Pflegegrad-Widerspruch: Vorgehen, Begründung und Muster

Symbolbild Pflegegrad Widerspruch

Fast jeder vierte Antrag auf Pflegegrad wird abgelehnt und viele weitere Anträge führen zu einem Pflegegrad, der aus Sicht der Betroffenen zu niedrig ist.(1) Aber: Sie können Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse einlegen. Wichtig ist, dass Sie schnell reagieren und die Frist von einem Monat nach Erhalt des Bescheids einhalten.(2)

pflege.de informiert Sie über den Ablauf und bietet Ihnen einen Musterbrief für den Pflegegrad-Widerspruch.

Inhaltsverzeichnis

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Pflegegrad-Bescheid widersprechen: Vorgehen & Ablauf

Ungefähr ein bis zwei Wochen nach der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder Medicproof erhalten Sie den Bescheid von der Pflegekasse. In der Regel folgt der Bescheid dem Gutachten und teilt Ihnen einen bestimmten Pflegegrad zu oder lehnt die anerkannte Pflegebedürftigkeit ab.

Wenn Sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind, können Sie gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Dafür haben Sie ab dem Datum der Zustellung des Bescheids einen Monat Zeit. Schnelles Handeln ist also erforderlich.(2)

Für einen erfolgreichen Widerspruch ist eine gute Begründung erforderlich. Um Ihren Einspruch zu begründen, müssen Sie das erstellte Pflegegutachten kennen. Falls Sie das Gutachten nicht bereits zusammen mit dem Bescheid bekommen haben, sollten Sie es jetzt umgehend anfordern.

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Gründe für einen Pflegegrad Widerspruch

Welche Gründe für einen Widerspruch sind zulässig? Mit Ihrem Widerspruch stellen Sie die Behauptung auf, dass die tatsächliche Pflegesituation einen höheren beziehungsweise im Fall einer Ablehnung überhaupt einen Pflegegrad rechtfertigt.

Folgende Gründe können zu einer falschen Einschätzung führen:

  • Die pflegebedürftige Person war am Tag der Begutachtung ungewöhnlich fit und selbstständig
  • Die Person hat ihren eigenen Bedarf an Unterstützung falsch dargestellt
  • Der gesundheitliche Zustand der pflegebedürftigen Person hat sich seit dem Gutachten deutlich verschlechtert
  • Es gibt wichtige Aspekte der Pflege, die im Gutachten nicht berücksichtigt wurden

Wie Sie die Begründung schriftlich formulieren, erfahren Sie im Abschnitt zur Begründung des Pflegegrad Widerspruchs.

Formale Gründe: Fehlerhafter Pflegegrad-Bescheid

Neben den inhaltlichen Gründen, die ein Wiederholungsgutachten erforderlich machen, gibt es auch formale Gründe für einen Widerspruch. Diese führen dazu, dass der Bescheid von der Pflegekasse ungültig wird. Sie können dann ohne Begründung einen Widerspruch aus formalen Gründen einreichen.

Folgende formale Gründe rechtfertigen einen sofortigen Widerspruch:

  • Der Bescheid erfolgt ohne Begründung und es liegt außerdem kein Gutachten bei.
  • Das Schreiben enthält keinen Hinweis auf die Möglichkeit zum Widerspruch (die sogenannte Rechtsbehelfsbelehrung ).
  • Der Bescheid wurde weder persönlich unterschrieben noch als „maschinell erstellter Bescheid“ gekennzeichnet.
  • Es ist kein Absender vermerkt.
Info
Formale Fehler sind eher selten und oft nicht von Dauer

Ein Widerspruch aufgrund eines formalen Fehlers führt oft nur dazu, dass Sie kurze Zeit später einen gültigen Bescheid mit dem gleichen Inhalt erhalten. Wenn Sie wirklich etwas am Ergebnis der Begutachtung ändern möchten, müssen Sie Ihren Widerspruch in der Regel inhaltlich begründen.

Schritt 1: Widerspruch fristgerecht einreichen

Die Frist für den Widerspruch beträgt einen Monat und gilt ab dem Tag der Zustellung.(2) Um sicher zu gehen, können Sie auch das Datum des Poststempels auf dem Schreiben von der Pflegekasse verwenden. Heben Sie das Schreiben auf jeden Fall auf.

Tipp
Fehlt die Rechtsbelehrung, verlängert sich die Frist

In Ihrem Pflegegrad-Bescheid muss die Pflegekasse Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie dem Bescheid widersprechen können. Fehlt die sogenannte Rechtsbelehrung, verlängert sich die Frist für einen möglichen Widerspruch auf ein Jahr. (3)

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist gilt der Bescheid als „bestandskräftig“. Das heißt, der Pflegegrad kann erst wieder durch einen neuen Antrag und eine darauffolgende erneute Begutachtung geändert werden. Dies ist aber erst nach mindestens sechs Monaten möglich.

Ausnahme: Verschlechtert sich der Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist erheblich, zum Beispiel durch einen Schlaganfall, müssen Sie nicht sechs Monate warten. Mit dem Hinweis auf die gesundheitliche Veränderung können Sie sofort einen neuen Antrag stellen.

Schicken Sie deshalb unbedingt fristgerecht einen schriftlichen Widerspruch an die Pflegekasse. Sie müssen darin noch keine ausführliche Begründung liefern. Sie werden als Antwort auf das Widerspruchsschreiben einen Brief von der Pflegekasse erhalten, in dem das weitere Vorgehen geschildert wird.

Info
Widerspruch nur durch den Versicherten oder Bevollmächtigte

Den Widerspruch gegen den Pflegegrad-Bescheid muss eigentlich die pflegebedürftige Person selbst schreiben. Alternativ kann das auch eine Person mit einer besonderen Vollmacht, eine zuständige ambulante Pflegekraft, ein gesetzlich bestellter Betreuer oder ein Anwalt mit dem dazugehörigen Mandat. Mit der Person verwandt oder einfach an der Pflege beteiligt zu sein, reicht dafür nicht aus.

Widerspruch Pflegegrad Vorlage (PDF)

Der Widerspruch ist an keine bestimmte Form gebunden. Wichtig ist aber, dass der Widerspruch schriftlich erfolgt. Die Begründung können Sie entweder gleich mitschicken oder nachreichen. Wenn Sie die Begründung nachreichen, sollten Sie das aber im Widerspruchsschreiben ankündigen.

Nutzen Sie für den ersten Widerspruch gerne die pflege.de Mustervorlage für den Pflegegrad-Widerspruch. Darin müssen Sie nur einige individuelle Angaben ergänzen, unterschreiben und schon ist der Widerspruch fertig zum Verschicken.

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Tipp
Frist verpasst? Ein Anwalt kann helfen

Obwohl die Frist verstrichen ist, kann ein Anwalt über eine Klage einen Pflegegrad-Bescheid anfechten. Das gilt bis zu vier Jahre rückwirkend für alle Bescheide der Pflegekasse. (4)

Schritt 2: Begründung für den Pflegegrad-Widerspruch

Die inhaltliche Begründung ist das Kernstück Ihres Widerspruchs. Wenn Sie sinnvoll begründen können, warum Ihnen ein höherer Pflegegrad oder überhaupt ein Pflegegrad zusteht, hat Ihr Widerspruch gute Aussichten auf Erfolg.

Drei Dinge sind dabei von zentraler Bedeutung:

  • Das Gutachten vom MD oder von Medicproof
  • Mögliche Hilfe von Ärzten, Pflegekräften und Pflegeberatern
  • Dokumente, die einen höheren Pflegebedarf belegen

Pflegegrad-Gutachten genau prüfen

Der Bescheid der Pflegekasse stützt sich in der Regel auf das Gutachten vom Medizinischen Dienst oder von Medicproof. Darin wird die Selbstständigkeit der betreffenden Person festgehalten und die Situationen, in denen sie Hilfe benötigt.

Das Gutachten zum Pflegebedarf umfasst Kriterien aus sechs Bereichen, darunter Mobilität, Verhaltensweise und Selbstversorgung. In jedem Bereich werden Punkte für den Bedarf an Unterstützung im Alltag vergeben. Anhand der Gesamtpunktzahl wird dann der Pflegegrad errechnet.

Pflegegrade nach Punkten im Gutachten zum Pflegebedarf:

  • Pflegegrad 1: ab 12,5 Punkten
  • Pflegegrad 2: ab 27 Punkten
  • Pflegegrad 3: ab 47,5 Punkten
  • Pflegegrad 4: ab 70 Punkten
  • Pflegegrad 5: ab 90 Punkten
Tipp
Ruhig einmal durchrechnen!

Bevor Sie das Gutachten inhaltlich prüfen, schadet es nicht, einmal nachzurechnen, ob alle Punkte richtig zusammengezählt wurden. Es ist schon vorgekommen, dass aufgrund eines einfachen Rechenfehlers ein falscher Pflegegrad bescheinigt wurde.

Für die Begründung des Widerspruchs sollten Sie das Gutachten genau prüfen. Wo weicht das Gutachten von der tatsächlichen Pflegesituation ab? Was wird im Gutachten nicht angemessen berücksichtigt?

Um zu errechnen, ob die erhofften Änderungen am Gutachten zu einem anderen Pflegegrad führen, können Sie den ausführlichen Ratgeber Pflegegrade heranziehen oder den kostenlosen Pflegegradrechner nutzen.

Hilfe beim Widerspruch: Ärzte, Pflegekräfte und Pflegeberater

Ein Pflegegrad-Gutachten zu interpretieren ist nicht einfach. Gerade einzuschätzen, an welchen Stellen das Gutachten korrekt ist und wo der Pflegebedarf zu niedrig eingeschätzt wurde, ist für Laien eine Herausforderung. Wenn möglich, sollten Sie dabei Dritte hinzuziehen, die damit Erfahrung haben.

Einfachen Zugang zu fachkundiger Unterstützung haben Sie auch, wenn Sie bereits einen ambulanten Pflegedienst nutzen. Denn die professionellen Pflegekräfte kennen die betreffende Person bereits und können auch die einzelnen Punkte im Gutachten meistens gut einschätzen.

Auch die Pflegeberatung nach § 37.3 ist eine gute Anlaufstelle zur Beratung bei einem Widerspruch. Denn Pflegeberater sollten das Widerspruchsverfahren gut kennen und können Sie dabei fachkundig unterstützen.

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Besonders aussagekräftig ist ein Gegengutachten von einem unabhängigen Pflegegutachter. Allerdings müssen Sie das Gegengutachten selbst bezahlen. Und das Wiederholungsgutachten durch den MD oder Medicproof bleibt Ihnen in der Regel trotzdem nicht erspart.

Ein Gegengutachten ist nur in Fällen notwendig, wo der Pflegegrad-Bescheid sehr stark von der Pflegesituation abweicht, oder wenn Sie Klage beim Sozialgericht einreichen.

Hilfreiche Dokumente bereitstellen

Alle relevanten medizinischen Dokumente, wie etwa Arztbriefe, Atteste, Krankenhausberichte oder Medikamentenpläne sollten eigentlich schon bei der ersten Begutachtung vollständig bereitliegen und im Gutachten berücksichtigt werden.

Wenn das aber nicht der Fall war oder die Dokumente Ihrer Meinung nach nicht richtig bewertet wurden, können Sie diese nutzen, um Ihren Pflegegrad Widerspruch zu begründen. Ein Beispiel: Im Gutachten wurde die Mobilität als sehr gut bewertet, obwohl eine schwere Arthritis attestiert wurde.

Neben den medizinischen Dokumenten sind aber auch persönliche Notizen zum Pflegeaufwand wichtig. Wenn Sie vor der Erstbegutachtung keine solchen Notizen gemacht haben, sollten Sie jetzt unbedingt damit anfangen.

Expertentipp

Erstellen Sie ein sogenanntes „Pflegetagebuch“ und halten Sie darin fest, an welchen Stellen in Ihrem Pflegealltag Unterstützung erforderlich ist. Ein wichtiges Kriterium für die Pflegeversicherung ist die konkrete Hilfe durch Dritte. Erfassen Sie also auch: Welche Pflegeperson erbringt die notwendige Hilfe bei einzelnen Situationen im Pflegealltag? 

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Pflegegrad Widerspruch: Bearbeitungszeit & Dauer

Normalerweise dauert es nur wenige Tage oder Wochen, bis Sie eine Antwort auf Ihren Widerspruch erhalten. Theoretisch hat die Pflegekasse aber bis zu drei Monate Zeit, um darauf zu reagieren.(5)

Wenn die Pflegekasse beim Widerspruch zu dem Schluss kommt, dass von Anfang an ein höherer Pflegegrad vorgelegen hat, erhalten Sie rückwirkend die höheren Pflegeleistungen. Wenn Die Pflegekasse hingegen feststellt, dass sich die Pflegesituation in der Zwischenzeit verändert hat, gilt das nicht.

Wird die zulässige Bearbeitungsfrist von drei Monaten überschritten, können Sie eine sogenannte Untätigkeitsklage einreichen. Das ist aber nur als letztes Mittel in absoluten Ausnahmefällen erforderlich.

Pflegegrad Wiederholungsbegutachtung: Tipps zur Vorbereitung

In vielen Fällen wird in Folge eines erfolgreichen Widerspruchs eine Pflegegrad Wiederholungsbegutachtung angesetzt. Wie beim ersten Mal auch, vereinbart ein Gutachter vom MD oder von Medicproof einen Termin mit Ihnen.

Das Wiederholungsgutachten verläuft ähnlich wie die erste Pflegebegutachtung. Das heißt, es werden nicht nur die im Widerspruch genannten Punkte neu untersucht, sondern die gesamte Pflegesituation. Das Wiederholungsgutachten ist also unabhängig vom Erstgutachten.

Es kann aber sein, dass der Gutachter besonderen Klärungsbedarf bei den Punkten hat, in denen Sie dem Erstgutachten widersprochen haben. Das hängt von der individuellen Sachlage ab.

Tipps für die Wiederholungsbegutachtung:

  • Alle für die Pflege wichtigen Personen sollten teilnehmen
  • Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für den Termin
  • Schildern Sie offen und ehrlich die Pflegesituation
  • Halten Sie alle relevanten Dokumente in Kopie bereit

Erwarten Sie aber nicht, dass der Gutachter Ihnen direkt nach dem Termin mitteilt, wie das neue Gutachten ausfallen wird. Das erfahren Sie in der Regel erst in dem neuen Bescheid der Pflegekasse.

Info
Begutachtung am Telefon ausgeschlossen

Bei einer Wiederholungsbegutachtung nach einem Widerspruch ist ein strukturiertes Telefoninterview zur Pflegebegutachtung nicht möglich. (6)

Pflegegrad Widerspruch Erfolgsaussichten

Viele Betroffene fragen sich vor einem Widerspruch, ob es überhaupt gute Erfolgsaussichten für einen erfolgreichen Pflegerad-Widerspruch gibt. Dazu lässt sich nur sehr allgemein sagen, dass viele Widersprüche Erfolg haben.

Doch Ihre Pflegegrad Widerspruch Erfolgsaussichten hängen ganz von Ihrer individuellen Situation ab. Sehr gut sind die Erfolgsaussichten, wenn nur wenige Punkte zu einem höheren Pflegegrad fehlen.

Doch auch, wenn die Situation nicht ganz so eindeutig ist: Lassen Sie sich von den bürokratischen Hürden nicht abschrecken. Immerhin ist der Pflegegrad von entscheidender Bedeutung für die Finanzierung Ihrer Pflege und Betreuung.

Und aus ganz unterschiedlichen Gründen passiert es eben manchmal, dass ein Erstgutachten die wirkliche Pflegesituation nicht korrekt erfasst. In diesen Fällen ist der Pflegegrad Widerspruch der richtige Weg, um Ihre Ansprüche durchzusetzen.

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Pflegegrad einklagen beim Sozialgericht

Wenn Ihr Widerspruch keinen Erfolg hat, bleibt noch die Möglichkeit, eine Klage beim Sozialgericht einzureichen. Die Klage selbst ist beim Sozialgericht für Sie kostenlos.

In diesen Fällen können Sie Klage beim Sozialgericht einreichen:

  • Ein Anwalt hat das Gutachten rechtssicher geprüft und Ihren Anspruch auf Leistungen aus der Pflegekasse festgestellt.
  • Das Gutachten enthält Form- und Berechnungsfehler.
  • Sie haben ein unabhängiges Gutachten bei einem Pflegesachverständigen beauftragt, das zu einem anderen Ergebnis kommt.
  • Die Pflegekasse lehnt Ihren Antrag auch nach der Wiederholungsbegutachtung ab und verweigert Pflegeleistungen.

Auch wenn beim Sozialgericht für Sie keine Gerichtskosten anfallen, sollten Sie mit Kosten für einen Anwalt und einen Pflegesachverständigen rechnen. Die Anwaltskosten müssen Sie nur bezahlen, wenn Sie den Rechtsstreit verlieren.

Eine Klage ist in jedem Fall aufwändiger als der Widerspruch und dauert deutlich länger. Sie sollten diesen Weg deshalb nur in Betracht ziehen, wenn es notwendig ist und Sie gute Aussichten auf Erfolg haben. Am besten beurteilen kann das ein auf Sozialrecht spezialisierter Anwalt, der sich mit Ihrem Fall auseinandersetzt.

 

Häufig gestellte Fragen

Was kann ich tun wenn ein Pflegegrad abgelehnt wurde?

Sie können schriftlich Widerspruch bei Ihrer Pflegeversicherung einlegen. Dabei müssen Sie begründen, warum das Gutachten zu einem falschen Ergebnis kommt. Oft findet dann ein Wiederholungsgutachten statt. Bleibt auch das erfolglos, besteht noch die Möglichkeit einer Klage beim Sozialgericht.

Wie lege ich Widerspruch gegen einen Pflegegrad ein?

Zuerst müssen Sie innerhalb eines Monats einen schriftlichen Widerspruch verschicken. Die ausführliche Begründung können Sie entweder gleich mitschicken oder später nachreichen. In der Begründung müssen Sie genau belegen, warum die Pflegebedürftigkeit falsch eingeschätzt wurde.

Wie lange habe ich Zeit für einen Pflegegrad-Widerspruch?

Nach der Zustellung des Pflegegrad-Bescheids haben Sie einen Monat Zeit, schriftlich Widerspruch einzulegen. Diese Frist bezieht sich auf eine erste Ankündigung Ihres Widerspruchs. Eine ausführlichere Begründung können Sie nach der Frist nachreichen, wenn Sie das in dem Schreiben ankündigen.

Wie schreibe ich einen Pflegegrad-Widerspruch?

Grundsätzlich benötigt das Widerspruch-Schreiben keine besondere Form. Aber es sollte schriftlich sein und diese Infos enthalten: Ihre Anschrift, Datum und Aktenzeichen des Bescheids, Hinweis auf die noch folgende Begründung, sowie Ihre Unterschrift mit Ort und Datum.

Wie begründe ich einen Pflegegrad-Widerspruch?

Bei der Begründung müssen Sie konkret auf die einzelnen Feststellungen des Pflegegrad-Gutachtens eingehen und zeigen, warum diese nicht der tatsächlichen Situation entsprechen. Auch Atteste von Ärzten oder Schilderungen von Pflegefachkräften und Pflegeberatern können dabei hilfreich sein.

Wer hilft kostenlos beim Pflegegrad-Widerspruch?

Erste Ansprechpartner können behandelnde Ärzte, beteiligte Pflegekräfte oder Pflegeberater sein. Viel Erfahrung mit Widersprüchen haben aber oft auch die regionalen Pflegestützpunkte. Und manche Sozialdienste bieten kostenlose Unterstützung beim Pflegegrad-Widerspruch.

Wie lange dauert die Entscheidung beim Pflegegrad-Widerspruch?

Die Pflegeversicherung hat eine Frist von drei Monaten für die Bearbeitung des Widerspruchs. Dafür muss allerdings auch Ihre Begründung bereits eingegangen sein. Wenn Sie Erfolg haben, können Sie die Ihnen entgangenen Leistungen aber rückwirkend erhalten.

Wie oft kann ich gegen einen Pflegegrad Widerspruch einlegen?

Sie können pro Pflegegrad-Bescheid einmal Widerspruch einlegen. Bleibt der Widerspruch erfolglos, können Sie entweder eine Klage vor dem Sozialgericht einreichen oder sechs Monate warten und dann erneut einen (höheren) Pflegegrad beantragen.

Wie oft ist ein Widerspruch gegen einen Pflegegrad erfolgreich?

Die wichtigste Info ist: Viele Pflegegrad-Widersprüche sind erfolgreich. Letztendlich hängen Ihre persönlichen Erfolgschancen allein von Ihrem Pflegegrad-Bescheid und der tatsächlichen Pflegesituation ab.

Pflegegrad-Widerspruch abgelehnt - was tun?

Wenn Ihr Widerspruch abgelehnt wird, kann nur noch ein Anwalt und eine Klage beim Sozialgericht helfen. Die Alternative ist ein erneuter Antrag nach einer Wartezeit von mindestens sechs Monaten. Dann verfallen allerdings alle Ansprüche, die Sie möglicherweise in der Zwischenzeit gehabt hätten.

Pflegegrad abgelehnt - wann kann ich ihn neu beantragen?

Sie können nach einer Frist von mindestens sechs Monaten erneut einen Antrag auf Pflegegrad oder einen Höherstufungsantrag stellen.

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Erstelldatum: 6102.21.9|Zuletzt geändert: 5202.90.11
(1)
Bundesministerium für Gesundheit (2025): Erledigung der Anträge auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit 2024
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Antragsstatistik/08-Erledigung-der-Antraege_2024.pdf (letzter Abruf am 08.09.2025)
(2)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (ohne Jahr): Sozialgerichtsgesetz (SGG) - § 84
https://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__84.html (letzter Abruf am 08.09.2025)
(3)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (ohne Jahr): Sozialgerichtsgesetz (SGG) - § 66
https://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__66.html (letzter Abruf am 08.09.2025)
(4)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (ohne Jahr): Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__44.html (letzter Abruf am 08.09.2025)
(5)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (ohne Jahr): Sozialgerichtsgesetz (SGG) - § 88 Abs. 2 Satz Sozialgerichtsgesetz
https://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__88.html (letzter Abruf am 08.09.2025)
(6)
Medizinischer Dienst Bund (2024): Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Begutachtungsgrundlagen/BRi_Pflege_21_08_2024_BF.pdf (letzter Abruf am 08.09.2025)
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Interview

„Wer gegen die Ablehnung eines Pflegegrads angeht, hat gute Aussichten auf Erfolg“

Michael Klatt
Im Interview
Michael Klatt
Rechtsanwalt

Michael Klatt ist Rechts- und Fachanwalt in Oldenburg mit den Schwerpunkten Familienrecht, Sozialrecht, Medizinrecht, Seniorenrecht, Elternunterhalt und Sozialversicherungsrecht. Zudem ist er als Dozent bei der Anwaltsausbildung tätig, Autor und Herausgeber von Fachliteratur sowie Mitglied im Ausschuss ‚Gesetzgebung‘ der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht.

Michael Klatt berät als Fachanwalt für Sozialrecht vielfach Menschen, deren Pflegegrad abgelehnt wurde. Im Interview erzählt er, woran Pflegegrad-Anträge häufig scheitern, wie man sich auf eine Begutachtung richtig vorbereitet und was beim Einlegen des Widerspruchs wichtig ist, damit Betroffene schließlich doch noch einen Pflegegrad erhalten.

Herr Klatt, wie viele Anträge auf einen Pflegegrad werden Ihrer Einschätzung nach abgelehnt und wie viele Betroffene legen gegen diese Ablehnung Widerspruch ein?

Michael Klatt: Ich schätze, dass etwa ein Drittel der Anträge auf einen Pflegegrad abgelehnt werden. Von diesen Betroffenen widerspricht wiederum zirka ein Drittel der Entscheidung der Pflegekasse. Vielen Antragstellern ist einfach gar nicht bewusst, dass sie dem Bescheid der Pflegekasse widersprechen können. Sie nehmen eine Ablehnung als unanfechtbar hin.

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Der pflege.de Podcast ‚Pflege leichter Leben‘

Neue Folge: Pflegegrad zu niedrig? So klappt der Widerspruch!

Wenn der Pflegegrad nicht dem tatsächlichen Pflegebedarf entspricht, kann ein Widerspruch sinnvoll sein. Wir sprechen darüber, wie es zu einer Fehleinschätzung kommen kann und warum sich ein Widerspruch oft lohnt. Erfahren Sie mehr über die geltenden Fristen, die richtige Formulierung eines Widerspruchs und dazu, welche Unterlagen Ihre Erfolgschancen erhöhen.

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In welchen Fällen raten Sie Betroffenen und deren Angehörigen dazu, Widerspruch gegen die Ablehnung eines Pflegegrads einzulegen?

Michael Klatt: Wir raten nach einem Ablehnungsbescheid grundsätzlich dazu, erst einmal formal Widerspruch einzulegen – unabhängig vom Einzelfall. Dafür haben die Antragsteller einen Monat Zeit – und zwar ab dem Datum, an dem der Ablehnungsbescheid der Pflegekasse zugestellt wurde. Es reicht ein formloses Schreiben aus, in dem man mitteilt, dass man mit der Ablehnung nicht einverstanden ist. Der Widerspruch ist wichtig, um zunächst einmal Zeit zu gewinnen und in Ruhe prüfen zu können, ob der Gutachter von MD oder Medicproof alle Einschränkungen des Betroffenen berücksichtigt und die Situation des Antragstellers richtig erfasst hat.

Widerspruch einlegen sollte man grundsätzlich, um Zeit zu gewinnen.
Michael Klatt

Muss der Ablehnungsbescheid der Pflegekasse gewissen Anforderungen genügen?

Michael Klatt: Nein, der Ablehnungsbescheid der Pflegekasse kann auch ein Schreiben mit zwei bis drei Sätzen sein, in dem lediglich die Ablehnung mitgeteilt wird. Eine Begründung braucht es auch nicht. Das MD- oder Medicproof-Gutachten muss auch nicht beiliegen.

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Wie können die Betroffenen und Angehörige nach einer Ablehnung prüfen, ob der MD-Gutachter die Situation des Pflegebedürftigen richtig erfasst hat?

Michael Klatt:  Die Familien sollten das Gutachten von MD oder Medicproof anfordern, sofern sie es nicht zusammen mit dem Ablehnungsbescheid der Pflegekasse erhalten haben. Dann können sie Schritt für Schritt abgleichen: Hat der Gutachter alles so aufgenommen, wie sie es geschildert haben? Hat der Gutachter das Ausmaß des Hilfsbedarfs bei einer bestimmten Tätigkeit – zum Beispiel beim Anziehen – richtig eingeschätzt? Oder ist etwas gänzlich vergessen worden? Häufig sind die Betroffenen und Angehörigen während des Termins nämlich gestresst und vergessen, wichtige Dinge zu erwähnen.

Viele Antragsteller sind überfordert, wenn es darum geht, das Gutachten zu überprüfen. Was raten Sie in solchen Fällen zu tun?

Michael Klatt: Häufig lassen Pflegebedürftige und Angehörige die Monats-Frist verstreichen, weil sie durch ihren stressigen Alltag neben Pflege und Beruf wenig Zeit und Kraft haben, sich dieser Aufgabe zu widmen. Ich rate deshalb dazu, frühzeitig einen Anwalt hinzuzuziehen. Denn ein Anwalt kann auch kurz vor Ablauf der Frist noch Widerspruch für die Antragsteller einlegen.

Die Betroffenen oder Angehörigen können die nötigen Unterlagen – Ablehnungsbescheid sowie verfügbare ärztliche Unterlagen, Reha-Entlassungsbericht und weitere verfügbare Befunde – einfach an den Anwalt faxen oder mailen. Dieser schickt dann den Widerspruch ebenfalls per Fax an die Pflegekasse. Wenn so wieder etwas Zeit gewonnen wurde, kann man sich ausführlich austauschen und die nächsten Schritte gemeinsam planen.

Info
Vorbereitung auf die Begutachtung durch den MD / Medicproof – das rät Fachanwalt Michael Klatt:

Innerhalb der ein bis zwei Stunden der Begutachtung ist es für die Betroffenen schwierig, alle Situationen abzurufen, in denen Hilfebedarf besteht. Deshalb ist es wichtig, schon vor dem Termin ganz in Ruhe alle Aspekte der Pflege zu erfassen.

  • Beobachten Sie den Pflegebedürftigen über einen Zeitraum von 10 bis 14 Tagen bei seinem Pflegealltag und notieren Sie alle Situationen, bei denen Hilfsbedarf besteht.
  • Notieren Sie, welche Hilfsmittel, etwa Rollator oder Windeln, genutzt werden.
  • Sammeln Sie ärztliche Unterlagen.
  • Übernehmen Sie die Initiative bei dem Gespräch mit dem Gutachter des MD oder Medicproof und stellen Sie die Pflegesituation bei Ihnen zu Hause dar. Beschreiben Sie gezielt besonders aufwendige Pflegesituationen. Wenn Sie die Gesprächsführung nur dem Gutachter überlassen, fragt dieser möglicherweise an Ihrer speziellen Problemsituation vorbei.
  • Geben Sie sie dem Gutachter eine Zusammenfassung Ihrer Notizen mit.
mehr

Gibt es Situationen im Pflegealltag von Antragstellern, die von den Gutachtern häufig anders eingestuft werden als von den Betroffenen selbst? Wo also ein Ansatzpunkt für Sie als Fachanwalt besteht, Widerspruch einzulegen?

Michael Klatt: Ja, diese Situationen gibt es. Und zwar werden Pflegesituationen, in denen der Betroffene teilweise noch Dinge selbstständig erledigt, teilweise aber auch auf Hilfe angewiesen ist, von den Gutachtern häufig zum Nachteil der Betroffenen bewertet. Wenn also ein Pflegebedürftiger bestimmte Körperbereiche noch selbst waschen kann, andere jedoch nicht, wird er oft als selbstständiger eingestuft als er eigentlich ist. Das kann dann der entscheidende Aspekt sein, der die Anerkennung eines höheren Pflegegrades verhindert.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, kann man also „Fehler“ bei der Begutachtung als Ursache für eine Ablehnung ausmachen?

Michael Klatt: Ja, genau. Die Gutachten von MD und Medicproof sind sehr häufig fehlerhaft, und zwar aus zwei Gründen: Die Betroffenen vergessen während der Begutachtung häufig die Abläufe zu erwähnen, die nicht mehrfach täglich vollzogen werden. Daraus resultiert dann eine unvollständige Darstellung der Pflegesituation.
Der zweite Faktor liegt in der Person des Gutachters. Es gibt Gutachter, die nur ihren standardisierten Fragenkatalog abarbeiten und den Betroffenen wenig Raum geben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. So können wichtige Information unerwähnt bleiben. Das ist ein weiterer häufiger Grund für ein unzureichendes Gutachten.

Ist die Frist für den Widerspruch abgelaufen, kann ein Anwalt noch bis zu vier Jahre später eine erneute Prüfung veranlassen.
Michael Klatt

Ist es für einen Antragsteller auch nach Ablauf der Widerspruchs-Frist sinnvoll, einen Anwalt einzuschalten?

Michael Klatt: Die Antwort ist ganz klar: Ja. Antragsteller sollten wissen, dass ein Anwalt auch dann noch die erneute Prüfung eines Falls erreichen kann, wenn die Frist für den Widerspruch bereits lange abgelaufen ist.
Das Sozialgesetz (Paragraf 44, SGB X) sieht vor, dass auch bestandskräftig gewordene Entscheidungen der Pflegekasse noch überprüft werden können – und zwar rückwirkend bis zu vier Jahre. Diese Regelung kennen meist nur die Fachanwälte für Sozialrecht, denn es gibt sie so nur im Sozialrecht. Um sie anzuwenden, braucht es keine besondere Begründung. Der Anwalt muss also nicht etwa anführen, warum der Antragsteller den Widerspruch innerhalb der Frist versäumt hat – das spielt keine Rolle. Es reicht die Vermutung aus, dass eine Ablehnung, die beispielsweise vor 12 Monaten gültig geworden ist, falsch war. Dann ist die Pflegekasse dazu verpflichtet, den Fall des Betroffenen wiederaufzunehmen und noch einmal neu zu prüfen.

Was kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass ein Bescheid der Pflegekasse falsch war und eine erneute Prüfung und rückwirkende Zahlungen möglich sind?

Michael Klatt: Wenn etwa bei einer Begutachtung nicht alles geprüft wurde, was für eine Entscheidung über einen Pflegegrad relevant ist. Es kommt häufig vor, dass Antragsteller aus Scham ihre Bedürftigkeit nicht vollständig offenlegen – bei Männern sind diese Hemmungen übrigens deutlich ausgeprägter. Wenn also ein Betroffener zum Anwalt für Sozialrecht kommt und erzählt, dass er bei einer schon weiter zurückliegenden Begutachtung durch den MD oder Medicproof seine Inkontinenz nicht erwähnt hat, dann ist das daraus resultierend Gutachten wahrscheinlich falsch. Dann gilt es nachzuweisen, dass schon damals eine Inkontinenz vorlag – etwa durch die Bestätigung eines Arztes. Dann muss dieser Fall neu geprüft werden, auch wenn die Begutachtung schon 12 Monate zurückliegt. Und gegebenenfalls muss die Pflegekasse für diesen Zeitraum auch nachzahlen. Unter Berufung auf diese Norm können wir Anwälte sehr häufig erfolgreich eine erneute Prüfung und Nachzahlungen veranlassen – bei Pflegegraden, bei Rentenverfahren oder bei Schwerbehinderungen. Also immer dann, wenn die Antragsteller die Monatsfrist zum Einlegen der Rechtsmittel versäumt haben.

Ok, Sie als Anwalt legen dann für den Betroffenen Widerspruch gegen die Ablehnung eines Pflegegrads ein. Wie geht es danach weiter?

Michael Klatt: Nachdem der Anwalt Widerspruch eingelegt hat, fordert er die gesamte Pflegeakte des Mandanten von der Pflegekasse an – also das, was der Mitarbeiter der Pflegekasse als Grundlage für seine Entscheidung vorliegen hatte. Dann prüft er, ob diese Informationen mit dem tatsächlichen Pflegebedarf übereinstimmen. Wenn er Fehler findet, fasst er diese in einem Schreiben an die Pflegekasse zusammen und begründet damit den Widerspruch. Der MD oder Medicproof bewertet dann den Pflegefall unter Berücksichtigung der neuen Informationen noch einmal neu. Ergebnis kann die Anerkennung eines Pflegegrades sein. In den meisten Fällen erhält der Antragsteller jedoch den sogenannten Widerspruchsbescheid, also die Ablehnung des Widerspruchs. Diese erneute Ablehnung kann man dann innerhalb eines Monats mit einer Klage vor dem zuständigen Sozialgericht anfechten.

Rund die Hälfte der abgelehnten Pflegegradanträge landet schließlich vor Gericht.
Michael Klatt

In wie vielen Fällen ist ein Widerspruch erfolgreich und wie viele Antragsteller ziehen vor Gericht?

Michael Klatt: Ich würde sagen, in etwa einem Viertel der Fälle erhalten die Antragsteller nach einem Widerspruch doch noch einen Pflegegrad. Bei einem weiteren Viertel der Fälle entscheiden sich die Betroffenen nach einer Ablehnung des Widerspruchs zu warten, bis sich ihre Hilfsbedürftigkeit beziehungsweise Pflegebedürftigkeit verstärkt und sich ihre Chancen auf einen Pflegegrad verbessern. Dann stellen sie erneut einen Antrag auf einen Pflegegerad. Und rund die Hälfte der Fälle geht ins Klageverfahren.

Erstelldatum: 7102.80.7|Zuletzt geändert: 5202.40.22
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Bildquelle
Bild 1: © bernardbodo / Fotolia.com, Bild 2: © Michael Klatt
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