Zuzahlungsbefreiung: Was ist das?
Für die meisten Medikamente, Behandlungen und viele andere Gesundheitsleistungen müssen Sie bei der gesetzlichen Krankenversicherung eine Zuzahlung leisten. Das ist Ihr Eigenanteil an den Gesundheitskosten. Er soll unter anderem für eine bewusste Nutzung dieser Leistungen sorgen. (1)
Sie müssen aber jährlich nur Zuzahlungen bis zu Ihrer persönlichen „Belastungsgrenze“ leisten, die sich an Ihrem Einkommen orientiert. Wenn diese Grenze erreicht ist, können Sie von der Zuzahlungspflicht befreit werden. Oder Sie lassen sich die zu viel geleisteten Zuzahlungen im Nachhinein erstatten. (2)
Die Zuzahlungsbefreiung soll dafür sorgen, dass Sie nicht durch schwere Krankheiten oder Unfälle in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil sich die Zuzahlungen dann häufen. Sie profitieren allerdings nicht automatisch von der Befreiung, sondern müssen einen Antrag bei Ihrer Krankenkasse stellen. (3)
Voraussetzungen für die Zuzahlungsbefreiung
Entscheidend für die Zuzahlungsbefreiung ist Ihre persönliche Belastungsgrenze. Bis zu dieser Summe gelten Zuzahlungen in einem Kalenderjahr als zumutbar. Die Belastungsgrenze wird individuell ermittelt und berechnet sich vor allem aus dem Einkommen und der Größe des familiären Haushalts.
Im Normalfall liegt die Belastungsgrenze bei zwei Prozent des Haushaltseinkommens. Für Menschen mit einer chronischen Erkrankung gilt eine Sonderregelung: Hier liegt die Belastungsgrenze bei nur ein Prozent des Einkommens. (2)
Belastungsgrenze berechnen
Ob eine Zuzahlungsbefreiung in Ihrem Fall möglich ist, hängt von zwei Dingen ab: Zum einen davon, wie viele Zuzahlungen Sie leisten und zum anderen davon, wie hoch Ihre Belastungsgrenze ist. Im Folgenden erfahren Sie, wie Sie in drei Schritten Ihre Belastungsgrenze für die Zuzahlung berechnen.
Belastungsgrenze berechnen in drei Schritten:
- Familieneinkommen ermitteln
- Freibeträge abziehen
- Zwei- oder Ein-Prozent-Regelung anwenden
Schritt 1: Familieneinkommen ermitteln
Bei der Zuzahlungspflicht gelten sowohl das relevante Einkommen als auch die Belastungsgrenze immer für den ganzen familiären Haushalt. Dazu gehören im Haushalt lebende:
- Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner,
- Kinder unter 18 Jahren,
- sowie Kinder, die über die Familienversicherung mitversichert sind.
Im ersten Schritt erfassen Sie deshalb das gesamte Einkommen dieser Familienmitglieder. Wenn noch andere Personen im Haushalt leben, müssen diese in der Regel nicht berücksichtigt werden.
Als relevantes Einkommen zählen alle „Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt“. Also alle einmaligen oder wiederkehrenden Zahlungen, die für den allgemeinen Lebensunterhalt zu verwenden sind. Insbesondere:
- Löhne und Gehälter
- Renten und Pensionen
- Mieteinnahmen, Einnahmen aus Verpachtung
- Arbeitslosengeld I
- Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit
- Zinserträge
- Krankengeld
Nicht zu den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zählen zweckgebundene Zahlungen. Denn diese sollen einen besonderen Mehrbedarf decken und sind nicht für den allgemeinen Lebensunterhalt bestimmt. Das betrifft zum Beispiel Pflegegeld, BAföG, Blindengeld oder Kindergeld.
Schritt 2: Freibeträge abziehen
Wenn Sie allein leben, können Sie diesen Schritt überspringen, denn Sie können leider keine Freibeträge von Ihrem Einkommen abziehen. Freibeträge gibt es nämlich nur für Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Kinder im Haushalt. Die Höhe der Freibeträge wird jährlich angepasst.
Diese Freibeträge gelten für das Jahr 2024: (3)
- Freibetrag für Ehe- oder Lebenspartner: 6.363 Euro
- Freibetrag pro Kind unter 18 oder Kind in der Familienversicherung: 9.540 Euro
Diese Freibeträge gelten für das Jahr 2025: (4)
- Freibetrag für Ehe- oder Lebenspartner: 6.741 Euro
- Freibetrag pro Kind unter 18 oder Kind in der Familienversicherung: 9.600 Euro
Schritt 3: Zwei- oder Ein-Prozent-Regelung anwenden
Das gesamte Bruttoeinkommen abzüglich geltender Freibeträge ergibt die Zahl, an der Ihre Belastungsgrenze gemessen wird:
- Die Belastungsgrenze beträgt zwei Prozent dieser Summe.
- Oder nur ein Prozent, wenn Sie oder eine andere Person in Ihrem familiären Haushalt chronisch krank sind.
Wer gilt als schwerwiegend chronisch krank?
Als schwerwiegend chronisch krank gelten Personen, die wegen ihrer Krankheit seit wenigstens einem Jahr mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurden und außerdem eines der folgenden Merkmale haben: (5)
- Anerkannter Pflegegrad 3, 4 oder 5.
- Anerkannter Grad der Behinderung (GdB) oder Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60.
- Anerkannte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 Prozent.
- Eine notwendige kontinuierliche medizinische Versorgung. Als Versorgung gelten eine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege oder die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. (5)
Auch wenn nur eine Person im familiären Haushalt chronisch krank ist, gilt die ermäßigte Belastungsgrenze für die ganze Haushaltsgemeinschaft.
Beispielrechnungen für Belastungsgrenzen
Herr und Frau Busch haben zwei minderjährige Kinder. Das jährliche Bruttoeinkommen der Familie liegt 2025 bei insgesamt 100.000 Euro pro Jahr. Keines der Familienmitglieder gilt als chronisch krank.
Familieneinkommen (brutto): 100.000 Euro
Freibetrag Ehepartner: – 6.741 Euro
Freibetrag Kinder: – 9.600 Euro x 2
Summe: 74.059 Euro
Davon zwei Prozent: 1.481,18 Euro
Also liegt die Belastungsgrenze der Familie Busch bei insgesamt 1.481,18 Euro.
Frau Vogel ist Witwe und erhält im Jahr 2025 insgesamt 25.000 Euro Rente. Sonst hat sie kein Einkommen. Sie hat Pflegegrad 3 und gilt deshalb als chronisch krank. Ihre drei Kinder sind bereits erwachsen.
Einkommen (brutto): 25.000 Euro
Freibetrag Ehepartner: – 0 Euro
Freibetrag pro Kind: – 0 Euro
Summe: 25.000 Euro
Davon 1 %: 250 Euro
Also liegt die individuelle Belastungsgrenze von Frau Vogel bei 250 Euro.
Antrag auf Befreiung von Zuzahlungen
Zu welchem Zeitpunkt Sie den Antrag stellen, ist Ihnen überlassen. In der Regel beantragen Sie die Zuzahlungsbefreiung zu einem der zwei Zeitpunkte:
- Sie stellen den Antrag für das Kalenderjahr im Voraus: Bei dieser Variante errechnen Sie Ihre Belastungsgrenze und bezahlen diesen Betrag im Voraus direkt an Ihre Krankenkasse. Sie erhalten dann direkt den sogenannten Befreiungsausweis und müssen das ganze Jahr über keine Zuzahlungen leisten.
- Sie stellen den Antrag, wenn Sie die Belastungsgrenze erreicht haben: In diesem Fall erhalten Sie Ihren Befreiungsausweis nach ihrem Antrag im laufenden Jahr. Bereits zu viel gezahlten Zuzahlungen werden Ihnen erstattet.
- Sie stellen den Antrag nach Ablauf des Kalenderjahres: In diesem Fall werden Ihnen die zu viel geleisteten Zuzahlungen nachträglich von der Krankenkasse erstattet.
So weisen Sie Zuzahlungen und Einkommen nach
Das Wichtigste ist, dass Sie alle Zuzahlungsbelege sammeln. Nur so können Sie der Krankenkasse gegenüber nachweisen, dass Sie Ihre Belastungsgrenze tatsächlich erreicht, beziehungsweise überschritten haben. Fügen Sie Ihrem Antrag diese Belege bei.
Auf den Zuzahlungsbelegen muss vermerkt sein:
- Vor- und Nachname des Versicherten
- Art der Leistung (zum Beispiel Heilmittel oder Arzneimittel)
- Der Zuzahlungsbetrag
- Datum
- Abgebende Stelle (zum Beispiel Name und Adresse der Apotheke oder des Sanitätshauses)
Ihre Bruttoeinkommen weisen Sie mit Kopien von geeigneten Dokumenten nach. Je nach Art des Einkommens können das zum Beispiel Gehaltsabrechnungen, Rentenmitteilungen, Steuerbescheide oder behördliche Bewilligungsbescheide sein.
So weisen Sie eine chronische Erkrankung nach
Wenn Sie bei Ihrem Antrag angeben, chronisch krank zu sein, müssen Sie das nachweisen können. Anhand Ihrer Belege entscheidet die Krankenkasse darüber, ob Sie laut der Richtlinien tatsächlich als schwerwiegend chronisch krank gelten.
Geeignete Dokumente: (5)
- Pflegegrad-Bescheid mit mindestens Pflegegrad 3.
- Feststellungsbescheid oder Schwerbehindertenausweis mit mindestens GdB 60.
- Amtlicher Bescheid über die Erwerbsminderung.
- Ärztliche Bescheinigung über eine Dauerbehandlung.
Wichtig: Senden Sie diese Dokumente beim Antrag nur als Kopie ein, nicht im Original.
Befreiungsausweis von der Krankenkasse
Wenn Sie im laufenden Kalenderjahr von der Zuzahlungspflicht befreit werden, erhalten Sie einen Befreiungsausweis, oft auch „Befreiungskarte“ genannt. Jedes Mal, wenn Sie dann eine Zuzahlung leisten müssen, zeigen Sie stattdessen nur Ihren Befreiungsausweis und zahlen nichts.
Der Befreiungsausweis hat in der Regel das typische Format einer Versicherungskarte oder Bankkarte und passt gut in den Geldbeutel. Da die Zuzahlungsbefreiung nur für ein Kalenderjahr gilt, ist auch der Befreiungsausweis nur bis zum Jahresende gültig.
Zuzahlungsregeln: Wofür Sie Zuzahlungen leisten
In der Regel beträgt die Zuzahlung 10 Prozent der Kosten, aber mindestens 5 Euro, höchstens 10 Euro und niemals mehr als die tatsächlichen Kosten. Bei vielen Leistungsarten wie zum Beispiel Krankenhausbehandlungen ist die Zuzahlung aber etwas anders geregelt. Mehr dazu erfahren Sie im pflege.de Ratgeber Zuzahlung & Aufzahlung.
Was nicht als Zuzahlung gilt
Nicht alle Gesundheitskosten, die Sie trotz Ihrer Krankenversicherung selbst bezahlen müssen, sind Zuzahlungen. Diese Zahlungen gelten nicht für die Belastungsgrenze und sind auch nicht von der Zuzahlungsbefreiung betroffen.
Gesundheitskosten, die keine Zuzahlungen sind:
- Leistungen, die Sie privat ohne ärztliche Verordnung beanspruchen. Wenn Sie also kein Rezept vom Arzt haben, zahlen Sie Hilfsmittel oder Medikamente „aus eigener Tasche“ (beispielsweise Aspirin, Hustensaft, Anti-Rutschmatte vom Discounter, Pflaster).
- Individuelle Gesundheitsleistungen (kurz: IGeL) sind Privatleistungen.
- Eigenanteile für Brillen oder Zahnersatz zahlen Sie selbst.
- Medikamente und Hilfsmittel, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden.
- Erforderliche Zuzahlungen für bessere Hilfsmittel. Sie können sich trotzdem für ein hochwertigeres Hilfsmittel entscheiden. Dann trägt die Krankenkasse die festgelegten Kosten zur Regelversorgung und Sie zahlen die Mehrkosten als Aufzahlung (beispielsweise bei Rollatoren und Rollstühlen).
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Zuzahlungsbefreiung?
Wer gesetzlich krankenversichert ist, muss bei vielen Gesundheitsleistungen wie Medikamenten oder Behandlungen eine Zuzahlung als Eigenanteil leisten. Mit der Zuzahlungsbefreiung werden Menschen von der Pflicht zur Zuzahlung befreit, weil die Summe der Zuzahlungen die Belastungsgrenze erreicht.
Was zählt zur Zuzahlungsbefreiung?
Wer von der Zuzahlungspflicht befreit ist, muss zum Beispiel bei Medikamenten, Krankenfahrten, Hilfsmitteln, vielen Behandlungen sowie Krankenhausaufenthalten keine Zuzahlung mehr leisten. Eigenanteile, die keine Zuzahlungen sind, sind weiterhin fällig (zum Beispiel Brillen oder Zahnersatz).
Ab wann ist eine Zuzahlungsbefreiung möglich?
Sie können die Zuzahlungsbefreiung beantragen, wenn die Zuzahlungen Ihre persönliche Belastungsgrenze erreicht haben. Die Belastungsgrenze orientiert sich vor allem an Ihrem Einkommen beziehungsweise dem Einkommen Ihres familiären Haushalts.
Wie wird die Zuzahlungsbefreiung berechnet?
Die Belastungsgrenze für die Zuzahlungsbefreiung beträgt 2 Prozent des Bruttoeinkommens für den familiären Haushalt. Wobei davon zunächst Freibeträge abgezogen werden. Bei chronisch kranken Personen beträgt die Belastungsgrenze nur 1 Prozent des Bruttoeinkommens.
Welches Einkommen zählt für die Zuzahlungsbefreiung?
Zum relevanten Einkommen für die Zuzahlungsbefreiung zählen alle einmaligen oder wiederkehrenden Zahlungen, die für den allgemeinen Lebensunterhalt zu verwenden sind. Zum Beispiel Löhne, Gehälter, Renten, Pensionen, Mieteinnahmen, Zinserträge oder Arbeitslosengeld I.
Zählt Unfallrente als Einkommen bei der Zuzahlungsbefreiung?
Ja, Unfallrenten gelten als Einkommen für den allgemeinen Lebensunterhalt. Sie werden deshalb zur Berechnung der Belastungsgrenze herangezogen.
Zählt das Wohngeld als Einkommen bei der Zuzahlungsbefreiung?
Nein, das Wohngeld ist eine zweckgebundene Ausgleichszahlung, zählt nicht als Einkommen für den allgemeinen Lebensunterhalt und ist deshalb für die Zuzahlungsbefreiung nicht relevant.
Zählt das Pflegegeld als Einkommen bei der Zuzahlungsbefreiung?
Nein, das Pflegegeld ist eine zweckgebundene Zahlung zur Sicherstellung einer selbstorganisierten pflegerischen Versorgung. Das Pflegegeld steht also nicht für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und beeinflusst nicht die Zuzahlungsbefreiung.
Was gilt bei der Zuzahlungsbefreiung für Heimbewohner?
Wer in einem Pflegeheim oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung wohnt, kann trotzdem als Haushaltsmitglied seines Ehepartners oder eingetragenen Lebenspartners gelten. Das Haushaltseinkommen, die Belastungsgrenze und die Zuzahlungsbefreiung gelten dann gemeinsam.
Wie beantrage ich eine Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse?
Für den Antrag auf Zuzahlungsbefreiung müssen Sie bei Ihrer Krankenkasse Belege für das gesamte Einkommen Ihres familiären Haushalts, für alle bereits geleisteten Zuzahlungen und, falls vorhanden, Belege für eine chronische Erkrankung einreichen.
Welche Belege brauche ich für die Zuzahlungsbefreiung?
Für die Zuzahlungsbefreiung müssen Sie in der Regel Einkommensbelege und Zuzahlungsbelege einreichen. Wenn Sie oder ein Mitglied Ihres familiären Haushalts chronisch krank sind, müssen Sie auch dafür Belege einreichen, um von der „Ein-Prozent-Regelung“ zu profitieren.
Wie lange kann man rückwirkend einen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung stellen?
Die Zuzahlungsbefreiung ist bis zu vier Jahre rückwirkend möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie die entsprechenden Zuzahlungsbelege noch haben.
Warum muss ich trotz einer Zuzahlungsbefreiung etwas dazuzahlen?
Auch mit einer Zuzahlungsbefreiung müssen Sie Gesundheitskosten bezahlen, die nicht als Zuzahlung gelten. Das betrifft zum Beispiel Eigenanteile beim Zahnersatz, bei Brillen oder generell alle Medikamente, Hilfsmittel und Behandlungen, die nicht ärztlich verordnet wurden.