Medikamentengabe: Medikation verstehen
Medikamente gibt es in unterschiedlichen Formen und Verabreichungsarten – von Tabletten und Tropfen bis hin zu Pflastern oder Injektionen. Je nach Art des Medikaments entscheidet sich, wie es aufgenommen wird und wie schnell es wirkt.
Für pflegende Angehörige ist wichtig zu wissen:
- Welche Darreichungsformen gibt es?
- Welche Applikationsformen kommen zur Anwendung?
Darreichungsformen von Medikamenten
Die Darreichungsform bezeichnet die Form eines Medikaments. Diese richtet sich danach, welche Eigenschaften das Arzneimittel hat und wo das Medikament im Körper wirken soll.
Es gibt verschiedene Gruppen von Darreichungsformen: fest, halbfest und flüssig. (1)
Darüber hinaus gibt es auch gasförmige Arzneimittel, beispielsweise Cortisonsprays für Asthmatiker.
Die nachfolgende Grafik gibt Ihnen einen anschaulichen Überblick über die verschiedenen Arzneiformen.
Darreichungsformen von Arzneimitteln © pflege.de
Die Darreichungsform der Medikamente bestimmt, wie sie verabreicht werden.
Applikationsformen von Medikamenten
Medikamente können unterschiedlich verabreicht, oder auch: appliziert werden.
Applikation beschreibt also die Art und Weise, wie ein Medikament verabreicht wird.
Zu den häufigsten Applikationsarten von Medikamenten zählen: (2)
- Orale Applikation: Das Medikament wird über den Mund eingenommen, beispielsweise als Tablette, Kapsel, aber auch Tropfen, Saft oder gelöstes Pulver.
- Sublinguale Applikation: Manche Medikamente sollen sich im Mund auflösen, damit sie über die Mundschleimhaut wirken können.
- Nasale Applikation: Beschreibt Medikamente, die über die Nase aufgenommen werden – zumeist das Nasenspray.
- Aurale Applikation: Das Medikament wird in die Ohren getropft.
- Kutane Applikation: Als Salbe oder Gel wird das Medikament auf die Haut aufgetragen: Manchmal nur auf einer betroffenen Stelle, beispielsweise bei einer Wunde, manchmal wirkt das Medikament aber, indem es sich über den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt, beispielsweise durch spezielle Pflaster.
- Rektale Applikation: Das Medikament wird beispielsweise als Zäpfchen im After angewendet.
Einige Medikamente werden auch als Injektion über eine Spritze verabreicht:
- Intravenös: In die Vene
- Intramuskulär: In den Muskel
- Subkutan: Unter die Haut
Richtige Darreichungsform und Applikationsart wählen
Sie müssen meist nicht selbst entscheiden, welche Arzneiform und Verabreichungsart die richtige ist – zumindest nicht, wenn es um ärztlich verordnete Medikamente geht. Da dürfen Sie sich auf die medizinische Expertise Ihres Arztes verlassen.
Sie sollten jedoch darauf achten, dass die entsprechende Arzneiform und Applikationsart auch für Sie oder Ihren pflegebedürftigen Angehörigen geeignet sind.
Wenn Sie feststellen, dass sich Ihr pflegebedürftiger Angehöriger ein Schmerzpflaster immer wieder abreißt, sollten Sie mit dem Arzt über eine andere Arzneiform und Applikationsart sprechen. Das gilt auch, wenn Kapseln sehr groß sind und nur schlecht oder gar nicht geschluckt werden können.
Medikamentengabe: Medikamente richten und verabreichen
Medikamente richtig zu verabreichen, erfordert Sorgfalt und Routine. Bereits kleine Fehler bei der Verabreichung von Medikamenten – eine vergessene Tablette oder eine falsche Dosierung – können die Wirkung beeinträchtigen oder gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
Um dies zu vermeiden, sollten Sie die Medikamente systematisch vorbereiten und sich an klare Abläufe halten.
Dazu gibt Ihnen pflege.de mehrere Tipps an die Hand.
Medikamentengabe im Vorfeld planen
Nehmen Sie sich an einem Tag in der Woche Zeit, um die Medikamentengabe in Ruhe zu planen. So vermeiden Sie Hektik bei der Verabreichung.
Achten Sie darauf, dass Sie auch nicht-verschreibungspflichtige Medikamente in die Planung miteinbeziehen und besprechen Sie diese vorab mit dem Arzt.
Sie müssen sich stets absichern, dass keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten können.
Darüber hinaus sollten Sie bedenken, wann das jeweilige Medikament eingenommen werden sollte, beispielsweise:
- Auf nüchternen Magen
- Vor, während oder nach einer Mahlzeit
- Morgens oder abends
Der Medikamentenplan – die Basis für gute Organisation
Ein aktueller Medikamentenplan ist die Grundlage für eine sichere Medikamentengabe – besonders, wenn mehrere Arzneimittel eingenommen werden müssen.
Mehr dazu, wie der Medikamentenplan Sie konkret bei der Planung der Medikamentengabe unterstützen kann, erfahren Sie in unserem Ratgeber Medikamentenplan.
Medikamente richten
Medikamente richten bedeutet, die benötigten Medikamente vorzubereiten und geordnet bereitzustellen, sodass sie später korrekt eingenommen oder verabreicht werden können.
Dazu gehört:
- Medikamente aus Blistern oder Verpackungen entnehmen (falls nötig)
- Tabletten nach Tageszeit und Dosierung sortieren
- Flüssige Medikamente in der richtigen Menge abmessen
- Medikamenten-Dispenser oder -Organizer befüllen, um Verwechslungen zu vermeiden
Einige Apotheken nehmen Ihnen den Aufwand ab, die Medikamente zu organisieren, also zu richten.
Verblisterung: Medikamentengabe in der Apotheke vorbereiten lassen
Damit Sie Medikamente nicht selbst vorsortieren müssen, bieten viele Apotheken die sogenannte Verblisterung an.
Die Verblisterung, auch maschinelle Vorsortierung genannt, findet in separaten Räumen der Apotheke oder eines Betriebs statt, in denen strenge Hygienevorschriften gelten. (3)
Dort werden die Medikamente zunächst individuell nach ärztlicher Verordnung vorsortiert. Anschließend werden sie in durchsichtige Tüten – sogenannte Blister – eingeschweißt.
Sie bekommen dann einen Schlauchblister, an dem mehrere Tütchen miteinander verbunden sind. Jedes Tütchen enthält die Medikamente für einen bestimmten Einnahmezeitpunkt (zum Beispiel Montag, 9 Uhr).
Sie müssen nur noch das jeweilige Tütchen abreißen und die Tabletten einnehmen oder verabreichen. Zur Kontrolle sind die enthaltenen Medikamente auf dem Tütchen aufgeführt.
Vorteile der Verblisterung:
- Sie können nur die Medikamente einnehmen, die in dem entsprechenden Blister enthalten sind.
- Sie können keine Medikamente verwechseln.
- Die Blister sind leicht zu transportieren, also ideal für unterwegs.
Allerdings können nur Medikamente, in einer festen Darreichungsform verblistert werden, sprich Tabletten, Kapseln oder Dragees.
Medikamente lagern und verwalten
Damit Medikamente optimal wirken können, sollten Sie sie nicht nur gewissenhaft richten und korrekt verabreichen, sondern auch ordentlich lagern und verwalten.
Prüfen Sie deshalb, wie die Medikamente aufbewahrt werden müssen. Das können Sie entweder durch den Beipackzettel erfahren oder in der Apotheke erfragen.
Wichtige Aufgaben, die darüber hinaus zur Verwaltung von Medikamenten gehören, sind: (4)
- Sicher aufbewahren: Lagern Sie die Medikamente so, dass niemand sie aus Versehen falsch anwendet. Ein abschließbarer Medikamentenschrank eignet sich hierfür.
- Medikamentengerecht lagern: Lagern Sie die Medikamente so, wie es auf der Verpackung oder im Beipackzettel angegeben ist. Das kann trocken bei Raumtemperatur sein, manchmal auch im Kühlschrank und selten im Tiefkühlfach sein.
- Haltbarkeit prüfen: In regelmäßigen Abständen sollten Sie die Haltbarkeit der Medikamente prüfen. Ist das Haltbarkeitsdatum überschritten, sollten Sie die abgelaufenen Medikamente entsorgen. Dafür können Sie sie in der Apotheke abgeben.
- Haltbarkeit nach dem Öffnen prüfen: Im Beipackzettel oder auf der Verpackung finden Sie einen Hinweis darauf, wie lange das Medikament nach dem Öffnen haltbar ist. Verwenden Sie es nicht über den angegebenen Zeitpunkt hinaus. Am einfachsten können Sie sich das Datum merken, wenn Sie es auf die Packung schreiben.
Abgelaufene Medikamente können bei falscher oder dauerhafter Einnahme zu Beschwerden führen. Schauen Sie daher regelmäßig nach, was Ihr pflegebedürftiger Angehöriger alles an Salben, Tropfen und Tabletten zuhause hat. Versuchen Sie hier Ordnung reinzubringen und besorgen Sie zum Beispiel eine Box, in der Ihr pflegebedürftiger Angehöriger all seine Medikamente lagern kann. Auch ein Medizinschrank oder eine gekennzeichnete Schublade im Badezimmer können ein geeigneter Sammelort für die Medikamente sein.

Medikamentengabe: Checkliste für Angehörige
Wenn Sie als pflegender Angehöriger Medikamente verabreichen, müssen Sie einiges an Verantwortung übernehmen.
Die folgenden Kriterien sind die Basis für diese Aufgabe: (4)
Medikamentengabe: Was Sie bei einem Fehler tun sollten
Sollte es einmal zu einer falschen Medikamentengabe gekommen sein, dann handeln Sie bitte sofort: Verständigen Sie den zuständigen Arzt oder – in dringenden Fällen – auch den Notarzt. Den ärztlichen Bereitschaftsdienst erreichen Sie unter der 116 117, den Rettungsdienst unter der 112.
Warten Sie nicht einfach ab und noch wichtiger: Verschweigen Sie nicht aus Scham, dass Ihnen ein Fehler unterlaufen ist.
Fehler sind menschlich und können im hektischen Pflegealltag vorkommen. Wichtig ist nur, dass Sie verantwortungsbewusst handeln, indem Sie sofort reagieren.
Auch wenn es anfangs sehr überfordernd sein kann, denken Sie mit und machen Sie sich mit der Medikation Ihres pflegebedürftigen Angehörigen vertraut. So, als wäre es Ihr eigenes Medikament. Gehen Sie mit Ihrem zuständigen Apotheker in den aktiven Austausch: Fragen Sie nach möglichen Alternativen zu einem bestimmten Medikament. Erkundigen Sie sich bei ihm, was Sie bei der Medikamentengabe besonders beachten müssen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich erzählen, dass mein Apotheker des Vertrauens mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass aufgrund möglicher Wechselwirkungen von meinen Medikamenten eine regelmäßige EKG-Kontrolle erfolgen sollte. Ich möchte Ihnen keine Angst machen, sondern Mut, sich mit Ihrer Medikation auseinanderzusetzen und verschiedene Fach-Meinungen einzuholen. Aufklärung ist hier das A und O.

Medikamentengabe bei Schluckstörungen
Schluckstörungen (Dysphagien) können die Einnahme von Arzneimitteln erheblich erschweren.
Trifft das auch auf Ihren pflegebedürftigen Angehörigen zu, gibt es verschiedenen Möglichkeiten, die Medikamenteneinnahme zu unterstützen: (5)
- Andere Techniken ausprobieren: Forscher der Universitätsklinik Heidelberg haben beispielsweise den Nick-Trick für leichte Schluckbeschwerden entwickelt: Bei diesem nimmt der Betroffene die Kapsel oder Tablette in den Mund, nimmt einen Schluck Wasser dazu und neigt dann den Kopf nach vorne, indem das Kinn in Richtung Brustkorb bewegt wird. Anschließend soll mit nach vorn geneigtem Kopf geschluckt werden.
- Wechsel der Darreichungsform: Viele Wirkstoffe gibt es auch in anderen Darreichungsformen, beispielsweise als Saft. Darüber hinaus sind längliche Kapseln einfacher zu schlucken als runde Tabletten.
- Nutzen von Schluckhilfen: Tabletten und Kapseln können eventuell mit einer Schluckhilfe besser eingenommen werden: Das ist ein dünner gleitfähiger Überzug. Es gibt aber auch bestimmte Medikamenteneinnahmegele, die ähnliche Funktionen haben.
Ehe Sie Techniken und Hilfsmittel ausprobieren, sollten Sie sich mit dem behandelnden Arzt oder Apotheker abstimmen. Keinesfalls sollten Sie beispielsweise Kapseln öffnen und umfüllen oder Tabletten eigenmächtig zerkleinern oder zermörsern: Möglicherweise könnten Sie damit die Wirksamkeit beeinträchtigen.
Wenn professionelle Unterstützung sinnvoll ist: Medikamentengabe durch den Pflegedienst
Auch wenn Sie die Medikamentengabe Ihres pflegebedürftigen Angehörigen gern übernehmen wollen: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, diese Aufgabe in professionelle Hände zu geben. Ein Pflegedienst kann dann die Medikamentengabe übernehmen.
Es gibt verschiedene Situationen, die professionelle Hilfe erforderlich machen:
- Komplexe Medikation: Wenn mehrere Medikamente mit unterschiedlichen Dosierungen und Einnahmezeiten eingenommen werden sollen, steigt das Risiko von Fehlern.
- Spezielle Verabreichungsformen: Injektionen oder Infusionen erfordern fachliche Kenntnisse und sollten von geschultem Personal durchgeführt werden.
- Überforderung und Unsicherheit: Wer sich mit der Medikamentengabe überfordert fühlt, kann durch den Pflegedienst entlastet werden.
Die Medikamentengabe gehört mit anderen medizinischen Maßnahmen zur sogenannten Behandlungspflege, die von qualifizierten Pflegekräften durchgeführt wird.
Diese Leistung kann vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse übernommen werden. Weitere Informationen dazu finden Sie in unserem umfassenden Ratgeber zur Behandlungspflege.
6-R-Regel oder 10-R-Regel: Merkhilfe für die Medikamentengabe in der professionellen Pflege
In der professionellen Pflege müssen Pflegekräfte viele Pflegebedürftige mit einer Vielzahl von Medikamenten versorgen. Damit alles seine Richtigkeit hat, arbeiten Pflegekräfte mit Merkhilfen.
Eine Merkhilfe zur Kontrolle der richtigen Ausgabe von Medikamenten ist die sogenannte 6-R-Regel: Richtiger Patient, richtiges Arzneimittel, richtige Dosierung, richtige Verabreichungsform, richtiger Zeitpunkt und richtige ärztliche Verordnung. (6)
Diese Merkhilfe können Sie auch in der Pflege zuhause verwenden, wenn Sie Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen Medikamente verabreichen.
Die „10-R-Regel zur qualitätsgesicherten Medikamentengabe“ wurde durch das Averosa-Institut für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung entwickelt.(7) Sie ist die ausgedehnte Variante der 6-R-Regel für die Medikamentengabe.
Häufig gestellte Fragen
Worauf muss ich bei der Medikamentengabe achten?
Es ist wichtig, dass Sie sich immer an die Angaben auf den Medikamenten halten. Sie können hier auf die 6-R-Regel zurückgreifen: Richtiger Patient, richtiges Arzneimittel, richtige Dosierung, richtige Verabreichungsform, richtiger Zeitpunkt und richtige ärztliche Verordnung. Wenn Sie von der Medikamentengabe überfordert sind, können Sie sich Abhilfe mit Blister und Dispenser aus der Apotheke verschaffen.
Was tun bei falscher Medikamentengabe?
Falls versehentlich ein falsches Medikament eingenommen wurde, sollte umgehend ein Arzt oder Apotheker kontaktiert werden. In ernsten Fällen oder bei schweren Symptomen ist es ratsam, sofort den Notruf über die 112 zu wählen. Um zukünftige Fehler zu vermeiden, sollte der Medikamentenplan überprüft und doppelt kontrolliert werden.
Wer darf Medikamente verabreichen?
Medikamente dürfen von pflegenden Angehörigen verabreicht werden, sofern der Arzt nicht eine Verabreichung durch eine Pflegekraft verordnet hat. Dann gehört die Medikamentengabe zur medizinischen Behandlungspflege und darf nur von medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Sind Sie bei der Medikamentengabe unsicher, können Sie sich die Behandlungspflege auch verschreiben lassen.
Darf eine Betreuungskraft Medikamente geben?
Betreuungskräfte, wie zum Beispiel Alltagsbegleiter oder Haushaltshilfen, dürfen keine Medikamente verabreichen. Dies ist ausschließlich medizinisch geschulten Pflegekräften oder pflegenden Angehörigen erlaubt.
Was zahlt die Krankenkasse für die Medikamentengabe?
Die Medikamentengabe durch einen Pflegedienst gehört zur Behandlungspflege und kann ärztlich verordnet werden. In diesem Fall übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung, die regelmäßig erneuert werden muss.