Pflegegrade haben Pflegestufen ersetzt
Was bedeutet Pflegestufe 0 / Pflegestufe null?
Der Begriff „Pflegestufe 0“ wurde nur umgangssprachlich verwendet. Das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) nannte diese Bezeichnung aber nicht ausdrücklich. In der Praxis fielen bis zum 31.12.2016 darunter alle Pflegeversicherten,
die unter dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz leiden und erhöhten Betreuungsbedarf haben.
Voraussetzungen und Kriterien für Pflegestufe 0
Die von Gutachtern überprüfte eingeschränkte Alltagskompetenz von demenzerkrankten, psychisch erkrankten oder geistig behinderten Menschen galt als das zentrale Kriterium, damit ihnen die Pflegekasse bis 31.12.2016 die „Pflegestufe 0“ und die damit verbundenen Leistungen zubilligen konnte.
In erster Linie bezogen vor allem Menschen mit Demenz, psychisch erkrankte oder geistig behinderte Menschen Leistungen der „Pflegestufe 0“, die voraussichtlich länger als ein halbes Jahr besonders betreut werden mussten. Nur wenn diese Voraussetzungen zutrafen, durften Pflegekassen die „Pflegestufe 0“ und die entsprechenden Leistungen genehmigen.
Voraussetzungen für Pflegestufe 0
Zur individuellen Einschätzung beurteilten Gutachter des Medizinischen Dienst ehemals MDK (bei gesetzlich Versicherten) oder MEDICPROOF (bei privat Versicherten) alle betroffenen Antragsteller auf Pflegeleistungen persönlich anhand eines Kataloges mit 13 Prüfkriterien. Mindestens drei dauerhafte Auffälligkeiten mussten die Gutachter bei Betroffenen feststellen, damit sie ihnen einen erhöhten Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf bescheinigen konnten.
Wer von seiner Pflegekasse nach seiner Begutachtung als erheblich eingeschränkt alltagskompetent anerkannt werden wollte („Pflegestufe 0“), sollte auch ein „Mindestmaß an Pflege“ benötigen, wie es die Begutachtungsrichtlinien besagten (siehe § 42a Pflegeversicherungsgesetz, SGB XI). Damit wurde ein geringer körperlicher Pflegebedarf zum Beispiel von körperlich noch recht gesunden demenzerkrankten Menschen beschrieben.
13 Prüfkriterien für erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz
Gutachter vom MDK (heute der Medizinische Dienst oder MD) oder MEDICPROOF begutachteten beispielsweise demenzerkrankte Menschen anhand der folgenden 13 Prüfkriterien:
- Unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches (sogenannte „Lauftendenz“).
- Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen.
- Unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdende Substanzen.
- Tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation.
- Im situativen Kontext unangemessenes Verhalten.
- Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen.
- Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung.
- Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben.
- Störung des Tag-Nacht-Rhythmus.
- Unfähigkeit, den eigenen Tagesablauf zu planen und zu strukturieren.
- Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen.
- Ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten.
- Zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression.
Wie viele Kriterien müssen für Pflegestufe 0 erfüllt sein?
- Voraussetzungen für „erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz“
Wenn die Gutachter des MD oder MEDICPROOF mindestens zwei Auffälligkeiten unter den oben genannten Kriterien 1 bis 9 bei Betroffenen für voraussichtlich länger als ein halbes Jahr als erfüllt ansahen, galt die Alltagskompetenz dieser Menschen als „dauerhaft erheblich eingeschränkt“. Als zweite Auffälligkeit konnten sie auch eine festgestellte Störung unter den Kriterien 10 bis 12 anerkennen. - Voraussetzung für zusätzlich „erhöhten Betreuungsbedarf“
Von „erhöhtem Betreuungsbedarf“ sprach man bis 31.12.2016 in besonders schweren Fällen. Einen erhöhten Betreuungsbedarf bescheinigten die Gutachter zum Beispiel Schwerdemenzerkrankten, wenn sie unter Einschränkungen litten, die in den genannten Kriterien 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 beschrieben sind. Insgesamt mussten sie in diesem Fall also drei Voraussetzungen aus der obigen Liste dauerhaft erfüllen. Beispiel: Etwa ein Schwerdemenzerkrankter mit eingeschränkter Alltagskompetenz und erheblich erhöhtem Betreuungsbedarf konnte bis 31.12.2016 sogar 208 Euro im Monat für Betreuungs- und Entlastungsleistungen ausgeben.
Häufige Diagnosen bei Pflegestufe 0: Zum Beispiel bei Demenz
Erfahrungsgemäß erkannten Pflegekassen bei folgenden Diagnosen zumindest eine „erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz“ an und gewährten Pflegeversicherten die Leistungen der „Pflegestufe 0“:
- Demenz
- Alzheimer
- Altersverwirrtheit
- Schwere Intelligenzminderung
- Geistesschwäche
- Geistige Behinderung
- Down-Syndrom
Pflegestufe 0: Antrag stellen
Wer eine Pflegestufe beantragen wollte, musste damals wie heute zunächst einen Antrag bei der zuständigen Pflegekasse stellen (heute: Pflegegrad beantragen). Gutachter vom Medizinischen Dienst (früher bekannt unter dem Kürzel MDK, bei gesetzlich Versicherten) oder MEDICPROOF (bei Privatversicherten) beurteilten im nächsten Schritt die häusliche Pflegesituation.
Leistungen und Geld bei Pflegestufe 0
Versicherte mit der sogenannten „Pflegestufe 0“ erhielten bis 31.12.2016 verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung. Dazu zählten:
- Pflegegeld oder Pflegesachleistungen
- Betreuungs- und Entlastungsleistungen
- Kurzzeitpflege
- Verhinderungspflege
- Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel
- Zuschuss zur Wohnraumanpassung oder für Wohngruppen (Senioren-WG)
Pflegegeld und Pflegesachleistungen bei Pflegestufe 0
Pflegeversicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz oder erhöhtem Betreuungsbedarf („Pflegestufe 0“) wie Demenzerkrankte hatten bis 31.12.2016 entweder Anspruch auf 123 Euro monatliches Pflegegeld bei ihrer Betreuung durch Angehörige und Freunde oder auf 231 Euro Pflegesachleistungen bei professioneller Pflege durch einen Pflegedienst.
Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei Pflegestufe 0
Pflegeversicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz hatten bis 31.12.2016 Anspruch auf Zuschüsse für Betreuungs- und Entlastungsleistungen von 104 Euro monatlich. Bestand bei ihnen nachweislich auch ein erhöhter Betreuungsbedarf, erhielten sie sogar 208 Euro für Betreuungs- und Entlastungsleistungen.
Unter Betreuungsleistungen fallen beispielsweise aktivierende Alltagsbeschäftigungen wie Gespräche, Spaziergänge, Malen, Basten, leichte handwerkliche oder gärtnerische Arbeiten, Kochen, Backen, Anfertigen von Erinnerungsalben, gemeinsames Singen oder Musikhören, Lesen oder Vorlesen, Bewegungsübungen mit Tanz, Besuche von Kultur- und Sportveranstaltungen, Gottesdiensten oder Friedhöfen.
Welche Betreuungsleistungen bezuschusste die Pflegekasse bei Pflegestufe 0?
- Betreuung durch anerkannte ehrenamtliche Betreuungsgruppen für Demenzerkrankte, familienentlastende Dienste, einen Tagesmutter-Service oder gerontopsychiatrische Zentren (siehe Anerkennungsverordnung für niedrigschwellige Betreuungsangebote nach § 45b SGB XI).
- Betreuung durch häusliche Pflegedienste mit besonderen Betreuungsangeboten.
- Betreuung in einer Einrichtung der Kurzzeitpflege, um zum Beispiel die Kosten für Unterkunft und Verpflegung zu decken.
Welche Entlastungsleistungen bezuschusste die Pflegekasse bei Pflegestufe 0?
- Hilfen im Haushalt
- Unterstützung im Alltag (Einkauf, Fahrten zu Arzt oder Apotheke, Botengänge)
- Organisationshilfen bei allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags (Überweisungsaufträge an Banken, Anträge an die Kranken- oder Pflegekasse)
- Entlastung der pflegenden Angehörigen (Begleitung des Pflegebedürftigen bei Besuchen von Nachbarn oder Rundgang im Garten)
Kurzzeitpflege bei Pflegestufe 0
Betreuungs- und Pflegebedürftige mit anerkannter „Pflegestufe 0“ konnten auch das Angebot der Kurzzeitpflege nutzen, wenn sie zum Beispiel nach einem Klinikaufenthalt vor der Heimkehr noch vorübergehend professionelle Pflege brauchten. Pflegekassen bezuschussten die Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim oder in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung für mindestens bis zu 28 Tage (vier Wochen) mit bis zu 1.612 Euro im Jahr.
Wer im Laufe eines Kalenderjahres keine Verhinderungspflege benötigt hat, konnte seit 2015 sogar einen erhöhten Zuschuss von 3.224 Euro für bis zu 56 Tage (acht Wochen) im Jahr für Kurzzeitpflege erhalten.
Verhinderungspflege bei Pflegestufe 0
Bei Krankheit oder Urlaub der privaten Pflegeperson konnte ein Pflegebedürftiger mit „Pflegestufe 0“ Verhinderungspflege durch einen professionellen Pflegedienst oder für die Betreuung geschulte ehrenamtliche Kräfte in Anspruch nehmen. Bei „Pflegestufe 0“ wurden ihm oder ihr dafür bis zu 1.612 Euro für höchstens 28 Tage (vier Wochen) im Jahr von der Pflegekasse gezahlt.
Weitere Leistungen bei Pflegestufe 0
Nicht nur Pflegegeld oder Pflegesachleistungen sowie Zuschüsse für Betreuungs- und Entlastungsdienstleistungen erhielten Menschen mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz („Pflegestufe 0“). Sie hatten außerdem Anspruch auf:
- Bis zu 40 Euro im Monat für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel
- Fördermittel zur altersgerechten Wohnraumanpassung von bis zu 4.000 Euro
- Zuschüsse für selbstorganisierte, ambulant betreute Wohngruppen (Senioren-WG): Für höchstens vier WG-Bewohner mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz („Pflegestufe 0“) zahlte deren Pflegekasse jeweils 2.500 Euro Gründungszuschuss zur Einrichtung ihrer WG-Zimmer und jeweils 205 Euro „Organisationszuschuss“ zur Beschäftigung einer Organisationskraft.
Stationäre Pflege bei Pflegestufe 0: Nur im Ausnahmefall
Stationäre Pflegeeinrichtungen wie Pflegeheime durften in der Regel nur Demenzerkrankte mit „Pflegestufe 0“ aufnehmen, bei denen der Gutachter die vollstationäre Pflege für notwendig hielt. Nur in ganz besonderen Fällen wurde diese „Heimbedürftigkeitsbescheinigung” schon bei „Pflegestufe 0“ ausgestellt – zum Beispiel für Menschen mit erheblich fortgeschrittener Demenz, die rund um die Uhr umfassend betreut und beaufsichtigt werden mussten.
Pflegestufe 0: Zuschüsse im Überblick
Die folgende Tabelle fasst für Sie noch einmal die Leistungen zusammen, die Pflegeversicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz bis zum 31.12.2016 beanspruchen konnten:
Umwandlung: Aus alter Pflegestufe 0 wurde neuer Pflegegrad 2
Aufgrund des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) gibt es seit 01.01.2017 ein neues System zur Einschätzung pflegebedürftiger, demenzerkrankter, psychisch erkrankter und geistig behinderter Antragsteller auf Pflegeleistungen. Seitdem beschreiben die neuen Pflegegrade 1 bis 5 den Grad der Selbstständigkeit von pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen. Die fünf Pflegegrade haben die alten Pflegestufen komplett abgelöst:
Umstellung Pflegestufen zu Pflegegrade, © pflege.de
Das Wichtigste in Kürze
- Aus alter „Pflegestufe 0“ wurde neuer Pflegegrad 2: Wer zum 31.12.2016 bereits eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz („Pflegestufe 0“) hatte, wurde von seiner Pflegekasse automatisch in den Pflegegrad 2 überführt und bekam damit eine „erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit“ bescheinigt.
- Keine erneute Begutachtung für bereits anerkannte Betreuungsbedürftige: Wer zum 31.12.2016 eine anerkannte „Pflegestufe 0“ hatte, musste nicht neu begutachtet werden.
- Je unselbstständiger und hilfsbedürftiger Gutachter einen Pflegedürftigen seit 01.01.2017 einschätzen, einen umso höheren Pflegegrad und umso mehr Leistungen erhält er von seiner Pflegekasse.
Häufig gestellte Fragen
Was ist Pflegestufe 0?
„Pflegestufe 0“ wurde bis zum 31.12.2016 nur umgangssprachlich genutzt. Und zwar für alle pflegeversicherten Menschen, die unter einer dauerhaft erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz litten und erhöhten Betreuungsbedarf hatten. Im Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) war die „Pflegestufe 0“ nicht ausdrücklich mit inbegriffen. Im neuen Pflegegrade-System entspricht die damalige inoffizielle „Pflegestufe 0“ dem heutigen anerkannten Pflegegrad 2.
Wie viel Geld gibt es bei Pflegestufe 0?
Hinweis: Zum 01.01.2017 wurde aus „Pflegestufe 0“ der neue Pflegegrad 2.
Mit einem anerkannten Pflegegrad 2 (ehemals „Pflegestufe 0“) haben pflegebedürftige Versicherte Anspruch auf verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung. Unter anderem Pflegegeld in Höhe bis zu 316 Euro pro Monat bei der häuslichen Pflege durch Angehörige, Bekannte oder Freunde.
Ab wann kann ich Pflegestufe 0 beantragen?
Hinweis: Zum 01.01.2017 wurde aus „Pflegestufe 0“ der neue Pflegegrad 2.
Einen Pflegegrad können Menschen dann beantragen, wenn sie in ihrem Alltag durch Dritte unterstützt werden müssen. Ob eine Pflegebedürftigkeit (gemäß Gesetzesbuch SGB XI) vorliegt, wird im weiteren Verlauf durch ein Gutachten geprüft. Laut dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) gelten alle Menschen als pflegebedürftig, die nach festgelegten Kriterien in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt sind und für voraussichtlich mindestens sechs Monate pflegerische und betreuerische Hilfen benötigen.
Besteht ein Anspruch auf Grundpflege bei Pflegestufe 0?
Hinweis: Zum 01.01.2017 wurde aus „Pflegestufe 0“ der neue Pflegegrad 2.
Grundpflege brauchen Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft nicht allein ihre alltäglichen Grundverrichtungen bewältigen können. Die Grundpflege umfasst hierbei Körperpflege, Ausscheidungen (Harnlassen, Stuhlgang), Ernährung, Mobilität, vorbeugende sowie fördernde Maßnahmen. Anspruch auf Leistungen der Grundpflege (gemäß Pflegeversicherung) haben alle Menschen mit anerkanntem Pflegegrad.
Gab es die Pflegestufe 0 auch ohne eingeschränkter Alltagskompetenz?
Nein. Als Grundvoraussetzung für die umgangssprachlich verwendete „Pflegestufe 0“ galt, dass die pflegeversicherte Person unter einer dauerhaft erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz litt und einen erhöhten Betreuungsbedarf aufwies.