Long/Post COVID: Symptome und was dagegen helfen kann

Long COVID Symptome

Bei den meisten Menschen, die sich mit COVID-19 infizieren, klingen die Symptome nach spätestens zwei Wochen wieder ab. Doch vielleicht gehören Sie oder ein Angehöriger zu den Menschen, die nach Corona an gesundheitlichen Langzeitfolgen leiden. Dann könnte es sich um Long COVID oder Post COVID handeln. pflege.de gibt Ihnen in diesem Ratgeber einen Überblick über die Symptome und wie diese behandelt werden können.

Inhaltsverzeichnis

Long/Post COVID: Syndrom kurz erklärt

Wenn Personen mit COVID-19 auch noch vier Wochen nach der Infektion Symptome zeigen, spricht man von Long COVID. Dauern die Symptome zwölf Wochen oder länger an oder treten dann Symptome auf, die nicht anders erklärt werden können, ist die Rede von Post COVID. Es handelt sich also um eine zeitliche Unterscheidung, die Symptome sind die gleichen.

Im nachfolgenden Text sind beide Syndrome unter dem Begriff Long COVID zusammengefasst.

Info
Was ist ein Syndrom?

Der Begriff „Syndrom“ wird in der Medizin dann verwendet, wenn bestimmte gesundheitliche Beschwerden, körperliche Merkmale und Krankheitsanzeichen oft gemeinsam auftreten und die gleiche Ursache haben. Ein Syndrom kann auch mehrere einzelne Erkrankungen beinhalten.

Long COVID: Häufige Symptome in einer Liste

Ein Long-COVID-Syndrom ist oft schwer zu diagnostizieren, weil die Beschwerden so vielfältig sind. Eine Studie der britischen Medizinzeitschrift „The Lancet“ hat rund 200 mögliche Long-COVID-Symptome erfasst.(1)

Laut einer Liste der amerikanischen Behörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) kommen diese Symptome bei Long COVID am häufigsten vor:(2)

  • Neurokognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrationsschwierigkeiten oder Gedächtnisprobleme
  • Lungenprobleme wie Kurzatmigkeit oder Husten
  • Erschöpfung und Müdigkeit, auch als Fatigue oder Chronisches Erschöpfungssyndrom bekannt
  • Schlafstörungen
  • Depressive Verstimmung
  • Ängste und Panikzustände
  • Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen
  • Empfindungsstörungen wie Kribbeln oder Jucken
  • Schmerzen
Wichtiger Hinweis
Gehen Sie bei Auffälligkeiten zum Arzt

Suchen Sie bitte Ihren Hausarzt auf, wenn Sie neue Beschwerden bei sich oder Ihrem Angehörigen feststellen. So kann die Ursache hierfür geklärt werden. Dieser Schritt ist wichtig, denn nur so können Ärzte einen individuellen Therapieplan aufstellen, mit dem die Symptome gelindert oder bestenfalls behoben werden können. Lesen Sie hierzu mehr in unserem Ratgeber Long COVID: Ursachen, Test & Behandlung.

Ein Service von pflege.de
Pflegegradrechner von pflege.de
Jetzt Pflegegrad berechnen!

Der Pflegegradrechner zeigt Ihnen auf Basis Ihrer Angaben eine erste Einschätzung des Pflegegrads auf.

  • Detaillierte Erfassung der Situation
  • Am Begutachtungsverfahren orientiert
  • Einfach & kostenlos

Gehirnnebel nach Corona

Seit Ihrer Corona-Infektion können Sie kaum einen klaren Gedanken fassen? Dann leiden Sie vermutlich unter einem sogenannten Gehirnnebel (englisch: Brain Fog). Dieser tritt häufig als Symptom eines Long-COVID-Syndroms auf und beschreibt das Gefühl der Betroffenen, dass ihr Gehirn nicht richtig arbeitet und viele Gedanken wie im Nebel verschwimmen.

Typisch für den Gehirnnebel nach einer COVID-19-Infektion sind:

  • Verlangsamtes Denken
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Vergesslichkeit
  • Gedächtnisprobleme im Kurz- und Langzeitgedächtnis
  • Vorübergehende Desorientierung, räumlich oder zeitlich
  • Wortfindungsstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Verschwommenes Sehen
  • Schnelle Ermüdung
Info
Welche Rolle spielt Serotonin bei Long COVID?

Es ist noch nicht eindeutig geklärt, wie der Brain Fog entsteht und warum er bei manchen Corona-Infizierten auftritt und bei anderen nicht. Ein Forschungsteam aus den USA fand heraus, dass viele Long-COVID-Betroffene einen zu niedrigen Serotoninspiegel aufweisen. Die Wissenschaftler entdeckten einen Abfall der Serotoninwerte im Blut während der akuten Krankheitsphase von COVID-19. Bei Long-COVID-Patienten hält dieser Mangel langfristig an.(3)

Was hilft gegen Gehirnnebel nach Corona?

Bislang gibt es keine konkrete Therapie, mit der Gehirnnebel bei Long COVID behandelt werden kann. Empfohlen wird jedoch eine ausgewogene Ernährung, ausreichend viel trinken, körperliche Aktivität und ausreichend viel Schlaf.

Husten bei Long COVID

Husten ist eines der häufigsten Symptome einer akuten COVID-19-Infektion. Doch im Rahmen von Long COVID kann es sein, dass Sie auch nach dem akuten Krankheitszustand für weitere Wochen oder Monate daran leiden. Der Husten kann sowohl trocken als auch produktiv, also mit Schleim, auftreten.

Was hilft gegen den Hustenreiz und Hustenanfälle bei Long COVID?

Die Behandlung des Long-COVID-Hustens kann verschiedene Ansätze verfolgen. Ihr Arzt kann Ihnen gegen den Hustenreiz hustenstillende Medikamente oder Inhalationen verschreiben.

Wenn Sie unter Hustenanfällen nach einer Corona-Infektion leiden, ist es wichtig, viel zu trinken, um den eventuell vorhandenen Schleim zu lösen und die Atemwege zu beruhigen. Warme Getränke wie Tee oder warme Milch können lindernd wirken.

Atemnot bei Long COVID

Bestand bei Ihnen bereits vor der Corona-Infektion eine chronische Atemwegserkrankung? Oder war während der akuten Krankheitsphase Ihre Lunge stark betroffen? Dann steigt das Risiko, dass Sie noch lange danach mit Atemschwierigkeiten zu kämpfen haben.

Aber auch, wenn Sie zuvor ganz gesund oder der Corona-Verlauf mild waren, kann Atemnot im Rahmen von Long COVID auftreten. Diese äußert sich zum Beispiel als Kurzatmigkeit bei schon leichten Anstrengungen wie Treppenlaufen, aber auch als Gefühl, schwer und nicht ausreichend Luft zu bekommen.

Atemübungen bei Long COVID

Vielen Patienten helfen spezielle Atemübungen, die man im Rahmen einer Physio- oder Atemtherapie erlernen kann. Einige Übungen können Sie auch ganz leicht alleine zu Hause durchführen. pflege.de gibt Ihnen zwei Übungen an die Hand.

Übung 1: Bewusstes Atmen

Bekommen Sie ein Gefühl für Ihren Atem. Wo spüren Sie ihn beim Einatmen und wohin fließt er?
Schließen Sie dafür die Augen und legen eine Hand auf den Bauch. Versuchen Sie, langsam und tief zu atmen. Dafür eignet sich die sogenannte Box-Atmung:

  • Vier Sekunden lang atmen Sie durch die Nase ein.
  • Vier Sekunden lang halten Sie den Atem an.
  • Vier Sekunden lang atmen Sie durch den Mund wieder aus.
  • Vier Sekunden halten Sie den Atem wieder an.

Übung 2: Lippenbremse

Bei dieser Übung liegen die Lippen geschlossen locker übereinander. Sie atmen tief durch die Nase ein und langsam gegen die geschlossenen Lippen aus. Durch den Widerstand erweitern sich die Atemwege und die Lunge kann sich besser wieder mit Luft füllen.

Fatigue-Syndrom bei Long COVID

Dauerhafte Erschöpfung ist bei Long COVID weit verbreitet. Darunter leidet Ihre Leistungsfähigkeit im Berufs- und Privatleben, sodass Ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt sein kann. Der Fachbegriff für diesen Zustand lautet Fatigue.

Als Symptom im Rahmen von Long COVID besteht die Hoffnung, dass es sich nach einigen Monaten bessert. Hält es jedoch länger an, kann sich daraus die eigenständige Erkrankung ME/CFS entwickeln.

ME/CFS durch Long COVID

Die Abkürzung ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. ME/CFS ist eine komplexe chronische Erkrankung, die sich durch extreme Erschöpfung und einer Vielzahl weiterer Beschwerden äußert. Einige der Symptome lassen sich durch verschiedene Medikamente oder Therapien lindern, heilbar ist die Erkrankung jedoch nicht.

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass etwa die Hälfte der Long-COVID-Betroffenen nach einem halben Jahr die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllt. Diese sind unter anderem:(4)

  • Chronische Fatigue und geringe körperliche Belastbarkeit
  • Schlafstörungen
  • Schmerzen
  • Neurologische, kognitive oder immunologische Symptome, also beispielsweise Kopfschmerzen und Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten oder ein geschwächtes Immunsystem

Da viele der Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten können, müssen diese in der Diagnostik zunächst ausgeschlossen werden. Es gibt bislang keinen speziellen Messwert, der ein Erschöpfungssyndrom belegen kann. Bei vielen Patienten ist allerdings eine verminderte Muskelkraft, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und verringerte körperliche Belastung zu beobachten.

PEM bei Long COVID: Wenn sich die Beschwerden plötzlich verschlechtern

Der Begriff Post-Exertionelle Malaise, kurz PEM, beschreibt eine erhebliche Verschlechterung der Beschwerden bei ME/CFS.

Dem PEM voraus geht eine körperliche, kognitive oder emotionale Anstrengung, die bei einem gesunden Menschen höchstens eine vorübergehende Erschöpfung verursachen würde. Bei ausgeprägtem ME/CFS genügen als Auslöser bereits längere Steh- oder Sitzzeiten, positive oder negative emotionale Aufregung oder Sinnesreize wie ungewohnte Lautstärke oder grelles Licht.

Tipp
Erfahrungen mit ME/CFS durch Post COVID

Im Interview mit pflege.de spricht eine junge Betroffene mit ME/CFS über ihren Weg in die Pflegebedürftigkeit und gibt Einblicke in ihren aktuellen Lebensalltag.

Schmerzen bei Long COVID

Schmerzen bei Long COVID können einzeln, in Kombination oder abwechselnd auftreten:

  • Kopfschmerzen, migräneartig oder als Spannungskopfschmerz
  • Muskelschmerzen, ähnlich wie Muskelkater
  • Gelenkschmerzen, zum Beispiel Schmerzen in den Fingergelenken, ähnlich wie bei Arthrose
  • Halsschmerzen und Schluckbeschwerden
  • Rückenschmerzen sowohl im unteren Rücken als auch im Nacken- und Schulterbereich
  • Gliederschmerzen, also Beschwerden am ganzen Körper, ähnlich wie bei einem grippalen Infekt
  • Nervenschmerzen, ebenfalls im ganzen Körper möglich
  • Bauchschmerzen sowohl Magen- als auch Darmprobleme, möglich sind auch Verdauungsbeschwerden wie Durchfall oder Verstopfung

Was hilft gegen Schmerzen bei Long COVID?

Schmerzen können den Alltag von Betroffenen stark beeinträchtigen. Sprechen Sie Ihre Beschwerden also möglichst zeitnah beim Hausarzt an. Je nach Beschwerdebild überweist er Sie an einen speziellen Facharzt.

Tipp
Führen Sie ein Schmerztagebuch

Bei regelmäßigen Schmerzen kann es sinnvoll sein, ein Tagebuch darüber zu führen. In diesem halten Sie unter anderem fest, wann, wo und wie stark sich die Schmerzen geäußert haben. Diese Notizen geben Ihnen und Ihrem Arzt einen guten Überblick und können auch beim weiteren Schmerzmanagement sinnvoll eingesetzt werden. pflege.de hat dazu eine kostenlose Vorlage erstellt, die Sie sich herunterladen und ausdrucken können.

Bonus
Schmerztagebuch
  • Wie Sie Schmerzen korrekt erfassen
  • Tagebuch im praktischen Format
  • Kostenlos, selbsterklärend und umfassend

Herzrasen nach Corona

Viele Long-COVID-Patienten berichten von Auffälligkeiten rund ums Herz. Wenn Sie schon vor Ihrer COVID-Infektion an Herzproblemen litten, steigt das Risiko, dass diese sich im Rahmen von Long COVID verstärken.

Bei Untersuchungen an Patienten mit einem Long-COVID-Syndrom zeigten sich viele unterschiedliche Herzerkrankungen:(5)

  • Zeitweise oder dauerhaft erhöhte Herzfrequenz, die Sie als Herzrasen wahrnehmen
  • Sogenanntes Herzstolpern
  • Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern
  • Ischämische oder koronare Herzerkrankung, kurz KHK
  • Herzschwäche

Damit einher gehen Beschwerden wir Kurzatmigkeit, Brustschmerzen und geringe körperliche Belastbarkeit. Long COVID kann außerdem zu Bluthochdruck und einem hohen Puls führen, was sich langfristig unbehandelt negativ auf die Herzgesundheit auswirkt.

Was hilft gegen Herz-Beschwerden bei Long COVID?

Herzprobleme können Sie bei einem Kardiologen abklären.

Je nach Beschwerden können Medikamente – wie Betablocker, Sartane oder ACE-Hemmer – Linderung verschaffen.

Bei einigen Patienten helfen gezielter Herzsport oder eine Bewegungstherapie. Auch Entspannungstechniken wie Meditation oder autogenes Training können sich positiv auf Herzprobleme bei Long COVID auswirken.

Die Reduzierung von Übergewicht sowie die Vermeidung von Stress, sowie Alkohol und Nikotin kann zur Verbesserung von Herzsymptomen führen.

Schwindelgefühl bei Long COVID

Während der akuten Corona-Infektion litten Sie vielleicht auch an einem Schwindelgefühl, dass aufgrund von Fieber, Schnupfen oder einer Ohrenentzündung auftrat.

Doch auch als dauerhaftes Symptom bei Long COVID können sich Schwindelanfälle entwickeln. Da diese auch auf viele andere Erkrankungen hinweisen können, wird Ihr Arzt diese vermutlich durch Blutuntersuchungen und bildgebende Verfahren wie einer Magnetresonanztherapie (MRT) ausschließen wollen.

Als Ursachen die ebenfalls durch die COVID-19-Infektion ausgelöst werden können, kommen unter anderem in Frage:

  • Bluthochdruck
  • Blutarmut
  • Niedriger Blutzucker
  • Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche
  • Lungenembolie
  • Nebenwirkungen von Medikamenten
  • Gefäßverkalkungen der hirnversorgenden Gefäße
  • Psychische Erkrankungen wie beispielsweise Angst- und Panikattacken (psychogener Schwindel)

Was hilft gegen Schwindelanfälle bei Long COVID?

Je nachdem, ob und welche Auslöser für den Schwindel gefunden werden, können verschiedene Therapieansätze Ihre Beschwerden bessern. Möglich sind Medikamente beziehungsweise ein Medikamentenwechsel, Therapien wie Ergo- oder Psychotherapie und Anpassungen des Lebensstils.

Magen-Darm-Beschwerden bei Long COVID

Wenn Sie seit geraumer Zeit an Beschwerden des Magen-Darm-Traktes leiden, kann das ebenfalls mit einem Long-COVID-Syndrom zusammenhängen. Viele Patienten berichten über Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen, Blähungen, Appetitlosigkeit oder Verstopfung.

Das könnte daran liegen, dass bei manchen Menschen auch nach der akuten Infektion die Corona-Viren noch lange im Darmtrakt erhalten bleiben. Diese Vermutung beruht auf verschiedenen Studien , in denen die Kot-Proben von Corona-Patienten Menschen über mehrere Monate untersucht wurden.

Durch die Viren könnte das empfindliche Mikro-Biom (Darmflora) aus dem Gleichgewicht geraten, was Folgen für den gesamten Körper nach sich ziehen kann.(6)

Was hilft gegen Magen-Darm-Beschwerden bei Long COVID?

Zur Erholung der Darmflora tragen unter anderem eine ballaststoffreiche Ernährung sowie spezielle Probiotika bei. Suchen Sie bei Magen-Darm-Beschwerden bitte einen Gastroenterologen auf. Dieser kann weitere Untersuchungen durchführen und entsprechende Therapie-Maßnahmen einleiten.

Schlafstörungen nach Corona

Long COVID kann dazu führen, dass Ihr Schlaf nach Corona nicht mehr erholsam und so Ihre Energie im Alltag stark vermindert ist. Schlafprobleme können sich auf unterschiedliche Weise zeigen:

  • Einschlafstörungen: Schwierigkeiten, in den Schlaf zu finden, trotz Erschöpfung.
  • Durchschlafstörungen: Häufiges Aufwachen in der Nacht und Probleme, wieder einzuschlafen.
  • Frühes Erwachen: Aufwachen in den frühen Morgenstunden ohne die Möglichkeit, wieder einzuschlafen.
  • Nicht erholsamer Schlaf: Gefühl der Müdigkeit und Erschöpfung trotz scheinbar ausreichender Schlafdauer.

Was hilft gegen Schlafstörungen bei Long COVID?

Nicht immer müssen Sie Schlafprobleme medikamentös behandeln. Oft helfen Maßnahmen wie diese:

  • Ausreichende Bewegung am Tag
  • Regelmäßige Schlaf- und Aufstehzeiten
  • Verzicht auf schwer verdauliche Kost am Abend
  • Vermeidung langer Bildschirmzeiten in den Abendstunden
  • Ein abgedunkeltes, gut belüftetes Schlafzimmer
  • Entspannungsübungen wie Traumreisen oder autogenes Training

Auch pflanzliche Arzneien mit Wirkstoffen wie Melisse, Hopfen oder Baldrian unterstützen Sie, wenn der Schlaf nicht kommen mag.

Wenn bei Ihnen trotz dieser Maßnahmen die Schlafprobleme andauern, sollten Sie zusammen mit Ihrem Arzt eine (zeitweise) medikamentöse Unterstützung besprechen.

Muskelschwäche und Muskelzucken bei Long COVID

Muskelschwäche oder schmerzende, zitternde und zuckende Muskelpartien können Symptome von Long COVID sein. Vor allem geschwächte Muskeln zeigen sich häufig in Verbindung mit dem Fatigue-Syndrom.

Was hilft gegen Muskel-Beschwerden bei Long COVID?

Je nachdem, welche muskulären Probleme Sie haben, können verschiedene Therapieansätze Linderung bewirken:

  • Schmerzstillende Salben oder Medikamente
  • Physiotherapie, dort werden gezielt bestimmte Muskelgruppen trainiert
  • Ergotherapie leitet sie an, wenn Sie auch bei alltäglichen Verrichtungen Schwierigkeiten haben
  • Massagen der schmerzenden Muskelpartien
  • Wärme- oder Kältetherapie

Beeinträchtigtes Nervensystem durch Long COVID

Schäden am Nervensystem sind eine besonders komplexe Folge von Long COVID. Sie können sich durch Symptome wie Taubheitsgefühlen, Kribbeln, Schmerzen und Koordinationsstörungen zeigen.

Was hilft gegen Nervenstörungen bei Long COVID?

Ihr richtiger ärztlicher Ansprechpartner ist in dem Fall eine neurologische Praxis. Dort kann man durch Messungen eventuelle Nervenschäden, wie zum Beispiel eine Polyneuropathie, feststellen. Meistens ist dann eine Kombination aus mehreren Behandlungsmöglichkeiten sinnvoll. Sie kann unter anderem spezielle Schmerzmittel sowie Ergo- oder Physiotherapie umfassen.

Haarausfall und Hautprobleme durch Long COVID

Long COVID kann sich auch auf das äußere Erscheinungsbild auswirken, beispielsweise durch Hautausschlag oder Haarausfall. Während sich Hautprobleme wie Juckreiz, trockene oder schuppige Haut oft direkt nach der Corona-Infektion zeigen, tritt der Haarausfall typischerweise erst nach einigen Wochen auf.

Was hilft gegen Haarausfall und Hautprobleme bei Long COVID?

Wie Hautärzte beobachtet haben, dauert der Haarausfall üblicherweise rund sechs Monate. Bei den meisten Patienten erholte sich die Haarstruktur. Hautprobleme bessern sich größtenteils durch dermatologische Behandlung mit Salben oder Cremes.(7)

Psychische Belastungen durch Long COVID

Wie viele chronische Erkrankungen kann auch Long COVID die Psyche belasten und Depressionen, Angststörungen oder Panikattacken begünstigen.

Je nach Stärke und Ausprägung der psychischen Belastung können Ihnen verschiedene Maßnahmen helfen:

  • Führen Sie regelmäßig Achtsamkeitsübungen wie Meditation durch.
  • Bewegen Sie sich möglichst täglich an der frischen Luft.
  • Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker die Einnahme von pflanzlichen, stimmungsaufhellenden Arzneien wie Johanniskraut.
  • Lassen Sie durch ein Blutbild herausfinden, ob Ihnen bestimmte Nährstoffe fehlen.
  • Lassen Sie sich von Ihrem Arzt zur Einnahme von Antidepressiva beraten.
Tipp
Psychotherapie bei Long COVID

Eine Psychotherapie kann Ihnen helfen, mit den Symptomen besser umzugehen und Ihre psychische Resilienz zu stärken. Besonders gut eignet sich für diesen Zweck eine Verhaltenstherapie. Unter der Telefonnummer 116 117 können Sie sich bei der Suche nach einem therapeutischen Erstgespräch unterstützen lassen.

Auswirkungen von Long COVID auf das Immunsystem

Long COVID kann tiefgreifende und langanhaltende Auswirkungen auf Ihr Immunsystem haben. Das kann sich durch verschiedene Symptome äußern, beispielsweise durch dauerhaft geschwollene Lymphknoten oder immer wieder auftretendes Fieber. Beides deutet auf eine Entzündung im Körper hin, die durch verbleibende Corona-Viren verursacht sein kann.

Eine Studie fand außerdem heraus, dass Menschen, die eine COVID-Infektion durchgemacht haben, häufiger an Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn, Hashimoto oder Lupus erkranken.(8)

Was hilft dem Immunsystem bei Long COVID?

Je nach Beschwerden können medikamentöse entzündungshemmende Therapien oder die Gabe von Immunsuppressiva nötig sein, um Ihr Immunsystem wieder zu stabilisieren.

Info
Infektionsschutz bei Long COVID

Der beste Schutz gegen Long COVID ist es, sich den Corona-Virus gar nicht erst einzufangen. Dagegen helfen die allseits bekannten Maßnahmen wie gründliches Händewaschen, bei potenzieller Ansteckungsgefahr eine Schutzmaske zu tragen und gegebenenfalls Flächen zu desinfizieren. Besteht bei Ihnen bereits ein Long-COVID-Syndrom sind generell erstmal keine besonderen Schutzmaßnahmen erforderlich. Ihr behandelnder Arzt kann Ihnen sagen, ob und welche in Ihrem persönlichen Fall doch sinnvoll wären.

Ein Angebot von pflege.de
curabox Pflege Teaser
Gratis Markenprodukte für die Pflege zuhause

Mit der curabox Pflege erhalten Sie benötigte Pflegehilfsmittel nach Hause – regelmäßig und kostenfrei!

  • Für alle Pflegegrade
  • Produkte im Wert von bis zu 42 € monatlich
  • Einmal beantragt, regelmäßig geliefert
  • Boxinhalt jederzeit anpassbar

Geruchs- und Geschmacksverlust durch Long COVID

Geschmacks- und Geruchsverlust waren zwei der Hauptsymptome bei der ursprünglichen Corona-Variante, später betraf das nur noch einen Teil der Patienten.

Bei einer Studie wurden 168 COVID-Patienten über längere Zeit immer wieder befragt. 14 dieser Patienten empfanden ihren Geruchssinn auch noch zwei Jahre nach der Infektion als eingeschränkt.(9)

Da der Geruchs- und der Geschmackssinn eng miteinander verbunden sind, kann es sein, dass Sie am Verlust oder einer Veränderung beider Sinne leiden.

Was hilft gegen Geruchs- und Geschmackstörungen bei Long COVID?

Leider gibt es noch keine speziellen Medikamente, die den Geruchs- und Geschmacksverlust bei Long COVID beseitigen. Wenn bei Ihnen das Symptom auch noch über vier Wochen hinaus anhält, könnte ein Riechtraining helfen. Ihr HNO-Arzt kann Ihnen dazu eine Anleitung geben.(10)

Augenprobleme durch Long COVID

Sehstörungen treten relativ selten im Rahmen von Long COVID auf. Einige Studien haben bei Long-COVID-Patienten allerdings Auffälligkeiten an den Blutgefäßen im Auge beobachtet. Diese könnten mit Entzündungsreaktionen im Körper in Zusammenhang stehen und einen Hinweis zur Diagnosestellung des Long-COVID-Syndroms geben.(11)

Zur Abklärung von Sehstörungen suchen Sie bitte einen Augenarzt auf. Dieser kann Ihr Auge genaustens untersuchen und entsprechende Therapie-Maßnahmen einleiten.

Long COVID bei Kindern und Jugendlichen

Auch wenn COVID-19-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen meistens mild verlaufen – auch sie können von Long COVID betroffen sein. Wahrscheinlich gibt es jedoch eine relativ hohe Dunkelziffer, denn viele der Symptome ähneln den von anderen Kinderkrankheiten, Wachstumsbeschwerden oder psychosomatischen Symptomen.

Vor allem Kleinkinder können die häufig diffusen Symptome vielleicht gar nicht richtig benennen. Studien zufolge ist die Altersklasse von 0 bis 3 Jahren besonders häufig von Hautausschlägen, Stimmungsschwankungen und Bauchschmerzen betroffen.

Bei Kindern im Alter von 4 vier bis 11 Jahren traten nach einer COVID-Infektion häufiger Stimmungsschwankungen, Gedächtnis- oder Konzentrationsschwierigkeiten und Hautausschläge auf.

Die 12- bis 14-Jährigen litten unter Abgeschlagenheit, Stimmungsschwankungen sowie Erinnerungs- und Konzentrationsstörungen. Die allermeisten Kinder und Jugendlichen erholen sich nach einer gewissen Zeit wieder vollständig von der Infektion, auch, wenn es teilweise einige Wochen dauert.(12)

Pflegebedürftig durch Long COVID?

Die beschriebenen Long-COVID-Symptome können die Selbstständigkeit von Betroffenen unterschiedlich stark beeinträchtigen. Wenn Sie in Ihrem Alltag auf Unterstützung von anderen Personen angewiesen sind, haben Sie möglicherweise Anspruch auf einen Pflegegrad. Mit diesem stehen Ihnen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zu, die Ihren Alltag erleichtern sollen.

Eine Voraussetzung für die Gewährung eines Pflegegrades ist allerdings, dass sich Ihr Zustand in absehbarer Zeit erstmal nicht bessert. Personen, die dauerhaft und regelmäßig im Alltag auf Unterstützung angewiesen sind, gelten als pflegebedürftig.

Nutzen Sie gerne den kostenlosen Pflegegradrechner von pflege.de und ermitteln Sie in nur wenigen Minuten Ihren voraussichtlichen Pflegegrad.

 

Häufig gestellte Fragen

Ab wann spricht man von Long COVID?

Von Long COVID spricht man, wenn der Patient auch noch über vier Wochen nach der Infektion Symptome zeigt.

Wie äußert sich Long COVID?

Long COVID kann sehr viele unterschiedliche Symptome hervorrufen. Zu den häufigsten zählen chronische Erschöpfung, Husten und Atemprobleme sowie psychische Probleme und Schlafstörungen.

Ist Long COVID ansteckend?

Nein, Long COVID ist nicht ansteckend. Es handelt sich um eine Folgeerkrankung nach der akuten Phase der COVID-19-Infektion und nicht um eine aktive Infektion.

Wie lange dauert Long COVID?

Bei vielen Patienten bessern sich die Symptome nach einigen Wochen oder Monaten. Es kann jedoch auch sein, dass die Beschwerden einfach weiterhin andauern. Man kann also keine bestimmte Zeitspanne nennen.

Kann man Long COVID nachweisen?

Weltweit forschen Wissenschaftler am Phänomen Long COVID. Dabei haben sie in unterschiedlichen Studien bestimmte Merkmale festgestellt, die bei vielen Long-COVID-Patienten vorliegen. Dazu gehören unter anderem Auffälligkeiten der Blutgefäße oder Veränderungen im Darm-Mikrobiom.

Geht Long COVID wieder von alleine weg?

In vielen Fällen klingen die Symptome nach einiger Zeit auch ohne Behandlung wieder ab. Für einige Patienten sind die Beschwerden vorher allerdings so belastend, dass es sinnvoll ist, sie durch Medikamente oder andere Therapien zu lindern.

Was kann man gegen Long COVID tun?

Long COVID kann man leider noch nicht heilen. Aber viele der auftretenden Symptome kann man durch Medikamente oder andere Therapien behandeln.

Welcher Arzt ist für Long COVID zuständig?

Als erster Ansprechpartner eignet sich immer der Hausarzt. Er überweist dann gegebenenfalls zu Fachärzten, die bestimmte Symptome behandeln können. Möglich sind beispielsweise Lungenfachärzte, HNO-Ärzte, Orthopäden, Endokrinologen und Kardiologen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

/ 5 Bewertungen

Sie haben bereits bewertet.
Vielen Dank!
Wir haben Ihre Bewertung erhalten.
Vielen Dank für Ihre Anmerkungen!
Haben Sie noch Anmerkungen oder Verbesserungsvorschläge?



Erstelldatum: 4202.60.21|Zuletzt geändert: 5202.60.4
(1)
H. E. Davis & Weitere (2021): Characterizing long COVID in an international cohort: 7 months of symptoms andtheir impact
www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S2589-5370%2821%2900299-6 (letzter Abruf am 12.06.2024)
(2)
Centers of Disease Control and Prevention (CDC) (2024): Long COVID Basics
www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/long-term-effects/index.html (letzter Abruf am 12.06.2024)
(3)
Deutsches Ärzteblatt (2023): Serotoninmangel könnte an der Pathogenese von Long COVID beteiligt sein
www.aerzteblatt.de/nachrichten/146714/Serotoninmangel-koennte-an-der-Pathogenese-von-Long-COVID-beteiligt-sein (letzter Abruf am 12.06.2024)
(4)
Charité – Universitätsmedizin Berlin (ohne Jahr): Kanadische Kriterien für die Diagnose CFS/ME
https://cfc.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/kompetenzzentren/cfc/ZZ_alte_Dateien/Landing_Page/Kanadische_Kriterien_mitAuswertung.pdf (letzter Abruf am 12.06.2024)
(5)
Deutsche Herzstiftung (2022): Post Covid: Wie sich Covid-19 langfristig aufs Herz auswirkt
https://herzstiftung.de/ihre-herzgesundheit/coronavirus/post-covid-herzschaden-therapie (letzter Abruf am 12.06.2024)
(6)
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), MDR Wissen (2022): LONG COVID - Noch nach Monaten im Darm: Coronavirus versteckt sich im Körper
www.mdr.de/wissen/corona-long-covid-virus-im-darm-100.html (letzter Abruf am 12.06.2024)
(7)
I. Dürr (2023): Haarverlust nach COVID-19
https://doctors.today/dermatologie/a/post-covid-symptom-haarverlust-nach-covid-2486661 (letzter Abruf am 12.06.2024)
(8)
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden (2023): Post-COVID - Versichertendaten zeigen Assoziation mit Autoimmunerkrankungen
www.uniklinikum-dresden.de/de/presse/aktuelle-medien-informationen/post-covid-versichertendaten-zeigen-assoziation-mit-autoimmunerkrankungen (letzter Abruf am 12.06.2024)
(9)
Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), MDR Wissen (2022): Zwei Jahre ohne Geruch: Einige Erstinfizierte immer noch mit Long Covid-Symptomen
www.caritasklinikum.de/pressenews/Geruchs-und-Geschmacksverlust-nach-COVID-Infektion-und-was-man-dagegen-tun-kann,3022473 (letzter Abruf am 12.06.2024)
(10)
CaritasKlinikum Saarbrücken (2023): Geruchs- und Geschmacksverlust nach COVID-Infektion – und was man dagegen tun kann
www.caritasklinikum.de/pressenews/Geruchs-und-Geschmacksverlust-nach-COVID-Infektion-und-was-man-dagegen-tun-kann,3022473 (letzter Abruf am 12.06.2024)
(11)
Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (2023): Blutgefäße im Auge verändert bei Long Covid
www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/blutgefaesse-im-auge-veraendert-bei-long-covid.html (letzter Abruf am 12.06.2024)
(12)
Deutsches Ärzteblatt (2022): Wie häufig erkranken Kinder an Long COVID?
www.aerzteblatt.de/nachrichten/135376/Wie-haeufig-erkranken-Kinder-an-Long-COVID (letzter Abruf am 12.06.2024)
Ein Service von pflege.de
Pflegegradrechner
Einfach, schnell und kostenlos zum persönlichen Ergebnis
Ein Service von pflege.de
Treppenlift Vergleich
Treppenlift-Angebote vergleichen und sparen!
Ein Service von pflege.de
Wanne zur Dusche umbauen
Barrierefreie Dusche. Ihr Badumbau in wenigen Stunden.
Kommerzieller Anbietervergleich
Notruflotse Serviceteaser
Der Notruflotse - Geräte, Anbieter & Preise vergleichen!
Anzeige
Pflegeberatung Paragraph 37.3
Kostenlose Pflegeberatung - Pflicht bei Pflegegeld-Bezug!
Ein Angebot von pflege.de
Servicewelt von pflege.de
Vergleiche, Beratung & mehr. Alle Services im Überblick.
Ein Service von pflege.de
24 Stunden Pflege finden Small
24-Stunden-Pflegekraft ganz einfach legal anstellen
Interview

Im Gespräch: Leben mit ME/CFS

Kristin
Im Interview
Kristin
ME/CFS-Betroffene

Was passiert, wenn aus einer Corona-Infektion eine langfristige Erkrankung wird? In diesem Interview mit pflege.de berichtet Kristin über ihren Alltag mit Post COVID und der Diagnose ME/CFS.

Der Anfang

Können Sie uns erzählen, wann und wie alles begann? Wann haben Sie zum ersten Mal Symptome bemerkt, und wie haben Sie darauf reagiert?

Kristin: Am 15. März 2021 hielt ich mein positives Testergebnis in der Hand und konnte es selbst wenig fassen. Das Datum hat sich auf ewig eingebrannt – genauso wie der Anruf meiner Hausärztin am späten Abend, die mich über das damalige weitere Verfahren (Meldung ans Gesundheitsamt, Isolation usw.) aufklärte. Ich fühlte mich ein bisschen schlapp, hatte Kopfschmerzen, meine Nase war dicht. Ich dachte mir, das wird schnell gehen. Ich war 32 Jahre jung, keine Vorerkrankungen, kein Alkohol, kein Nikotin und sportlich unterwegs – nie hätte ich gedacht, dass mich ein Virus zur pflegebedürftigen Schwerbehinderten machen würde.

Erste Anzeichen und Suche nach Unterstützung

Wann wurde Ihnen bewusst, dass es mehr als nur „normale Nachwirkungen“ von COVID-19 sein könnten?

Kristin: Ich brauchte lange, um mich ansatzweise von der Akut-Infektion zu erholen. Mehrere Wochen konnte ich mich kaum fortbewegen, konnte mich nicht konzentrieren, war weit davon entfernt, meinen Beruf wieder auszuüben. Ich habe kurze Spaziergänge gemacht und mir scherzhaft einen imaginären Rollator mit E-Antrieb vorgestellt, den ich vor mir herschiebe.

Im Juli 2021 ging es mir wieder so gut, dass ich meinen Alltag mit zweijährigem Kind einigermaßen bewältigen konnte. Ich konnte wieder etwas Rad fahren und zwei Kilometer spazieren gehen. Dann entschied ich mich, langsam wieder zu arbeiten und in mein altes Leben zurückzufinden – und damit ging es wieder wochenweise abwärts.

Ich ging zum Reha-Sport, machte Ergo- und Physiotherapie, versuchte stundenweise zu arbeiten und für meine Familie da zu sein.

Je mehr ich tat, um meine Lage zu verbessern, desto schlechter ging es mir.
Kristin

Gab es einen bestimmten Moment oder eine Phase, in der Sie merkten, dass Sie Unterstützung im Alltag benötigen?

Kristin: Im Oktober 2021 hörte ich wieder auf zu arbeiten. Im November 2021 folgte der erste „Crash“ – eine Zustandsverschlechterung nach Überbelastung. Ich schaffte es auf einem Bürostuhl zur Toilette und zurück, war ansonsten aber zu schwach, um aufrecht zu sitzen oder zu stehen. Ich konnte kaum reden, fühlte mich wie benebelt, Geräusche und Licht waren auf einmal unerträglich. Gespräche kaum möglich.

Ich verbrachte mehrere Monate abgeschottet im Schlafzimmer – je mehr Ruhe ich bekam, umso besser ging es mir. Für eine Weile reichte es dafür, mich wieder selbst zu duschen, ohne Hilfe zur Toilette zu gehen und für etwas längere Gespräche.

Haben Sie in dieser Zeit schon erste Maßnahmen ergriffen?

Kristin: Ja, wir schafften uns privat einen gebrauchten Rollstuhl an, den ich fortan für Arztbesuche nutzte. Einfach so nach draußen war zu viel für mich und verschlechterte meinen Zustand, genau wie jeder Arztbesuch. In dieser Zeit erhielt ich die Diagnose ME/CFS. Von der Krankenkasse erhielten wir Unterstützung, da diese eine Haushaltshilfe bewilligte. Diese verbrachte vor allem Zeit mit unserem Sohn und ermöglichte so meinem Mann seine weitere Berufstätigkeit.

Die wenige Energie, die ich über Wochen hinweg zurückgewonnen hatte, reichte gerade so eben für mich selbst. Im Haushalt konnte ich nichts mehr tun, nicht kochen, nicht mal die Wäsche aufhängen – gar nichts. Am schlimmsten war es, nicht mehr für meinen Sohn da sein zu können und selbst das einer Fremden überlassen zu müssen.

Übergang in die Pflegebedürftigkeit

Wie verlief der Übergang von anfänglicher Unterstützung zu einer Pflegebedürftigkeit? Was waren die ausschlaggebenden Faktoren, die Sie dazu bewogen haben, einen Pflegegrad zu beantragen?

Kristin: Die Haushaltshilfe wurde nach vier Monaten nicht mehr weiterbewilligt. Zur selben Zeit verschlechterte sich mein Zustand drastisch. Erneut konnte ich das Schlafzimmer nicht mehr verlassen. Ich war wochenlang zu schwach eigenständig aufzustehen, konnte tageweise nicht sprechen oder mir eigenständig Essen und Trinken an den Mund führen. Mein Mann wusch mich im Bett liegend und stützte mich auf der Toilette ab. Zu diesem Zeitpunkt war mit einem Mal klar, dass die Beantragung eines Pflegegrades gar nicht mehr absurd, sondern absolut passend erschien.

Bonus
Pflegegrad beantragen – so einfach geht es!

Und wie lief die Antragstellung ab?

Kristin: Der Antrag an sich war schnell gestellt. Da ich aus der Online-Selbsthilfegruppe wusste, dass viele Gutachter:innen noch nie von ME/CFS gehört haben und es oftmals nicht einordnen können, hat eine enge Freundin von mir eine Mappe mit Informationen, Befunden und Einschätzungen zu relevanten Fähigkeiten meinerseits zusammengestellt und vorab an den MD gesendet.

Die Begutachtung löste bei mir dann erneut eine tagelange Zustandsverschlechterung aus, da die Gutachterin meine Grenzen nicht akzeptierte und letztendlich von meinem Mann aus dem Schlafzimmer geworfen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr klar denken, hatte Wortfindungsstörungen und jedes weitere Geräusch war zu viel für mich. Die Gutachterin beharrte trotzdem darauf, weiter fortzufahren – es seien ja nur noch ein paar Fragen. Obwohl wir ein schlechtes Gefühl nach der Begutachtung hatten, erreichte ich auf Anhieb Pflegegrad 2.

Aktueller Pflegealltag

Wie sieht Ihr Pflegealltag heute aus? Welche Art von Unterstützung, Therapie und Pflege erhalten Sie?

Kristin: Mein Mann arbeitet in Teilzeit und verbringt vier Tage die Woche im Home-Office. Er managt unseren Haushalt und das Bringen und Abholen zur/aus der KiTa. Einmal in der Woche – am Bürotag meines Mannes – erhalten wir Unterstützung von einem Pflegedienst.

Neben alltäglichen Dingen, wie der Unterstützung bei der Essenszubereitung oder beim Haare waschen, benötige ich vor allem Unterstützung in der Kommunikation mit Ämtern, Ärzten und auch mit Freunden und Bekannten.

Aktiv zuzuhören und gleichzeitig Antworten zu formulieren, mehrere Dinge gleichzeitig im Kopf zu behalten, ist für mich nur für wenige Minuten überhaupt machbar. Schriftliche und vor allem asynchrone Kommunikation wie bei Messengern fällt mir wesentlich leichter.
Kristin

Die Begleitung zu Arztbesuchen übernehmen mal mein Mann, mal andere Familienmitglieder. Meist muss mich mein Mann danach die Treppe zum Schlafzimmer hinauftragen. Einkäufe lassen wir liefern. Außerdem versuchen wir so oft es geht, die Großeltern für die Kinderbetreuung mit ins Boot zu holen, um meinen Mann zu entlasten.

Wie organisieren Sie Ihren Tagesablauf?

Kristin: Für mich sind die meisten Tage gleich. Ich verbringe meine Zeit bis zum Nachmittag im Bett, mache währenddessen Entspannungs- und Dehnungsübungen und bekomme das Essen von meinem Mann ans Bett gebracht. An guten Tagen schaffe ich einmal am Tag die Treppe ins Wohnzimmer und verbringe dort meinen Nachmittag zusammen mit meinem Mann und meinem Sohn. Oft bin ich nur stiller Beisitzer, manchmal schaffe ich es, ein Spiel mit meinem Sohn zu spielen.

Herausforderungen und Bewältigungsstrategien

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie in Ihrem Pflegealltag gegenüberstehen?

Kristin: Die größte Herausforderung ist der Ausfall meines Mannes als Pflegeperson. Im letzten Jahr mussten wir ihn wegen einer OP drei Wochen ersetzen. Für jeweils eine Woche sind dann Familienmitglieder und Freunde bei uns eingezogen, um hier den Laden am Laufen zu halten. Das war für mich besonders schwierig, weil ich häufig mehr getan habe, als mir guttat.

Eine weitere Herausforderung ist die Unwissenheit des medizinischen Fachpersonals. Ständig muss ich mich erklären, aufklären über ME/CFS und Belastungsintoleranz. Und verstanden wird es trotzdem nicht immer.
Kristin

Haben Sie ein Beispiel für eine Situation, in der Sie sich nicht verstanden gefühlt haben?

Kristin: So einige. Ich hatte schon Pflegekräfte, die mich aufforderten, mal mit ihnen rauszugehen, obwohl ich davon eine Zustandsverschlechterung riskiere. Pflegekräfte, die nicht verstanden, dass auch der kleine Smalltalk zwischendurch mich über die Maßen anstrengt. Für Außenstehende ist diese Erkrankung schwer verständlich – selbst wenn spezielle Fortbildungen gemacht wurden.

Genauso bei meiner Nachbegutachtung: Hier war ich vielleicht jetzt gerade in der Lage, länger als zehn Minuten die Fragen vom Gutachter zu beantworten. Dass ich aber 24 Stunden später mit einer Zustandsverschlechterung rechnen muss – das wird oft nicht berücksichtigt.

Haben Sie Strategien oder Hilfsmittel gefunden, die Ihnen besonders geholfen haben?

Meine Strategien? Immer wieder aufklären, Flyer ausdrucken und vor allem eine Begleitperson dabei haben, die alles für einen erklärt.

Emotionale und soziale Aspekte

Wie hat sich Post COVID auf Ihr soziales Leben ausgewirkt? Was hat sich verändert?

Kristin: ME/CFS als schlimmste Form von Post COVID hat mein komplettes Leben auf den Kopf gestellt. Dadurch, dass ich überwiegend ans Haus und meist ans Bett oder Sofa gebunden bin, habe ich keine Teilhabe mehr an normalen sozialen Aktivitäten. Arbeiten: nicht möglich. Mich mit Freunden treffen: nicht möglich. Mit meinem Sohn auf den Spielplatz gehen: nicht möglich.

Eine ehemalige Freundin ist mit meiner Erkrankung nicht zurechtgekommen und hat sich immer weiter von mir distanziert, bis der Kontakt schließlich ganz abgebrochen ist. Mit den meisten Freunden aus meinem alten Leben bin ich über Messenger in Kontakt. Hin und wieder ist mal ein kurzer Besuch bei mir drin. Über Online-Selbsthilfegruppen bin ich gut vernetzt und habe auch neue Kontakte hinzugewonnen, mit denen ich regelmäßig schreibe. Mich mit ebenfalls Betroffenen auszutauschen, gibt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Ratschläge für andere Menschen in ähnlicher Situation

Was möchten Sie anderen Menschen in einer ähnlichen Situation mitgeben? Gibt es etwas, das Sie rückblickend anders machen würden, oder wichtige Erkenntnisse, die Sie teilen möchten?

Kristin: Ich habe früh geahnt und auch früh in der Selbsthilfegruppe gesagt bekommen, dass ich nicht über meine Grenzen gehen soll. Dass Aktivierung zur Verschlechterung führen kann. Dennoch wollte ich es über Monate hinweg nicht wahrhaben. Ich habe gegen meine Symptome angekämpft, sie ignoriert, habe mich durch den Reha-Sport gekämpft, obwohl mein Körper längst nicht mehr konnte. Hätte ich mich viel früher auf das sogenannte Pacing eingelassen und meine Krankheit akzeptiert – dann wäre ich jetzt weniger stark betroffen.

Wir Erkrankten wissen leider oft mehr als medizinisches Fachpersonal. Daher rate ich jedem und jeder, einer Selbsthilfegruppe beizutreten.
Kristin

Gibt es bestimmte Seiten und/oder Anlaufstellen, die Sie empfehlen können?

Kristin: Na klar. LONG COVID Deutschland ist bei Facebook aktiv und hat jede Menge Infomaterial zu allen relevanten Themen online. Über den Fatigatio e.V. kann man sich zu regionalen Selbsthilfegruppen informieren. Alle wichtigen Informationen für Betroffene und medizinisches Fachpersonal sind auch auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e.V. zu finden. Medizinisches Fachpersonal kann man an die Webseite des Fatigue-Zentrums der Charité Berlin verweisen – hier gibt es reichlich Fortbildungsmaterial.

Ausblick und Wünsche für die Zukunft

Welche Hoffnungen und Wünsche haben Sie für die Zukunft?

Kristin: Ich wünsche mir, wieder gesund zu werden oder zumindest wieder ein Niveau zu erreichen, meinen Alltag wieder selbstständig bewältigen zu können.

Gibt es auch etwas, das Sie sich von der Gesellschaft oder dem Gesundheitssystem wünschen würden?

Kristin: Sowohl an die Gesellschaft als auch an das Gesundheitssystem habe ich vor allem den Wunsch nach Anerkennung und Forschung sowie nach der Bereitschaft, sich neues Wissen anzueignen. Ich möchte mich nicht mehr erklären müssen oder vor den Kopf gestoßen werden von medizinischem Personal, das mir Antriebsschwäche oder eine psychische Störung unterstellt.

Postvirale Erkrankungen sind nicht neu. ME/CFS ist seit 1969 von der WHO als neuro-immunologische Erkrankung anerkannt.

Ich möchte von medizinischem Personal beraten werden und nicht selbst beraten müssen.
Kristin

Ich wünsche mir Behandlungsoptionen, die ich nicht selbst zahlen muss und die mehr bringen als nur einzelne Symptome leicht zu verbessern. Es bräuchte eine breit angelegte Informationskampagne, verpflichtende Fortbildungen für medizinisches Personal und die Aufnahme postviraler Krankheitssyndrome sowohl in die Ausbildungscurricular von medizinischem Fachpersonal als auch in die Gutachtenrichtlinien der Ämter.

All das gibt es bislang nicht und das ist ein Skandal.

Ich erlebe immer wieder, wie andere Erkrankte um einen Pflegegrad, um Erwerbsminderungsrente oder um einen Grad der Behinderung kämpfen müssen. Den Klageweg gehen nur wenige, weil einfach die Kraft dafür fehlt. Viele erhalten nicht einmal Unterstützung durch ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin. Die wenigen Fachleute, die sich auskennen, werden von Erkrankten überrannt und nehmen keine mehr auf oder bieten ihre Leistungen nur für Privatversicherte und Selbstzahler an.

Und somit bleiben wir unsichtbar und unversorgt. Das muss sich dringend ändern!

Ratgeber
Long COVID » Alles zu Corona-Spätfolgen im Überblick
Erstelldatum: 4202.60.21|Zuletzt geändert: 5202.10.42
Das könnte Sie auch interessieren
Long COVID Ursachen, Test & Therapie
Ursachen, Test & Behandlung
Long COVID: Ursachen, Test & Behandlung
Long COVID Hilfen und Leistungen
Hilfen bei Long COVID
Long COVID » Hilfen, Leistungen & Tipps
Positionierung (veraltet: Lagerung) & Transfer in der häuslichen Pflege
Transfer & Positionierung
Positionierung & Transfer in der Pflege
Urlaub für pflegende Angehörige
Urlaub & Kuren für pflegende Angehörige
Urlaub, Kur und Reha für Pflegende Angehörige
Altersdepressionen
Altersdepression
Altersdepressionen: Symptome & Behandlung
Ein Mann spricht mit einem Betreuer
Kosten für Betreutes Wohnen
Was kostet Betreutes Wohnen?