Was ist die „Hilfe zur Pflege“?
Die Leistungen und Voraussetzungen der Hilfe zur Pflege sind im 12 SGB XII, § 61 bis § 66a verankert. Grundsätzlich richtet sich diese Form der Sozialhilfe an pflegebedürftige Personen, wenn sie nicht genug eigenes Einkommen oder Vermögen haben, um ihre Pflege zu zahlen.
Folgende Merkmale sind Voraussetzung, wenn Sie Hilfe zur Pflege beantragen möchten.
- Die finanziell hilfsbedürftige Person ist pflegebedürftig und hat einen festgestellten Pflegegrad von mindestens Pflegegrad 2. Bei einem niedrigeren Pflegegrad gibt es ggf. Alternativen oder eine Teilzahlung von Leistungen.
- Die finanziellen Mittel aus anderen Versicherungen (zum Beispiel der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflegezusatzversicherung im Rahmen der finanziellen Pflegevorsorge) decken die Kosten für die Pflege nicht oder nicht vollständig ab.
- Die pflegebedürftige Person oder der Ehepartner haben kein ausreichendes Vermögen, um die Pflege hieraus zu finanzieren. Antragssteller müssen ihr Einkommen und Vermögen entsprechend dem Sozialhilfeträger offenlegen.
- Die Hilfe zur Pflege können auch Personen beantragen, die keine ausreichende Vorversicherungszeit in der Pflegeversicherung haben. Das ist zum Beispiel bei obdachlosen Personen der Fall, oder wenn bei erwerbsfähigen Antragsstellern aufgrund von langer Arbeitslosigkeit nicht mindestens 2,5 Jahre in den letzten 10 Jahren in die Pflegekasse eingezahlt wurde.
Seit der Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade im Januar 2017 sind die Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ an das Vorliegen eines Pflegegrades geknüpft. Anspruch auf alle Leistungen der „Hilfe zur Pflege“ der §§ 61 ff. SGB XII haben Versicherte erst ab Pflegegrad 2. Ob dies verfassungsrechtlich haltbar ist, ist umstritten. Jedoch gilt ein Bestandsschutz für Bezieher von „Hilfe zur Pflege“ ohne Pflegegrad, die bereits vor Einführung der Pflegegrade diese Sozialleistung bezogen haben.
Menschen ohne Pflegegrad aber mit Hilfebedarf können ausweichen auf Hilfe zur Weiterführung des Haushalts § 70 SGB XII, Hilfe in sonstigen Lebenslagen § 73 SGB XII oder einem erhöhten Regelbedarf § 27a Absatz 4 Nummer 2 SGB XII .
Rechts- und Fachanwalt für Sozialrecht & Medizinrecht
Wie wird der finanzielle Bedarf von Antragsstellern berechnet?
Anders als bei der Grundsicherung im Alter wird bei der Hilfe zur Pflege nicht das gesamte Einkommen angerechnet, sondern nur ein bestimmter Anteil, der über der Einkommensgrenze liegt. Das heißt, Sie können die Sozialleistung beziehen, ohne Ihr gesamtes Einkommen für die Pflegekosten aufzuwenden, sofern dieses unterhalb dieser Einkommensgrenze liegt.
Die Einkommensgrenze ist dabei keine feste Summe, sondern wird wie folgt berechnet:
- 2 X die Regelbedarfsstufe 1. Die Regelbedarfsstufen sind in §28 SGB XII festgelegt. (1)Für 2022 lag die Regelbedarfsstufe bei 449 €. Dementsprechend ist der doppelte Betrag 898 €.
- Angemessenen Kosten für die Unterkunft, ohne Heizkosten. Was angemessen ist, wird meist nach Bundesland entschieden und berücksichtigt die unterschiedlichen Wohnkosten je nach Stadt und Region.
- Zusätzlich ein Familienzuschlag von 70% des Regelsatzes der Regelbedarfsstufe 1 für den nicht getrenntlebenden Ehe- oder Lebenspartner sowie für jeden vom Sozialhilfebeantragenden oder dessen Lebenspartner überwiegend unterhaltenen Angehörigen. Das können zum Beispiel minderjährige oder sich in der Ausbildung befindende Kinder sein.
Sind Kinder pflegebedürftig, berechnet sich die Einkommensgrenze so:
- 2 X die Regelbedarfsstufe 1.
- Kosten für die angemessene Unterkunft ohne Heizkosten
- 70 % der Regelbedarfsstufe 1 für ein Elternteil (bei zusammenlebenden Eltern) sowie weitere 70% der Regelbedarfsstufe 1 für jedes weitere minderjährige und überwiegend von den Eltern unterhaltene Kind.
Leben die Eltern nicht zusammen, wird die Einkommensgrenze nach dem Elternteil bestimmt, bei dem das Kind lebt. Lebt das Kind nicht bei den Eltern, wird die Einkommensgrenze wie bei erwachsenen pflegebedürftigen berechnet. (2)
Einkommen, das über der Einkommensgrenze liegt, müssen Pflegebedürftige bzw. bei minderjährigen Pflegebedürftigen deren Eltern für die Pflege aufwenden. Allerdings nur „in angemessenem Umfang“. Wo dieser liegt, entscheidet das Sozialamt im Einzelfall. Es berücksichtigt dabei die Art des Bedarfs, schwere und Umfang der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Leistungen und die besonderen Belastungen.
Besonderheiten: Schwankendes Einkommen und Einmal-Einnahmen
Nicht bei jedem Menschen ist das Einkommen monatlich gleichbleibend. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Ehepartner, ein Elternteil des Kindes oder die pflegebedürftige Person freiberuflich oder selbstständig ist. Aber auch Einmaleinnahmen wie etwa Erbschaften, Geldgewinne oder höhere Geldgeschenke spielen bei der Berechnung des Einkommens ggf. eine Rolle.
Bei einem unregelmäßigen Einkommen, wie etwa einmalige Einnahmen, werden diese im Folgemonat auf das Einkommen des Hilfe-zur-Pflege-Beziehers angerechnet. Würde dadurch der Leistungsanspruch in einem Monat entfallen, kann der einmalig eingenommene Betrag gleichmäßig auf sechs Monate verteilt angerechnet werden. (3)Wiederkehrende Einnahmen, die jedoch unregelmäßig, also nicht monatlich oder in unterschiedlicher Höhe eintreffen, werden als Jahreseinnahmen berechnet.
Hilfe zur Pflege und Schonvermögen
In welcher Form das Vermögen von Empfängern von „Hilfe zur Pflege“ angerechnet wird, ist in § 90 SGB XII definiert. Grundsätzlich muss das gesamte verwertbare Vermögen für die Finanzierung der Pflege eingesetzt werden. Jedoch beinhaltet der Paragraf auch zahlreiche Ausnahmen, die eine Vermögensanrechnung kompliziert machen können. So können etwa ein angemessenes Grundstück, angemessener Hausrat oder Familien- und Erbstücke ausgenommen sein.
Auch kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte werden bis zu einem Betrag von 5.000 Euro pro Person (Stand: Juli 2022) nicht angerechnet. Hilfebedürftige und Ehegatten haben so insgesamt ein Schonvermögen von 10.000 Euro.
Leistungskonkurrenz: Zusätzliche Gelder bei der Hilfe zur Pflege
Grundsätzlich haben Pflegebedürftige einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, wenn sie keine gleichartigen staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Jedoch ersetzen andere Sozialleistungen die Hilfe zu Pflege nicht immer, sie können auch anteilig angerechnet werden. Das trifft zum Beispiel auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII zu. Solche Leistungen werden mit 70 Prozent auf das Pflegegeld und damit auch auf die Hilfe zur Pflege angerechnet.
Wie sich Ehepartner vor der eigenen Sozialhilfe-Bedürftigkeit schützen
Werden Leistungen der Hilfe zur Pflege vom Sozialamt bezogen, darf der Ehepartner des pflegebedürftigen Sozialhilfeempfängers regelmäßig so viel von seinem Einkommen behalten wie es der Hälfte des gemeinsamen Nettoeinkommens entspricht. In der Realität bleibt dem Ehegatten jedoch oft kaum mehr als einem Hartz IV Empfänger.
So können Sie sich als Ehepartner vor der eigenen Sozialhilfebedürftigkeit schützen: Teilen Sie dem Sozialamt bereits bei der Antragstellung mit, dass Sie für Ihren pflegebedürftigen Ehepartner nur so viel von Ihrem Einkommen zahlen, wie Sie auch bei einer Trennung zahlen müssten. Dies klingt im ersten Moment vielleicht etwas bizarr, kann Sie jedoch vor einem höheren Einkommenseinsatz bewahren. So kann das Sozialamt nämlich nicht mehr davon ausgehen, dass Sie Ihr eigenes Einkommen bis zur Grenze Ihrer eigenen Sozialhilfebedürftigkeit einsetzen möchten.

Dafür zahlt das Sozialamt Hilfe zur Pflege
Folgende Leistungen umfasst die „Hilfe zur Pflege“:
- Häusliche Pflege, in Form von:
- Pflegegeld
- Pflegesachleistungen
- Verhinderungspflege
- Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch
- Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (zum Beispiel Einbau eines Treppenlifts oder Badumbau)
Feste Beträge sind dabei nur für das Pflegegeld und für die Pflegehilfsmittel zum Verbrauch definiert. Beides orientiert sich an dem Betrag, den auch die Pflegekasse zahlen würde. Beides wird außerdem nur übernommen, wenn die pflegebedürftige Person durch eine Privatperson, etwa einen Angehörigen, gepflegt wird. Der Unterschied zwischen regulärem Pflegegeld durch die Pflegekasse und Pflegegeld durch das Sozialamt ist lediglich der unterschiedliche Leistungserbringer.
Weitere Leistungen, die unter die Hilfe zur Pflege fallen:
- Hilfsmittel (zum Beispiel Badehilfen, Mobilitätshilfen)
- Teilstationäre Pflege (Tagespflege und Nachtpflege)
- Kurzzeitpflege
- Stationäre Pflege (zum Beispiel im Pflegeheim)
- Entlastungsbetrag
Wie viel Hilfe zur Pflege das Sozialamt im Einzelfall leistet, ist stark einzelfallabhängig. Nicht selten kommt es deswegen zu juristischen Auseinandersetzungen und pflegebedürftige Personen oder deren pflegende Angehörige entscheiden sich, vor Gericht auf die Kostenübernahme verschiedener Maßnahmen zu klagen.
Welche Formen der Pflege zahlt das Sozialamt mit der Hilfe zur Pflege?
Grundsätzlich übernimmt das Sozialamt alle Formen der Pflege, sofern die finanziellen Voraussetzungen gegeben sind. Je nach Pflegeform gelten jedoch unterschiedliche Besonderheiten, die pflege.de hier vorstellt.
Die häusliche Pflege durch Angehörige
Weil der Gesetzgeber ein Interesse daran hat, die im Rahmen der Sozialhilfe anfallenden Pflegekosten niedrig zu halten, hat er in § 64 SGB XII den Vorrang der häuslichen Pflege festgeschrieben. Die dabei anfallenden Kosten liegen meist deutlich unter denen der stationären Pflege. Das heißt: Soweit möglich, sollen Pflegebedürftige zuhause von privaten Pflegepersonen wie Angehörigen oder Nachbarn gepflegt werden.
Die häusliche Pflege durch einen Pflegedienst
Steht keine private Pflegeperson zur Verfügung, können Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 auch Unterstützung in Form von Pflegesachleistungen erhalten. Dazu gehören körperbezogene pflegerische Leistungen, Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung, die durch einen ambulanten Pflegedienst erbracht werden.
Zu den pflegerischen Betreuungsmaßnahmen gehören:
- die Unterstützung bei der Bewältigung psychischer und sozialer Probleme
- die Hilfe bei der Orientierung, bei der Strukturierung des Tages, bei der Kommunikation und der Pflege sozialer Kontakte sowie bei Beschäftigungen im Alltag
- Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung.
Häusliche Pflege durch eine vergütete Privatperson
Wenn Versicherte Pflegegeld von einem Sozialhilfeträger erhalten und diese für die Vergütung einer privaten Pflegeperson einsetzen, ist der Sozialhilfeträger unter Umständen auch für die Alterssicherung der Pflegeperson zuständig. Und zwar dann, wenn diese durch keine andere Institution gesichert ist.
Auch die Kosten für die Beratung der privaten Pflegeperson, zum Beispiel zu pflegerischen Maßnahmen, muss der Sozialhilfeträger decken. Findet die häusliche Pflege für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 im Rahmen des Arbeitgebermodells statt, hat das Sozialamt ebenfalls dafür aufzukommen.
Hilfe zur Pflege in Einrichtungen: Stationäre Pflege
Kann ein Pflegebedürftiger nicht zuhause durch eine private Pflegeperson oder einen ambulanten Dienst gepflegt werden und ist auch die teilstationäre Pflege nicht möglich, haben pflegebedürftige Menschen der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen wie einem Pflegeheim.
Alleine der Sozialhilfeträger entscheidet, ob die Pflege in einem Heim erforderlich ist, nicht die Pflegekasse.

Alternativen und eingeschränkte Bezüge zur Hilfe zur Pflege
Grundsätzlich steht die Hilfe zur Pflege in vollem Umfang ausschließlich Menschen mit Pflegegrad 2 oder höher zu. Menschen mit einem niedrigeren Pflegegrad aber Hilfebedarf können jedoch Teilzahlungen beantragen. Für sie ist der Leistungskatalog begrenzt auf:
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch im Wert bis zu 40 Euro pro Monat
- Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (Wohnraumanpassung)
- Entlastungsbetrag für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen von 125 Euro
Menschen ohne Pflegegrad aber mit Hilfebedarf können alternativ folgende Leistungen bei der Sozialhilfe beantragen:
- Hilfe zur Weiterführung des Haushalts: Diese Sozialleistung richtet sich an erwerbsfähige Menschen die krank oder behindert sind und regelmäßig Hilfen bei der Weiterführung des Haushalts benötigen. Das können zum Beispiel Tätigkeiten sein wie Fensterputzen, Staubsaugen etc. Die gesetzliche Grundlage ist § 70 SGB XII.
- Hilfe in sonstigen Lebenslagen: Dies Gesetz nach § 73 SGB XII hat nicht genau festgelegt, was die ‚sonstigen Lebenslagen‘ sind. Sind Sie in finanzielle Not geraten und brauchen Sie vielleicht einmalig Hilfe, können Sie beim Sozialamt diese Leistung beantragen. Das Sozialamt entscheidet dann nach Ermessen.
- Einen erhöhten Regelbedarf: Geregelt ist der erhöhte Regelbedarf zum Beispiel beim Bezug von ALG II oder Grundsicherung in § 27a Absatz 4 Nummer 2 SGB XII. Der Bedarf kann erhöht sein, wenn Menschen etwa aufgrund einer Krankheit auf eine kostenintensivere Ernährung angewiesen sind.
Antrag auf Hilfe zur Pflege stellen: Tipps und Hinweise
Der Antrag auf Hilfe zur Pflege muss beim zuständigen Sozialamt gestellt werden, und zwar schriftlich. Ein entsprechendes Antrags-Formular ist beim Sozialamt erhältlich. Einige Städte und Kommunen bieten Formulare auch online an, etwa als PDF zum Download. Haben Sie den Antrag ausgefüllt, informieren Sie sich außerdem, welche Dokumente Sie für den Antrag zusätzlich vorzeigen müssen.
Häufig sind es folgende:
- Ein Personalausweis oder Reisepass
- Belege über Einkommen beziehungsweise Rente
- Belege über Vermögen wie Sparbücher oder Wertpapiere, falls vorhanden
- Ein Pflegegrad-Bescheid, falls vorhanden
- Eventuell Vorsorgevollmacht oder Betreuungsvollmacht
- Rechnungen von ambulanten Pflegediensten oder dem Pflegeheim
- Nachweise über Mietkosten
- Weitere Nachweise zu pflegebedingten Kosten