Plegie: Definition
Von einer Plegie spricht die Medizin, wenn es aufgrund einer schweren Verletzung oder krankheitsbedingt zu einer kompletten Lähmung von Muskelgruppen und Gliedmaßen gekommen ist. Je nach Ausmaß der Lähmung unterscheidet man im Wesentlichen zwischen Paraplegie und Tetraplegie.(1)
Unterschied zwischen Paraplegie und Tetraplegie
Paraplegie bedeutet, dass zwei parallele Extremitäten – meistens die Beine – komplett gelähmt sind, während eine Tetraplegie alle vier Extremitäten, also beide Arme und Beine, umfasst.
Bei einer Querschnittslähmung hängt es von dem Ort der Rückenmarksschädigung (Läsion) ab, welche Lähmung auftritt:
- Liegt die Verletzung auf Höhe der Halswirbelsäule (C1 bis C8) führt eine Unterbrechung der Nervenfasern zu einer Tetraplegie.
- Bei einer Paraplegie liegt die Läsion im Bereich der Brustwirbelsäule (Th1 bis Th12) oder Lendenwirbelsäule (L1 bis L4). Zusätzlich kann sich die Lähmung auch auf Teile der Rumpfmuskulatur erstrecken.
Ursachen für Plegien
Grundsätzlich entstehen komplette Lähmungen aufgrund von Nervenläsionen im zentralen Nervensystem (ZNS). Meistens handelt es sich um eine Schädigung des Rückenmarks, das im Inneren der Wirbelsäule – genauer gesagt im Wirbelkanal – verläuft und zu einer Querschnittslähmung führt.
Lange Zeit galten Unfälle als häufigste Ursache einer Querschnittlähmung. Das hat sich in den letzten Jahren geändert: Dank verbesserter Präventionsmaßnahmen wie Sicherheitsgurte, Airbags und Rückenprotektoren ist der Anteil unfallbedingter Querschnittslähmungen auf 45 Prozent zurückgegangen – während der Anteil krankheitsbedingter Lähmungen kontinuierlich steigt.(2)
Krankheitsbedingte Querschnittlähmungen
In 55 Prozent der Fälle liegen Querschnittlähmungen Erkrankungen zugrunde. Dazu gehören:(3)
- Verschleißbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule (zum Beispiel Spinalkanalstenose, Osteochondrose, Spondylose, degenerative Lumbalskoliose)
- Bandscheibenvorfälle
- Wirbelbrüche infolge Knochenschwund (Osteoporose)
- Tumore an der Wirbelsäule oder Rückenmarkskrebs
- Durchblutungsstörungen des Rückenmarks
- Entzündungen des Rückenmarks durch Infektionen (Myelitis)
- Autoimmunerkrankungen (zum Beispiel Neuromyelitis optica, kurz: NMO)
Weitere Auslöser von Plegien
Eine Paraplegie oder Tetraplegie wird häufig mit einer Querschnittlähmung gleichgesetzt, bei der das Rückenmark geschädigt ist. Zu einer kompletten Lähmung von Extremitäten kann es jedoch auch durch eine Läsion der Nervenzellen im Gehirn kommen.
Diese können zum Beispiel bei einem Schlaganfall durch einen Verschluss einer Hirnarterie und der daraus resultierenden unzureichenden Sauerstoffversorgung geschädigt werden.
Weitere mögliche Ursachen für Tetraplegie und Paraplegie sind entzündliche Erkrankungen wie Poliomyelitis (Kinderlähmung) oder Meningitis sowie neurologische Erkrankungen, zum Beispiel Multiple Sklerose (MS), Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Guillain-Barré-Syndrom (GBS).(4)
Eine vollständige Lähmung kann auf die hereditäre spastische Paraplegie, eine seltene Erbkrankheit, zurückgehen.(5)
Paraplegie & Symptome
Eine Paraplegie ist durch die vollständige Lähmung beider Beine gekennzeichnet.
Dabei kann es sich um eine schlaffe oder eine spastische Lähmung der Muskulatur handeln. Ausschlaggebend dafür ist, welche Motoneurone geschädigt sind. Motoneurone sind die Nervenzellen des zentralen Nervensystems (ZNS), die direkt oder indirekt Kontrolle über die Muskeln ausüben.
Die oberen Motoneuronen befinden sich im motorischen Zentrum des Gehirns. Sie senden die Befehle an die im Rückenmark liegenden unteren Motoneuronen.
- Eine Läsion der oberen Motoneurone führt zu einer spastischen Paraplegie, was sich in gesteigerten Reflexen und einer erhöhten Grundspannung sowie Krämpfen der gelähmten Muskeln äußert.
- Sind die unteren Motoneuronen geschädigt, kommt es zu einer schlaffen Paraplegie. In den gelähmten Körperbereichen findet dann keine Muskelaktivität mehr statt.
Symptome und Folgeerscheinungen einer Paraplegie
Die Schädigung der Nervenbahnen beschränkt sich nicht nur auf die Motorik. Bei einer Querschnittslähmung mit Paraplegie sind die für die Empfindungen zuständigen Nervenfasern ebenfalls betroffen sowie das vegetative Nervensystem, das unter anderem die Verdauungs- und Ausscheidungsorgane kontrolliert.
Dies führt zu zahlreichen Symptomen und Funktionsverlusten. Deren Ausmaß ist abhängig davon, in welcher Höhe die Querschnittslähmung lokalisiert ist, ob das gesamte Rückenmarkssegment geschädigt wurde, beziehungsweise welche Nerven betroffen sind:(6)
- Kein Gefühl in den Beinen und einem Teil des Rumpfes
- Atemprobleme (je nach Höhe der Schädigung bei teilweise gelähmter Atemmuskulatur)
- Blasenfunktionsstörungen mit Harninkontinenz:
- Überlaufinkontinenz bei schlaffer Paraplegie: Die Blase entleert sich bei großen Harnmengen selbst.
- Reflexinkontinenz bei spastischer Paraplegie: Unwillkürlicher Harnabgang schon bei geringer Blasenfüllung.
- Gestörte Regulation von Körpertemperatur und Blutdruck
- Chronische neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen)
Tetraplegie
Auch bei der vollständigen Lähmung aller vier Extremitäten kann eine schlaffe oder spastische Tetraplegie vorliegen.
Bei einer Querschnittslähmung mit Tetraplegie befindet sich die Schädigung im Bereich der Halswirbelsäule. Je weiter oben – also näher am Kopf – das Rückenmark verletzt ist, desto weitreichender sind die Folgen.
Symptome einer Tetraplegie
Zusätzlich zu den Symptomen, die auch bei einer Paraplegie auftreten, ist die Atmung für Tetraplegiker ein kritischer Punkt. Die Brustatmung ist durch eine Lähmung der Zwischenrippenmuskulatur beeinträchtigt.
Liegt der Schädigungsort für die Tetraplegie bei C4 oder höher, führt dies zu einer Lähmung des Zwerchfells. Betroffene können dann nicht mehr selbstständig durch den Bauch atmen und müssen beatmet werden.(6)
Plegien: Diagnostik & Tests
Bei Verdacht auf eine Rückenmarksverletzung nach einem Sturz oder Unfall sollten Sie sofort einen Notarzt rufen. Dieser wird Sie noch an Ort und Stelle zu Ihren Symptomen und möglichem Unfallhergang befragen. Die weitere Abklärung erfolgt im Krankenhaus.
Verständigen Sie ebenfalls umgehend einen Arzt bei Lähmungen, die plötzlich ohne ein auslösendes Ereignis auftreten.
Ein ausführliches Anamnesegespräch und die anschließenden Untersuchungen erfolgen durch einen Facharzt für Neurologie:
- Zunächst werden grundlegende Funktionen überprüft wie: Muskelkraft, Empfinden und Reflexe in den betroffenen Körperteilen sowie Atem- und Herzfunktion.
- Mittels bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) kann der Arzt erkennen, wo genau die Nervenschädigung aufgetreten ist.
- Zur Messung der elektrischen Aktivität in Muskeln und Hirnrinde werden Elektromyographie (EMG) und Elektroenzephalographie (EEG) herangezogen.
- Die Leitfähigkeit der peripheren Nerven kann mithilfe der Elektroneurographie (ENG) festgestellt werden.
- Bei Verdacht auf eine Infektion wird dem Patienten Rückenmarksflüssigkeit entnommen (Liquoruntersuchung, Lumbalpunktion) und untersucht.
Sind für die Diagnosestellung zusätzliche Untersuchungen notwendig, kann die weitere Abklärung in einem spezialisierten Behandlungszentrum erfolgen.
Plegien: Therapie & Heilungschancen
Die Heilungschancen bei einer Tetraplegie oder Paraplegie hängen von den Ursachen der Lähmung ab. Bei vielen neurologischen Erkrankungen bleibt die Lähmung dauerhaft bestehen, auch eine Querschnittlähmung ist bis dato noch nicht heilbar.
Dank der besseren medizinischen Versorgung und Rehabilitation sowie der Entwicklung neuer Technologien – zum Beispiel bei Beatmungsgeräten und Hilfsmitteln – können die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen deutlich erhöht werden.(7)
Die Therapie bei Tetraplegie und Paraplegie richtet sich nach Ursachen und Ausmaß der Lähmung und wird individuell auf die Belange des Patienten abgestimmt.
Die therapeutischen Maßnahmen und Ziele orientieren sich an einem Phasenmodell, das von der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR) entwickelt wurde:(8)
Plegien: Tipps & Hilfe für Betroffene mit Plegien
Lähmungen bringen enorme Auswirkungen mit sich. Das bisher selbstbestimmte Leben ist nur noch teilweise oder nicht mehr möglich. Vor allem bei einer Tetraplegie sind Patienten fortan auf umfangreiche Pflegemaßnahmen angewiesen.
Sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen und den Alltag von Grund auf neu zu organisieren, stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen.
Unbürokratische Unterstützung bieten in dieser schwierigen Situation Interessensgemeinschaften und Verbände wie zum Beispiel die Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., die sich für die Bedürfnisse gelähmter Menschen stark machen. Hier erhalten Betroffene ausführliche Informationen und professionelle Beratung zu allen Fragen rund Anerkennung der Pflegebedürftigkeit, Beantragung von Hilfsmitteln, Versicherung, Rente und zahlreichen weiteren Themen.
Hilfreich kann zudem der Austausch mit anderen Betroffenen sein, der zum Beispiel in der Online-Community der Schweizer Paraplegiker Stiftung möglich ist.
Im Übersichts-Ratgeber zu Lähmungen gibt pflege.de weitere Tipps und Hilfe für Betroffene mit Lähmungen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind Plegien?
Von einer Plegie spricht man in der Medizin, wenn Extremitäten komplett gelähmt sind.
Was ist eine Tetraplegie?
Eine Tetraplegie ist die vollständige Lähmung aller vier Extremitäten, also beider Arme und Beine.
Was ist eine Paraplegie?
Paraplegie bedeutet, dass zwei parallele Extremitäten, also beide Arme oder Beine, komplett gelähmt sind. In den meisten Fällen sind von der Lähmung die Beine betroffen.
Was ist der Unterschied zwischen Paraplegie und Tetraplegie?
Bei einer Paraplegie sind zwei parallele Extremitäten – meistens die Beine – von der kompletten Lähmung betroffen, bei der Tetraplegie erstreckt sich die Lähmung auf alle vier Extremitäten, also beide Arme und Beine.