Die Pflegekassen verwalten das Geld der Pflegeversicherung, prüfen die Ansprüche von Versicherten und zahlen die entsprechenden Leistungen aus. Bei Privatversicherten übernehmen diese Aufgaben die Pflege-Pflichtversicherungen (PPV).
pflege.de hat für Sie die wichtigsten Infos rund um die Pflegefinanzierung zusammengetragen.
Die Pflegekassen sind die Träger der sozialen gesetzlichen Pflegeversicherung. Sie sammeln die Beiträge zur Pflegeversicherung von den Versicherten und müssen mit diesem Geld die gesetzlichen Ansprüche der Versicherten erfüllen. Organisatorisch sind die Pflegekassen den Krankenkassen angegliedert, sie gelten aber als eigenverantwortliche Institutionen unter staatlicher Aufsicht.(1)
Aufgabe der Pflegekassen ist es dafür zu sorgen, dass ihre Versicherten mit Pflegebedarf gut versorgt werden. Und das nicht nur indem Sie Geld- und Sachleistungen zur Verfügung stellen, sondern auch indem Sie die verschiedenen Angebote miteinander vernetzen und für eine individuelle Beratung der Versicherten sorgen.(2)
Wichtige Einrichtungen der Pflegekassen:
Mit Hilfe der Pflegestützpunkte sollen die Pflegekassen regionale Angebote erfassen und vernetzen.
Mit Hilfe der Pflegeberatung sollen die Pflegekassen sicherstellen, dass im Einzelfall alle erforderlichen Maßnahmen und Leistungen nahtlos ineinandergreifen.
Pflegekassen sind Träger der sozialen Pflegeversicherung
Die deutsche Sozialversicherung besteht aus fünf Versicherungen, die für die meisten Arbeitnehmer, Studierende, Rentner und einige andere Gruppen verpflichtend sind. Man spricht auch von den „fünf Säulen der deutschen Sozialversicherung “.
Das bedeutet, dass in Deutschland jeder mit einer Krankenversicherung auch eine Pflegeversicherung hat. Auch wenn das viele Menschen nicht wissen, weil sie die meiste Zeit über nur mit ihrer Krankenkasse zu tun haben, aber nicht mit ihrer Pflegekasse.
Gesetzliche Pflegekasse und private Pflegeversicherung
Unabhängig davon, ob Sie sozial oder privat versichert sind: Pflegeversicherung ist Pflicht. Darüber hinaus gibt es aber Unterschiede.
Für gesetzlich Versicherte gilt: Die Pflegeversicherung folgt automatisch der Krankenversicherung. Das heißt, es ist immer diejenige Pflegekasse für Sie zuständig, die zu Ihrer Krankenkasse gehört.
Für Privatversicherte gilt: Wer sich für eine private Krankenversicherung entscheidet, muss auch eine Pflege-Pflichtversicherung (PPV) abschließen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese von einem anderen Anbieter zu wählen als die Krankenversicherung.
Info
Gleichwertige Leistungen
Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung (PPV) sind gleichwertig. Ähnlich wie die privaten Krankenversicherungen arbeiten die privaten Pflegeversicherungen aber mit nachträglichen Kostenerstattungen statt mit Sachleistungen.
Pflegekassen und Pflegezusatzversicherungen
Die Pflegekassen kommen nicht für die gesamten Pflegekosten auf, sondern zahlen Leistungen nur bis zu einer bestimmten Obergrenze. Sie sollen die Gesamtkosten abfedern, nicht vollständig finanzieren.
In der Regel bleibt also trotz der Leistungen der Pflegekasse ein Eigenanteil übrig, den Sie selbst bezahlen müssen. Genau dafür sind Pflegezusatzversicherungen da. Wie der Name schon sagt, sind es zusätzliche und somit freiwillige Versicherungen.
Eine Pflegezusatzversicherung müssen Sie nicht bei Ihrer ansonsten zuständigen Pflegekasse abschließen. Sie können aus allen Angeboten frei wählen.
Pflegekasse und Krankenkasse: Was ist der Unterschied?
Die Pflegekasse gehört zur Pflegeversicherung, die Krankenkasse zur Krankenversicherung. So weit, so gut. Doch weil beide Kassen im weitesten Sinne für unsere Gesundheit zuständig sind, ist manchmal nicht ganz klar, wo die Zuständigkeit der Krankenkasse aufhört und die der Pflegekasse beginnt.
Prinzipiell gilt: Alle von einem Arzt per Rezept verordneten Heilbehandlungen, medizinische Hilfsmittel und akute Versorgungsleistungen finanziert die Krankenkasse. Dazu gehört zum Beispiel auch die kurzfristige häusliche Krankenpflege, also die ärztlich verordnete Behandlungspflege im Rahmen einer akuten Erkrankung oder Verletzung.(4)
Die Leistungen der Pflegekasse sind darauf ausgerichtet, mittel- bis langfristig pflegebedürftige Personen zu versorgen. Die wichtigste Voraussetzung, um Leistungen der Pflegekasse zu erhalten, ist ein anerkannter Pflegegrad.
Pflegekasse und Pflegegrade
So unterschiedlich wie die Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die einzelnen Pflegesituationen und die Anforderungen an eine gute Versorgung. Deshalb finanziert die Pflegekasse eine Vielzahl verschiedener Pflegeleistungen, von denen Sie viele individuell kombinieren können und sollten.
Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf Pflegeleistungen ist dabei stets ein anerkannter Pflegegrad. Dieser wird Ihnen von der Pflegekasse oder der Pflegepflichtversicherung zugeteilt, nachdem ein qualifizierter Gutachter die individuelle Pflegesituation vor Ort erfasst und ein Pflegegutachten erstellt hat.
Erkennt die Pflegekasse keinen Pflegegrad an, haben Sie auch keinen Anspruch auf Pflegeleistungen. Es besteht aber die Möglichkeit, Widerspruch gegen einen Bescheid der Pflegekasse einzulegen, wenn dieser Ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigt ist.
Nur sehr schleppend setzt sich das Wort „Pflegegrad“ durch, viele sprechen fälschlicherweise noch immer von „Pflegestufen“. Dabei gibt es schon seit 2017 keine Pflegestufen mehr, sondern nur noch Pflegegrade. Doch nicht nur die Bezeichnung hat sich damals geändert.
Im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze wurden das gesamte Begutachtungsverfahren und die Leistungsansprüche überarbeitet. Viele Personen mit Unterstützungsbedarf, die früher keinen Anspruch auf eine Pflegestufe (0-3) hatten, haben jetzt Anspruch auf einen Pflegegrad (1-5) und damit auf Pflegeleistungen.
Außerdem orientiert sich das neue Begutachtungsverfahren nicht mehr allein am praktischen Versorgungsbedarf, sondern am Grad der Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person. Damit rückt die bedürftige Person mehr in den Mittelpunkt und nicht allein der Pflegeaufwand für andere.
Pflegefinanzierung mit Leistungen der Pflegekasse
Kernaufgabe der Pflegekassen ist es, die Pflege bedarfsgerecht zu finanzieren. Allerdings nur bis zu gewissen Obergrenzen. Die tatsächlichen Kosten liegen oft darüber und Mehrkosten müssen von den Betroffenen selbst getragen werden.
Info
Was ist mit „bedarfsgerecht“ gemeint?
Die Pflegekasse finanziert nicht pauschal alle Pflegeformen mit den gleichen Beträgen, sondern trägt für jede Variante und Leistung individuelle Leistungssätze, die sich (unter anderem) an den üblichen Kosten orientieren. Beispiel: Für die Finanzierung von professionellen Pflegekräften stellt die Pflegekasse mehr Geld bereit als für das Engagement von Angehörigen.
Als Versicherungsnehmer haben Sie das gute Recht, alle in Ihrem Fall sinnvollen Leistungen der Pflegekasse in Anspruch zu nehmen, zu denen Sie berechtigt sind. Dafür sollten Sie Ihre Ansprüche gegenüber der Pflegekasse möglichst gut kennen.
Tipp
Mehr als Pflegeleistungen
Zu einer cleveren Pflegefinanzierung gehören neben den direkten Geld- und Sachleistungen auch Pflegehilfsmittel, das Absetzen von Pflegekosten bei der Steuer und oft die Übernahme von Beiträgen für die Rente von pflegenden Angehörigen. pflege.de bietet Ihnen einen Überblick zum Einstieg in diese Themen.
Pflegeleistungen der Pflegekasse
Pflegeleistungen sind direkte Geld- oder Sachleistungen für die Pflegetätigkeit von professionellen Pflegekräften, Betreuungskräften oder ehrenamtlich Pflegenden. Besonders bekannt ist das Pflegegeld, doch darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Pflegeleistungen.
Wichtige Pflegeleistungen:
Pflegegeld: Für die selbständige Sicherstellung der Pflege zuhause durch Angehörige, Freunde oder Ehrenamtliche.
Pflegesachleistungen: Für die Unterstützung der häuslichen Pflege durch professionelle Pflegekräfte (meist ambulante Pflege).
Kombinationsleistung: Anteilig Pflegegeld und Pflegesachleistungen.
Pflege in vollstationären Einrichtungen: Für Pflegeheim-Kosten bei dauerhaft stationärer Pflege.
Tages- und Nachtpflege: Ein eigenes Budget, für eine teilstationäre Pflege als Ergänzung zur häuslichen Pflege.
Verhinderungspflege: Vorübergehende Ersatzpflege, wenn die häusliche Pflege vorübergehend nicht möglich ist.
Kurzzeitpflege: Vorübergehende stationäre Pflege, wenn die häusliche Pflege vorübergehend nicht möglich ist oder noch organisiert werden muss.
Entlastungsbetrag: Zur Finanzierung zusätzlicher Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei der häuslichen Pflege.
Pflegeunterstützungsgeld: Lohnersatz für Arbeitsausfälle durch die vorübergehende Pflege oder die dringende Pflegeorganisation.
Wohnraumanpassung: Zuschuss zum barrierefreien Umbau für die Pflege zuhause.
Alle konkreten Leistungen der Pflegekasse sind zweckgebunden und an individuelle Bedingungen geknüpft. Sie können diese nur beanspruchen, wenn Sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und zugelassene Angebote wahrnehmen.
Im pflege.de Ratgeber Pflegeleistungen finden Sie einen vollständigen Überblick über alle Pflegeleistungen. Außerdem erhalten Sie weiterführende Informationen zu den individuellen Voraussetzungen und Leistungshöhen aller Pflegeleistungen.
Hilfsmittel für die Pflege
Grundsätzlich fallen medizinische Hilfsmittel in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse. Es gibt aber auch Pflegehilfsmittel, die von der Pflegekasse finanziert werden.
Zu den Pflegehilfsmitteln gehören:
Technische Pflegehilfsmittel: Pflegebett, Bettpfanne, waschbare Bettschutzeinlagen, Hausnotruf und vieles mehr.
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: Desinfektionsmittel für Hände und Flächen, Einweg-Bettschutzeinlagen, Einmalhandschuhe, Mundschutz (auch FFP2) und Einwegschürzen für bis zu 42 Euro pro Monat.
Anspruch auf Pflegehilfsmittel besteht nur, wenn die Pflege nicht in einer vollstationären Einrichtung (Pflegeheim) stattfindet. In einer solchen Einrichtung ist die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln und deren Finanzierung über die Einrichtung gewährleistet. Einrichtungen für Betreutes Wohnen oder Senioren-WGs gelten nicht als vollstationäre Pflege.
Leistungen der Pflegekasse bei der Steuer
Pflegeleistungen sind grundsätzlich Sozialleistungen. Sie können die damit finanzierten Ausgaben in der Regel nicht steuerlich geltend machen. Aber die Eigenanteile, die Sie zusätzlich für die Pflege aufbringen, können Sie in vielen Fällen von der Steuer absetzen.
Wenn Menschen beruflich kürzertreten oder gar nicht mehr arbeiten, damit sie Angehörige zuhause pflegen können, zahlt die Pflegekasse für diese Personen in die Rentenkasse ein. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig stattfindet, also nicht über das Pflegegeld hinaus entlohnt wird.
Welche Voraussetzungen außerdem gelten, wie hoch der Zuschuss der Pflegekasse ist und was Sie dafür tun müssen, erfahren Sie im pflege.de Ratgeber Rente für die Pflege von Angehörigen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Pflegekasse?
Pflegekassen sind die Träger gesetzlichen und privaten Pflegeversicherungen. Sie sind den jeweiligen Krankenkassen angegliedert und dafür zuständig, mit den Versicherungsbeiträgen Leistungen für Versicherte mit anerkanntem Pflegebedarf zu finanzieren. Außerdem sollen Sie durch Koordination, Vernetzung und Beratung eine gute Versorgungslage für pflegebedürftige Menschen in Deutschland sicherstellen.
Ist die Pflegekasse die Krankenkasse?
Ja und nein. Einerseits ist jede Pflegekasse unter dem Dach einer Krankenkasse angesiedelt und teilt sich oft sogar das Personal mit der Krankenkasse. Anlaufstellen und Personal sind also oft identisch. Andererseits haben Pflegekassen eigene, klar abgegrenzte Aufgaben, eine eigene Finanzierungsgrundlage (Pflegeversicherung) und sind rechtlich gesehen eigenständig.
Welche Pflegekassen gibt es?
Jeder Krankenkasse ist eine Pflegekasse angeschlossen. Es gibt also so viele Pflegekassen wie Krankenkassen. Aktuell sind es 96 Krankenkassen in Deutschland.(5)
Welche Pflegekasse ist für mich zuständig?
Bei gesetzlich Versicherten: Für Sie ist die Pflegekasse zuständig, die Ihrer Krankenkasse angegliedert ist.
Bei Privatversicherten: Ihre Pflege-Pflichtversicherung (PPV) und Ihre Krankenversicherung können von verschiedenen Anbietern stammen, denn Sie haben beim Vertragsabschluss die freie Wahl.
Wie wird die Pflegeversicherung finanziert?
Die soziale Pflegeversicherung wird über die Pflichtbeiträge zur Pflegeversicherung finanziert. Diese werden auf das Bruttoeinkommen erhoben und anteilig vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber bezahlt. Der Beitragssatz liegt aktuell bei 3,05 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern. Kinderlose bezahlen 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens.(6) Bei privaten Pflege-Pflichtversicherungen (PPV) ist die Finanzierung vom Anbieter abhängig.
Welche Kosten übernimmt die Pflegekasse?
Die Pflegekasse finanziert einen Teil der Kosten für eine Vielzahl von Maßnahmen zur Beratung, Betreuung und Pflege. Der jeweilige Höchstbetrag hängt bei vielen Maßnahmen vom anerkannten Pflegegrad der gepflegten Person ab.
Zu den Leistungen der Pflegekassen gehören: Pflegegeld, Pflegesachleistungen, Kombinationsleistung, vollstätionäre Pflege, Tages- und Nachtpflege, Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege, Entlastungsbetrag, Pflegeunterstützungsgeld, Wohnraumanpassung, Pflegehilfsmittel, Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, Pflegeberatung und mehr.
Ergänzt werden die Leistungen der Pflegekasse für Pflegebedürftige oft durch Leistungen der Krankenkasse für akute Behandlungen, Krankenpflege, medizinische Hilfsmittel und Medikamente.
Bundesministerium der Justiz (2022): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 46 Pflegekassen
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__46.html (letzter Abruf am 09.04.2025)
(2)
Bundesministerium der Justiz (2022): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 12 Aufgaben der Pflegekassen
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__12.html (letzter Abruf am 09.04.2025)
(3)
Bundesministerium der Justiz (2022): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 37.3 Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__37.html (letzter Abruf am 09.04.2025)
(4)
Bundesministerium der Justiz (1988): Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 37 Häusliche Krankenpflege
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__37.html (letzter Abruf am 09.04.2025)
(5)
GKV Spitzenverband (2023): Die gesetzlichen Krankenkassen
https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/kv_grundprinzipien/alle_gesetzlichen_krankenkassen/alle_gesetzlichen_krankenkassen.jsp (letzter Abruf am 09.04.2025)
(6)
Bundesministerium für Gesundheit (2022): Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege/die-pflegeversicherung/finanzierung.html (letzter Abruf am 09.04.2025)
Michael Kretschmer ist seit 2017 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und engagiert sich für Themen wie Pflege, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung. Der CDU-Politiker begann seine Karriere als Bundestagsabgeordneter und steht für pragmatische Lösungen und Bürgernähe.
Im Gespräch mit dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer in der Staatskanzlei in Dresden diskutieren Lars Kilchert und Martina Rosenberg über die Herausforderungen in der Pflege.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (Mitte) im Gespräch mit pflege.de.
Lars Kilchert erzählt, wie ihn persönliche Erfahrungen zur Gründung von pflege.de inspirierten, das heute mit bis zu 20 Millionen Besuchern jährlich eine zentrale Anlaufstelle für Pflegebedürftige und Angehörige ist. Martina Rosenberg, ehemals pflegende Angehörige und Chefredakteurin von pflege.de, bringt ihre Perspektive ein und gibt Einblicke in die praktischen und emotionalen Herausforderungen der häuslichen Pflege.
Gemeinsam diskutieren sie mit Kretschmer über Reformideen und Wege zu einer zukunftsfähigen Pflege.
Michael Kretschmer:
Erst einmal vorweg: Ich finde Ihre Gründungsidee super. Tatsächlich ist das Thema Pflege ganz wichtig. Es ist etwas, was alle angeht. Deshalb kann auch keine Partei in die anstehende Bundestagswahl und den Wahlkampf gehen ohne ein Konzept, ohne eine Aussage zum Thema Pflege. Ich freue mich, dass Sie heute bei mir sind und wir darüber sprechen.
Lars Kilchert:
Das hat uns auch gefreut. Denn wir haben bis zu 20 Millionen Besuchende jährlich auf pflege.de. Also somit ein Großteil der Menschen, die sich für das Thema Pflege interessieren und betroffen sind. Sie wollen wissen: Was fordert die Politik? Was passiert da? Wir gehen auch davon aus, dass die CDU nach den Neuwahlen eine Rolle spielen wird. Insofern ist es interessant, auch Ihre Position zu kennen.
Martina Rosenberg:
Sprechen wir über die Pflegevollversicherung. In den Pflegeheimen gibt es immer mehr Menschen, die ihren Eigenanteil nicht mehr bezahlen können. Teilweise geht es dabei um 3.500 bis 4.000 Euro Eigenanteil. Und da setzt Ihr Reformpapier auch an. Sie schreiben darin, dass es darum geht, dass die Leute sich damit nicht ruinieren sollen. Aber denken Sie dabei auch an die ambulante Pflege, also an die Pflege zuhause?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Ich würde gerne weiter vorne ansetzen. Unter Pflegevollversicherung verstehen die Bürger auch verschiedene Dinge. Zur Erinnerung: Die Pflegeversicherung wurde 1995 eingeführt, weil ein großer Anteil der Menschen dadurch zum Sozialhilfeempfänger wurde. Damals wurde entschieden, dass wir das so nicht wollen. Und jetzt sind wir mit diesen hohen Eigenanteilen wieder genau auf dem gleichen Weg. In den neuen Bundesländern sogar noch etwas mehr als in den alten, aber die Tendenz ist überall zu spüren. Das war aber nicht das eigentliche Ziel der Pflegeversicherung und deswegen müssen wir darüber reden, wie wir das in Zukunft gestalten wollen.
Für mich hat das zwei Komponenten: Auf der einen Seite sind die Pflegebedürftigen mit ihren Angehörigen. Auf der anderen Seite stehen die Kommunen, die im Notfall finanziell einspringen müssen, damit aber vielerorts an Grenzen kommen und immer häufiger überfordert sind.
Und deswegen sagen Karl-Josef Laumann und ich, dass sich dringend etwas ändern muss. Die stark steigenden pflegebedingten Kosten belasten immer mehr Pflegebedürftige. Wir wollen, dass wir bei der eigentlichen Pflege dazu kommen, dass künftig nahezu 100 Prozent von der Pflegeversicherung bezahlt werden. Die Pflegebedürftigen müssen dann nur noch die Investitionskosten und die Kosten für Unterkunft und Verpflegung übernehmen.
Martina Rosenberg, Chefredakteurin bei pflege.de, mit Ministerpräsident Michael Kretschmer im Gespräch.
Martina Rosenberg:
Das war jetzt bezogen auf die stationäre Pflege. Wie könnte ein solches Modell in der ambulanten Pflege aussehen?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Die ambulante Pflege muss in diesem Zusammenhang unbedingt mitgedacht werden, da sie einen noch größeren Teil ausmacht. Zudem explodieren auch im ambulanten Bereich die Kosten. Häufig führt das dazu, dass Leistungen zurückgefahren und pflegende Angehörige noch stärker beansprucht werden Doch gerade die pflegenden Angehörigen leisten hier einen wertvollen Dienst für ihre Mitmenschen. Daher sollte genau dieser Aspekt in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken.
Martina Rosenberg:
Wenn Sie von einer einkommensabhängigen Unterstützung sprechen, schließt das dann auch den Durchschnittsbürger ein, der vielleicht ein eigenes Haus besitzt? Oder gilt das nur für Menschen mit sehr geringem Einkommen? Wo ziehen Sie hier die Grenze?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Eine Gesellschaft muss solche Fragen gemeinsam ausverhandeln und diskutieren.. Das Ziel muss sein, dass jemand mit einer durchschnittlichen Rente und einem normalen Vermögen nicht zum Sozialhilfeempfänger wird. Es stellt sich auch die Frage, wie das Verhältnis zum Einkommen aussieht: Wir vererben Einkommen von Generation zu Generation, aber für die Pflegekosten wird nicht eingestanden.
Die Pflege wird von der Gesellschaft getragen, und ich denke, hier wird ein Kompromiss nötig sein – ein Mittelweg. Wir haben die Diskussion angestoßen, weil wir den Druck im System spüren.
Lars Kilchert:
Ihr Konzept sieht vor, systemfremde Kosten aus der Pflegeversicherung herauszunehmen, wie die soziale Absicherung für pflegende Angehörige oder die Behandlungspflege in stationären Einrichtungen. Am Ende müssen diese Kosten aber dennoch gedeckt werden. Welcher Grundgedanke steckt hinter dieser Herangehensweise?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Da es sich bei diesen Kosten um versicherungsfremde Leistungen handelt, sollte hier eine klare Regelung geschaffen werden. Die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sichern sich durch die Pflegeversicherung so weit wie möglich ab, um auch im Fall der Pflegebedürftigkeit selbstbestimmt leben zu können. Die Beiträge werden für Leistungen gezahlt, die unmittelbar mit der Pflege in Zusammenhang stehen und nicht für die Absicherung weiterer Personen.
Ein ähnliches Beispiel findet sich in der gesetzlichen Krankenversicherung. Menschen mit Migrationshintergrund, die Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter beziehen, sind automatisch in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Da diese keine eigenen Beiträge zahlen, hat der Bund die Finanzierung sicherzustellen. Die hierfür notwendigen Mittel werden jedoch vom Bund nicht in ausreichendem Maß an die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt. Es ist problematisch, wenn die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler gezwungen werden, diese Lücke zu füllen.
Genau so verhält es sich hier: Am Ende tragen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler die Kosten, die eigentlich eine allgemeine gesellschaftliche Verantwortung sein sollten. Durch die Herausnahme dieser Leistungen aus der Beitragsfinanzierung kann ein weiterer Anstieg der Beitragssätze vermieden und die Finanzierung stabilisiert werden.
Lars Kilchert:
In Ihrem Papier sprechen Sie auch vom ‚Leistungsdschungel‘ – ein Thema, das auch uns sehr beschäftigt. Das ist ein wichtiger Grund, warum es pflege.de gibt, nämlich um Menschen durch die Vielzahl an Informationen und Fragen zu begleiten und ihnen Orientierung zu bieten. Besonders in der ambulanten Pflege gibt es eine Vielzahl an Themen, an die man denken muss, um den Überblick zu behalten. Sie setzen sich dafür ein, diesen ‚Leistungsdschungel‘ abzubauen und mehr Transparenz zu schaffen. Wie könnte das konkret aussehen?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Ich bin zwar nicht Experte wie Sie beide, die sich täglich intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen, aber ich stelle immer mehr fest, dass der Begriff ‚Bürokratieabbau‘ nicht das trifft, was wir eigentlich meinen. Ich glaube, wir müssen grundlegend neu denken. Letztlich geht es darum, wie viel der Staat regeln will und wie viel Freiheit den Bürgern bleibt. Wenn wir all das mit den vorhandenen Ressourcen und dem bestehenden Personal organisieren wollen, müssen wir mehr in Richtung Freiheit gehen.
Die Eigenverantwortung des Einzelnen muss stärker betont werden. Gerade in der Pflege und den verschiedenen Bereichen, die damit verbunden sind, ist es wichtig, dass der Einzelne Entscheidungen trifft – zum Beispiel auf Basis eines Budgets.
Lars Kilchert:
Es gibt verschiedene Leistungen, die in der Pflege erbracht werden – von Dienstleistungen wie Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege bis hin zu Hilfsmitteln. Da könnte es sinnvoll sein, zumindest für Dienstleistungen, wie z. B. die Tagespflege, den Entlastungsbetrag von aktuell 125 € oder Verhinderungspflege ein festes Budget vorzusehen und die Leistungen in Kategorien zu gliedern. So könnte man mehr Struktur und Übersicht schaffen.
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Budgets wären hier ein möglicher Ansatz. Es wird immer deutlicher, dass das komplizierte Pflegesystem an seine Grenzen stößt. Wichtig ist daher die Möglichkeit, Leistungen flexibel einsetzen zu können und nicht durch rechtliche Vorgaben bei der individuellen Ausgestaltung der verfügbaren Pflegeunterstützung eingeengt zu werden. Unterschiedliche Leistungsansprüche müssen sinnvoll zusammengefasst, vereinheitlicht und gebündelt werden. Nur so können die Leistungen zielgerichtet die Bürgerinnen und Bürgern erreichen, die unbürokratisch Unterstützung entsprechend ihres individuellen Bedarfs erhalten
Martina Rosenberg:
Verstehe! Allerdings basiert das Konzept der unterschiedlichen Pflegeleistungen ja auch auf dem Gedanken, dass eine bedarfsgerechte Versorgung ermöglicht wird. Schließlich benötigt nicht jeder Tagespflege und auch nicht jeder Kurzzeitpflege. Das Problem, das wir derzeit haben, ist jedoch, dass viele dieser Angebote, die theoretisch gut kombinierbar wären, in der Praxis oft gar nicht verfügbar sind.
Es kommt häufig vor, dass beispielsweise Tagespflege gewünscht wird, aber gar nicht angeboten werden kann – und das Gleiche gilt für andere Leistungen. Daher wäre ein flexibles Budget, das sich stärker an den individuellen Bedürfnissen orientiert, durchaus sinnvoll.
Aber nochmal zurück zu den pflegenden Angehörigen: Der Sozialverband VdK setzt sich für eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige ein. Aktuell können Angehörige zwar Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch nehmen, erhalten jedoch während dieser Freistellung kein Gehalt, was viele vor finanzielle Herausforderungen stellt. Der VdK fordert daher eine finanzielle Unterstützung, die es ermöglicht, sich um pflegebedürftige Familienmitglieder zu kümmern, ohne in finanzielle Not zu geraten.
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Wir müssen gemeinsam entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen – ähnlich wie bei der Kinderbetreuung. Sollen Angehörige zu Hause bleiben oder setzen wir auf professionelle Pflegeangebote? Diese Entscheidung ist nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch der ökonomischen und gesellschaftlichen Notwendigkeit. Um all diese Leistungen erbringen zu können, brauchen wir ein wirtschaftlich starkes Land mit Menschen, die in Vollzeit arbeiten. Das sollte unser Leitgedanke sein. Eine zeitlich begrenzte Freistellung zur Unterstützung von Angehörigen ist in Ordnung, aber eine dauerhafte 1-zu-1-Betreuung kann unsere Gesellschaft nicht tragen.
Wenn man darüber ruhig und vernünftig nachdenkt, wird schnell klar: Das ist auf Dauer nicht machbar. Wir brauchen alternative Lösungen – genau wie bei der Kinderbetreuung gilt das auch für die Pflege.
Martina Rosenberg:
Richtig, aber da gibt es noch das Elterngeld.
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Das gibt es aber nur ein Jahr und war das Ergebnis eines langen Aushandlungsprozesses. Eine solche Unterstützung ist zeitlich begrenzt und nicht für drei oder vier Jahre ausgelegt.
Es war immer ein erklärtes Ziel, das Elterngeld zeitlich zu begrenzen, um die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu fördern. Wir wollten vermeiden, dass Menschen – wie es in den alten Bundesländern oft der Fall war – jahrelang zu Hause bleiben und später Schwierigkeiten haben, wieder beruflich Fuß zu fassen. Gerade bei jungen, gut ausgebildeten Frauen, die nach dem ersten, zweiten oder dritten Kind oft 15 Jahre oder länger zu Hause waren, wurde der Wiedereinstieg schwierig. Von Anfang an war klar: Wir wollen Frauen im Arbeitsprozess halten und ihnen die Möglichkeit geben, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Wir brauchen diese Fachkräfte dringend, deshalb bauen wir Kindergärten und haben den Rechtsanspruch auf Betreuung geschaffen. Das Ziel war nie, eine 1-zu-1-Betreuung anzubieten – und genauso wenig wird das im Bereich der Pflege auf Dauer leistbar sein.
Martina Rosenberg:
Ja, aber manchmal bleibt keine andere Wahl, wenn weder ein Pflegeheimplatz noch Tagespflege verfügbar ist und auch der ambulante Pflegedienst nicht zur Verfügung steht. Was machen wir dann mit den Menschen?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Dann haben wir versagt, wenn wir in einer älter werdenden Gesellschaft diese Angebote nicht schaffen. Am Ende gibt es zwei Optionen: Entweder bleiben die Menschen zu Hause und es entsteht eine 1-zu-1-Betreuung, oder wir schaffen die notwendigen Angebote. Ich bin überzeugt, dass wir diese Angebote schaffen müssen, weil das andere volkswirtschaftlich nicht tragbar ist.
Lars Kilchert:
Grundsätzlich ist das Thema Demografie und seine Auswirkungen auf die Pflege aus unserer Sicht noch stark unterschätzt. Die Herausforderungen, die mit einer alternden Bevölkerung auf uns zukommen, betreffen nicht nur die Rente, sondern auch die Pflege. Wer soll all die Menschen pflegen, die in den nächsten 20 Jahren mit höherer Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig werden? Es bleiben eigentlich nur zwei Wege: Entweder wir gewinnen mehr Pflegekräfte – durch Zuwanderung oder Anreize für den Beruf – oder wir schaffen neue Lösungen, etwa durch digitale Unterstützung, um die Versorgung sicherzustellen. Wie denken Sie dazu?
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Wir müssen effizienter werden- Stichwort Bürokratie: Vieles von dem, was geleistet werden muss, hat mit der eigentlichen Pflege nichts zu tun, frisst aber Zeit. Das können wir uns so nicht länger leisten.
Gleichzeitig befinden wir uns auf einem Höchststand der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland, mit 5 Millionen mehr Beschäftigten als 1990. Doch diese zusätzlichen Arbeitskräfte leisten insgesamt die gleiche Stundenzahl wie damals. Der Anteil der Männer, die in Vollzeit arbeiten, sinkt, während mehr Frauen in Teilzeit arbeiten.
Deshalb betone ich: Wir müssen uns bewusst machen, dass unser Wohlstand auf Leistung beruht. Vollzeit ist die Norm, nicht die 4-Tage-Woche. Wir haben auch einen Höchststand an Krankenständen in der Bundesrepublik. In anderen europäischen Ländern sieht es völlig anders aus, also offensichtlich machen wir etwas falsch. Ich rate immer dazu, der jungen Generation klarzumachen: Die 4-Tage-Woche ist eher eine Illusion als eine Revolution. Stattdessen brauchen wir eine Evolution, bei der wir die Dinge Schritt für Schritt angehen. Vollzeitarbeit ist die Norm, von der man abweichen kann.
Lars Kilchert:
Das ist gewissermaßen eine stille Reserve, die man aktivieren könnte.
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Absolut. Trotzdem werden wir auf Zuwanderung angewiesen sein – auch auf Menschen, die uns in der Pflege unterstützen. Doch das können wir uns nur leisten, wenn Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land bleibt. Deshalb sind Reformen so wichtig, um wieder mehr Dynamik in das System zu bringen. Meine größte Sorge ist, dass die Stärke der Bundesrepublik, nämlich Stabilität und soziale Zufriedenheit, gefährdet wird, wenn wir uns Kranken- und Pflegeversicherung nicht mehr leisten können. Dann steht der gesellschaftliche Frieden in Deutschland wirklich auf dem Spiel.
Diese Leistungen können wir uns nur leisten, wenn wir ein wirtschaftlich starkes Land sind. Sich das jetzt wieder bewusst zu machen und dies in der Politik, besonders in der Wirtschaftspolitik, umzusetzen, ist eine enorm große Aufgabe.
Lars Kilchert:
Dazu gehört auch, Lösungen für die Finanzierung zu finden. Selbst eine Pflegevollversicherung, selbst wenn sie nur den stationären Bereich abdeckt, wäre teuer. Auch wenn zweckfremde Ausgaben herausgenommen und die Mittel neu zugewiesen würden, blieben die Kosten hoch.
Ministerpräsident Michael Kretschmer:
Die Finanzierung der Pflegeversicherung erfolgt derzeit über das beitragsfinanzierte Umlageverfahren. Durch die Übernahme versicherungsfremder Leistungen aus dem Bundeshaushalt kann ein großer Teil der Kosten für die Pflegevollversicherung gedeckt werden. Die Finanzierung der Reform kann jedoch nicht allein durch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler erfolgen. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, daher müssen die Einnahmen auf eine breitere Basis gestellt werden. Es bedarf somit eines Zuschusses aus Bundesmitteln, wie er auch in der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wird.
Doch egal, ob die Finanzierung aus Beitragsmitteln oder über einen Bundeszuschuss erfolgt, braucht es eine starke wirtschaftliche Basis dafür – das ist quasi die Lebensversicherung der Bundesrepublik Deutschland. Im Kontext des Ukraine-Kriegs habe ich oft gesagt: Wenn man mit Menschen in Polen oder im Baltikum spricht, spürt man einen tiefen Patriotismus und eine klare Haltung. Sie sind bereit, wirtschaftliche und soziale Einschränkungen in Kauf zu nehmen, weil sie die Bedrohung unmittelbar empfinden. In Deutschland ist das anders. Wir haben nicht diesen ausgeprägten Patriotismus wie in Osteuropa.
Bei uns basieren Zufriedenheit und Stabilität stark auf sozialer Sicherheit – die darf niemals auf dem Spiel stehen. Deshalb ist es notwendig, wirtschaftspolitisch umzusteuern.
Abteilungsleiter der Pflegeversicherung und -stärkung beim BMG
Seinen Doktortitel hat Dr. Martin Schölkopf an der Universität Konstanz erworben. Danach arbeitete er zunächst für die Deutsche Krankenhausgesellschaft und später in verschiedenen Rollen und Zuständigkeitsbereichen für das BMG. Ab 2013 hat er dort die Unterabteilung Pflegesicherung geleitet, seit April 2022 leitet er die neue Abteilung Pflegeversicherung und –stärkung.
Dr. Martin Schölkopf ist Leiter der Abteilung „Pflegeversicherung und Stärkung“ beim Bundesministerium für Gesundheit in Berlin. Lars Kilchert, Geschäftsführer und Gründer von pflege.de, hat ihm einige Fragen gestellt, die in der häuslichen Pflege viele Familien beschäftigen.
Lars Kilchert: Sie sind in Ihrer Funktion seit Jahren maßgeblich an der Entwicklung der Pflegeversicherung aus gesetzlicher Sicht beteiligt. Lassen Sie mich Ihnen deshalb zu Beginn eine große Frage stellen, die viele Menschen beschäftigt. Sprechen wir von den besonderen Herausforderungen für die Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen in den letzten zwei Jahren. Die Pandemie war keine einfache Zeit. Wie würden Sie das aus Ihrer Position einschätzen?
Herr Dr. Schölkopf: Das ist eine wichtige Frage, denn sie zielt auf die ohnehin schon große Belastung in der Pflege ab, die durch die Pandemie noch verstärkt wurde. Die Ausgangsituation vor der Pandemie war ja schon schwierig. Und dann durften Angehörige plötzlich Pflegeheime nicht mehr betreten und ganze Hilfsangebote wie beispielsweise die Tagespflege sind weggefallen. Aber auch die professionelle ambulante Pflege hatte durch krankheitsbedingte Ausfälle oft schwierige Situationen.
Das darf so nicht mehr passieren, darüber sind wir uns einig.
Deswegen haben wir auch zusammen mit den anderen Beteiligten auf Bundesebene versucht, dazu beizutragen, dass die ambulante Pflege nicht wegbricht. Uns war wichtig, dass die Angehörigen auch dann zu Leistungen kommen, wenn die professionelle Pflege aus Krankheitsgründen oder anderen Gründen nicht zur Verfügung steht. Deshalb haben wir im Recht der Pflegeversicherung diverse Leistungen flexibilisiert. Stichwort: Akuthilfen für pflegende Angehörige. Ich habe schon den Eindruck, dass diese Maßnahmen einen Beitrag leisten konnten, die Probleme abzumildern, ohne sie vielleicht vollständig lösen zu können in einer solchen Pandemie.
Lars Kilchert: Da kommen wir gleich zum nächsten Thema: steigende Kosten – wieder eine Anstrengung, die die Menschen zusätzlich stemmen müssen. Betrachtet man die geringen Anpassungen bei den Pflegeleistungen und die steigenden Kosten in den letzten Jahren, sinken real gesehen die Pflegeleistungen. Wie geht das BMG mit dieser schwierigen Fragestellung um?
Herr Dr. Schölkopf: Wir beobachten das genau. Man muss das aber etwas differenzieren. Was mir in der Debatte häufig zu kurz kommt, ist die Anerkennung dessen, was in den letzten Jahren schon passiert ist. Nicht selten gewinnt man den Eindruck, als ob der Gesetzgeber – die Politik – praktisch nichts gemacht hat. Das ist einfach falsch.
Und das muss man einfach korrigieren, insbesondere weil es seit der vorletzten Legislaturperiode eine massive Ausweitung der Leistungen der Pflegeversicherung und des Kreises der Anspruchsberechtigten gab, die diese Leistungen beziehen können. Ich will da ein paar Zahlen aus dem Zeitraum 2014 bis 2021 nennen, damit Sie ein Gefühl bekommen:
Anstieg der Leistungsbezieher um 70 Prozent,
bei den Leistungsausgaben um 107 Prozent,
beim Pflegegeld 134 Prozent,
bei der Verhinderungspflege 166 Prozent,
beim Entlastungsbetrag knapp 400 Prozent,
bei den Ausgaben für die Rentenversicherungsbeiträge 227 Prozent und
bei den Pflegehilfsmitteln sowie Wohnumfeld verbessernden Maßnahmen 221 Prozent.
Diese Steigerungen haben wir in keinem anderen sozialen Sicherungssystem. Im letzten Jahr gab es zum ersten Mal Leistungsausgaben von 50 Milliarden in der sozialen Pflegeversicherung. Das ist schon bemerkenswert.
Aktuell haben wir nun die Debatte, dass die Preise der Leistungen ambulanter Pflegedienste und auch in der stationären Pflege deutlich ansteigen. Das hat verschiedene Gründe, zum einen natürlich den aktuellen Anstieg bei den Energiepreisen und Sachkosten. Das bleibt ja auch in der Pflege nicht folgenlos. Die Pflegedienste und Einrichtungen müssen das refinanzieren und das geht erst mal über die Preise.
Die andere Entwicklung sind die steigenden Personalkosten in der Pflege. 70 – 80 Prozent der Pflegesätze in der stationären Pflege sind Personalkosten. Bei den ambulanten Pflegediensten sind sie wahrscheinlich noch höher. Da sind die Löhne, die ja aus guten Gründen steigen sollen, eben damit die Pflegeberufe attraktiver werden. Die Politik hat ausdrücklich gesagt: Pflegekräfte, gerade in der Altenpflege, müssen besser bezahlt werden. Dass das zu höheren Kosten führt, ist nachvollziehbar.
Dem Gesetzgeber war auch bewusst, dass es darauf eine Antwort braucht, um die Betroffenen nicht finanziell zu überlasten. Und es wurde auch schon einiges erreicht: Die ambulanten Sachleistungsbeträge wurden zum Jahresbeginn erhöht und die Eigenanteile im stationären Bereich prozentual begrenzt, abhängig von der Verweildauer.
Das ist nicht wenig. Allein die Begrenzung der Eigenanteile in den Pflegeheimen kostet im Jahr dreieinhalb Milliarden Euro. Es gibt allerdings die Diskussion, dass das nicht ausreichen wird. Der Koalitionsvertrag sieht deshalb vor, die Leistungen der Pflegeversicherung auszuweiten, die Entwicklung der Eigenanteile zu beobachten und sie ggf. weiter zu begrenzen.
Jetzt fragen Sie: Was plant das BMG für uns? Maßgeblich dafür ist, was im Koalitionsvertrag steht. Die dort zu findenden Maßnahmen haben wir uns angeschaut und Minister Lauterbach hat auch in der Öffentlichkeit gesagt, dass er zum Ende der Sommerpause Vorschläge machen wird, auch um die Finanzierung der Pflegeversicherung sicherzustellen. Das ist notwendig, weil wir pandemiebedingt in den letzten Jahren erhebliche Mehrbelastungen für die Pflegeversicherung gesehen haben; Stichworte sind „Pflege-Schutzschirm“ und „Testkosten“. Die Pflegeversicherung hat dafür bislang keine angemessenen Bundesmittel als Ausgleich bekommen, so wie es eigentlich ordnungspolitisch notwendig wäre. Das führt nun dazu, dass es gleich Anfang des nächsten Jahres auch auf der Finanzierungsseite Anpassungsbedarf gibt.
Es wird dann um die Fragen gehen: Was kann aus der Koalitionsvereinbarung wie und in welchem Umfang umgesetzt werden? Wie kann die finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung gesichert werden? Wie kann man auch in Zukunft die Leistungsansprüche bedienen, die die Menschen als Beitragszahler haben?
Lars Kilchert: Wobei das Finanzierungsthema sicherlich kurzfristig die dringlichste Herausforderung ist. Aber es gibt ja auch andere Themen, die durch die Medien gehen, wie zum Beispiel die VdK-Studie. In der heißt es, dass viele Pflegeleistungen gar nicht abgerufen werden. Deswegen gibt es jetzt die Forderung nach einem Entlastungsbudget, indem man Leistungen für Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tagespflege zusammenfassen kann. Was wird sich in diesem Bereich in den nächsten Monaten tun?
Herr Dr. Schölkopf: Sie sprechen damit die Situation an, dass Betroffene die Leistungsansprüche der Pflegeversicherung nicht vollständig ausschöpfen. Da macht die VDK-Studie zwar zum Teil auf Probleme aufmerksam, aber sie überspitzt dabei auch.
Denn man kann nicht einfach davon ausgehen, dass alle Personen Zusatzleistungen wie die Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege oder Tagespflege gemeinsam in Anspruch nehmen. Sondern diese Leistungen werden immer unter der Voraussetzung in Anspruch genommen, dass das Angebot verfügbar ist und es auch einen Bedarf gibt.
Der Gesetzgeber hat nicht gesagt „Ihr bekommt ein Budget aus allen Leistungen, die die Pflegeversicherung vorsieht und könnt die flexibel verwenden“. Er hat diese Nebenleistungen in der Pflegeversicherung vielmehr nicht ohne Grund jeweils mit einer Zweckbestimmung versehen. Wenn es allerdings für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sinnvoll und notwendig ist, eine Tagespflege oder ähnliches in Anspruch zu nehmen, dann sollten sie das tun können.
Es gibt daher auch berechtigte Kritikpunkte. Wir sehen, dass in einigen Fällen das Angebot vor Ort fehlt und deshalb keine Leistungen in Anspruch genommen werden können. Da haben wir eine Versorgungslücke. Das Angebot muss dann entsprechend ausgebaut werden. An der Stelle ist aber nicht nur die Pflegeversicherung gefordert, da sind auch die Länder gefragt, die die Zuständigkeit für die Infrastruktur in der Pflege haben. Sie sind eigentlich auch für Investitionskosten zuständig und müssten den Ausbau des Angebots finanzieren, was sie aber nicht tun – jedenfalls bei weitem nicht in ausreichendem Maße.
Und wenn man Angebote ausbauen will, also Tagespflege, Kurzzeitpflege, ambulante Pflege oder stationäre Pflege, braucht man natürlich auch das Personal dafür. Und schon sind wir beim entscheidenden Flaschenhals. Wir wissen, dass wir Bedarf haben, auch durch die demografische Entwicklung. Jedoch wird das verfügbare Personal weniger.
Hier sind wir mit anderen Branchen in Konkurrenz, die auch alle nach Nachwuchs suchen. Das ist ein entscheidendes Problem für die nächsten Jahre. Wenn wir uns über die Frage unterhalten wollen, dass Zusatzleistungen auch in Anspruch genommen werden können, dann geht es da nicht nur um die Begründung neuer Leistungen, sondern auch darum, dass wir mehr Pflegekräfte brauchen.
Sie haben konkret auch das Entlastungsbudget als flexible Leistung angesprochen. Das ist Gegenstand des Koalitionsvertrages; und dort klug verankert, denn es soll insbesondere die Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege umfassen.
Lars Kilchert: Tatsächlich hat sich im letzten Jahr viel getan. Doch bei vielen Menschen in der Pflege bleibt trotzdem das Gefühl, vernachlässigt zu werden. Gerade pflegende Angehörige fühlen sich oft nicht richtig gehört, obwohl sie eine sehr große Bedeutung für das System haben. In der öffentlichen Diskussion geht es auch eher um die professionelle Pflege. Die Laienpflege liegt im Vergleich dazu oft im Schatten. Was können denn Menschen aus Ihrer Sicht tun, die sich engagieren und auch gern etwas tun wollen, um mehr gehört zu werden? Auf was würde denn das BMG gucken?
Herr Dr. Schölkopf: Dieser Eindruck entspricht meiner Meinung nach nicht der Realität. Ich glaube, dass die Angehörigenpflege vor allem in der vorvergangenen Wahlperiode bereits deutlich ausgebaut worden ist.
Die meisten Maßnahmen, die damals mit den Pflegestärkungsgesetzen auf den Weg gebracht worden sind, hatten die Verbesserung der Pflege zuhause zum Ziel. Die Leistungsansprüche wurden deutlich ausgeweitet und, wie bereits erwähnt, auch der Kreis der Leistungsbezieher. Das kam vor allen Dingen der häuslichen Pflege zugute.
In der letzten Wahlperiode war die professionelle Pflege dann dominanter auf der Tagesordnung, vor allem durch die „Konzertierte Aktion Pflege“. Daraus folgend wurde in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren die professionelle Pflege gestärkt. Dabei wurden drei Ziele verfolgt: Mehr Geld, mehr Personal und mehr Kompetenzen für Pflegekräfte, um den Beruf attraktiver zu machen. Das hat die letzte Wahlperiode stark geprägt. Mit Blick darauf ist vielleicht zu verstehen, dass die pflegenden Angehörigen ein bisschen das Gefühl hatten: „Jetzt sind wir nicht so gefragt“. Aber nochmals: In den letzten Jahren sind gerade die Leistungen in der häuslichen Pflege stark ausgebaut worden.
Weil Sie zudem die Berücksichtigung der Interessen pflegender Angehöriger ansprechen: Wer sich mehr einbringen will und mehr Einfluss haben möchte, kann das über verschiedene Kanäle tun. Ein Kanal wäre über die Verbände. Es gibt bereits etablierte Verfahren von großen Verbänden, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Interessen von Betroffenen zu vertreten. Die Sozialverbände zum Beispiel, die ja auch im Qualitätsausschuss Pflege vertreten sind, nehmen sich dieser Themen an. Da kann man sich über die Mitgliedschaft in den Verbänden einbringen.
Es gibt aber auch dezidiert Vertretungen von pflegenden Angehörigen. Auch mit ihnen sind wir regelmäßig im Gespräch. In der letzten Wahlperiode konnte zudem erreicht werden, dass diese Verbände in den Genuss einer Förderung aus Mitteln der Pflegeversicherung kommen.
Die Pflegeversicherung unterstützt Selbsthilfe und Organisationen von Betroffenen auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und jetzt eben auch auf Bundesebene. Dafür gibt es Fördermittel und die führen dazu, dass diese Verbände professioneller aufgestellt sind und der Kontakt mit uns und der Politik häufiger stattfindet.
Deswegen würde ich jetzt als Antwort geben: Alle, die den Eindruck haben, ihre Interessen und Problemlagen würden nicht vermittelt werden oder politisch nicht wahrgenommen, haben dort eine Chance, sich Gehör zu verschaffen.
Und noch ein ergänzender Punkt für die einzelne Problemlage der Pflege zuhause: wie kann ich die Situationen in Griff kriegen? Dafür gibt es einen Anspruch auf kostenlose Pflegeberatung durch die Pflegestützpunkte, durch die Pflegekassen oder auch durch Dritte, die diese Beratungsleistungen anbieten. Gerade die Beratung bei der häuslichen Pflege, die sollte man wirklich in Anspruch nehmen, weil sie konkrete Hilfeleistung anbietet, um den oft schwierigen Alltag bei der Pflege zu bewältigen.
Lars Kilchert: Ok, damit sagen Sie auch pflegende Angehörigen bzw. Familien sollten auf jeden Fall wissen, welche Pflegeleistungen ihnen zustehen. Und dafür gibt es Möglichkeit der Pflegeberatung, Pflegestützpunkte. Wer sich engagieren will, für den gibt es die vielen von Ihnen genannten Möglichkeiten und da werden sie auch gehört.
Herr Dr. Schölkopf: So ist das.
Lars Kilchert: Abschließend noch ein Vorschlag: Wäre es nicht ein klares Signal dafür, dass die Pflege ernst genommen wird, wenn man das BMG nicht nur Bundesgesundheitsministerium nennen würde, sondern zu einem Bundesministerium für Gesundheit und Pflege umbenennt? Es ist zwar nur ein Name, aber man würde zeigen, dass die Pflege wirklich ganz weit oben auf der Agenda steht und nicht nur ein kleiner Teilaspekt des Gesundheitsbereichs ist. pflege.de setzt sich seit geraumer Zeit genau dafür ein und hat sogar eine Petition gestartet. Können Sie sich so eine Umbenennung vorstellen?
Herr Dr. Schölkopf: Also das ist eine gute Frage! Aber eine Frage, die an die Politik zu richten ist, weniger an mich. Und am Ende kommt es wohl weniger darauf an, wie die Bezeichnung lautet, sondern darauf, was tatsächlich gemacht wird. Welche Ergebnisse sich dann im Bundesgesetzblatt wiederfinden oder eben in Verbesserungen des Leistungsrechts. Und das wäre für mich das Entscheidende: Dass wir das tun, was die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erwarten. Nämlich dazu beizutragen, dass die Pflegeversicherung nachhaltig finanziert ist. Dass es genügend Pflegekräfte gibt. Und dass das Leistungsrecht auf die flexiblen Bedarfslagen der pflegenden Angehörigen reagiert.
Die Pflege muss sichergestellt sein, auch in den nächsten Jahren. Dann ist es sekundär, wie unser Ministerium heißt. Dafür setzen wir uns ein. Wenn uns dann noch jemand umbenennt: auch okay.
Lars Kilchert: Da bin ich ganz bei Ihnen. Am Ende sind Handlungen immer wichtiger als Worte. Wir sind alle gespannt, was in den nächsten Monaten passiert und deswegen danken wir Ihnen ganz herzlich für die Einblicke in Ihre Arbeit. Wir bedanken uns für das Interview mit Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute!
Herr Dr. Schölkopf: Vielen Dank Herr Kilchert. Es hat mir auch sehr viel Freude bereitet und ich wünsche Ihnen alles Gute und natürlich Gesundheit!
Für pflegende Angehörige wird es immer schwieriger, die steigenden Pflegekosten zu stemmen. Eine aktuelle Umfrage aus dem Jahr 2024 von pflege.de zeigt: Viele Angehörige müssen tief in die eigene Tasche greifen, Freizeit opfern und sogar ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Pflege ihrer Angehörigen sicherzustellen. Dieser Trend hat sich im Vergleich zu den Befragungsdaten von 2023 verstärkt.
Pflege selbst übernehmen statt Pflegedienst – der steigende Trend
Die Belastung der pflegenden Angehörigen wächst. 54 Prozent der Befragten reduzieren die Stunden des ambulanten Pflegedienstes und übernehmen selbst mehr Pflegeaufgaben – eine Zunahme um drei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig schränken 41 Prozent ihre Freizeitaktivitäten ein, um Zeit und Geld für die Pflege zu sparen, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 26 Prozent aus 2023. Auch die Wochenarbeitszeit wird zunehmend reduziert: 15 Prozent der Befragten arbeiten weniger, um mehr Zeit für die Pflege aufzubringen (Vorjahr: 11 Prozent).
Teurer als je zuvor – Pflegekosten steigen weiter
Die Mehrheit der Befragten – immerhin 77 Prozent – empfindet die Pflegekosten im Vergleich zum Vorjahr als teurer oder deutlich teurer. Einen kleinen Lichtblick gibt es dennoch: Im Jahr 2023 nahmen noch 85 Prozent der Befragten steigende Pflegekosten wahr. Auch wenn die Belastung nach wie vor hoch ist, scheint sich der Anstieg in diesem Jahr etwas abzuschwächen.
Ersparnisse schwinden – Pflege wird zur finanziellen Herausforderung
Zur Finanzierung der häuslichen Pflege greifen 43 Prozent der pflegenden Angehörigen auf ihre Ersparnisse zurück, ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr (45 Prozent). Dabei gehen 21 Prozent der pflegenden Angehörigen so weit, einen Teil der Kosten selbst zu tragen und an anderer Stelle zu sparen. Andere (40 Prozent) suchen ehrenamtliche Unterstützung bei Verwandten und Freunden – ein Versuch, die Last zu teilen. Im Vorjahr waren es noch 38 Prozent.
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Sorgen um die Zukunft: Pflegeheim als unerschwingliche Option
Auch wenn derzeit noch viele Menschen zu Hause gepflegt werden, wächst die Sorge um die Pflegeheimkosten. 26 Prozent der Befragten sorgen sich um die steigenden Heimkosten, für 19 Prozent ist ein Umzug ins Heim finanziell völlig ausgeschlossen – eine leichte Verbesserung gegenüber 24 Prozent im Vorjahr.
Datenlage der Umfrage
Die Umfrageergebnisse stammen aus zwei Umfragen von pflege.de, die im September 2024 und 2023 durchgeführt wurden. Die Teilnehmer setzen sich überwiegend aus pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen zusammen und verdeutlichen den zunehmenden Druck, dem viele Pflegende ausgesetzt sind.
Fazit
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die finanzielle Belastung pflegender Angehöriger ist nach wie vor hoch und fordert viele Opfer. Gleichzeitig zeigt der Vergleich der Daten von 2023 und 2024, dass der Kostendruck leicht abnimmt – doch für viele bleibt die Finanzierung der Pflege eine große Herausforderung.
Für alle, die aktuell zuhause pflegen oder gepflegt werden, ist es wohl keine Überraschung: Die Pflege wird immer teurer und ist somit für viele nicht mehr bezahlbar. Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von pflege.de.
Die Umfrage macht klar: Durch die stetig steigenden Kosten sind immer mehr Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Pflegekosten aus eigener Kraft zu tragen, müssen ihre Ersparnisse aufbrauchen, sich verschulden oder sind auf Sozialhilfe angewiesen.
Pflegeleistungen reichen für viele nicht mehr aus
Kostensteigerungen an allen Fronten – das trifft die Pflege zuhause hart. Bereits 40 Prozent der befragten pflegebedürftigen und pflegenden Personen können die Kosten für die häusliche Pflege mit den Pflegeleistungen nicht mehr bezahlen. Bei 56 Prozent der Befragten reichen die Leistungen für die benötigte Hilfe vom ambulanten Pflegedienste nicht mehr aus.
Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Betroffenen reduzieren die Anzahl der Stunden über den ambulanten Pflegedienst und vertrauen verstärkt auf die Hilfe von Angehörigen.
Info
Zusammensetzung der Umfrage
Von den 759 Umfrageteilnehmern identifizieren sich 26 Prozent als Pflegebedürftige, während fast die Hälfte (47 Prozent) pflegende Angehörige sind.
Bei 82 Prozent der pflegenden Angehörigen und pflegebedürftigen Personen liegt bei der Pflegesituation ein anerkannten Pflegegrad vor – hauptsächlich Pflegegrad 2 (26 Prozent) und Pflegegrad 3 (24 Prozent) dominieren.
mehr
Aufgebrauchte Ersparnisse und wachsende Verschuldung
Angesichts der steigenden Kosten für Pflege sind 45 Prozent der Befragten gezwungen, auf ihre Ersparnisse zurückzugreifen, um diese zu finanzieren. Noch gravierender ist die Situation für 7 Prozent der Befragten, die sich sogar verschulden müssen, um die anfallenden Pflegekosten tragen zu können. Für andere 6 Prozent ist die Sozialhilfe der letzte Ausweg.
Pflegende Angehörige opfern Freizeit und eigene Ersparnisse
Nicht nur pflegebedürftige Menschen leiden unter den steigenden Pflegekosten. Auch ihre Angehörigen bekommen diese zu spüren. So schränken sie ihre Freizeitaktivitäten ein (25 Prozent), um einzusparen, und beteiligen sich aktiv mit eigenen Mitteln an der Finanzierung der Pflegekosten (17 Prozent). Rund 9 Prozent verzichten auf Entlastungsangebote, weitere 11 Prozent reduzieren ihre Arbeitszeit, um mehr Zeit für die Pflege ihrer Angehörigen zu haben.
Extreme Pflegeheimkosten: Für ein Viertel ist Auszug die einzige Option
Noch ärger als in der häuslichen Pflege sieht die Lage bei Pflegeheimbewohnern aus. 60 Prozent der befragten Heimbewohner geben an, die derzeitigen Pflegeheimkosten nicht mehr tragen zu können. Deshalb ziehen 22 Prozent in Betracht, das Pflegeheim wieder zu verlassen und in die häusliche Pflege zu wechseln – obwohl eine stationäre Versorgung benötigt wird.
Darüber hinaus erwägen 62 Prozent die Beantragung von Sozialhilfe oder ähnlichen Unterstützungsleistungen, um im Pflegeheim wohnen bleiben zu können.
Umfrage zeigt deutlich: So kann es nicht weitergehen
Diese Zahlen untermauern die dramatische Lage, die Pflegende und Pflegebedürftige immer wieder betonen. Durch umfassende Preissteigerungen reichen die Pflegeleistungen bei den meisten hinten und vorne nicht mehr. Steigende Kosten zwingen viele Betroffene und pflegende Angehörige zu erheblichen Einschnitten, von reduzierten Freizeitaktivitäten bis zur direkten finanziellen Beteiligung oder gar Verschuldung oder müssen Sozialhilfe beantragen.
Änderungen des Pflegesystems sind dringend notwendig. Denn die Pflege zuhause und in Pflegeheimen ist finanziell zunehmend untragbar. Mit der jährlich steigenden Anzahl an pflegebedürftigen Personen wird sich diese Situation zukünftig nur verschärfen.
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