belastet. Gewichtsverlust bringt in vielen Fällen bereits eine deutliche Linderung der Inkontinenzbeschwerden.
Beckenbodentraining bei Belastungsinkontinenz
Wie jeden anderen Muskel können Sie auch Ihre Beckenbodenmuskulatur trainieren. Mittels geeigneter Übungen können Betroffene die Muskulatur und die Bänder des Halteapparates nachhaltig kräftigen.
Das Beckenbodentraining kann um weitere Aspekte ergänzt werden:
- Biofeedbackgerät: Mithilfe von optischen und akustischen Signalen lernt der Patient seine Beckenbodenmuskulatur wahrzunehmen und zu beeinflussen.
- Elektrostimulation: Elektrische Stromimpulse sollen die Beckenbodenmuskulatur aktivieren.
- Vaginalkonen: Kleine, kegelförmige Gewichte können als Beckenboden-Trainingshilfe in die Vagina eingeführt werden. Mithilfe der Beckenbodenmuskulatur sollen Patientinnen diese Gewichte zurückhalten.
Medikamente bei Stressinkontinenz
Ist eine Belastungsinkontinenz die Folge eines Östrogenmangels bei Frauen, dann kann auch eine Hormontherapie mittels Vaginalzäpfchen oder Vaginalcreme positive Auswirkungen haben.
Darüber hinaus unterstützen Medikamente mit dem Wirkstoff Duloxetin eine Stärkung des Blasenschließmuskels. Wie die meisten Medikamente ist auch dieses Mittel nicht frei von unerwünschten Nebenwirkungen.(2)
Operation bei Stressinkontinenz
In schweren Fällen einer Belastungsinkontinenz oder falls eine Besserung der Symptome durch konservative Behandlungsmaßnahmen wie Beckenbodentraining und die Einnahme von Medikamenten ausbleibt, kann die Belastungsinkontinenz auch operativ behandelt werden.
Dazu stehen unterschiedliche Operationsverfahren zur Verfügung:(1)
- TVT-Operation
- Kolposuspension
- Unterspritzung der Harnröhre
- Künstlicher Schließmuskel
TVT-Operation bei Belastungsinkontinenz
Eine der geläufigsten Operationen mit einer Belastungsinkontinenz ist die sogenannte TVT-Operation. Dabei wird ein kleines Kunststoffbändchen locker unter der Harnröhre hindurchgeführt und durch die Bauchdecke nach außen geführt. Durch dieses künstliche Harnröhrenband gibt der Schließmuskel bei Belastung nicht mehr sofort nach.
Der Eingriff kann minimalinvasiv unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden und dauert in der Regel nur etwa 20 Minuten. Die Erfolgsquote bei der TVT-Operation ist erstaunlich hoch. Im ersten Jahr nach dem Eingriff beträgt die Heilungsrate rund 75 Prozent.(1)
Kolposuspension bei Belastungsinkontinenz
Eine andere bewährte Operationsmethode bei Belastungsinkontinenz ist die sogenannte Kolposuspension nach Burch. Dabei wird der Blasenhals operativ angehoben und fixiert. Auch diese Operation kann minimal invasiv durchgeführt werden.(3)
Unterspritzung der Harnröhre bei Belastungsinkontinenz
Bei dieser Operationsmethode wird in die Wand der Harnröhre, meist unter lokaler Betäubung, eine hyaluronsäurehaltige Substanz gespritzt. Dadurch wird die Harnröhre verengt und der Blasenschließmuskel aufgepolstert, sodass er auch unter Druck wieder zuverlässig hält.(1)
Künstlicher Schließmuskel bei Belastungsinkontinenz
Handelt es sich um eine schwerwiegende Form der Belastungsinkontinenz, kann dem Betroffenen ein künstlicher Schließmuskel zur Kontinenz verhelfen. Durch ein künstliches Schließmuskelimplantat ist die Harnröhre durch eine ringförmige Manschette geschlossen.
Zugleich ermöglicht eine im Hodensack oder in der Vulvalippe einliegende Pumpe das kontrollierte Wasserlassen.
Obwohl sich ein Schließmuskelimplantat durch eine hohe Erfolgsquote auszeichnet, sollte ein künstlicher Schließmuskel erst als letzte Therapiemöglichkeit in Betracht gezogen werden. Revisionsoperationen in Folge von mechanischem Versagen des künstlichen Schließmuskels können eine Komplikation darstellen.(1)
Häufig gestellte Fragen
Was ist Stressinkontinenz?
Anders als der Name vermuten lässt, wird die Stressinkontinenz nicht durch (psychischen) Stress ausgelöst. Betroffene verlieren vielmehr ungewollt Urin unter körperlicher Belastung. Daher wird sie auch als Belastungsinkontinenz bezeichnet. Bei der Belastungsinkontinenz lassen Betroffene ungewollt Harn, sobald sich der Druck auf den Bauchraum beispielsweise durch schweres Heben oder Husten erhöht.
Urin läuft einfach raus, was kann ich tun?
Wenn Sie ungewollt Urin verlieren, kann das unterschiedliche Ursachen haben. Unter Umständen liegt bei Ihnen eine sogenannte Stressinkontinenz vor, die meist auf eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur zurückzuführen ist. Die gute Nachricht: Mit gezielten Übungen können Sie Ihren Beckenboden stärken. Im ersten Schritt empfehlen wir jedoch immer einen Arztbesuch, um die Symptome abzuklären.
Was tun bei Belastungsinkontinenz?
Gehen Sie im ersten Schritt zum Arzt. Denn nur ein Arzt kann die genaue Ursache für Ihre Inkontinenz-Beschwerden abklären und die jeweilige Harninkontinenz-Form bestimmen. Bei der Diagnose Belastungsinkontinenz leitet Ihr Arzt die für Sie speziell geeigneten Therapiemaßnahmen ein. Hierzu ein paar Beispiele:
- Liegt der Stressinkontinenz eine Erkrankung zu Grunde, wird diese als erstes behandelt.
- Ist ein geschwächter Beckenboden die Ursache der Belastungsinkontinenz hilft in vielen Fällen das sogenannte Beckenbodentraining.
- Sie können die Belastungsinkontinenz mit speziellen Hilfsmitteln versorgen, zum Beispiel mit Inkontinenzmaterial.
- In schweren Fällen einer Belastungsinkontinenz, kann sie auch operativ behandelt werden. Eine der häufigsten Operationen bei Belastungsinkontinenz ist die sogenannte TVT-Operation.
Was meint Grad 1 bei einer Belastungsinkontinenz?
Grad 1 der Belastungsinkontinenz (auch Stressinkontinenz) steht für einen Harnverlust bei starker Drucksteigerung im Bauch. Grad 1 ist der niedrigste Grad und beschreibt somit die leichteste Form der Stressinkontinenz.
Was meint Grad 2 bei einer Belastungsinkontinenz?
Grad 2 der Belastungsinkontinenz (auch Stressinkontinenz) steht für einen Harnverlust bei mäßiger Drucksteigerung im Bauch. Insgesamt gibt es drei Grade. Grad 2 beschreibt somit die mittlere Form der Stressinkontinenz.
Was meint Grad 3 bei einer Belastungsinkontinenz?
Grad 3 der Belastungsinkontinenz (auch Stressinkontinenz) steht für einen Harnverlust bei sehr schwacher Drucksteigerung im Bauch. Grad 3 ist der höchste Grad und beschreibt somit die schwerste Form der Stressinkontinenz.