Pflegebegutachtung & Pflegegutachten

Ein älteres Paar sitzt im Wohnzimmer bei einer Pflegebegutachtung

Bei einer Pflegebegutachtung stellt ein Gutachter fest, ob und wie sehr eine Person auf Pflege und Betreuung angewiesen ist. Meistens werden Pflegegutachten von der Pflegekasse beauftragt, um herauszufinden, ob eine Person einen Pflegegrad bekommen sollte – und wenn ja, welchen.

pflege.de beschreibt Ihnen den Ablauf einer Pflegebegutachtung, erläutert die wichtigsten Fragen für das Pflegegutachten und gibt Tipps zur Vorbereitung auf den Termin.

Inhaltsverzeichnis

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Pflegegutachten: Definition

Ein Pflegegutachten stellt fest, ob eine Person nach der Definition in Paragraf 14 Sozialgesetzbuch (SGB) XI pflegebedürftig ist. (1) Darüber hinaus untersucht das Gutachten, welchen Pflegegrad die Person nach Paragraf 15 SGB XI erhalten sollte. (2)

Das Gutachten ist oft ausschlaggebend für die Entscheidung der Pflegekasse über einen Pflegegrad. Allerdings liegt die Verantwortung dafür allein bei der Pflegekasse. Die Pflegekasse darf dabei selbst zusätzliche Informationen in ihre Entscheidung einbeziehen, zum Beispiel weitere Arztberichte.

Um ein Pflegegutachten zu erstellen, beauftragt die Pflegeversicherung einen Pflegegutachter, der die Person in ihrem häuslichen Umfeld besucht. Bei dieser Pflegebegutachtung muss der Gutachter sich einen Eindruck davon verschaffen, wie selbständig die Person im alltäglichen Leben ist.

Info
Wer sind die Pflegegutachter?

Pflegegutachter sind überwiegend Pflegefachkräfte mit Berufserfahrung, die eine aufwändige Weiterbildung für Pflegesachverständige abgeschlossen haben. Manchmal sind es auch Mediziner, die diese Weiterbildung absolvieren und dann als Gutachter in der Pflege arbeiten.

Wann wird ein Pflegegutachten erstellt?

Die Pflegekasse beauftragt ein Pflegegutachten, um darüber den gesetzlichen Leistungsanspruch einer Person festzustellen. Das ist immer dann relevant, wenn eine versicherte Person erstmals Pflegeleistungen beantragt oder höhere Leistungen durch einen höheren Pflegegrad beansprucht.

Pflegegutachten werden von der Pflegekasse beauftragt …

  • … wenn Versicherte einen Erstantrag auf Pflegeleistungen stellen.
  • … wenn Versicherte eine Erhöhung ihres Pflegegrads beantragen.
  • … wenn Versicherte erfolgreich Widerspruch gegen einen Pflegegrad-Bescheid eingelegt haben.
  • … wenn die Pflegeversicherung ein Wiederholungsgutachten zur  Überprüfung beauftragt.
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Pflegebegutachtung: Ablauf im Überblick

Ihre Pflegeversicherung beauftragt die Erstellung eines Pflegegutachtens. Wenn Sie gesetzlich pflegeversichert sind, geht der Auftrag an den Medizinischen Dienst (MD). Sind Sie privat pflegeversichert, übernimmt Medicproof oder ein ähnlicher Anbieter die Begutachtung.

Zum vereinbarten Termin kommt der Gutachter zu Ihnen nach Hause. Leben Sie bereits in einer stationären Pflegeeinrichtung, findet die Pflegebegutachtung dort statt. Der Pflegegutachter macht sich vor Ort ein Bild, stellt Fragen und gibt Empfehlungen.

Alternativ zum Hausbesuch des Gutachters ist in einigen Fällen eine telefonische Begutachtung möglich. Wenn Sie das nicht wollen, können Sie auf dem Hausbesuch bestehen. (4)

Am Ende der Begutachtung steht noch kein endgültiges Ergebnis fest. Der Gutachter erstellt das Pflegegutachten erst danach auf Grundlage der gesammelten Dokumente, Eindrücke und Notizen. Das Gutachten wird dann zunächst nur an die Pflegeversicherung geschickt.

Die Pflegeversicherung verwendet das Gutachten und manchmal auch noch weitere Unterlagen, um einen Pflegegrad festzusetzen. Sobald dies geschehen ist, erhalten Sie einen Pflegegrad-Bescheid von Ihrer Pflegeversicherung. Dieser enthält in der Regel auch das Gutachten.

Info
Maximal 25 Tage vom Antrag bis zum Pflegegrad-Bescheid

Von Ihrem Antrag bis zu dem Tag, an dem Sie den Pflegegrad-Bescheid erhalten, dürfen maximal 25 Werktage (Mo-Fr) vergehen. Braucht die Pflegekasse länger, steht Ihnen eine pauschale Entschädigung von 70 Euro pro Woche zu. Ausnahmen: Eilanträge oder wenn Sie bereits Pflegegrad 2 oder höher haben und sich in stationärer Pflege befinden oder wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht verschuldet. (5)

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Alles über Pflegegrad & Begutachtung
  • Praktische Tipps & Hintergrund-Infos
  • Checkliste zur Vorbereitung auf den Gutachter-Termin
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Pflegebegutachtung im Krankenhaus

In besonderen Fällen muss die Pflegebegutachtung sehr schnell erfolgen, weil die übliche Frist von 25 Tagen nicht zumutbar ist. Sie können dann einen Eilantrag stellen und so eine Schnelleinstufung erreichen.

In diesen Fällen gelten verkürzte Fristen: (3)

  • Wenn Sie sich in einem Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung befinden und Ihre Weiterversorgung unklar ist, muss die Begutachtung innerhalb von einer Woche erfolgen.
  • Wenn Sie sich in einem Hospiz oder in ambulanter Palliativpflege befinden, muss die Begutachtung innerhalb von einer Woche erfolgen.
  • Wenn Sie zuhause gepflegt werden und eine Pflegeperson gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz angekündigt hat, muss die Begutachtung innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

Weitere Informationen zu den genauen Fristen bei Eilanträgen finden Sie im Ratgeber Pflegegrad-Antrag.

Pflegebegutachtung per Telefon & Videotelefonie

Eine Pflegebegutachtung am Telefon oder über Videotelefonie ist in bestimmten Fällen möglich. Allerdings nur mit Ihrer Zustimmung. Wenn Sie sich damit nicht wohlfühlen, können Sie also auf einem Begutachtungstermin vor Ort bestehen und Ihnen entsteht daraus kein Nachteil. (6)

Vorgesehen ist diese Möglichkeit nur für Höherstufungsgutachten und Wiederholungsgutachten bei pflegebedürftigen Personen, die mindestens 14 Jahre alt sind. Außerdem muss der Gutachter im Einzelfall prüfen, ob das telefonische Interview sinnvoll ist.

Der Gutachter kann auch entscheiden, dass ein Interview per Telefon oder Videotelefonie nur mit der Hilfe einer geeigneten Unterstützungsperson vor Ort durchgeführt werden kann. Zum Beispiel wenn kognitive Einschränkungen, psychische Probleme oder sprachliche Barrieren vorliegen sowie bei Personen im Alter von 14 bis 18 Jahren. (4)

In diesen Fällen ist die Begutachtung per Telefon & Videotelefonie ausgeschlossen:

  • Bei einem Erstgutachten, also wenn noch kein Pflegegrad besteht.
  • Wenn die Begutachtung aufgrund eines Widerspruchs wiederholt wird.
  • Wenn die Person jünger als 14 Jahre ist.
  • Wenn die letzte Begutachtung zu dem Ergebnis kam, dass keine Pflegebedürftigkeit vorliegt.
  • In der ambulanten Pflege wenn das letzte Gutachten vor Ort älter als 36 Monate ist.
  • Wenn dies aus pflegefachlicher Sicht nicht sinnvoll erscheint oder eine notwendige Unterstützungsperson nicht verfügbar ist.
  • Wenn die begutachtete Person dies nicht möchte.
Tipp
Treffen Sie keine leichtfertige Entscheidung

Die telemedizinische Begutachtung ist nur sinnvoll, wenn Sie gerne per Telefon oder Videotelefonie kommunizieren. Immerhin dauert das Telefonat eine Stunde oder länger. Wenn Sie sich damit nicht absolut wohlfühlen, sollten Sie Ihr Recht auf die Begutachtung vor Ort wahrnehmen.

Pflegegutachten nach Aktenlage

Das Gutachten nach Aktenlage bedeutet, dass ein Gutachten allein auf Basis von Dokumenten und ohne Telefonat oder Hausbesuch erstellt wird. Bei den Dokumenten handelt es sich vor allem um medizinische Befunde und die pflegerelevante Vorgeschichte.

Nach Aktenlage wird vor allem dann begutachtet, wenn der Antragsteller zwischenzeitlich verstorben ist oder eine Begutachtung vor Ort nicht zumutbar wäre. Von der Unzumutbarkeit wird zum Beispiel ausgegangen, wenn eine Person bereits palliativ versorgt wird.

Nach den Richtlinien des Medizinischen Dienstes kann in Ausnahmefällen auch dann ein Gutachten nach Aktenlage erstellt werden, wenn die Aktenlage extrem eindeutig ist. Das gilt jedoch nicht im Fall eines Erstgutachtens. (4)

Fragenkatalog für die Pflegebegutachtung

Die Pflegebegutachtung folgt keinem konkreten Fragebogen, der streng durchgearbeitet werden muss. Allerdings muss der Pflegegutachter sich zu festgelegten Kriterien einen Eindruck verschaffen. Die Themen für das Pflegegutachten sind im „Neuen Begutachtungsassessment (NBA)“ festgelegt. (9)

Diese Themenfelder kommen zur Sprache:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte

Es gibt noch zwei weitere Themenfelder: „Außerhäusliche Aktivitäten“ und „Haushaltsführung“. Diese haben allerdings keinen Einfluss auf Ihren Pflegegrad, sondern sollen dem Gutachter und der Pflegeversicherung helfen, individuelle Empfehlungen für Ihre Pflegesituation zu formulieren.

Jedes der Themenfelder gliedert sich in Unterpunkte, bei denen der Gutachter feststellen muss, ob die betroffene Person dazu selbständig in der Lage oder auf Hilfe angewiesen ist. Teilweise geht es auch darum, ob eine Fähigkeit generell noch vorhanden ist.

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Tipp
Fragenkatalog im Pflegegradrechner durchgehen

Wenn Sie diese Unterpunkte oder Fragen einzeln durchgehen möchten, können Sie dafür den kostenfreien Pflegegradrechner von pflege.de nutzen. Dieser orientiert sich am Begutachtungsverfahren und gibt Ihnen eine Einschätzung davon, welcher Pflegegrad Ihnen zusteht.

Pflegebegutachtung bei Kindern

Die Pflegebegutachtung bei Kindern ist ein Sonderfall, denn auch gesunde Kinder sind gerade in den ersten Jahren ebenso auf Pflege und Betreuung angewiesen. Es macht deshalb in vielen Bereichen keinen Sinn, die Fähigkeit und Selbständigkeit als normal anzusehen.

Deshalb werden Kinder unter 11 Jahren bei einer Pflegebegutachtung mit gleichaltrigen Kindern verglichen, um besondere Pflegebedürftigkeit erkennbar zu machen. Dafür gibt es besonders geschulte Pflegegutachter für Kinder. Bei Kindern ab 11 Jahren gelten die gleichen Maßstäbe wie bei Erwachsenen.

Für Kinder unter 18 Monaten gilt darüber hinaus, dass sie automatisch einen Pflegegrad höher erhalten als im Gutachten vorgesehen. Eine neue Begutachtung findet erst nach dem 18. Lebensmonat statt. (7)

Pflegebegutachtung bei Menschen mit Demenz

Auch die Pflegebegutachtung von an Demenz erkrankten Personen ist ein Sonderfall. Denn in vielen Fällen liegen kaum körperliche Einschränkungen vor und die ausschlaggebenden kognitiven Einschränkungen sind oft stark von der Tagesform abhängig.

Um für das Gutachten einen authentischen Eindruck zu bekommen, sind die Schilderungen von Personen aus dem nahen Umfeld besonders wichtig. Deshalb sollten wichtige Personen aus dem nahen Umfeld bei der Pflegebegutachtung anwesend sein, um ihre Erfahrungen schildern zu können.

Aber: Solange es sinnvoll möglich ist, wird ein Pflegegutachter sich mit seinen Fragen zunächst an die erkrankte Person richten. Es sollte aber auch Raum geben für eventuelle Richtigstellungen durch Angehörige oder Pflegende, falls die Antworten nicht den Alltag widerspiegeln.

Vorbereitung auf die Pflegebegutachtung

Zunächst bekommen Sie einen Terminvorschlag zugeschickt. Wenn Sie zu dem vorgeschlagenen Zeitpunkt aus wichtigen Gründen verhindert sind, sollten Sie so bald wie möglich einen Ersatztermin mit dem Gutachterdienst vereinbaren.

Steht der Termin fest, beginnt die Vorbereitung. Die Vorbereitung ist enorm wichtig, damit in dem kurzen Termin nichts vergessen wird und das Gutachten zum richtigen Ergebnis kommt.

Tipp 1: Mindestens eine Pflegeperson sollte anwesend sein

Neben der Person, für die das Gutachten erstellt wird, sollte mindestens eine Person anwesend sein, die bei der Pflege und Betreuung eine wichtige Rolle spielt. Denn Pflegepersonen wissen am besten, bei welchen Themen sie wie viel Unterstützung leisten müssen.

Außerdem verharmlosen Personen oft aus Eitelkeit oder Scham die eigenen Leiden und körperlichen Fähigkeiten. Eine Inkontinenz wird zum Beispiel schnell verschwiegen, obwohl sie Auswirkungen auf das Pflegegutachten haben kann. Pflegepersonen fällt es leichter, so etwas anzusprechen.

Je nachdem, wie die Pflege und Betreuung organisiert werden, sollten vielleicht auch weitere Personen anwesend sein. Stellen Sie auf jeden Fall sicher, dass alle wichtigen Personen an der Pflegebegutachtung teilnehmen können und möglichst nicht unter Zeitdruck stehen.

Tipp 2: Führen Sie ein Pflegetagebuch

Ein Pflegetagebuch hilft Ihnen, den tatsächlichen Pflegeaufwand zu dokumentieren. Denn frei aus dem Gedächtnis ist es oft schwer, sich an Details von Abläufen zu erinnern und diese genau wiederzugeben. Es können aber gerade solche Details sein, die bei einer Frage des Gutachters den Unterschied machen.

Tipp
Nutzen Sie den strukturierten Vordruck von pflege.de

Der kostenlose Pflegetagebuch-Vordruck von pflege.de orientiert sich thematisch an genau den Themen, die auch in der Pflegebegutachtung entscheidend sind. Das Dokument erinnert Sie so automatisch an alle relevanten Fragen.

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  • Perfekte Vorbereitung für die Pflegebegutachtung
  • Erhalten Sie direkt den richtigen Pflegegrad

Tipp 3: Stellen Sie Dokumente in Kopie bereit

Die Pflegebegutachtung ist auch der ideale Zeitpunkt, um dem Gutachter Dokumente zu übergeben, die für das Pflegegutachten wichtig sind. Achten Sie darauf, alle Dokumente als Kopie bereitzustellen. So können Sie diese dem Gutachter einfach mitgeben und er kann sie später in Ruhe auswerten.

Wichtige Dokumente für die Pflegebegutachtung:

  • Relevante Arzt- und Krankenhausberichte
  • Namen und Adressen aller behandelnden Ärzte
  • Medikamentenplan
  • Namen und Adressen der Pflegepersonen
  • Auflistung der benötigten oder genutzten Hilfsmittel
  • Falls vorhanden: Dokumentation des Pflegedienstes
  • Falls vorhanden: Schwerbehindertenausweis
  • Falls vorhanden: Den ausgefüllten Fragebogen des Gutachterdienstes
Info
Fragebogen des Gutachterdienstes?

Oft verschicken der MD oder Medicproof im Vorhinein einen Fragebogen, mit dem Sie sich zusätzlich auf die Begutachtung vorbereiten können. Wenn Sie vorab keinen Fragebogen erhalten, stellt das aber kein Hindernis für die Begutachtung dar.

Tipp 4: Bereiten Sie selbst Fragen an den Gutachter vor

Der Gutachter stellt nicht nur Fragen, sondern untersucht auch die pflegerelevanten Räumlichkeiten, um mögliche Barrieren zu identifizieren. Er kann Ihnen Tipps für mehr Barrierefreiheit geben und empfiehlt bei Bedarf bestimmte Hilfsmittel.

Sie können dem Pflegegutachter aber auch eigene Fragen stellen. Immerhin handelt es sich um einen erfahrenen Pflegeexperten, der von möglichen Pflegeleistungen bis hin zu praktischem Pflegewissen viele Themen erläutern kann. Am besten notieren Sie sich vorab Ihre Fragen.

Checkliste zur Vorbereitung

Nutzen Sie diese Checkliste, damit am Tag der Pflegebegutachtung alles reibungslos verläuft, die Pflege realistisch begutachtet wird und das Ergebnis am Ende hoffentlich Ihren Erwartungen entspricht.

Checkliste zur Vorbereitung auf die Pflegebegutachtung:

  • Die für die Pflege wichtigsten Personen sind informiert und beim Termin anwesend.
  • Alle Anwesenden haben genug Zeit eingeplant.
  • Falls es einen gesetzlichen Betreuer gibt, ist dieser informiert.
  • Sie haben sich mit dem Pflegegradrechner auf die Themen vorbereitet.
  • Wichtige Dokumente liegen in Kopie bereit:
    • Ihr ausgefülltes Pflegetagebuch
    • Arzt- und Krankenhausberichte
    • Namen und Adressen behandelnder Ärzte und Pflegepersonen
    • Medikamentenplan
    • Auflistung gewünschter oder genutzter Hilfsmittel
    • Falls vorhanden: Den ausgefüllten Fragebogen des Gutachterdienstes
    • Falls vorhanden: Schwerbehindertenausweis
    • Falls vorhanden: Dokumentation des Pflegedienstes
    • Sie haben sich eigene Fragen für den Pflegegutachter notiert.
  • Direkt vor dem Termin führen Sie die Pflege ganz alltäglich durch und vermitteln einen realistischen Eindruck (kein „Herausputzen“)

Pflegegutachten: Punkte & Gewichtung

Nach der Pflegebegutachtung erstellt der Pflegegutachter in Ruhe das Gutachten und schickt es über den Gutachterdienst zu Ihrer Pflegeversicherung. Die Versicherung erteilt dann den Pflegegrad oder lehnt ihn ab. In jedem Fall erhalten Sie direkt einen Pflegegrad-Bescheid mit dem Ergebnis.

Oft liegt dem Pflegegrad-Bescheid bereits das Pflegegutachten bei. Ist das nicht der Fall, können Sie es bei Ihrer Pflegeversicherung anfordern. Sie haben ein Recht darauf, das Gutachten jetzt einzusehen. (8)

Pflegegutachten: Punkte-Tabelle

Insgesamt werden in einem Pflegegutachten 0 bis 100 Punkte vergeben. Welche Punktzahl auf welchen Pflegegrad hindeutet, erfahren Sie hier.

Die maximal 100 Punkte setzen sich aus den sechs relevanten Themenfeldern zusammen. Die einzelnen Bereiche werden unterschiedlich gewichtet. (9)

Pflegegutachten: Themen mit Gewichtung:

1. Mobilität (10 von 100): Wie selbstständig können Sie sich fortbewegen und Ihre Körperhaltung ändern?

2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (7,5 von 100): Können Sie sich im Alltag örtlich und zeitlich orientieren? Können Sie selbst Entscheidungen treffen, Gespräche führen und Bedürfnisse äußern?

3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (7,5 von 100): Wie oft benötigen Sie Hilfe wegen psychischer Probleme wie Aggressionen oder Angstzuständen?

4. Selbstversorgung (40 von 100): Wie selbstständig sind Sie bei der Körperpflege?

5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20 von 100): Welche Hilfestellungen benötigen Sie beim Umgang mit Krankheiten und Behandlungen, zum Beispiel beim Verbandswechsel oder der Einnahme von Medikamenten?

6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (15 von 100): Wie selbstständig können Sie Ihren Tagesablauf planen und Kontakte pflegen?

Info
Weitere Themenfelder beeinflussen nicht den Pflegegrad

Themen aus den Bereichen „Außerhäusliche Aktivitäten“ und „Haushaltsführung“ beeinflussen nur die individuellen Empfehlungen für Hilfsmittel und ähnliches, aber nicht Ihren Pflegegrad. (9)

Pflegegrad 1: Mehr drin, als Sie denken – unser Podcast klärt auf!

Pflegegrad 1 ist der niedrigste Pflegegrad – und wird deshalb oft unterschätzt. „Kein Pflegegeld = nichts zu holen?“ Weit gefehlt! In unserer Podcast-Folge erfahren Sie, welche Leistungen wirklich drinstecken und warum sich ein Antrag lohnt.

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Möglichkeit zum Widerspruch

Nehmen Sie sich etwas Zeit und prüfen Sie das Pflegegutachten selbst. Sind die Bewertungen angemessen? Werden die Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person realistisch eingeschätzt? Wurden alle relevanten Vorerkrankungen berücksichtigt?

Entspricht das Gutachten Ihrer Meinung nach nicht der tatsächlichen Pflegebedürftigkeit, können Sie dem Bescheid widersprechen. Das geht innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Pflegegrad-Bescheids. Mit einem Pflegegrad-Widerspruch können Sie ein Wiederholungsgutachten erreichen.

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Häufig gestellte Fragen

Was ist ein Pflegegutachten?

Ein Pflegegutachten stellt fest, ob eine versicherte Person pflegebedürftig ist und Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung hat.

Was ist eine Pflegebegutachtung?

Bei einer Pflegebegutachtung besucht ein Gutachter im Auftrag einer Pflegeversicherung eine Person und untersucht, ob Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung bestehen. Außerdem gibt der Pflegegutachter praktische Tipps für die Pflege und empfiehlt nach Bedarf passende Hilfsmittel.

Wer erstellt Pflegegutachten?

Pflegegutachten erstellen zugelassene Pflegegutachter, die in der Regel in Gutachterdiensten organisiert sind. Die meisten Pflegegutachten werden vom Medizinischen Dienst für die gesetzliche Pflegeversicherung erstellt. Für private Pflegeversicherungen arbeiten andere Dienste wie Medicproof.

Wie lange dauert eine Pflegebegutachtung?

Die Pflegebegutachtung dauert eine Stunde, manchmal etwas länger. Manchmal werden auch von Anfang an zwei Stunden angesetzt.

Welche Fragen stellt ein Pflegegutachter?

Die genauen Fragen sind nicht vorgeschrieben, der Gutachter muss aber festgelegte Themen begutachten. Das sind: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte, außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung.

Darf ich mein Pflegegutachten einsehen?

Ja, sobald Sie den Pflegegrad-Bescheid erhalten haben, haben Sie auch das Recht, das Pflegegutachten einzusehen. Sie können sich auf Paragraf 25 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches berufen.

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Erstelldatum: 3202.90.4|Zuletzt geändert: 5202.01.2
(1)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__14.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(2)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 15 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__15.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(3)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 18a Begutachtungsverfahren
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__18a.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(4)
Medizinischer Dienst Bund (2024): Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Begutachtungsgrundlagen/BRi_Pflege_21_08_2024.pdf (letzter Abruf am 19.11.2024)
(5)
Bundesministerium der Gesundheit (2023): Begutachtungsfristen
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/b/begutachtungsfristen.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(6)
Bundesministerium der Justiz (1994): Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - § 142a Übergangsregelung für eine telefonische Begutachtung
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__142a.html (letzter Abruf am 19.11.2024)
(7)
Medizinischer Dienst Bayern (o. J.): Wie wird Pflegebedürftigkeit bei Kindern beurteilt?
https://www.md-bayern.de/unserethemen/pflegebegutachtung/pflegebegutachtung-bei-kindern/ (letzter Abruf am 28.08.2023)
(8)
Bundesministerium der Justiz (1994): Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - § 25 Akteneinsicht durch Beteiligte
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__25.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(9)
Bundesministerium für Gesundheit (2023): Pflegebedürftig – was nun?
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege/pflegebeduerftig-was-nun.html (letzter Abruf am 28.08.2023)
(10)
Bildquellen
© istock.com / Ridofranz
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Interview

Ablauf einer Pflegebegutachtung aus der Sicht einer Gutachterin

Dr. Regina Grundler
Im Interview
Dr. Regina Grundler
Ärztin

Dr. Regina Grundler ist Ärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Sozialmedizin. Nach einigen Jahren in Klinik und Praxis arbeitet sie seit 1998 als Pflegegutachterin und seit 2013 als ärztliche Mitarbeiterin im Supervisionsteam von Medicproof. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der bundesweiten Schulung der Pflegegutachter und der Sicherung der Gutachtenqualität.

Wie läuft eine Pflegebegutachtung ab? Wie lange dauert der Termin? Werden wirklich alle 64 Fragen aus dem Neuen Begutachtungsverfahren (NBA) abgefragt? Und wie können sich Familien auf den Besuch des Gutachters vorbereiten? pflege.de sprach im Interview mit Dr. Regina Grundler, die seit 1998 Pflegebegutachtungen für den Medizinischen Dienst MD (ehemals MDK) und Medicproof durchführt. Sie verrät ihre spannendsten Erlebnisse als Pflegebegutachterin und schildert im Detail, was Sie bei einer Pflegegrad-Begutachtung erwartet.

Liebe Frau Grundler, Sie arbeiten seit 1998 als Pflegegutachterin, haben also sehr viel Erfahrung. Was würden Sie als Expertin sagen: Wie lange dauert eine durchschnittliche Pflegebegutachtung?

Dr. Regina Grundler: Wenn Sie von mir begutachtet werden, kommen Sie niemals unter einer Stunde davon. (lacht) Eher etwas länger und dort liegt auch der Durchschnitt unserer Gutachter. Es gibt Gutachten, die könnten Sie auch in der Hälfte der Zeit erledigen, wenn Sie nur strikt die Fakten abfragen. Aber für uns ist es wichtig, dass die Begutachtung in einer empathischen Atmosphäre abläuft. So werden wir als Gutachter auch geschult.

Das heißt ich frage beim Hausbesuch zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nicht nur meine Punkte ab, sondern ich informiere und ich berate und vor allem höre ich auch zu. Und wenn Sie das alles beherzigen, kommen Sie mit einer halben Stunde nicht aus, sondern sind ganz schnell bei einer Stunde.

Wenn wir Gutachter zu erkrankten oder behinderten Kindern schicken, können Sie allerdings fast mit dem Doppelten rechnen. 1,5 bis 2 Stunden sind dann keine Seltenheit. Auch eine Zweitbegutachtung nach einem Widerspruch dauert oft länger.

Was unsere Leser natürlich besonders interessiert, ist der Ablauf der Pflegebegutachtung. Können Sie einmal aus Ihrer Sicht beschreiben, wie die Begutachtung abläuft?

Dr. Regina Grundler: Ich selbst halte mich an kein einheitliches Schema, mir ist wichtiger, dass ich ins Gespräch komme. Ich stelle eigentlich immer erst folgende eingehende Frage, sofern ich keine Vorunterlagen habe: „Warum haben Sie denn gerade jetzt einen Antrag auf Pflegebegutachtung gestellt? Ist irgendetwas passiert? Hat Ihnen jemand den Tipp gegeben, einen Antrag auf Pflegegrad zu stellen? Erzählen Sie mal!“

Und dann lasse ich, wenn es irgendwie geht, den Versicherten selber erzählen. Für mich ist der Versicherte die Hauptperson und alle anderen, die noch dabei sind, mögen ergänzen, aber das Hauptwort hat der Versicherte. Allein aus dem Bericht kann ich schon relativ viel ableiten und ich kann auch sehr schön überleiten auf die Frage nach dem Hausarzt und nach Medikamenten. Das heißt, ich verflechte die Aufnahme der Fakten und Daten in ein Gespräch. Das ist mein Ansatz und deswegen dauert es bei mir vielleicht auch bisschen länger als bei anderen.

Des Weiteren versuche ich, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, weil die Situation vielen Menschen unangenehm ist. Da kommt ein Gutachter und der Versicherte muss über Dinge sprechen, die ihm vielleicht unangenehm sind. Er muss einem deutlich jüngeren Menschen erzählen, was er alles nicht mehr kann und auch auf Fragen wie „Kommen Sie noch auf der Toilette zurecht?“ oder „Gibt es manchmal ein Malheur?“ antworten.

Ich versuche immer, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, weil die Situation vielen Menschen unangenehm ist.
Dr. Regina Grundler

Dabei muss man als Gutachter ganz genau auf die Worte achten. Man kann nicht fragen „Nässen Sie ein?“ oder sowas. Das geht überhaupt gar nicht, das muss alles wertschätzend passieren.

Die Versicherten wissen aber, dass solche Themen kommen, und daher ist ihnen der Termin von Vornherein unangenehm. Ich versuche daher, am Anfang schon immer klarzustellen, dass das nichts Schlimmes ist und es keine peinlichen Situationen gibt und sie hinterher sehen werden, dass es gar nicht weh getan hat.

Versicherte sollen bitte immer alles erzählen, sonst muss ich nachfragen. Denn all das, was vom Versicherten nicht erzählt oder von mir erfragt wird, kann im Gutachten nicht berücksichtigt werden – und das hat vielleicht Einfluss auf das Ergebnis.

All das, was vom Versicherten nicht erzählt oder von mir erfragt wird, kann im Gutachten nicht berücksichtigt werden – und das hat vielleicht Einfluss auf das Ergebnis.
Dr. Regina Grundler

Im Laufe dieses Gesprächs frage ich dann auch die Dinge ab, die ich für das Gutachten brauche. Ich muss ja wissen, was der Versicherte noch kann. „Wenn Sie morgens wach werden, müssen Sie ans Aufstehen erinnert werden? Muss man Sie motivieren? Kommen Sie alleine aus dem Bett? Und dann geht’s ins Bad oder geht’s dann zum Frühstück? Hat das schon jemand gemacht oder machen Sie sich das selbst?“ Nach diesem Schema führe ich den Versicherten so durch den ganzen Tag und stelle die Fragen so, wie ich sie fürs Gutachten brauche.

Und wenn mir zwischendrin etwas nicht klar ist, bitte ich den Versicherten auch, mir mal etwas zu zeigen. Zum Beispiel wenn ich das Gefühl habe, dass der Antragsteller mit seinen Armen nicht mehr bis zu seinen Haaren kommt, mache ich ihm das vor und lasse es ihn nachmachen. Oder ich lasse Antragsteller zum Beispiel auch trinken, damit ich es mir besser vorstellen kann.

Zum Ende bitte ich immer noch darum, die Wohnung sehen zu dürfen – das gehört zu einer Begutachtung dazu – und bitte den Versicherten, dass er mir die Wohnung selbst zeigt, sofern das eben geht. Das heißt, ich lasse ihn vorher gar nicht aufstehen und marschieren, sondern stelle Fragen wie „Können Sie mir Ihr Schlafzimmer noch zeigen?“.

Und dann sehe ich ja, wie er vom Küchenstuhl aufsteht und seinen Rollator greift und vor mir mühsam den Flur entlanggeht. Ich kann dann auch schon sehen, ob er in der Wohnung orientiert ist oder ob er das Badezimmer suchen muss, oder sich an den Wänden festhält und solche Sachen.

Dabei informieren wir Gutachter auch immer, was es noch so an Hilfsmitteln und Umbaumaßnahmen zur Wohnraumanpassung gibt. Wenn jemand von der Toilette nicht hochkommt, ist eine Toilettensitzerhöhung zu empfehlen. Oder wenn jemand nachts sturzgefährdet ist, wenn er alleine aufs WC geht, kann man einen Toilettenstuhl neben das Bett stellen. So etwas muss man einfach vor Ort besprechen und auch den Angehörigen die Sorge und die Angst nehmen.

Dabei informieren wir Gutachter auch immer, was es noch so an Hilfsmitteln und Umbaumaßnahmen zur Wohnraumanpassung gibt.
Dr. Regina Grundler

So läuft das bei mir ab. Wenn ich in dem Gespräch mit dem Versicherten nicht alle Informationen bekomme oder merke, dass er mit der Sprache nicht so richtig rauskommt, versuche ich auf dem Weg zur Haustür oder an der Haustür mit seinen Angehörigen unter vier Augen zu sprechen. Wenn das nicht geht, dann rufe ich die hinterher auch nochmal an. „Ich habe das Gefühl, Sie wollten den geistigen Abbau von Ihrem Vater nicht direkt im Gespräch thematisieren, erzählen Sie aber doch mal. Haben Sie Sorge, dass es in Richtung Demenz geht?“

Das ist manchmal schwierig, da muss man auch Rücksicht nehmen und kann eben hinterher nochmal mit den Angehörigen sprechen. Wenn zum Beispiel der Versicherte sagt, dass er noch alles kann und die Tochter im Hintergrund verzweifelt den Kopf schüttelt. Das stellt man dann besser unter vier Augen mit der Tochter nochmal klar.

Wow, das war jetzt ausführlich, aber spannend! Und ich könnte mir vorstellen, dass das unseren Lesern wirklich die Unruhe vor einem solchen Termin nimmt, wenn sie jetzt wissen, wie die Begutachtung abläuft. Wissen Sie schon beim Verlassen der Wohnung, welcher Pflegegrad es wird?

Dr. Regina Grundler: Nein. Das ist auch eine Frage, die beim Hausbesuch immer vom Versicherten oder Angehörigen gestellt wird. Wir Gutachter arbeiten das Gutachten in Ruhe zu Hause aus. Wir müssen erst einmal alles sortieren und alle 64 Kriterien des Begutachtungssystems bearbeiten. Deshalb sagen wir vor Ort nichts zum Ergebnis. Das Gutachten wird in der Regel am nächsten Tag verschickt, so dass der Versicherte spätestens eine Woche nach der Begutachtung den Bescheid vom Versicherungsunternehmen hat.

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Nehmen Sie dazu auch Dokumente wie einen Medikamentenplan, eine Pflegedokumentation oder Arztbriefe vom Versicherten mit nach Hause? Helfen Ihnen solche Dokumente bei der Einschätzung?

Dr. Regina Grundler: Grundsätzlich nehmen wir so etwas gerne an, aber bitte nicht im Original. Wir sind verpflichtet, Originale zurückzuschicken, daher ist das also ein relativ großer Aufwand. Was auf jeden Fall sinnvoll ist und was wir gerne annehmen, ist eine Kopie der Medikamentenverordnung. Dann kann der Gutachter die Zeit bei der Begutachtung sinnvoller nutzen als die Namen der Medikamente und deren Dosierung abzufragen. Zudem ist ein Pflegetagebuch sinnvoll.

Medicproof hat die alte Pflegedokumentation auf das neue Verfahren umgearbeitet, die man auf unserer Website herunterladen kann. Ich persönlich finde das sehr sinnvoll, weil sich dann Angehörige und Beteiligte schon mal mit den Inhalten beschäftigen, die relevant sind.

Auch auf pflege.de können solche wichtigen Inhalte nachgelesen werden. Eine solche Vorbereitung und Pflegedokumentation ist zur Orientierung für den Pflegebegutachter sehr hilfreich und kann beim Begutachtungstermin vor Ort Zeit für wichtigere Dinge sparen. Wir können die Angaben zwar meistens nicht 1:1 übernehmen, da oft eine große Lücke zwischen der Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung klafft, doch es ist eine gute Orientierung!

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Wie können sich Familien auf die Begutachtung vorbereiten?

Dr. Regina Grundler: Da gibt es schon ein paar Dinge, die helfen:

  1. Nehmen Sie sich die Zeit und planen Sie zusätzliche Minuten ein, falls es etwas länger dauert. Es kommt in der Regel dem Begutachtungsergebnis zugute.
  2. Bereiten Sie, wie eben beschrieben, Dokumente wie die Pflegedokumentation, Arztbriefe und den Medikamentenplan vor. Das erspart dem Gutachter Zeit, die er besser für andere Fragen nutzen kann.
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  3. Alle Beteiligten sollten offen an diesen Hausbesuch rangehen. Familien sollten wissen, dass Gutachter neutral sind, nicht das Geld für die Versicherungsunternehmen einsparen müssen und nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Manche Versicherte haben das Gefühl, dass ein Gutachter ihnen Leistungen verwehren will. Das stimmt so nicht. Wenn man das weiß, herrscht von Vornherein eine ganz andere Atmosphäre bei Begutachtungen.
  4. Beschäftigen Sie sich mit den Inhalten. Antragsteller sollten sich unsere Pflegedokumentation ansehen oder sich auf pflege.de informieren. So wissen der Antragsteller und seine Familie, was auf sie zukommt.
Erstelldatum: 8102.40.6|Zuletzt geändert: 5202.60.21
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© Dr. Regina Grundler
Interview

Exklusive Einblicke in die telefonische Pflegebegutachtung – eine Gutachterin im Interview

Dr. Brigitte Daunicht
Im Interview
Dr. Brigitte Daunicht
Gutachterin bei Medicproof

Dr. Brigitte Daunicht ist Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Nach einigen Jahren in Klinik und Praxis arbeitet sie seit 1996 als Pflegegutachterin und ist seit 2016 Mitarbeiterin im Supervisionsteam von Medicproof. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Sicherung der Gutachtenqualität und der Schulung der Gutachterinnen und Gutachter, die für Medicproof tätig sind.

Durch die Corona-Pandemie hat sich die telefonische Pflegebegutachtung als Alternative zur Pflegebegutachtung im Zuhause des Versicherten etabliert. Die Telefon-Begutachtung ist seitdem immer dann möglich, wenn ein Antrag auf Höherstufung gestellt wurde oder wenn es sich um eine sogenannte Wiederholungsbegutachtung handelt, bei der man von einer Zustandsverbesserung des Versicherten ausgeht.

Wo liegen die Vorteile der telefonischen Pflegebegutachtung im Vergleich zur Begutachtung vor Ort und wie können sich Familien am besten darauf vorbereiten? Wer profitiert von dieser Form der Begutachtung und was ist anders im Vergleich zum Hausbesuch? pflege.de sprach mit Dr. Brigitte Daunicht von Medicproof, die selbst seit fast 30 Jahren Pflegebegutachtungen durchführt.

Liebe Frau Daunicht, seit wann ist die telefonische Pflegebegutachtung möglich?

Dr. Brigitte Daunicht: Letztendlich war die Corona-Pandemie für uns der Auslöser, denn da konnten wir keine Begutachtung vor Ort im Hausbesuch durchführen und mussten uns schnell etwas einfallen lassen. Durch diesen umgehenden Handlungsbedarf haben wir 2020 das telefonische Begutachtungsformat entwickelt.

Wonach wird entschieden, ob eine Pflegebegutachtung vor Ort oder telefonisch stattfindet?

Dr. Brigitte Daunicht: Ob eine Pflegebegutachtung in der Häuslichkeit des Antragstellenden oder telefonisch stattfindet, ist abhängig vom Auftragstyp.

Wir begutachten immer vor Ort, wenn bisher noch keine Pflegebedürftigkeit anerkannt ist. Das heißt, wenn es um eine Erstbegutachtung geht oder wenn bei einer vorangegangenen Begutachtung nicht mindestens Pflegegrad 1 festgestellt wurde (Anmerkung der Redaktion: erneutes Gutachten nach Ablehnung eines Pflegegrads).

Telefon-Begutachtungen führen wir immer dann durch, wenn ein Änderungsantrag gestellt wurde oder wenn eine Wiederholungsbegutachtung beauftragt wurde.

Können Antragsteller auf eine persönliche Begutachtung vor Ort bestehen? Also haben sie das Recht zu sagen, dass sie keine telefonische Begutachtung möchten, sondern der Pflegegutachter ins eigene Zuhause kommen soll?

Dr. Brigitte Daunicht: Ja, die Antragstellerinnen und Antragsteller können darauf bestehen. Das Recht haben sie ganz klar.
Bei Medicproof ist es so, dass die Gutachterinnen und Gutachter ihre Termine selbst vereinbaren – in der Regel telefonisch und grundsätzlich einvernehmlich. So kann man direkt besprechen, in welcher Form begutachtet werden soll. Antragstellende können bei diesem Telefonat auch direkt Fragen stellen und die Gutachterin oder der Gutachter kann zum Beispiel auch kurz die Vorgehensweise erläutern.

Gibt es Vorteile bei einer telefonischen Begutachtung gegenüber einer Begutachtung vor Ort?

Dr. Brigitte Daunicht: Ja, die gibt es. Sowohl Versicherte als auch ihre Angehörigen leben oftmals in einer sehr schwierigen Lebenssituation und da sind die telefonischen Begutachtungstermine oft für beide Seiten besser zu organisieren.

Zum einen ist es so, dass telefonische Begutachtungstermine oft zügiger vereinbart werden können, weil sie auch von Gutachterinnen und Gutachtern durchgeführt werden können, die nicht in der Region leben.

Und zum anderen sind sie auch für Angehörige, die an der Begutachtung teilnehmen möchten, flexibler. Wenn diese nicht in der Region leben, aber bei der Begutachtung dabei sein möchten, können sie sich im Rahmen einer Telefonkonferenz einfach dazuschalten.

Wir von Medicproof bewerten die telefonische Begutachtung als versichertenorientiert.
Dr. Brigitte Daunicht

Von daher bewerten wir von Medicproof die telefonische Begutachtung durchaus als versichertenorientiert. Es ist ja auch so: Manchmal haben die Leute unheimlichen Druck und sagen „Sie wollen schon morgens um 9:30 Uhr kommen? Also vor 11 Uhr geht es gar nicht bei mir, da bin ich noch nicht so zurecht gemacht, wie ich mich zeigen möchte“ oder sie sagen „Oh nein, meine Haushaltshilfe kommt aber immer am Montag. Bitte kommen Sie möglichst danach.“ Und auch da ist es natürlich etwas einfacher, wenn man durch die telefonische Begutachtung einen gewissen Druck für die Versicherten rausnehmen kann.

Okay, das verstehe ich. Was aber kann bei einer telefonischen Begutachtung nicht so gut erfasst werden wie bei einer Begutachtung vor Ort? Wie machen Sie sich zum Beispiel ein Bild von der Situation im Badezimmer?

Dr. Brigitte Daunicht: Bei einer Erstbegutachtung wäre so eine räumliche Situation schwierig zu erfassen, das stimmt. Jedoch führen wir die telefonischen Begutachtungen ja immer nur dann durch, wenn wir schon ein Gutachten vorliegen haben. Und aus diesem Vorgutachten können wir entnehmen, wie die Räumlichkeiten baulich gegeben sind, und dazu findet ein Abgleich statt: Ist es so geblieben oder hat sich etwas verändert?

Wir fragen bei einer telefonischen Begutachtung immer, wie die Versicherten insgesamt in der Situation zurechtkommen. Wir erheben Befunde und lassen uns am Telefon Situationen auch schildern. Und dann gleiche ich natürlich mit dem Vorgutachten ab, ob das plausibel für mich klingt.

Sofern nur gewisse Unsicherheiten bleiben, frage ich erneut nach und kann als Gutachterin erst lockerlassen, wenn ich mir ein klares Bild der Situation machen kann. Denn das ist die klare Voraussetzung dafür, dass ich eine zutreffende Bewertung abgeben kann. Und das funktioniert bei der telefonischen Begutachtung sehr gut – das kann ich aus Erfahrung sagen, weil ich diese telefonischen Begutachtungen inzwischen im sechsten Jahr durchführe.

Wer profitiert von der telefonischen Begutachtung im Vergleich zur Begutachtung vor Ort?

Dr. Brigitte Daunicht: Primär ist eine telefonische Pflegebegutachtung für alle von Vorteil. Jede Antragstellerin und jeder Antragsteller steckt in einer schwierigen Lebenssituation und wenn sie schneller Leistungsbescheide durch eine telefonische Pflegebegutachtung bekommen, ist allen geholfen. Dann wissen die Versicherten, womit sie planen und wie sie ihre Pflege organisieren können.

Und auch hinsichtlich der Begutachtung selbst unterstützt die telefonische Variante ja auch viele Familien, wenn Angehörige beruflich bedingt gar nicht mehr in der gleichen Region leben wie ihre Eltern zum Beispiel.

Lassen Sie uns gerne einmal über die Inhalte der telefonischen Begutachtung sprechen. Gibt es dabei Unterschiede im Vergleich zur Begutachtung vor Ort?

Dr. Brigitte Daunicht: Also es werden prinzipiell bei beiden Begutachtungsformaten die gleichen Inhalte erfasst und auch das Gutachten ist identisch.
Es gibt eigentlich nur den Unterschied, dass ich bei einer telefonischen Begutachtung zur Wohnsituation eine Vorinformation aus dem Erstgutachten habe und dabei mit geringem Zeitaufwand abgleichen kann, ob das noch so geblieben ist.

Aber im Endeffekt unterscheiden sich die beiden Formate der Begutachtung nicht. Als Gutachterin muss ich mir immer zu allem ein klares Bild machen – ob nun telefonisch oder vor Ort.

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Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Dauer der beiden Begutachtungsformen?

Dr. Brigitte Daunicht: Vom Durchschnittswert her geht eine telefonische Pflegebegutachtung etwas zügiger, aber das liegt jetzt nicht daran, dass es eine telefonische Begutachtung ist. Sondern das liegt einfach daran, dass es immer eine Folgebegutachtung ist und ich schon auf gewisse Informationen aus dem Erstgutachten zurückgreifen kann.

Und gibt es Szenarien, in denen eine telefonische Pflegebegutachtung nicht möglich ist?

Dr. Brigitte Daunicht: Ja, das hat der Gesetzgeber in den Richtlinien inzwischen auch verankert. Ein Beispiel sind hochgradige Hörminderungen. Da wird es telefonisch schon schwierig und es sollte dann immer zwingend eine Person bei der Begutachtung dabei sein, die auch Auskunft geben und Situationen schildern kann.

Ich habe im letzten Jahr zum Beispiel eine Begutachtung bei einem Herrn durchgeführt, der aufgrund einer Gaumensegellähmung eine Sprachproblematik hatte. Er hatte keine Angehörigen, die die Begutachtung begleiten konnten und da war auch die Begutachtung vor Ort ausgesprochen zeitintensiv und schwierig, weil wir zum Teil schriftlich kommunizieren mussten und uns mit Mimik, Gestik und so weiter verständigt haben. Es sind also immer Einzelfälle, in denen eine telefonische Begutachtung erschwert beziehungsweise nicht möglich ist.

Wer sollte neben dem Antragsteller an der telefonischen Pflegebegutachtung teilnehmen?

Dr. Brigitte Daunicht: Die antragstellende Person muss teilnehmen – das ist eine ganz klare Voraussetzung. Zudem sollte eine Vertrauensperson mit dabei sein, die die Situation auch gut kennt und die zur Pflegesituation Auskunft geben kann. Begutachtungen sind immer Ausnahmesituationen. Da vergisst der eine mal was zu sagen, der andere ergänzt dann. Das unterstützt unsere Arbeit schon sehr.

Wie können sich Familien auf die telefonische Begutachtung vorbereiten?

Dr. Brigitte Daunicht: Da möchte ich Ihren Lesern vier Vorüberlegungen ans Herz legen:

  1. Ich rate immer dazu, dass sich die antragstellende Person die Situation vorab selbst noch einmal klarmacht und sich überlegt, warum sie überhaupt den Antrag auf Pflegegrad beziehungsweise den Antrag auf Höherstufung gestellt hat. Was kann die Person in ihrem Alltag nicht mehr selbstständig bewältigen und auf welche Erkrankungen ist das zurückzuführen? Dabei kann es dann auch helfen, den letzten Arztbericht oder Krankenhausbericht bereitzulegen. Bei der telefonischen Begutachtung kann man dann daraus vorlesen und zitieren.
  2. Zudem hilft die Vorüberlegung, wer die Antragstellerin oder den Antragsteller im Alltag unterstützt. Sind dies ausschließlich private Personen oder ist vielleicht auch ein Pflegedienst oder eine Tagespflegeeinrichtung beteiligt? Und da hilft es uns, wenn zur Begutachtung schon die Adressdaten bereitgelegt werden.
  3. Welche Ärztinnen und Ärzte sind an der Behandlung beteiligt? Müssen die Versicherten dafür in die Praxis kommen oder kommen die Ärztinnen und Ärzte zum Hausbesuch vorbei? Wie oft finden Termine statt und gibt es neben Arztterminen noch verordnete Therapien wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie? Wie oft und wo finden diese Therapien statt?
  4. Zuletzt macht es immer auch Sinn, einen aktuellen Medikamentenplan bereitzulegen.

Diese vier Tipps gelten gleichermaßen für beide Begutachtungsformate.

Für die telefonische Begutachtung selbst sollte man sich einen gemütlichen Platz suchen und das Festnetztelefon oder das Mobiltelefon vorab gut aufladen, damit nicht nach zehn Minuten der Akku leer ist.

Und wenn neben der versicherten Person eine angehörige Person dabei ist, sollten Sie am besten die Lautsprecherfunktion nutzen. Dann können sich alle Beteiligten ins Gespräch einbringen und zu den unterschiedlichen Themen Angaben machen.

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Wie gelingt es Ihnen, bei einer telefonischen Begutachtung sensible Themen anzusprechen? Die Hemmschwelle der Versicherten, eine beginnende Demenz oder Inkontinenz anzusprechen, ist ja wahrscheinlich vorhanden.

Dr. Brigitte Daunicht: Ja, das stimmt. Wobei wir als Gutachterinnen und Gutachter von Medicproof wieder den Vorteil haben, dass wir unsere Termine selbst vereinbaren und dazu häufig eine Kontaktperson angegeben ist, die nicht die antragstellende Person ist. Das macht auch Sinn, weil sonst vielleicht ein Termin nicht weitergegeben wird, obwohl Angehörige an der Begutachtung mit teilnehmen möchten.

In diesem Telefonat zur Terminabstimmung können dann zum Beispiel schon Hinweise gegeben werden oder ich als Gutachterin kann Bezug nehmen „Ich sehe, dass Sie angegeben haben, dass es Probleme mit dem Gedächtnis sind, eine demenzielle Entwicklung. Wie gut ist es Ihnen möglich, vor Ihrem Vater oder Ihrer Mutter darüber zu sprechen?“ Und dann ergibt sich manchmal vorab schon ein kurzes Gespräch, in dem man so sensible Themen ansprechen kann.

Man kann im Gespräch Brücken bauen, um sensible Themen anzusprechen.
Dr. Brigitte Daunicht

Ansonsten ist für mich bei der Begutachtungssituation – egal ob am Telefon oder vor Ort – immer ein sensibler Umgang mit den Versicherten gefragt. Sie nehmen ja auch am Gespräch teil und ich leite dann beispielsweise auf eine demenzielle Entwicklung ein mit den Worten „Sie überlegen manchmal ein bisschen länger und haben ja auch gesagt, dass Sie mal dies oder jenes vergessen“.

Ein weiteres sensibles Thema ist eine Inkontinenz. Auch das gibt man vor Fremden ja nicht so gerne zu und auch dazu kann man einleitend Brücken bauen. Ich sage zum Beispiel bei einer Antragstellerin, deren Tochter auch anwesend ist, „Ich sehe ja, Ihre Tochter ist da, und Sie haben schon erzählt, dass Sie mehrere Kinder haben. Ich weiß, dass viele Frauen, die geboren haben, im Laufe der Jahre Probleme bekommen, rechtzeitig zur Toilette zu kommen. Geht Ihnen das auch so?“ Also man kann so Brücken bauen, damit es für Betroffene leichter ist, so etwas einzuräumen.

Wie erfassen Sie bei der telefonischen Pflegebegutachtung, welche Hilfsmittel verwendet werden?

Dr. Brigitte Daunicht: Ich frage einfach direkt ab, welche Hilfsmittel die Antragstellerin oder der der Antragsteller verwendet. Und wenn ich bei der Begutachtung feststelle, dass hier und da Schwierigkeiten bestehen und ein weiteres Hilfsmittel oder eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme hilfreich wäre, dann bringe ich das auch durchaus als Empfehlung im Gutachten an die Pflegekasse an.

Zum Abschluss: Wie fällt Ihr Fazit zur telefonischen Pflegebegutachtung aus? Sie kennen ja beides.

Dr. Brigitte Daunicht: Also ich würde sagen, die beiden Begutachtungsformate ergänzen sich hervorragend. Und – eine kleine Randnotiz – die telefonische Pflegebegutachtung ist laut Umfragen unter Versicherten sogar mindestens so beliebt wie die Begutachtung vor Ort.

Ich würde sagen, die beiden Begutachtungsformate ergänzen sich hervorragend.
Dr. Brigitte Daunicht

Es hat sich nach wie vor bewährt, dass eine Erstbegutachtung vor Ort durchgeführt wird, damit die Begutachtung „ein Gesicht bekommt“, Vertrauen aufgebaut werden und eben auch Wohnung oder Haus besichtigt werden kann, um die Wohnsituation schneller zu erfassen.

Für Änderungs- und Wiederholungsbegutachtungen sehe ich die Telefonbegutachtung als ideale Form. Das passt einfach. Wir können das Verfahren zugunsten der Versicherten enorm beschleunigen und sowohl die Gutachterinnen und Gutachter als auch die Versicherten mitsamt ihrer Angehörigen sind räumlich flexibel. Egal wie begutachtet wird, das Ergebnis ist dasselbe. Und – was wir nicht vergessen dürfen – wir verbessern auch den ökologischen Fußabdruck, weil wir einige Kilometer weniger zurücklegen.

Vielen Dank für Ihre Zeit und die spannenden Einblicke.

Dr. Brigitte Daunicht: Ich bedanke mich auch für das Gespräch. Das hat viel Freude gemacht.

 

Mehr zum Thema Pflegebegutachtung im pflege.de-Magazin:

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Gutachterin berichtet: So läuft eine Pflegebegutachtung ab
Erstelldatum: 5202.60.11|Zuletzt geändert: 5202.60.21
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Bildquelle
© Dr. Brigitte Daunicht
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