Notvertretungsrecht: Definition
Wenn eine Person aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst in gesundheitlichen Angelegenheiten Entscheidungen zu treffen, kann der Ehepartner oder Lebenspartner diese Entscheidungen vorübergehend treffen. (1)
Das besagt das Ehegattennotvertretungsgesetz nach Paragraf 1358 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das Gesetz gilt seit dem 01. Januar 2023 und soll eine vorübergehende Notlösung für akute medizinische Notfälle ermöglichen.
Deshalb ist die Notvertretung auf höchstens sechs Monate beschränkt. Und sie ist nur für den Fall vorgesehen, dass es keine entsprechenden Vorsorgedokumente und keinen gesetzlichen Betreuer gibt. Außerdem kann man dem Notvertretungsrecht im Voraus aktiv widersprechen.
Wann gilt das Notvertretungsrecht?
Das Notvertretungsrecht kann angewendet werden, wenn ein Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner nicht mehr selbst über medizinische Behandlungen und Maßnahmen entscheiden kann. Zum Beispiel, weil er oder sie wegen einer Erkrankung oder eines Unfalls nicht geschäftsfähig ist.
Allerdings muss dafür ein Arzt schriftlich bestätigen,
- dass die Person geschäftsunfähig ist und
- dass ihm keine Ausschlussgründe bekannt sind, die einer Notvertretung entgegenstehen.
Ärzte sind dazu verpflichtet, eine solche Bestätigung auf Anfrage auszustellen.
Ausschlussgründe
Die Notvertretung ist als allerletztes Mittel gedacht. Sie darf deshalb nur in Kraft treten, wenn es keine andere Lösung gibt und wenn auch sonst keine anderen Gründe dagegensprechen. Liegt ein solcher Ausschlussgrund vor, dann ist die Notvertretung unmöglich.
Ausschlussgründe: (1)
- Es gibt eine ausreichende Vorsorgevollmacht oder Generalvollmacht, mit der eine bestimmte Person in Gesundheitsfragen entscheiden kann.
- Die Person hat bereits einen gesetzlichen Betreuer, der in Gesundheitsfragen entscheiden darf.
- Es gibt eine Patientenverfügung, die alle anstehenden Fragen ausreichend klärt und weitere Entscheidungen überflüssig macht.
- Die Ehe- oder Lebenspartner leben bereits in Trennung.
- Dem behandelnden Arzt ist bekannt, dass die Person bei der Gesundheitssorge nicht durch ihren Partner vertreten werden möchte.
In welchen Bereichen gilt das Notvertretungsrecht?
Grundsätzlich gilt das Notvertretungsrecht nur für den Bereich Gesundheitssorge. In Paragraf 1358 BGB ist genau festgelegt, bei welchen Themen der Ehepartner im medizinischen Notfall vertreten werden darf. (1)
Das Ehegattennotvertretungsrecht gilt für:
- Medizinische Maßnahmen: Der Partner kann im Notfall entscheiden, welche Untersuchungen, notwendigen Therapien oder ärztlichen Eingriffe getätigt oder nicht getätigt werden sollen. Ärzte sind gegenüber dem vertretenden Ehepartner nicht an die Schweigepflicht gebunden und sind verpflichtet, Auskunft zu erteilen.
- Verträge zur Behandlung: Der Partner kann Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abschließen. Er darf auch für die Umsetzung sorgen, zum Beispiel für die Bezahlung.
- Freiheitsentziehende Maßnahmen: (2) Der Partner kann über solche Maßnahmen entscheiden, wenn sie medizinisch notwendig sind. Dauern diese länger als sechs Wochen oder geht es um einen Umzug in eine geschlossene Einrichtung, muss darüber das Betreuungsgericht entscheiden.
- Durchsetzung von Ansprüchen: Der Partner darf Ansprüche der vertretenen Person gegenüber Dritten geltend machen, wenn sie sich aus der Erkrankung ergeben. Damit ist vor allem die Vertretung gegenüber der Krankenversicherung und anderen Leistungsträgern gemeint. Es kann aber auch um Schadensersatz gehen.
In bestimmten Fällen kann es nötig sein, eine Entscheidung vom Betreuungsgericht einzuholen. Zum Beispiel, wenn es um lebensgefährdende Maßnahmen geht. Oder wenn der behandelnde Arzt begründete Zweifel hat, dass Entscheidungen im Sinne der vertretenen Person getroffen werden.
So nutzen Sie das Notvertretungsrecht
Um das Ehegattennotvertretungsrecht auszuüben, braucht der Ehe- oder Lebenspartner eine spezielle ärztliche Bescheinigung. Darin steht unter anderem das Datum, wann die Geschäftsunfähigkeit eingetreten ist. Sechs Monate nach diesem Datum endet die Vertretung spätestens.
Die Bescheinigung für die Notvertretung dürfen Ärzte nur ausstellen, wenn sie vorher geprüft haben, ob Hinweise auf Ausschlussgründe vorliegen. Zum Beispiel wird geprüft, ob im Zentralen Vorsorgeregister Dokumente für diesen Fall hinterlegt wurden.
Der vertretende Partner muss gegenüber dem Arzt versichern, dass ihm keine anderen Ausschlussgründe bekannt sind. Er muss auch versichern, dass er das Notvertretungsrecht für die Person nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt ausgeübt hat.
Formulare zur Ehegattennotvertretung
Zwei verschiedene Schriftstücke sind für die Ehegattennotvertretung relevant:
- Die Erklärung des vertretenden Ehepartners, dass keine Ausschlussgründe bekannt sind. Dieses Dokument erhält der Arzt.
- Das Bestätigungsformular für die Notvertretung, das dann vom behandelnden Arzt ausgestellt wird. Damit kann das Recht zur Notvertretung nachgewiesen werden.
Für diese Dokumente gibt es frei zugängliche Formulare vom Bundesinnenministerium, der Bundesärztekammer oder der Bundesnotarkammer. Oft kümmert sich allerdings der behandelnde Arzt um die Dokumente und Sie müssen diese dann nur ausfüllen und unterschreiben.
Nach sechs Monaten läuft die Notvertretung aus
Die Ehegattennotvertretung endet sofort, wenn die vertretene Person selbst wieder in der Lage ist, ihre gesundheitlichen Angelegenheiten zu regeln. Und die Notvertretung endet auch dann, wenn ein gesetzlicher Betreuer für die Gesundheitssorge eingesetzt wird.
Allerspätestens endet die Notvertretung nach sechs Monaten. Entscheidend ist dabei das Datum, das vom Arzt als Beginn der Geschäftsunfähigkeit festgelegt wurde.
Sollte eine Vertretung nach diesen sechs Monaten weiterhin notwendig sein, muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden. Ein Richter setzt dann einen gesetzlichen Betreuer ein, der dauerhaft die Interessen der betreuten Person vertritt.
Dabei wird zunächst ermittelt, ob die Person in einer Betreuungsverfügung festgelegt hat, wen sie sich selbst als Betreuer wünscht. Ansonsten versucht das Betreuungsgericht oft, innerhalb der Familie eine geeignete Person zu finden. Es kann aber auch ein fremder Berufsbetreuer eingesetzt werden.
Das Notvertretungsgesetz ist nur eine Notlösung
Das Notvertretungsgesetz kann Vorsorgedokumente wie die Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung nicht ersetzen. Es soll lediglich im Notfall den Ehepartner vorübergehend bevollmächtigen, schnell wichtige medizinische Entscheidungen zu treffen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Ehegattennotvertretungsrecht?
Das Notvertretungsrecht für Ehegatten ermöglicht es Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartnern vorübergehend Entscheidungen der Gesundheitssorge für den Partner zu treffen. Es tritt in Kraft, wenn der Partner offiziell geschäftsunfähig ist. Die Notvertretung ist auf höchstens sechs Monate beschränkt.
Für wen gilt das Notvertretungsgesetz?
Sobald ein Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner nicht mehr für sich selbst entscheiden kann, kann das Notvertretungsgesetz in Kraft treten. Allerdings nur, wenn kein wichtiger Ausschlussgrund vorliegt.
Wer darf Notvertreter im Sinne von 1358 BGB sein?
Für eine Notvertretung ist ausschließlich der Ehepartner oder der eingetragene Lebenspartner berechtigt. Inoffizielle Partner, Kinder oder andere Verwandte kommen dafür nicht in Betracht.
Kann die Notvertretung nach sechs Monaten verlängert werden?
Nein, die Notvertretung kann nicht verlängert werden. Wenn die sechs Monate abgelaufen sind und eine Betreuung weiterhin notwendig ist, muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden. Es bestimmt dann einen gesetzlichen Betreuer für die Gesundheitssorge.