Pflege von Angehörigen: Mehr Flexibilität und Perspektiven
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD will das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz zusammenführen. Ziel ist es, Freistellungsansprüche flexibler zu gestalten,
- den Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen zu erweitern und
- ein Familienpflegegeld zu prüfen, das pflegende Angehörige künftig finanziell unterstützen könnte.
Zudem wird ein jährliches Familienbudget für haushaltsnahe Dienstleistungen in Aussicht gestellt – speziell für Familien mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen mit kleinen oder mittleren Einkommen.(1)
Pflegereform: Große Pläne
Die Pflege steht vor großen strukturellen und finanziellen Herausforderungen. Um diesen zu begegnen, soll eine umfassende Pflegereform auf den Weg gebracht werden.
Die Grundlagen dafür erarbeitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene, unter Einbindung der kommunalen Spitzenverbände. Zu ihrem Auftrag gehört es, zentrale Fragen rund um Pflegeleistungen, Entlastung von Angehörigen, Finanzierung und Bürokratieabbau zu prüfen.(1)
Die Arbeitsgruppe soll Vorschläge unter anderem zu folgenden Themen erarbeiten:
- Möglichkeiten zur Stärkung der pflegenden Angehörigen
- Schaffung von Angeboten für pflegerische Akutsituationen
- Stärkung der sektorübergreifenden pflegerischen Versorgung und Übernahme von Modellprojekten (wie zum Beispiel „stambulant“) in die Regelversorgung
- Anreize für eigenverantwortliche Vorsorge
- Nachhaltigkeitsfaktoren (wie beispielsweise die Einführung einer Karenzzeit)
- Verortung versicherungsfremder Leistungen wie die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige und die Ausbildungsumlage
- Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile
Die Ergebnisse der Kommission sollen noch 2025 vorgelegt werden.
Kurzfristig möchte die neue Bundesregierung folgende Themen umsetzen:
- ein Gesetz zur Pflegekompetenz und Pflegeassistenz
- die rechtliche Absicherung des „kleinen Versorgungsvertrags“ für häusliche Pflegearrangements
Gesetz zur Pflegekompetenz und Pflegeassistenz
Das Pflegekompetenzgesetz soll Pflegefachpersonen mehr Befugnisse geben, damit sie eigenständiger handeln können – zum Beispiel bei der Versorgung von Wunden, der Verordnung von Hilfsmitteln oder der Prävention. Das soll nicht nur die Pflege aufwerten, sondern auch Angehörige und Hausärzte entlasten. (1)
Für pflegende Angehörige kann das bedeuten:
- Bessere Unterstützung durch qualifiziertes Pflegepersonal, das zum Beispiel direkt Empfehlungen zur Pflege oder zum Umgang mit Pflegesituationen geben darf.
- Weniger bürokratischer Aufwand, da gewisse Leistungen nicht mehr zwingend über den Arzt laufen müssen.
- Einbindung von Pflegekräften in Prävention und Beratung, beispielsweise zur Sturzvermeidung oder Ernährung – auch in der häuslichen Umgebung.
Pflegeassistenz
Der Beruf der Pflegeassistenz soll gestärkt und künftig bundeseinheitlich geregelt ausgebildet werden. Pflegeassistenzkräfte unterstützen Pflegefachpersonen gezielt – etwa bei der Grundpflege –, wodurch:
- mehr Zeit für Betreuungsaufgaben entsteht
- Pflegedienste besser entlastet werden,
- pflegende Angehörige ergänzend Hilfe erhalten können, wenn sie zum Beispiel nur punktuelle Unterstützung brauchen.
Kleiner Versorgungsvertrag
In diesem Zusammenhang ist im Koalitionsvertrag die rechtliche Absicherung sogenannter „kleiner Versorgungsverträge“ für die häusliche Pflege vorgesehen – bisher bleibt offen, was genau darunterfällt. Vermutlich soll dieser Vertrag künftig zwischen Dienstleistern und Pflegekassen abgeschlossen werden, um alltagsnahe Unterstützungsangebote rechtlich abzusichern und abrechenbar zu machen. (Leider konnten wir dazu keine näheren Angaben im Koalitionsvertrag finden).
Was sich sonst noch ändern soll
Neben den großen Reformvorhaben plant die Koalition auch kleinere, alltagsnahe Maßnahmen, die die häusliche Pflege erleichtern sollen.(1)
Alles leichter verständlich: Leichte Sprache und Gebärdensprache
Ein neues Kompetenzzentrum für leichte Sprache und Gebärdensprache soll entstehen. Das heißt:
- Texte, Formulare und Pflegeinfos sollen verständlicher werden – zum Beispiel für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Hörbehinderungen.
„Stambulant“ – Pflege in einer neuen Form
Es soll weiter getestet und gefördert werden, wie stationäre und ambulante Pflege besser kombiniert werden können. Diese Kombination wird als „stambulant“ bezeichnet. Das ist besonders interessant für Pflegebedürftige, die nicht mehr ganz allein leben können, aber auch noch nicht ins Pflegeheim wollen oder sollen.
Assistenzhunde: Mehr Unterstützung auf vier Pfoten
Assistenzhunde – beispielsweise für Menschen mit einer Sehbehinderung oder motorischen Einschränkungen – sollen gezielt gefördert werden. Sie können im Alltag unterstützen und Sicherheit geben.
Einsamkeit bekämpfen – generationenübergreifend
Einsamkeit ist ein Thema, das alle Menschen betrifft – und spätestens seit der Corona-Pandemie stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Sicherlich auch ein Grund, warum die Bundesregierung die Einsamkeitsstrategie fortsetzt und bestehende Netzwerke stärkt.
- Forschung und Datenerhebung zur Einsamkeit in jungen Jahren sollen verbessert werden,
- um gezielte Maßnahmen von der Kindheit bis ins hohe Alter zu ermöglichen.
Beispiele für solche Netzwerke sind das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) oder die Mehrgenerationenhäuser, die Menschen über Altersgrenzen hinweg miteinander in Kontakt bringen.
Insgesamt bleiben viele der angekündigten Maßnahmen im Bereich Pflege bislang vage. Wie konkret sie am Ende ausgestaltet werden, hängt maßgeblich von den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ab – und davon, ob die Bundesregierung den politischen Willen zeigt, diese Vorschläge auch zügig umzusetzen.
Bis Ende des Jahres sollen erste Ergebnisse vorliegen. Für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige heißt das: Noch ist Geduld gefragt – aber die Richtung stimmt zumindest.
